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Kapitel 4

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Emotional und körperlich erschöpft schlief sie bis zum Morgen. Sie erwachte mit stechenden Kopfschmerzen. In ihrem Schrankabteil suchte sie nach Tabletten, bis ihr einfiel, dass sie im Jahr 1843 keine Medikamente unter ihren Habseligkeiten finden würde, erst recht nicht, wenn die Dinge, die sie gerade durchwühlte, ursprünglich jemand anderem gehört hatten. Also biss sie die Zähne zusammen und hoffte, dass der Schmerz durch viel Trinken und frische Luft vergehen würde. Sonst müsste sie doch noch in der Apotheke nach einem Mittel fragen.

Vor dem Waschtisch drängten sich bereits Frances, Mary und Elspeth, also schlüpfte Mia zuerst in ihr blaues Kleid, das sie bereits am Vortag getragen hatte. Der doppelte Unterrock aus festem Stoff war nicht so unangenehm zu tragen wie das Ungetüm, das zu dem edlen gelben Kleid gehörte, doch Hosen wären ihr trotzdem lieber gewesen. Die Kleider gehörten den Mädchen, doch die Schürzen, die in allen Schattierungen von gelb gehalten waren, nahmen sie aus dem Fach für den Allgemeinbedarf.

Beim Frühstück umklammerte Mia ihre Tasse, während sie Marys prüfende Blicke auf sich spürte. Es regnete in Strömen, und statt ihren Tee zu trinken, starrte sie aus dem Fenster. Es schien, als hätte sich das Grau der Regenwolken ihrer Stimmung angepasst. Das Sprichwort von dem alten Baum kam ihr in den Sinn und sie senkte den Blick auf ihre Tasse, um die aufsteigenden Tränen zu verbergen.

»Morgen und am Sonntag bist du nicht hier, oder?«, fragte Mary leise von der anderen Seite des Tisches. Mia nickte stumm. Sie verließ sich dabei auf das, was ihre Freundin sagte. Zwar wusste sie, dass ihr für sechs Arbeitstage zwei freie Tage zustanden und dass sich die Mädchen in einem festgelegten Rhythmus abwechselten, doch sie hätte weder sagen können, wann sie an der Reihe war, noch wer den Dienstplan erstellte. Dass sie nur Teile von Emmas Erinnerungen hatte, war anstrengend. Wie viele Fettnäpfchen hielt der Tag wohl für sie bereit?

Mit mürrischem Gesicht trank Mia einen Schluck des mittlerweile lauwarmen Tees. Nur mit Mühe hielt sie sich davon ab, das schwache Gebräu wieder auszuspucken. Morgen würde sie sich beeilen und den Tee wenigstens heiß trinken, dessen war sie sich sicher.

Der Gedanke an die Zukunft ließ Mia hart schlucken. Sie gehörte nicht in diese Dienstkleidung, nicht in das Schloss, nicht in diese Zeit. Gegen ihren Willen war sie hergebracht worden wie eine Gefangene. Sie war in eine Rolle gesteckt worden, die ihr nicht entsprach. Sie wusste nicht, ob sie darauf hoffen sollte, dass ihr schauspielerisches Können ausreichte. Vielleicht hatte ja irgendjemand oder irgendetwas ein Einsehen und schickte sie zurück nach Hause, wenn sie sich zu dumm anstellte.

»Das wird dir sicherlich guttun.« Mary stand auf und riss sie aus den trüben Gedanken. Es war Zeit, an die Arbeit zu gehen. Sie verzog das Gesicht und rieb sich oberhalb der Nasenwurzel über die Stirn, um den Druck in ihrem Kopf zu lindern.

»Hast du noch immer Kopfschmerzen?« Stumm nickte sie. Schon wieder oder noch immer, es machte keinen Unterschied, sie fühlte sich elend. Mitfühlend strich ihr Mary über das Haar.

»Ich habe noch einen Rest Weidenrinde in meinem Schrank, die kann Helen für dich aufkochen. Kannst du denn arbeiten? Den Tee zu machen dauert fast eine halbe Stunde, so lange kannst du nicht warten. Entweder man ist krank oder man kann arbeiten, sagt Mr Stewart immer. Wir fangen jetzt mit unserer Runde an, und du kannst kurz in die Küche gehen, wenn der Tee gezogen hat und du ihn trinken kannst, in Ordnung? Danach fühlst du dich bestimmt besser. Der Doktor ist schrecklich teuer, den können Leute wie du und ich nicht so leicht bezahlen. Mein Vater erzählt immer davon, wie es war, als unsere Familie noch wohlhabend war. Die Dougals hatten Land, Vieh und Leute, die für sie arbeiteten. Meine Ahnin war sogar eine McLaren, wusstest du das? Aber das alles ist schon so lange her, dass selbst mein Vater es nur noch aus den Geschichten seines Großvaters kennt, und wir müssen jetzt so hart arbeiten wie alle anderen auch. Jetzt gibt es nur noch die Buchanans und die McLarens.« Mary hielt sich die Hand vor den Mund. »Ich rede schon wieder zu viel, entschuldige.«

Ohne auf eine Antwort zu warten lief sie aus der Küche und kam mit einem kleinen Päckchen zurück, das sie Helen reichte. Die Köchin nickte ihnen zu, als sie die Küche verließen, und machte sich bereits daran, die Weidenrindenstückchen in kaltem Wasser anzusetzen.

Mary schien zu spüren, dass Mia weder reden noch zuhören wollte. Die beiden jungen Frauen arbeiteten leise und mit gut aufeinander abgestimmten Handgriffen. Mia war dankbar für das Verständnis und dafür, dass sie ihr die anstrengenderen Aufgaben abnahm. Nach einer knappen Stunde hatte Mia alle Oberflächen und Spiegel in den Herrschaftszimmern geputzt. Dann griff sie sich die schmutzige Wäsche und machte sich auf den Weg in die Waschküche, bevor sie bei Helen ihren Heiltee trank. Es würde eine Weile dauern, bis er wirkte, doch Mia wollte sich keine Pause gönnen. Die Zimmer der Herrschaft waren an diesem Morgen schnell in Ordnung gebracht und sie traf Mary in den unteren Quartieren des linken Flügels wieder, in dem die höhergestellten Bediensteten ihre Unterkunft hatten.

Sie wusste aus Erfahrung, dass die mittlere Gesellschaftsschicht in Zimmern, die nicht von den Bewohnern selbst in Ordnung gehalten wurden, dazu neigte, viel Schmutz und Chaos zu hinterlassen. Oft schon hatte sie sich darüber geärgert, wenn sie in ein unaufgeräumtes Zimmer im Hotel kam, bei dem sie erst den Boden hatte freiräumen müssen, bevor sie mit dem Staubsauger die vielen Krümel des auf dem Zimmer eingenommenen Abendessens entfernen konnte. Die Quartiere der Wache bestätigten ihre Vorahnung. Noch immer mit Kopfschmerzen machte sie sich daran, die dreckigen Uniformjacken vom Boden aufzulesen und in den Korb für die Wäscherei zu legen. Vier Männer teilten sich den Raum, doch anders als bei den Hausmädchen waren Paravents aufgestellt, sodass sie wenigstens etwas Privatsphäre genießen konnten. Den Bettlaken nach zu urteilen nutzte der eine oder andere dies vollkommen aus. Mia verdrehte die Augen und bereute es sofort, als der Kopfschmerz wieder stärker wurde. Sie bezweifelte, dass alle Männer so waren. Bei Fred hatte sie nie Spuren in der Bettwäsche entdeckt. Allerdings musste sie zugeben, dass sie die noch nicht oft und nicht von nahem gesehen hatte.

Von einem der Betten mit den angetrockneten Resten männlicher Befriedigung ging ein Geruch aus, der nicht an und für sich unangenehm war, Mia jedoch zurückzucken ließ. Sie kannte dieses Gemisch aus Duftwasser, Holzfeuer und Mann, und sie verband keine angenehme Erinnerung damit. Doch wieder fehlte das letzte Puzzleteil aus Emmas Wissen, und Mia fand keine Erklärung. So schnell wie möglich bezog sie das Bett neu. Das Laken steckte sie nicht ordentlich fest, wofür sie in ihrem anderen Leben eine Rüge von ihrem Chef kassiert hätte. Doch dem Mann, der in diesem Bett schlief, war es wahrscheinlich egal, und sie wollte schnell Abstand zwischen sich und das unangenehme Gefühl bringen, das der Geruch dieses Mannes bei ihr hervorrief.

Am späten Vormittag spürte Mia endlich, dass die Wirkung des Weidenrindentees eingesetzt hatte. Ihr Kopf fühlte sich nicht mehr so schwer an und der Druck wurde weniger. Endlich konnte sie an etwas anderes denken als nur stur ihrer Arbeit nachzugehen. Gemeinsam mit Mary erledigte sie die letzten Handgriffe im mittlerweile ordentlichen Zimmer der Wache, bevor sie mit vollen Körben über den Hinterhof in die Waschküche gingen.

»Wo warst du eigentlich gestern Abend?«

»Charlie hat mich zum Spaziergang ausgeführt.« Der Kopfschmerz war der Neugier gewichen, vor allem, weil Mary für ihre Verhältnisse einsilbig antwortete.

»Soso. Charlie. Keine schlechte Wahl, würde ich sagen.« Charlie Stewart war der Sohn des Hauptaufsehers des Hofes und würde ihm bald auf diesen Posten folgen. »Wie ernst ist es ihm denn?«

»Ach, sei still.« Mary war rot geworden. »Charlie ist, also, ich meine, er ist wunderbar. Höflich und nett und zuvorkommend, und ich glaube, er will mich heiraten. Er hat zwar noch nichts gesagt, aber, naja.«

Mia lächelte traurig. Sie sehnte sich so sehr nach Fred, dass es wehtat. Es war, als fehlte ein Teil ihres Körpers, so sehr schmerzte sein Verlust. Sie durfte nicht darüber nachdenken.

»So ernst ist es also?«

»Ich glaube schon. Ich bin ja auch schon siebzehn und sollte bald heiraten. Ich will ja nicht so lange warten, bis mich keiner mehr will. Wenn ich erst zwanzig bin, wer weiß – oh.« Peinlich berührt verstummte Mary. Mia war sich sicher, dass die Freundin sie nicht kränken wollen hatte, und zuckte lediglich mit den Schultern. Ihre Ankunft in der Küche und der Beginn des Mittagessens enthob sie einer Antwort.

Es war nicht gern gesehen, wenn Reste auf den Tellern blieben. In dieser Hinsicht glich Helen allen Köchen und Köchinnen. Mia war froh, ihren mangelnden Appetit auf die abklingenden Kopfschmerzen schieben zu können. Sie stocherte in ihrem Stück der Pastete herum. Der Einfachheit halber war der Fisch in der Füllung verarbeitet. Mia verabscheute den Geschmack nahezu jedes Speisefischs. Fischstäbchen waren wohl noch nicht erfunden, aber vielleicht käme Helen irgendwann auf die Idee, den freitäglichen Fisch in einem Mantel aus Bierteig zuzubereiten.

Den Nachmittag verbrachte Mia in der Gesellschaft Frances’. Sie war als erfahrenste unter den Hausmädchen eine alte Jungfer, die wohl zeitlebens in Anstellung bleiben würde. Mia schätzte ihr Alter auf Ende dreißig. Strenge Falten um den Mund ließen sie älter wirken.

Mit schweren Wassereimern und Bohnerwachs beladen führte sie der Weg in die Bibliothek. Staunend blieb Mia am Eingang stehen. Von einem kleinen Lesezimmer gingen mehrere Räume ab. Durch die offenen Türen konnte sie die Regalreihen sehen, die sich unter der Last zu biegen schienen. Im Leseraum fehlte die in den Wohnräumen allgegenwärtige blaue Tapete mit Blumenmuster. Stattdessen waren die Wände weiß gestrichen. Drei Ohrensessel standen um einen niedrigen Tisch, über dem der Kronleuchter passgenau angebracht worden war und auf dem ein Stapel in Leder gebundener Bücher lag. Mia wähnte sich im Paradies. Oder eher der Hölle, denn sie wusste, dass diese Schätze nicht für sie bestimmt waren. Sie schreckte aus ihrer Träumerei, als Frances mit fester Stimme »Mylord« sagte und knickste. Erst da bemerkte sie, dass in einem der Sessel Frederick saß. Sie erkannte sein helles, jungenhaftes Gesicht wieder. Sein verletztes Bein ruhte auf einem gepolsterten Schemel und er lächelte verhalten.

»Mylord«, grüßte nun auch Mia. Sie wusste, was von ihr erwartet wurde, und brachte den Knicks irgendwie hinter sich. Es hatte nicht besser ausgesehen als auf dem Cosgailkirker Fest, doch den Sohn des Berserkers schien das nicht zu stören. Freundlich nickte er den Frauen zu, bevor er sich wieder seiner Lektüre zuwandte.

Mia stellte ihren Eimer im rechten Bibliotheksraum ab. Staunend sah sie hoch zur Decke, an der ein Fresko angebracht worden war. Es zeigte eine Szene aus den Historien des Herodot: Der Richter Otanes wird durch die grausige Strafe, die seinen Vorgänger getroffen hatte, ermahnt, immer gerecht zu urteilen. Mia verzog das Gesicht. Sie hatte sich nicht gerecht behandelt gefühlt, als sie aus ihrem Leben herausgerissen worden war. Magie schien über allen Dingen zu stehen, was sowohl schrecklich als auch tröstlich war.

In den Regalen standen die Bücher dicht an dicht. Die meisten waren in Leder gebunden und trugen den Titel eingeprägt auf dem Rücken, doch es gab auch Papierbände, die durch häufiges Lesen bereits Eselsohren aufwiesen. Was für ein Schatz lag hier vor ihr! Bücher, die im einundzwanzigsten Jahrhundert als antik galten, konnte sie hier in neuem, beinahe druckfrischem Zustand bewundern. Sie sog den Geruch nach Leder und Papier ein. Es war ein anderer Duft, als sie ihn aus den Bibliotheken ihrer Zeit kannte, doch es roch unverwechselbar nach Wissen und den Schätzen der Menschheit. Befangen streckte sie die Hand aus, um über die Buchrücken zu fahren. Das Gefühl, beobachtet zu wirken, beschlich sie, und ganz langsam, um nicht ertappt zu werden, drehte sie sich um. Frederick hatte sein Buch in den Schoß sinken lassen und sah sie an.

Schnell zog sie die Hand zurück. Es stand ihr nicht zu, diese Bücher als Lesematerial zu begehren. Doch Frederick wirkte nicht erbost über ihre forsche Tat. Unverwandt sah er sie an, und Mia wurde mutig. Sie sah zu den Büchern und dann fragend zu ihm, und als er nickte, zog sie ganz behutsam einen Band aus dem Regal, auf dessen Rücken »The Pathfinder« eingeprägt war. Zärtlich fuhr sie über das Leder und schloss die Augen. Als sie das Buch aufschlagen wollte, hörte sie Frances im Nebenraum den Eimer abstellen und schrak zusammen. Schnell schob sie das Buch zurück an seinen Platz neben die anderen Bände des Autors. Sie war gerade fertig, als die Ältere schon in der Tür stand.

»Würdest du bitte arbeiten!«, fauchte sie und Mia sah beschämt zu Boden. Sie wollte Frances nicht zur Last fallen, doch sie hatte sich nicht beherrschen können. Nun würde sie sich beeilen müssen, um die verlorene Zeit aufzuholen. Frances verschwand wieder und Mia sah auf. Noch immer wurde sie von Frederick beobachtet. Und dann geschah das Unerhörte. Er zwinkerte. Mia lief rot an und griff schnell nach Eimer und Bürste. Sie hob den Blick nicht wieder, bis sie den Boden von jedem Staubkörnchen befreit und gewienert hatte. Unterdessen war der Invalide aus dem Lesezimmer abgeholt worden.

Sie hatte sich getäuscht. Sie musste sich getäuscht haben, denn das war die einzige Erklärung. Frederick konnte ihr nicht zugezwinkert haben, er durfte ihr nicht zugezwinkert haben. Bestimmt war es nur ein nervöses Zucken gewesen, und sein Lächeln hatte nicht ihr gegolten, sondern einem Gedanken, der ihm gekommen war.

Einigermaßen überzeugt wandte sich Mia wichtigeren Fragen zu. Gleich würde sie wieder zu Sybilla gehen, und dieses Mal wollte sie Antworten auf ihre Fragen.

Der Regen vom Vormittag hatte sich in ein leichtes Nieseln verwandelt. Mia schlang das Schultertuch fester um sich, während sie versuchte, den größten Pfützen auf dem Weg auszuweichen. Obwohl sie nur einmal im Cosgailkirk ihrer Zeit gewesen war, empfand sie die veränderte Landschaft als seltsam. Die Bäume waren dünner und nicht so hoch gewachsen, und es gab wesentlich mehr Unterholz. Die Wege waren schmaler und schlecht befestigt, mit Spurrillen der schweren Kutschen darin. In der Stadt waren die Straßen gepflastert, doch bereits in den äußeren Bereichen, in denen die Häuser der Arbeiter und die Bauernhöfe standen, gab es nur noch Schotterwege. Mias Schuhe scheuerten an der Ferse und sie sehnte sich nach Teerstraßen und sauberen Bürgersteigen.

»Zieh deine Stiefel aus.« Eine Begrüßung schien ein fremdes Konzept für Sybilla zu sein. Mia störte sich nicht daran. Ihr war ohnehin nicht nach Höflichkeiten zumute.

»Warum?«

»Deine Füße sind wund und ich kann dir helfen.« Mia, die gerade ihr Schultertuch abnahm, hielt inne. »Jetzt schau nicht so erschrocken, ich habe dich kommen sehen. Du humpelst. Ich weiß zwar nicht, warum du passend gekleidet in dieser Zeit angekommen bist, aber ich erkenne, dass diese Schuhe nicht für dich gemacht worden sind.« Sie nahm ihr das gestrickte Tuch aus der Hand und bedeutete ihr, sich hinzusetzen. Mia gehorchte, weil sie nach den Ereignissen der letzten Tage keine Kraft mehr hatte, sich zu widersetzen.

»Ich will doch nur in Frieden gelassen werden«, murmelte sie.

»Das wirst du auch, Emma. Der Anfang ist immer schwer. Kommst du am Hof zurecht?«

So viel Fürsorge der alten Frau war neu für Mia.

»Mary hilft mir, obwohl sie gar nicht merkt, wie sehr ich mich auf sie verlassen muss. Das Schultertuch hat sie mir geliehen.« Ihr eigenes, das zu dem gelben Kleid gehörte, war irgendwo zwischen den Zeiten verloren gegangen. Mia drückte die Hand in den schmerzenden Rücken, bevor sie sich wieder aufrichtete und ihre nun aufgeschnürten Stiefel mit Hilfe des jeweils anderen Fußes vom Spann schob.

»Ich habe auch Teile von Emmas Erinnerungen«, ergänzte sie. »Leider lässt mich dieses Wissen immer dann im Stich, wenn ich es wirklich bräuchte.«

»Mit der Zeit wirst du immer mehr verstehen. Das passiert selten und ist ein Geschenk der Magie. Nicht alle Zeitwanderer nehmen den Platz eines anderen Menschen ein, sie müssen sich ein ganz neues Leben aufbauen.«

Mia biss sich auf die Zunge. Sie wolle die Hilfsbereitschaft der Alten nicht aufs Spiel setzen, also behielt sie für sich, dass auch sie lernen musste, ein vollkommen neues Leben zu führen.

Sybilla kniete sich hin und stellte Mias Füße auf ihre Oberschenkel. Mit den Handflächen berührte sie sanft die aufgescheuerten Stellen. Dann schienen sie mit einem gelben Licht zu leuchten und Mia konnte die Wärme spüren.

»Was tust du da?«

Sybillas fester Griff verhinderte, dass sie zurückzuckte.

»Ich wirke Magie. Halt still.«

Wieder gehorchte sie. Was immer Sybilla gerade tat, es fühlte sich gut an ihrer geschundenen Haut an. Sie seufzte leise, als sie schließlich losließ, und begutachtete das Ergebnis. Die Fersen ihrer Füße waren noch leicht gerötet, doch die Haut war unversehrt.

»Bist du«, sie räusperte sich, um weitersprechen zu können. »Bist du eine Hexe?«

Sybilla nickte langsam und rieb sich über die Arme, als fröre sie.

»Dann beherrschst du die Magie?« Mia konnte nicht verhindern, dass ein winziger Hoffnungsfunken aufglomm, sogar als die Alte den Kopf schüttelte.

»Magie ist wie ein Fluss. Du kannst dir etwas von dem Wasser schöpfen, aber das große Ganze wird immer den Weg nehmen, den es will.«

»Dann kannst du mich nicht zurück durch das Steintor schicken?«

Sybilla seufzte tief und stand auf. Mit der rechten Hand schob sie eine lockere Haarsträhne wieder in ihre Frisur.

»Nein.«

Mia und der Erbe des Highlanders

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