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Ein schwarzer Tag

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„Lasst mich durch! Sofort! ...Leelu!“

Cathrina spürte die Tränen, die ihre Wangen hinab strömten und kämpfte gegen die Menge an, die sie daran hinderte, das Podest zu erreichen.

Die meisten, die sie bemerkten, sprangen überrascht zur Seite. Doch viele von ihnen waren von dem Anblick, der sich ihnen bot derart fasziniert, dass sie Cathrina nicht einmal bemerkten.

Wütend schob sie sie beiseite.

Diese elenden Narren!

Cathrina erreichte die Stufen, die sie zum Galgen hinauf führen würden.

„Halt!“ rief eine Wache.

Cathrina kannte ihn nur vom sehen. Er war noch jung und wirkte unsicher, als er sein Schwert zog.

Er konnte nicht ahnen, dass lediglich seine Unsicherheit Cathrina davon abhielt ihn auf der Stelle zu töten.

„Geht mir aus dem Weg! Sofort! Oder ich schwöre, Ihr werdet es bereuen!“

„Ihr habt hier oben keinen Zutritt!“

Hawke trat hervor.

„Gymbus, tretet beiseite, sofort.“

„Ich habe meine Befehle.“ antwortete dieser und Hawke verengte die Augen.

Er war der Kommandant der Elitetruppe des Königs.

Wenn hier einer Befehle gab, dann er.

Cathrina hatte genug.

Mit zwei großen Schritten war sie bei Gymbus, schlug ihm mit einer schnellen Bewegung das Schwert aus der Hand, packte ihn am Hals und wuchtete ihn gegen den nächsten Balken. Manus an seiner Kehle.

„Wenn Ihr diesen Tag überleben wollt, Gymbus, dann geht ihr mir jetzt auf der Stelle aus dem Weg! Oder ich schwöre, bei allem was mir heilig ist, dass diese Narren da unten heute noch eine weitere Hinrichtung zu sehen bekommen, habe ich mich klar ausgedrückt? Und nun, verschwindet, aber schnell!“

„Und zieht Euch auch gleich eine neue Hose an.“ rief Kytschuld dem jungen Mann hinterher, der sich eilends daran machte zu verschwinden.

Cathrina beachtete ihn nicht weiter und eilte zu ihrer Schwester.

„Leelu...“ flüsterte sie und sah hinauf.

Das Gesicht ihrer Schwester war bläulich verfärbt.

Sie schlang den Arm um ihre Hüfte und schnitt das Seil durch. Cathrina hielt sie, als sie schlaff in ihre Arme sank.

Sie hielt sie auch, als sie in die Knie ging.

Vorsichtig strich sie ihr das rötlich schimmernde Haar aus dem Gesicht.

Cathrina spürte die Tränen, den Schmerz und die Wut.

Der Schnee fiel weiter, nun dichter. Landete in Leelus Haaren, auf ihren geschlossenen Augen und Cathrina wollte schreien.

Selbst nach ihrem Tod war ihre Schwester noch immer wunderschön.

Es sah aus, als würde sie schlafen.

Doch sie würde ihre sanften blauen Augen nie wieder öffnen.

Sie würde sie nie mehr tadelnd anschauen, oder milde lächeln.

Die Krieger holten Leelus Ehemann und auch Gerbodo herunter.

Die Menge starrte sie an.

Cathrina ließ den Blick umher schweifen.

Er war tödlich und die meisten wichen ihm aus.

„Wer ist dafür verantwortlich?“

Niemand antwortete ihr.

Cathrina stand langsam auf.

„Ich fragte; WER IST DAFÜR VERANTWORTLICH!?“

Ihre Stimme hallte laut über den Marktplatz.

Helembertus stieg auf das Podest.

Keiner von ihnen hatte bemerkt, wie er näher gekommen war.

Der Ausdruck in seinem Gesicht war bedauernd, fast schon traurig.

„Cathrina, Melissa... Es tut mir so Leid.“

„Wo ist Vater?“

Helembertus sah sie an und schüttelte nur den Kopf.

„Wir hatten heute eine Versammlung, ich vermute er ist noch dort...“

„Wieso ist er nicht hier?!“ Cathrinas Stimme schäumte vor Wut und Unglauben. „Wieso hat er das hier zugelassen?“

„Cathrina... Das lag nicht in seiner Hand... Er hätte nichts tun können.“

„Aber er hätte hier sein müssen!“

Der Heilermeister wirkte älter denn je und erwiderte nichts auf ihren Vorwurf.

„Helembertus.“ Hawke trat hervor. „Was ist hier geschehen?“

Helembertus neigte ehrerbietig den Kopf vor dem Hauptmann.

„Ich muss Euch viel erklären...“ einige Wachen traten an seine Seite, Cathrina kannte sie nicht. Sie hoben zuerst Cailan und dann Gerbodo hoch um sie auf einen Karren zu laden.

Doch als einer von ihnen sich zu Leelu hinunter beugen wollte trat Cathrina hervor, Manus nach wie vor in ihrer Hand.

„Fasst sie nicht an!“ fauchte sie und streckte dem Krieger den Dolch entgegen.

Dieser sah Helembertus fragend an und er nickte nur.

„Schon gut.“ sagte er.

Cathrina ließ die Wache nicht aus den Augen, die sich zurückzog um neben dem Karren zu warten. Sie steckte den Dolch zurück in die Scheide und hob ihre Schwester auf den Arm.

Cathrina wusste irgendwann nicht mehr, wie sie sich fühlte.

Alles lief wie in einem bösen Traum an ihr vorbei.

Sie hatte keine Tränen mehr, empfand keine Wut oder Trauer.

Alles was sie fühlte war Erschöpfung.

Sie hatten Gerbodo, Cailan und ihre Schwester in Tücher gehüllt. Morgen sollten sie bestattet werden.

Hawke und auch die anderen Krieger hatten sie nach Hause begleitet.

Schweigend.

Jeder von ihnen war zutiefst bestürzt, über die Ereignisse und niemand hatte Worte dafür.

Mit ihrer Rückkehr in die Heimat sollte das Leid und der Schrecken eigentlich sein Ende nehmen.

Doch dem war nicht so.

Wieso waren sie nicht früher angekommen?

Sie war zu langsam gewesen, und ihre Schwester hatte dafür mit dem Leben bezahlen müssen.

Cathrina sah auf und in Mias Gesicht.

Sie wirkte nicht weniger erschöpft.

Sie war blass und hatte seit ihrer Ankunft noch nicht ein Wort gesagt.

Als sie die Haustür aufstieß kam ihnen Mharen entgegen. Mit Tränen in den Augen.

„Oh, da seid ihr ja.“ sie schloss die Mädchen in eine Umarmung, die sie beide nicht erwiderten.

Mharen konnte nichts für diese Ungerechtigkeiten, doch weder Mia noch Cathrina wollten sich jetzt mit ihr befassen, geschweige denn Fragen beantworten.

Ohne ein weiteres Wort drehte Cathrina sich um, stieg die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf und stieß die Tür auf.

Alles war so, wie sie es verlassen hatte.

Sie machte sich nicht die Mühe, ihre Sachen auszuziehen sondern ließ sich so wie sie war in die Kissen sinken.

Alles in ihr schrie und verlangte nach Antworten, doch dafür fehlte ihr jetzt die Kraft.

Das musste warten.

Und noch bevor sie länger darüber nachdenken konnte sank sie in einen traumlosen Schlaf.

Die Sonnen standen schon hoch am Himmel, als Cathrina am nächsten Tag erwachte.

Ihre Glieder schmerzten und sie fühlte sich noch immer erschöpft und ausgelaugt.

Die Erinnerung brach über sie herein und sie wusste plötzlich wieder, weshalb sie sich so niedergeschlagen fühlte.

Heute war die Beerdigung.

Auch wenn es das letzte war, was sie jetzt tun wollte, so stand sie doch auf.

Ihre Sachen waren vom schlafen ganz zerknittert und ihr Haar sah auch nicht viel besser aus.

Sie öffnete den Schrank und kleidete sich an.

Schwarz.

Das war die Farbe, die sie in den nächsten Wochen tragen wollte.

Sie konnte sich an die letzten Stunden nur noch wage erinnern.

Hawke, der sie vor ihrer Haustür in den Arm genommen hatte. Er hatte ihr beruhigend über das Haar gestrichen, ihr Antworten versprochen.

Ihr gesagt, dass er bei ihr wäre, wenn Leelu bestattet werden würde.

Seine Worte klangen aufrichtig.

Doch sie war zu Eis erstarrt.

Unfähig etwas anderes zu empfinden, als heiße Wut und Trauer.

Sie atmete tief durch und stieg gemächlich die Stufen hinab.

Mia saß in der Küche, bei Mharen und sie blickten beide auf, als Cathrina herein kam.

Auch Mia war ganz in schwarz gekleidet.

„Oh Kind!“ rief Mharen und kam auf sie zu geeilt.

Dieses Mal war es Cathrina, die sie in die Arme nahm.

„Es tut mir so Leid!“ sagte Mharen und ihre Stimme lief über vor Trauer.

„Solch eine Tragödie!“

Cathrina nickte, wollte sich damit jetzt nicht auseinander setzen.

„Wo ist Vater?“ sie sah die Haushälterin fragend an und diese senkte den Blick.

„Ich bin nicht sicher, mein Kind. Er ist früh aus dem Haus gegangen und hat nicht gesagt, wann er wieder kommt.“

„Habt Ihr ihm von der Beerdigung erzählt?“

„Ja...“ Mharen senkte beschämt den Blick, als wäre es ihr unangenehm, weiter zu erzählen.

„Er sagte, er müsse schauen ob er die Zeit finden würde, ihr beizuwohnen.“

Der Schnee war über Nacht nicht liegen geblieben. Der Himmel war klar.

Benedictus hatte drei gleichmäßige Gräber ausgehoben.

Gerbodo hatte keine Familie oder Angehörige. Sein Gehilfe hatte in der Schmiede zu tun und so war niemand da, der von ihm Abschied nahm.

Doch auch von Cailans Freunden, oder Familie war niemand zu sehen und Cathrina fragte sich, warum.

Melchior und Embrico waren da und reichten ihr die Hand, als sie ein paar tröstende Worte sagten.

Kytschuld hatte sie umarmt und angesehen, als ob er genau wusste, wie sie empfand. Und vermutlich war dem auch so.

Neben Mia stand Kite und hielt ihre Hand. Ihr Gesicht war verschlossen.

Und dann war da noch Hawke. Seine rauchgrauen Augen musterten sie intensiv, als er mit dem Finger über ihr Gesicht strich.

Dann begann auch schon die Beerdigung.

Mharen und Benedictus standen ein wenig abseits und hielten sich an den Händen.

Anthonius jedoch ließ sich nicht blicken.

Mit jeder Minute, die verstrich und er der Beerdigung fort blieb, schwoll die Wut in Cathrinas Brust weiter an.

Wie respektlos konnte sich ein Vater verhalten, der nicht einmal von seiner eigenen Tochter Abschied nahm?

Der Pfarrer sprach einige, für Cathrina hohl klingende Worte.

Er kannte Leelu kaum und mit Gerbodo hatte er sicher noch kein einziges Wort gewechselt. Was also konnte er schon sagen?

Seine Worte hatten keine Bedeutung.

Cathrina hatte genug, sie wollte nur noch weg von hier.

Sie hatte sich gerade einige Schritte entfernt, als sie den Blick des Pfarrers und auch ihrer Schwester spürte, die sie vorwurfsvoll anblickte.

Also drehte sie sich um.

Ihr Blick war entschlossen.

„Verzeiht mir, Euer Hochwürden, doch ich ertrage das nicht länger.“

Sie sah Mia an.

„Ihr habt meine Schwester kaum gekannt,“ wandte sie sich wieder an den Geistlichen. „Sie war... Verdammt! Leelu war... sie war einfach der ehrlichste Mensch, den es in dieser verkommenen Welt gibt! Sie stehen hier und erzählen von ihren guten Taten, die sie doch nur von ihren Schriftrollen kennen. Sie wissen nichts über sie! Gar nichts! Leelu war die Ruhe, die Gelassenheit, das Gleichgewicht in unserer Familie. Für Probleme, die unlösbar schienen, hatte Leelu stets ein offenes Ohr. Es gehörte zu ihren einzigartigen Fähigkeiten, Konflikte zu lösen, einfach nur, weil sie den Raum betrat. Sie war ein guter Mensch, genau wie Cailan oder Gerbodo, die sich niemals in ihrem Leben etwas zu Schulden kommen ließen!

Und ich frage Euch, und Euren Erbauer; Wieso! Wieso mussten sie sterben?!“ sie spuckte ihm diese Worte entgegen und auch wenn sie nicht sehr nah bei ihm stand, wich der Pfarrer vor ihrer Wut zurück.

„Es gibt nichts und niemanden, der das rechtfertigen kann. Und ich schwöre, hier und jetzt; Sie alle werden sterben, für das was sie den Menschen, die ich liebte angetan haben. Und ich bin gespannt, ob ihnen Ihr Erbauer dann gnädig sein wird. Denn ich werde es nicht sein!“

Die Legende von Ascardia

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