Читать книгу Wer zählt die Völker, nennt die Namen - Moritz Liebtreu - Страница 10
Wann fliegt hier alles in die Luft
ОглавлениеAuf dem Schreibtisch in der Dachkammer türmen sich jetzt die Akten, aufgeschlagene Bücher, Zeitschriften, Notizen, mit C's Hilfe ging alles schneller, fast ehrfürchtig sitzt er vor dem gesammelten Wissen. Englischsprachig das meiste, selbst bei einiger Übung noch manch eine harte Nuss darunter. Die Auswahl ist schwierig, so umfangreich werden die Informationsquellen, und die Computer spucken auf einzelne Stichworte hin, listenweise vorhandene Literatur aus, aber je ungewöhnlicher sich seine Ideen entwickeln, sich ein Thema eingrenzt, umso mehr schmilzt der Berg. Denkt zwischendurch, dass er diese Vorbereitungsphase zu lange ausdehnt, sich hier eine Sammelleidenschaft ausdrückt, und er den Zeitpunkt zu lange hinauszögert, erste eigene Sätze zu Papier zu bringen. Vor diesen einleitenden Worten bestehen beträchtliche Ängste und oft landen sie mehrfach im Papierkorb, denn sie sind das Sprungbrett, bestimmen die Richtung, dürfen nicht unterschätzt werden, sonst ist eine erste Bruchlandung und vielleicht frühe Resignation die Folge. Erste Versuche zu ordnen, kurze Stichworte auf kleinen Zetteln helfen bei der Gliederung, was kann man wirklich verwenden, wo muss er sich noch durchbeißen?
Ohne dass er es richtig wollte, bekommt das Vorhaben langsam Fahrt, hat er jetzt überhaupt genug Energie dafür, lässt die Arbeit, Familie und na ja, ... , das zu? Er weiß genau, dass er zum richtigen Zeitpunkt Pausen einlegen muss, dann, wenn es noch Spaß macht, und die Arbeit setzt sich allmählich von selbst fort, bekommt eine eigene Dynamik - ist nur erst der zündende Funke gefallen, der Leitgedanke aufregend originell, und wieder und wieder die Überprüfung, ist er stimmig, gibt es Zweifel, Fehler? Wo gibt es Anbindungen an andere vorhandene Ideen, Abgrenzungen? Einfälle kommen nun ganz plötzlich, unerwartet, im Auto, bei jeder Gelegenheit. Hält er es für wichtig, wiederholt er es für sich mehrmals, damit es sich einprägt. Sollte er sich nicht zwischendurch Notizen machen? Nein, nicht ständig wichtigtuerisch mit Zetteln herumlaufen. Aber, je älter man wird, umso sicherer ist man sich, etwas nicht zu vergessen und schon ist es weg.
Um diesen Vorgang abzubrechen, einmal abzuschalten, bedarf es einer wirklich starken Ablenkung. Daran, dass schöpferische Arbeit von anderen Trieben befreien kann, glaubt er nicht, vielmehr scheint es in solchen Situationen noch komplizierter, schwieriger zu sein, diese zu befriedigen. Einer von vielen Irrtümern, die dieses Jahrhundert geprägt haben, denn die Ansprüche scheinen da eher zu steigen, sind weniger leicht zu erfüllen, von wegen Sublimierung.
Alltägliches fällt schwerer, einfachste Tätigkeiten werden zur Qual, erfordern eine hohe Konzentration, als ob die eigene Speicherkapazität überlastet sei. Beim Frühstück greift er zu den falschen Gefäßen, kippt das Müsli in die Kaffeetasse, alles Mögliche fällt ihm aus der Hand, vergisst er, knallt den Kollegen die Tür vor der Nase zu, grüßt nicht. Nach dem Gang auf die Toilette vergisst er die Hose zu schließen, wäre bei-nahe mit dem Auto auf den Radweg eingebogen, erlebt diese ganzen Missgeschicke wie durch einen Schleier trotz- dem mit. Unmut breitet sich gegen ihn aus, macht alles noch schwerer. Was ist bloß los mit dem, wo ist der mit seinen Gedanken? und statt Mitleid, Schadenfreude: Na, schon wieder etwas vergessen, ja, wer es nicht im Kopf hat. Zu Hause nähert sich die Stimmung der Verzweiflung, " mein Gott, wann ist der endlich fertig?", da denkt doch niemand an ein Verhältnis.
Oder waren da etwa ungewöhnlich prüfende Blicke, nein, bloß nichts einbilden. Und was heißt da Verhältnis, was war denn schon passiert? Darüber sollte er mal etwas schreiben. Was Pärchen, die mit dem losfuhren, wenn man waren das damals Proteste, als die ersten nackten Busen auf den Zeitschriften erschienen, wenn man sich jetzt das Angebot in den Videotheken ansah, das alles in einer Generation. Das Verhalten zwischen den Geschlechtern hatte sich doch stark geändert, ohne dass es eine neue Ethik, neue Wertvorstellungen gab, nur, dass die alte Moral unaufhaltsam bröckelte. Vieles spielte sich unausgesprochen, noch mit einem schlechten Gewissen, aber trotzdem in aller Öffentlichkeit ab. Satellitenfernsehen, ein weltweit ungehinderter Informationsfluss würde aber bald offenere Diskussionen erzwingen, die Heranwachsenden, denen nichts verborgen bleibt, werden Fragen stellen.
Vielleicht waren in anderen Kulturen schon bessere Konzepte vorhanden, diese Entwicklungen zu integrieren, brauchte gar nichts neu sein.
C ist ein guter Gesprächspartner oder hatte sie es vorwurfs-voll gemeint, als sie äußerte: "Du kannst gut über alles reden", und dann so eine Pause machte.
"Kennst du mein Elternhaus, im Augenblick ist niemand da?"
"Ja, von den Radtouren", aber dann fühlte er sich da erst so unwohl, dass er kaum richtig Platz nahm.
Für sie gab es inzwischen nichts Schlimmeres als längere Zeit im Auto zu sitzen, sich dabei noch den Hals zu verrenken, ob nicht doch jemand sie sähe und soweit konnte man nicht weg fahren, dazu fehlte einfach die Zeit. Selbst hatte er früher über solche Leute den Kopf geschüttelt, Wagen auf Feldwegen standen, plötzlich sich näherte. C hatte sich viel Mühe gegeben, ein großer Strauß frischer Schnittblumen zierte den Tisch und damit er es merkte, zupfte sie noch einige Stängel zu Recht. Ein duftender, noch warmer Kuchen wurde stolz hereingebracht, "Apfelstrudel, nimmst du Sahne?" Da lief einem das Wasser im Mund zusammen, saftig, locker schmeckte er, "richtig professionell", sagte er nicht ohne Spott, "die erste gemeinsame Häuslichkeit, wenn nun deine Mutter plötzlich zurückkommt?"
"Ich mache das doch nicht ohne ihre Einwilligung", sagte sie nicht ohne Entrüstung. Möchtest du noch einen Kaffee oder lieber Sherry, alter schottischer Whisky ist da, kannst du selbst einmal nachschauen."
"Ein bisschen Kaffee noch, trinke kaum Alkohol, aber du kannst mich ruhig öfter bemuttern."
"Lass mich doch, sei nicht so hässlich, rauchst nicht, trinkst nicht, hast du gar keine Laster?"
"Toll siehst du aus mit deiner Bluse, sehr schick, betont wundervoll deine Figur", war das nun eine Antwort oder nicht?
"Findest du wirklich", richtet sich ein wenig auf.
"Ja, mit dem dunklen Rock dazu, sexy."
"Das ist doch nicht dein Ernst, wo bist du mit deinen Gedanken - bieder, hoch geschlossen die Bluse, der Rock reicht bis über die Knie hinaus, sieh. Stellt sie sich gespielt entrüstet hin, beweist ihm seinen Irrtum. "Ich möchte mal wissen, was du erotisch findest?"
"Hm, das ist stark von der jeweiligen Situation und Stimmung abhängig. Die fremde Wohnung - macht mich etwas befangen."
Aber sie fühlte sich wohl, streckte sich lang aus, als sei sie einer Enge entflohen und endlich mal ein paar Stunden nur für sich, nicht zu glauben. "Wie kommst du denn zu diesem ungewöhnlichen Namen, Pupidu, hört sich so Französisch an?"
"Das ist eine merkwürdige Geschichte. Die Familie des Vaters stammt ganz aus der Nähe, aus diesem kleinen Kaff da, meine Mutter aus dem Elsass. Mein Vater hat nach dem Krieg einen anderen Namen angenommen. Ursprünglich hieß die Familie, na, ist ja auch egal. Er hat dies nie begründet, überhaupt haben wir nur wenige persönliche Worte miteinander gesprochen. Auf Fragen zur Abstammung reagierte er sehr schroff und abweisend. Es war ein Tabu über Familienangehörige oder seine Vergangenheit zu sprechen."
"War es der Name der Mutter?"
"Das habe ich zunächst ebenfalls angenommen, aber es war wohl ein reines Phantasieprodukt. Die Mutter ist sehr früh gestorben, als ich neun war, habe sie nur krank und gebrechlich erlebt. Hat sich wohl ständig Sorgen gemacht, wie es weitergehen soll, sah mich häufig so seltsam an. Nach ihrem Tod, kam eine Art Haushälterin, die aber nicht fest bei uns wohnte. Später habe ich überlegt, ob sie ein Verhältnis mit meinem Vater hatte, weil sie anscheinend doch mal über Nacht blieb, nicht nur, wenn er nicht da war, morgens dann so verlegen aussah, an ihrer Bluse herumzupfte. Ansonsten zeigte sie keine Gefühle und das Reden schien ihr große Qualen zu verursachen."
Gut erinnere er sich daran, dass sie ständig dunkelblaue Schürzen trug, mit kleinen weißen Punkten oder nichtssagenden Mustern darauf. Die Hände waren schwielig, als ob eine zweite Haut darüber gezogen war. Ein Fingernagel war verstümmelt, hatte die Form eines kleinen Vogelschnabels. Sie war sehr breit, von der Figur her sah sie kastenförmig aus, viereckig, ohne Rundungen. Ein großer Knoten, mit einem Haarnetz um- spannt, zierte ihren Kopf und überall diese kleinen Haarklammern, das gab es heute gar nicht mehr. Nie sah man sie lachen. Überhaupt galt das in ihrer Generation wohl als unanständig, eine Schwäche, war was für Kinder oder auf bestimmte Feierlichkeiten, Saufgelage, beschränkt. Die machten alle finster grimmige Gesichter. Fanden es erstrebenswert, anderen Menschen Furcht einzuflößen. Lag es daran, dass sie Schlimmes erlebt hatten, oder gehörte es nach ihrer Meinung zum Erwachsensein, möglichst düster drein zu blicken? Na ja, einige Nachfolger hatten sie schon gefunden.
Wortlos stellte sie das Essen hin, wartete geduldig bis er das Besteck hinlegte, aufstand, räumte wieder ab. Nein, sie setzte sich nicht zu ihm an den Tisch, konnte ohne Mühe lange stehen, war ungerührt, wenn er keinen Hunger hatte, nichts anrührte oder mit großem Genuss aß, teilnahmslos schaute sie durch ihn hindurch. Wortlos kam sie morgens ins Zimmer, zog die Vorhänge auf, nicht einmal einen guten Morgen wünschte sie, als sei sie taubstumm. Irgendwann vergaß er ihre Anwesenheit, hörte selbst auf, ein Wort zu sagen. Dabei soll sie eine große Familie gehabt haben, über zehn Kinder, aber schon größer. Er stellte sie sich alle schweigsam vor, stumm regelten sie ihr Tagwerk, wuschen sich, aßen, spielten, gingen zu Bett, ohne ein Wort zu sagen, in der Familie Sprachlos.
Meistens redete er dann mit sich selbst, bewegte sogar die Lippen dabei, lächelte in sich hinein. Bis ihn andere Kinder hänselten und er darüber erschrak. "Der führt ja Selbstgespräche.“ Mühsam versuchte er es sich abzugewöhnen, jedenfalls nichts mehr nach außen dringen zu lassen.
"Ab und zu sagte sie sogar mal junger Herr zu mir, wenn sie vom Vater etwas ausrichten sollte, was ich sehr komisch fand. Der Vater war viel außer Haus, ging auf Reisen, hockte in seinem Geschäft, das wohl ganz gut ging, hatte seine Angestellten. Zu Hause kramte er in seinem Arbeitszimmer ständig in irgendwelchen Papieren herum, verschwand regelrecht mehrere Tage darin, ging zu Versammlungen, war dann wieder tagelang auf Reisen, schrieb kurze Postkarten: Viele Grüße aus ..., Dein Vater, sonst kein Wort - hat die ganze Welt gesehen. Hakte Länder, Kontinente ab, als erfülle er damit eine
Pflicht, erbringe eine große Leistung, überall gewesen zu sein. Als Kind war ich einmal sehr erschrocken, als ich ohne anzuklopfen in sein Zimmer trat, und er dort in einer schwarzen Uniform stand, mit schwarzer Schirmmütze, schnell schloss ich die Tür wieder - heute glaube ich, dass es eine SS Uniform war. Dadurch fürchtete ich mich noch mehr vor ihm und mied möglichst ganz seine Nähe. In der Jugendzeit hörte ich mal Bemerkungen über ihn, der hieß doch früher …, war ein hohes Tier bei den Nazis, war der nicht sogar, ist doch immer noch dabei. Die Sprache bruchstückhaft, verschleiernd, so genau wollte sich niemand festlegen. Auf neugierige Fragen nach weiteren Einzelheiten entstand eine dichte Mauer des Schweigens. Einige Leute wurden sogar bedrohlich, "lass die Finger davon, dass geht dich nichts an!"
Manches kam an Erinnerungen hoch als ich das Manuskript von dem flüchtigen Bekannten weiterlas, wollte was ich dir noch zeigen, muss ja eine irre Type sein, hat da eine Art Unterschriftenaktion, „Der Letzte Aufruf“, gestartet. Es geht wohl darum, dass Menschen persönliche Verantwortung für unter den Nazis geschehenes Unrecht und Leid übernehmen (s. Archiv 2, letzte Seite des Buches). Na, damit wird er wohl ganz schön angeeckt sein. Das ist wohl sein Leben.
Der Zettel war schon ganz vergilbt, speckig, kaum noch zu lesen, wie lange der das wohl schon mit sich herumgeschleppt hat und was machen wir damit? Es wird ohnehin bald der letzte gestorben sein, der dies zu uns sagen könnte. Vielleicht hätte so etwas viel dazu beitragen können, sich gegenseitig besser zu verstehen und ähnliches zu verhindern?"
"Meinst du, du musst es zurückgeben?"
"Verdammt, ich weiß es nicht. Vorsichthalber habe ich das Manuskript unter „Archiv“ auf das I-Phon geladen und in einem Umschalg mit gleicher Aufschrift zu meinen persönlichen Sachen genommen.“
Da steht sie auf einmal vor ihm, streichelt sanft über seine Haare: "Wir haben uns bisher nicht auf den Mund geküsst, weißt du das?"
"Ich glaube wir sind beides Typen, die nicht so leicht jemanden an sich heranlassen - Schwierigkeiten mit Nähe haben."
"Hast du es dir nicht vorgestellt", sagte sie, "möchtest du es nicht, willst du nicht so weit gehen - habe ich jetzt deine gute Laune verdorben?"
"Nein, ich habe schon daran gedacht. Die Phantasie, es das erste Mal zu tun, hat mich öfter fasziniert, ist mir wie ein kostbarer Zauber vorgekommen, zerstören wollte."
"Aber warum zerstören?" sagt sie fast verzweifelt, wendet sich etwas von ihm ab.
"Bitte, versteh mich nicht falsch, ich bin da wohl etwas schwierig."
Sie kommt wieder näher zu ihm heran, lächelt, hat gleichzeitig eine kleine Träne im Auge, beugt sich zu ihm hinunter , die kleine Träne tropft auf seine Nase und ihr Mund zittert leicht als sich ihre Lippen berühren, nur ganz sanft, viel Zeit lässt sie sich dabei, ganz dicht spürt er ihren Atem.
"So", sagt sie, "jetzt bist du entzaubert", beide lachen.
"Jetzt möchte ich das auch mal probieren", sagt er.
"Nein, du wolltest ja nicht." Sie blödeln, dabei wehrt sie sich zum Schein, stolpert, liegt plötzlich auf ihm und sie spüren sich mit dem ganzen Körper. Vorsichtig rutscht sie zu seinem Kopf hoch, ihre Kleidung knistert aneinander, hält ihm dann ihren Mund hin, schließt dabei ihre Augen, und er darf es auch zum ersten Mal machen. Stärker als zuvor spürt sie seine stachelige Haut~ reibt ihre Wange an den seinen.
Hatte er es schon zu oft genossen, dies zum ersten Mal zu tun? Diese grauenvoll verqualmten Diskotheken, wo man das eigene Wort nicht verstand. Ohne ein zwei Biere zum Aufwärmen funktionierte gar nichts, fehlte der Mut, den Leidensgenossen ging es nicht anders. Verstohlenes, ungemein linkisches Auf- fordern zum Tanzen und möglichst gleichgültig in die Gegend blicken, sich bloß nicht ansehen lassen, dass man vielleicht Interesse hatte. Furchtbar die eigene Unbeholfenheit und die Passivität der jungen Damen. Der nächste Schritt nach dem Tänzchen war der Schwierigste, trank man noch was zusammen, stand man einfach noch so da, steckte schon aus Verlegenheit eine Zigarette nach der anderen an, blickte sich kurz fragend an? Wie ein süßes Gift waren dann diese Momente, ohne viele Worte, was ja nicht möglich war, sich tiefer in die Augen zu sehen, Sympathie, Interesse zu entdecken, vielleicht den Arm etwas schützend um die Schulter zu legen, bei dem Gedränge, die erste sanfte Berührung, und der erste Kuss, nur ganz vorsichtig, wo kam dieses Einverständnis so schnell her?, gerade in diesem Augenblick eher hinauszögern, damit spielen, ob sie einem entgegen kommt, macht sie mit, den anderen necken, zum Lachen bringen, den Kopf leicht zurücknehmen und sich wieder nähern, dieses unbeschreibliche Kribbeln genießen und langsam näherten sich dann die Lippen - dieser unvergessliche erste Augenblick. Heftiges Verliebt sein und das abrupte Ende und der Kummer ließ sich nur so ertränken, heftiges Verliebt sein und Diese Zeit hatte er sich nicht wieder zurückgewünscht, obwohl eine Sehnsucht nach dieser Droge wohl in ihm geblieben war. Die Mädchen misstrauten ihm, der meint es nicht ernst, erschien ihnen eingebildet und entrückt, fühlten sich dennoch von ihm angezogen, der zu einer tieferen Beziehung noch nicht fähig war. Damals noch nicht, dachte er, aber heute, hatte sich da wirklich was geändert? Über zehn Jahre Ehe waren nicht der geringste Beweis dafür, dass er da zur Ruhe kam oder gab es das überhaupt nicht und wie war es bei ihr? Keine Frau konnte ihm weiblich genug sein. Hatte er sich da früh Ideale zu Recht geträumt, die durch nichts zu erfüllen waren? Stellt er sich Feen vor, von einer Sanftmut, einer Weichheit, einer Wärme und Zuneigung, wie sie nur im Märchen vorkam und gleichzeitig einer erotischen Ausstrahlung, die keine Nähe ertrug, nicht den Alltag, nur ein erstes Mal, nur bei einer flüchtigen Berührung zu empfinden war? Das war es, was ihn bisher mit ihr verband; es waren lauter flüchtige Begegnungen, kurze Momente, Augenblicke, lauter erste Male.
Beide wollen erst mal nicht mehr, sitzen noch nebeneinander auf dem Sofa, berühren sich nur noch mit den Fingern. "Ich glaube du brauchst viel Freiraum, Pu, man darf dir nicht zu nahe kommen. Es geht mir wohl ähnlich, obwohl ich es mir immer anders wünsche - sehe dir so gerne in die Augen, erschreckt mich manchmal richtig, wie ein, er tiefes Labyrinth kommt es mir darin vor, als könne ich mich darin verlieren. Kann mir nicht vorstellen, dich jemals gleichgültig so an zu schauen, kann es manchmal gar nicht längere Zeit ertragen."