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Ein neuer Weg

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Es war weit nach Mittag als sich die Krieger und die beiden Heiler auf den Weg machten.

Sie alle waren dick angezogen.

Es hatte den ganzen Tag unablässig geschneit und die Temperaturen waren weit unter dem Gefrierpunkt. Der Himmel war weiß und die drei Sonnen wolkenverhangen.

Kite konnte beobachten wie sich einzelne Schneeflocken in Mias fast schwarzen Haaren verfingen und dort allmählich schmolzen und wie schimmernde Perlen liegen blieben.

Sie hatte darauf bestanden, Pollux mitzunehmen, Cathrinas Fuchs. Er trug nun den Großteil der Ausrüstung und wieherte ungeduldig.

Kite war nicht entgangen, wie sehr Mia sich seit ihrer Ankunft hier in Ascardia verändert hatte.

Sie hatte früher öfter gelacht, war ungezwungener und nicht selten war sie leicht verunsichert.

Verunsichert war sie zwar auch heute noch ab und zu, wie er beobachtet hatte, aber sie war ernster geworden.

In ihr schien ein immerwährendes Licht zu glühen, eine stille Macht, die er nicht zu benennen vermochte und die ihr auch gleichzeitig etwas Ruhiges und Erhabenes verlieh, dass er so bisher an ihr noch nie gesehen hatte.

Einst war Mia Durcheinander und Chaos in einer Person. Sie hatte sich gern einmal verzettelt, den Überblick verloren. Und sie hatte alle in ihrem Umfeld damit in den Wahnsinn getrieben. Manchmal hatte sie einfach nur einen Raum betreten müssen und hatte binnen von Sekunden alles und jeden durcheinander gebracht. Wie ein unaufhaltsamer Wirbelsturm.

Dies schien eine Ewigkeit her zu sein.

Sie mochte sich vielleicht sicherer fühlen, wenn er dabei war.

Er jedoch war sich sicher, dass sie ihn gar nicht brauchen würde.

Was Anthonius ihm über sie berichtet hatte, hatte ihn im ersten Moment schockiert und entsetzt. Ein Teil von ihm wollte ihn schütteln, ihn fragen ob er noch bei Verstand war.

Schließlich war es Mia, von der sie hier sprachen.

Doch ein anderer Teil von ihm wusste, das Anthonius die Wahrheit sprach.

Er konnte sich vorstellen, dass sie verängstigt war.

Angst hatte, die Kontrolle zu verlieren.

Das war es, was ihn am meisten an die alte Mia erinnerte.

Die Angst davor, den Menschen weh zu tun, die ihr am meisten bedeuteten.

Doch Kite kannte sie zu gut.

Mia verlor nicht einfach die Kontrolle.

Vielleicht fehlte ihr lediglich noch die Übung, ihre Macht zu kanalisieren.

Wenn er Helembertus Glauben schenken konnte, war sie zu Unglaublichem fähig und Kite freute sich seltsamer Weise darauf, sie in Aktion zu erleben.

Er hob den Kopf und betrachtete die Männer.

Die meisten von ihnen kannte er nicht.

Über einige von ihnen hatte er Geschichten gehört. Und nicht erst seit sie aus Ribeon zurück waren.

Hawke war natürlich eine Legende.

Er bezweifelte zwar das alles, was er gehört hatte auch wirklich der Wahrheit entsprach. Einiges davon war mit Sicherheit auch leicht übertrieben. Doch wenn man den großen Krieger, der gleichzeitig Stolz und Kraft ausstrahlte betrachtete, wusste man einfach, dass der Großteil der Erzählungen der Wahrheit entsprechen musste.

Wenn er in der Stadt unterwegs war und die Männer von ihrem Kommandanten erzählen hörte, waren deren Stimmen immer voll tiefem Respekt und auch Zuneigung.

Soweit er wusste, führte Hawke ein strenges Regiment. Doch für die Männer, die ihm loyal gegenüberstanden, und das waren ohne Zweifel fast alle, für die würde er sein Leben riskieren, ohne zu fragen und ganz egal für wen.

Meist war er mürrisch und wortkarg.

Allerdings niemals respektlos gegenüber seinen Untergebenen.

Kite musste zugeben dass schon allein diese Tatsache Respekt verdiente.

Er kannte genug von den vornehmen Herrschaften um zu wissen, dass dies eine Seltenheit war.

Die Geschichten die um ihn und Cathrina kursierten hatten ihn aus welchem Grund auch immer überrascht.

Kite kannte Cathrina schon lange, auch wenn sie nicht sehr eng befreundet waren.

Sie war eine starke Persönlichkeit und er hätte nicht sagen können, welche Art von Mann an ihre Seite gepasst hätte.

Und Hawke...?

Nun Kite hätte vermutet, dass er sich ein vornehmes, junges hübsches Ding vom Hofe des Königs aussuchen würde, die wusste, wie sie sich in aparter Gesellschaft zu benehmen hatte.

An Interesse mangelte es hier sicher nicht.

Nicht dass Cathrina nicht schön war, ganz im Gegenteil.

Sie hatte die gleichen hohen Wangenknochen, wie Mia und fast das gleiche dunkle Haar, nur das von Cathrina war glatt, während Mia dunkle Locken hatte. Und Cathrinas Augen waren von einem strahlendem blau.

Jetzt, wo er wusste welch starke Gefühle Hawke für die junge Frau hegte schien sich das Ganze wie von selbst zusammen zufügen.

Es passte einfach.

Und auch wenn er schon seit langem ein Auge auf Mia geworfen hatte, konnte er dennoch verstehen dass Hawke Gefallen an ihrer großen Schwester gefunden hatte.

Keiner der DuPuis Schwestern hatte es je an Eleganz und Liebreiz gefehlt.

Jeder auf ihrer ganz eigenen Weise.

Leelu die stets stolz und erhaben war ohne dabei unterkühlt oder unnahbar zu wirken.

Cathrina... Er kannte keine Frau die in Hosen und mit Waffen an der Hüfte derart betörend aussah. Sie strahlte Energie und Kraft aus und man erkannte sofort, dass man sich mit ihr besser nicht anlegte.

Und natürlich Mia in ihren langen, zarten Roben, immer mit einem leisen Lächeln auf den Lippen und diesem ganz besonderen Glanz in den Augen.

Er lächelte, fast ein wenig verträumt und begegnete mit einem Mal Mias forschendem Blick.

Anscheinend hatte sie ihm eine Frage gestellt, und ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen auch nicht zum ersten Mal.

„Kite?“

Er versuchte seine Gedanken zu ordnen und fühlte sich fast ein wenig ertappt.

„Verzeiht, Mia. Ich war ganz woanders...“

Sie lächelte leicht als sie sich auf Alcantara, ihrer schneeweißen Stute weiter zu ihm umdrehte.

„Das habe ich gemerkt. Es machte den Eindruck als wärt Ihr in einer völlig anderen Welt.“

Kite spürte wie ihm das Blut in die Wangen schoss und war froh, dass sein Gesicht von der Kälte ohnehin schon gerötet war.

„So könnte man es auch ausdrücken.“ murmelte er. „Braucht Ihr etwas Mia?“

„Nein nein... Wir sind nur schon eine Weile unterwegs und Ihr seid so still. Ich...“

Machte sie sich etwa Sorgen um ihn?

Kite sah sie überrascht an und dieses Mal war sie es die rot wurde. Es war ein bezaubernder Anblick.

„Ich... dachte nur weil ihr es ja nicht gewohnt seid...“

Sie drehte sich hastig wieder um und sagte nichts mehr, und so verpasste sie auch Kites breites Grinsen.

„Wo zum Teufel wollt Ihr eigentlich hin?!“ fluchte Cathrina.

Keiner von ihnen machte sich die Mühe ihr zu antworten und so versuchte sie die Fesseln um ihre Handgelenke unauffällig etwas zu lockern.

Sie hatte letzte Nacht nur sehr wenig geschlafen und dementsprechend gereizt war sie. Dass ihr schon seit Stunden der Hintern einschlief und sie nun auch noch Hunger hatte trug nicht gerade dazu bei, ihre Laune zu heben.

Kristan hatte dieses Mal darauf verzichtet sie einfach über das Pferd zu werfen allerdings nur, so hatte er betont, weil sie sich so entgegenkommend benahm.

Und das stimmte auch.

Cathrina hatte sich bisher sehr zurück gehalten... oder es weitestgehend versucht.

Es fiel ihr schwer.

Ungeheuer schwer.

Sich zu ducken und klein bei zu geben gehörte sicher nicht gerade zu ihren Stärken.

Auch wenn Ticzco nicht zu unterschätzen war, so war Cathrina doch davon überzeugt, dass sie mit Kristan und Nyze recht leichtes Spiel haben würde.

Na ja und Ticzco?

Ticzco war ein Feigling und hatte Angst.

Kämpfen bedeutete, dass man Gefahr lief sich zu verletzen und das fürchtete er.

Das hatte sie auf ihrer langen Reise über ihn gelernt.

Es war kein Wunder, dass ihn die anderen Krieger nie respektiert hatten.

Er war ein Hasenfuß wie man in der Kompanie so schön sagte.

Doch auch wenn Cathrina es hasste wie ein verschnürtes Lamm zur Schlachtbank geführt zu werden so interessierte es sie doch brennend, was das Ganze hier sollte.

Welchen Zweck sollte das alles hier haben, außer dass sie Hawke noch einen weiteren Grund gaben, sie zu töten!?

Hawke...

Der Gedanke an ihn schmerzte sie mehr, als sie zugeben wollte.

Sie erinnerte sich an ihr letztes Gespräch und wie sie ihn von sich gestoßen hatte.

Jetzt schämte sie sich dafür.

Doch auch das würde sie niemals zugeben.

Er hatte sie enttäuscht und sie angelogen!

Wieso hatte sie also ein schlechtes Gewissen?

Nur weil sie wütend gewesen war?

Oder weil sie so heftig reagiert hatte?

Sie wusste es nicht, doch nun würde sie es gern ungeschehen machen.

Cathrina hatte keine Ahnung, was die drei mit ihr vorhatten, oder wohin sie sie bringen würden. Schlimmer als die Hölle, die sie hinter sich gelassen hatte, konnte es kaum sein.

Das hoffte sie zumindest.

Doch sie war der festen Überzeugung, dass sie lebend gebraucht wurde, sonst hätten sie bereits versucht, sie zu töten.

Doch dann blieb immer noch die Frage nach dem Warum.

Cathrina bezweifelte dass Ticzco oder Kristan, geschweige denn Nyze hinter diesem irrwitzigen Plan steckten.

Wer also war für diese Sauerei verantwortlich? Und was hatte das alles mit ihr zu tun?

Das konnte sie nur heraus finden wenn sie geduldig abwartete.

Und auch das würde sich als schwierig heraus stellen, denn sie war von Natur aus kein sehr geduldiger Mensch.

Doch sie musste abwarten und hoffen.

Hoffen, dass Hawke sie nicht aufgab, bis er sie gefunden hatte.

Weder Hawke noch Cathrina konnten ahnen das sie sich nur wenige Stunden voneinander entfernt aufhielten.

Und auch er dachte in diesem Augenblick an sie.

Was nicht weiter verwunderlich war denn um genau zu sein dachte er an nichts anderes mehr.

Er hatte einmal mehr seine Maske aufgesetzt.

Strahlte nichts als kalte Ruhe und Gelassenheit aus.

Einzig Kytschuld durchschaute ihn.

Das erkannte er an seinem forschenden Blick, mit dem er ihn immer wieder versah.

Hawke bemühte sich ihn weitestgehend zu ignorieren.

Seine Nerven waren empfindlich gespannt.

Der Schnee und das Wetter erschwerten ihr Vorankommen und er wurde im Laufe des Tages immer gereizter.

Irgendwann wurde es zu dunkel um weiter reiten zu können und auch wenn es Hawke widerstrebte, sie mussten ihr Lager aufschlagen.

Sie waren kurz vor der Grenze von Kolkath als sie schließlich vom Pferd stiegen.

Mia bewegte sich an den Rand des Lagers und Hawke beobachtete sie.

„Was habt Ihr vor?“ fragte er.

„Ich möchte etwas probieren... wartet es ab.“

Sie hob einen schmalen Ast vom Boden auf und befreite ihn kurz mit ihrer behandschuhten Hand von Schnee und Eiskristallen.

Dann begann sie in einem großen Viereck verschiedene Symbole und Zeichen in den Schnee zu malen.

Als sie mit dem letzten fertig war begann die Luft um sie her zu schwirren und fing leise zu summen an, und allmählich, ganz langsam schmolz der Schnee. Von den Siegeln ausgehend bis in ihre Mitte, bis nichts mehr übrig war.

Die Krieger und auch Kite beobachteten dieses seltsame Schauspiel gespannt und blickten sich immer wieder fasziniert um.

„Nun ist der Boden zwar noch immer kalt, aber nicht mehr so nass, und gefroren dürfte er auch nicht mehr sein.“

Hawke starrte sie einen Augenblick verblüfft an, bis er endlich seine Sprache wieder fand.

„Wie habt Ihr das gemacht?“

Mia wich verlegen seinem Blick aus.

„Seit ich von meinen Fähigkeiten weiß, habe ich jede freie Minute damit verbracht, die Magie zu studieren. In unserer Bibliothek im Institut ist darüber mehr zu finden, als ich für möglich gehalten hätte. Nun ich habe in einem Buch einige Zeichen entdeckt mit denen sich harmlose Elementargeister heraufbeschwören lassen.“

„Kann man denn diese Grenze unbeschadet überschreiten?“ fragte Jesco und schaute ein wenig misstrauisch auf die Linie, wo die weiße Pracht wieder begann.

„Ja. Sie haben lediglich dafür gesorgt dass dieser Platz hier, auf dem sich unser Lager befindet, vom Schnee geräumt ist und sind nun wieder verschwunden.“

„Und das habt Ihr Euch selber beigebracht?“ fragte Kite und konnte die Ehrfurcht in seiner Stimme nicht verbergen.

Mia wurde noch verlegener. „...Ja...“ sagte sie leise und Kytschuld lachte vergnügt, als er ihr freundschaftlich auf die Schulter klopfte. Auch wenn er es vergleichsweise sanft tat, taumelt Mia dennoch ein paar Schritte nach vorn.

„Also ich muss schon sagen, Mia, es ist wirklich praktisch eine kleine Hexe wie Euch dabei zu haben!“

Melchior und Embrico lachten auf und auch auf Hawkes Gesicht breitete sich kurz die Andeutung eines Lächelns aus.

Und dann kam Avox und Mia hob den Blick.

Er war zurück.

„Avox.“ hauchte sie kaum hörbar und der große Rabe landete auf ihrer ausgestreckten Hand. Streng darauf bedacht, seine Herrin nicht mit seinen scharfen Krallen zu verletzen.

„Wie schön, mein Freund, du bist wieder da.“ ein Lächeln umspielte ihre Lippen und sie fuhr ihm sanft mit einem Finger durch das weiche Gefieder auf seiner Brust.

Kite konnte nichts dafür, dass er starrte.

„Was ist denn das?“ fragte er völlig entgeistert.

So etwas hatte er noch nie gesehen.

Mia drehte sich amüsiert zu ihm um und Kytschuld lachte erneut laut auf, als er den völlig fassungslosen Gesichtsausdruck des jungen Heilers sah.

„So habe ich das erste Mal auch geschaut, mein Freund!“

Mia ging auf Kite zu, Avox nach wie vor ruhig auf ihrer Hand.

„Das, lieber Kite ist Avox...“ sie erzählte ihm von ihrem Aufenthalt in Kolkath und wie sie zu dem jungen Raben kam.

„Er ist ein guter und treuer Freund geworden.“ beendete sie ihre Geschichte.

„Ihr steckt wirklich voller Überraschungen, Mia.“ sagte Kite leise, dass nur sie ihn verstehen konnte. Ihre Augen weiteten sich ein kleines bisschen mehr und die Röte stieg ihr erneut in die Wangen.

Kite hob die Hand, konnte nicht anders, auch wenn ihm bewusst war, dass die anderen Krieger sie beobachteten. Sie war ein solch zauberhafter Anblick wenn sie verlegen wurde.

Doch noch bevor er sie berühren konnte, pickte Avox nach ihm. Er zuckte zurück und der Bann war gebrochen.

„Avox!“ rief Mia mit einem leisen Glucksen in der Stimme, dass sich verdächtig nach einem Lachen anhörte. „Verzeiht, Kite. Hat er Euch verletzt?“

Dieser schüttelte den Kopf. „Nein nein, nichts passiert. Er scheint lediglich ein wenig eifersüchtig zu sein, was seine hübsche Herrin angeht.“

Bei seinen Worten errötete Mia noch mehr und wandte sich schnell um.

Die anderen Krieger versuchten einen geschäftigen Eindruck zu machen, aber Mia war nur allzu bewusst, dass jeder von ihnen das eben geschehene gesehen hatte.

Kytschuld versuchte angestrengt ein Feuer zu entfachen und nach einer halben Ewigkeit gelang es ihm sogar und die Männer versammelten sich darum.

Hawke saß ein wenig abseits und hielt den Blick in die Flammen gerichtet.

Außer ein paar wenigen Befehlen hatte er den ganzen Tag nicht wirklich viel gesagt.

Mia kannte den Hauptmann mittlerweile zu gut um zu wissen, dass sie ihn am besten in Ruhe ließ.

Die Männer aßen ein wenig von dem Proviant den sie in aller Eile eingepackt hatten und erzählten sich ein paar Geschichten, nicht wenige davon handelten von ihrer Reise nach Ribeon und von Cathrina.

„Und ich war nicht dabei.“ meinte Cuonrat wehmütig als Kytschuld ihnen gerade erzählte, wie Cathrina den Kampf gegen Kaya geführt hatte und sie letztlich auch getötet hatte. Sie war die Frau des Anführers der Wilden gewesen.

Kaidin schüttelte bedauernd den Kopf.

„Es tut mir Leid, aber ich habe nicht einmal ein Gesicht zu dieser jungen Frau. Ich meine natürlich habe ich die Geschichten gehört, aber ich weiß nicht wer sie ist. Das bedaure ich.“

Mia konnte die Wahrheit in den Worten des jungen Kriegers hören und überlegte, was Lillith ihr im dunklen Turm über die Macht der Erinnerungen beigebracht hatte.

Also erinnerte sie sich an eben diesen Tag.

Der für sie alle ein schwarzer Tag gewesen war.

Doch sie wollte den Männern zeigen wer ihre Schwester war.

Sie wollte dass sie selbst sahen, dass sie es wert war, gerettet zu werden. Mia bezweifelte zwar, dass sie einen weiteren Grund benötigen würden, aber sie wusste aus eigener Erfahrung das man sich für Dinge die man mit eigenen Augen gesehen hatte weit mehr bemühte als um etwas, das man erzählt bekam.

Also konzentrierte sie sich, Anfangs noch etwas mühselig.

Dann plötzlich fing ihre Umgebung an, sich zu verändern.

Der Schnee war plötzlich verschwunden, es war wieder Tag und sie saßen am Rand auf ebenjener Lichtung. Inmitten einer heftigen Schlacht.

Die Männer gaben überraschte Laute von sich und selbst Hawke erwachte aus seiner Starre.

Mia öffnete die Augen. „Das ist der Kampf, den ich vom Hang aus beobachten konnte...“ sie streckte den Arm aus. „Das dort vorn ist meine Schwester, Cathrina.“

Hawke blieb fast das Herz stehen, als er sie sah. Nicht weiter entfernt als ein paar wenige Schritte. Da war Kytschuld, über und über mit Blut bedeckt, der hinter ihr stand und etwas zu ihr sagte, das niemand verstand. Hawke konnte beobachten, wie sie die Schultern straffte.

Er sah ihre Verletzung, ihr zerrissenes Hemd. Einige Strähnen hatten sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst und ihr Gesicht war ebenfalls blutverschmiert.

Und dennoch raubte ihm ihr Anblick wie immer den Atem.

Sie war so wunderschön. Gertenschlank und ihre blauen Augen glitzerten in Erwartung an den bevorstehenden Kampf. Sie hob das Kinn, beinahe trotzig und voller Stolz, nicht bereit aufzugeben.

Sie machte sich bereit.

Cathrina spurtete auf die massige Gestalt zu, schlug kurz vor ihr einen Haken, ließ sich nach vorne fallen, rollte sich auf dem Boden ab und hatte ihren zweiten Dolch, Hawke glaubte es sei Manus, aus einer Leiche gezogen.

Es war das erste Mal, dass er diesen Kampf aus dieser Sicht betrachten konnte.

Auf dem Schlachtfeld war zu viel los gewesen, als das er Zeit dazu gehabt hätte.

Doch er musste zugeben das es ein unglaublicher Anblick war.

Sie kämpfte verbissen, wie eine junge Kriegsgöttin. Einige Male dachte er, es wäre um sie geschehen und er spürte die Angst in seiner Brust, obwohl er wusste, dass sie den Kampf überlebt hatte und obendrein als Siegerin hervor gegangen war.

Er sah die Eleganz, gleich einem Tanz als sie ihre Gegnerin unerbittlich vor sich her trieb. Ein langer, blutiger Striemen auf ihrer Wange und Hawke konnte nicht verhindern, dass er vor Wut mit den Zähnen knirschte.

Cathrina ließ den Dolch quer über das Gesicht ihrer Gegnerin zischen und diese kreischte grauenerregend auf. Und dann landete ihre Kontrahentin auf ihr und er konnte spüren, dass selbst seine Gefährten kurz den Atem anhielten.

Er sah, wie sie sich unter ihr wand. Die Wut in ihrem Gesicht, wie sie die Zähne aufeinander biss. Sie knurrte etwas, dass wie „runter von mir!“ klang.

Die Abscheu als ihr diese Wahnsinnige ins Gesicht spuckte.

Dann bäumte sie sich auf, konnte so die linke Hand befreien, fasste nach ihrem Dolch und rammte ihn Kaya seitlich in den Hals.

Ein paar von den Männern jubelten und riefen etwas wie „sehr gut!“ und „zeigs ihnen, Mädchen!“.

Cathrina rappelte sich hoch, betrachtete ihr Umfeld, nicht ohne sich vorher hastig das Gesicht abzuwischen.

Sie setzte sich in Bewegung, in Balthasars Richtung, der gleichzeitig von drei Wilden in Schach gehalten wurde. Sie drehte Dextra in ihrer Hand und ließ ihn an Balthasar vorbei durch die Luft fliegen. Er blieb tief in der Schulter einer dieser Bestien stecken.

„Meine Fresse!“ keuchte Gawin.

Mia beendete die Illusion.

„Ich hatte ja keine Ahnung...“ murmelte Jesco.

„Geht mir ähnlich.“ nickte Kaidin. „Ich meine, jeder in der Kompanie hat sich seinen Platz verdient, und wäre nicht dort, wenn er unfähig wäre. Aber das...?“ er schüttelte den Kopf unfähig die richtigen Worte zu finden.

Jesco lachte. „Viele der Krieger halten Dolche für Spielzeug. Etwas womit sie ihr Fleisch auf dem Teller in mundgerechte Stücke zerteilen können. Leute, diesen Fehler werde ich nie wieder tun!“

„Ich habe schon einige Krieger kämpfen sehen. Männer die ihre Klingen beherrschten. Doch Cathrina...?“ Melchior schüttelte traurig den Kopf.

„Cathrina ist eine der wenigen die die Bezeichnung Krieger wirklich verdienen.“ sagte Kytschuld und die anderen nickten.

„Danke, Mia. Danke dass Ihr uns gezeigt habt, nach wem wir suchen.“ Jesco nickte ihr ehrerbietig zu und sie erwiderte seinen Blick, lächelte dabei traurig.

„Mein Küken ist erwachsen geworden.“ schniefte Cuonrat gespielt und wischte sich eine imaginäre Träne weg. Dabei handelte er sich einen freundschaftlichen Seitenhieb von Kytschuld ein und die Männer lachten.

Mias Blick huschte zu Hawke.

Und auch wenn sein Gesicht zu Eis erstarrt war, erkannte sie den Ausdruck in seinen Augen.

Der Schmerz und die Angst, die Frau zu verlieren die für ihn die ganze Welt bedeutete.

Melchior sprang auf und hob seinen Becher.

„Auf eine Frau, die mehr Mut und Rückgrat hat, als so mancher von uns!“

Die anderen standen ebenfalls auf und folgten seinem Beispiel.

Hawke jedoch blieb sitzen und betrachtete seine Gefährten.

„Wir holen Euch zurück!“ rief Cuonrat in den Wald.

„Auf Cathrina!“

„Auf Cathrina.“ flüsterte Hawke und setzte seinen Becher an die Lippen.

Die Legende von Ascardia

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