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Wut und Enttäuschung

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Bis Anthonius endlich nach Hause kam war es bereits schon spät am Abend.

Es hatte wieder angefangen zu schneien und dieses Mal schien er liegen bleiben zu wollen.

Cathrina gab ihm nicht viel Zeit.

Sie hörte ihren Vater leise die Treppe hinauf gehen, wie er sein Arbeitszimmer betrat und die Tür hinter sich schloss.

All das hätte sie wahrscheinlich nicht einmal mitbekommen, wenn sie sich nicht in der kleinen, dunklen Wandnische aufgehalten hätte.

Sie wartete schon seit Stunden auf ihn und mittlerweile zitterte sie vor Wut und konnte sie nur mühsam beherrschen.

Anthonius hatte sich sehr leise bewegt, als wolle er um jeden Preis verhindern, dass jemand mitbekam, dass er zu Hause war.

Und das konnte Cathrina sogar verstehen.

Sie wollte Antworten haben.

Hier und jetzt.

Sie machte sich nicht die Mühe anzuklopfen sondern stieß die Tür schwungvoll auf und sie knallte gegen die Wand dahinter.

„Was zum...?!“ Anthonius schreckte hoch und sah von seinen Papieren auf.

„Cathrina! Wie könnt Ihr es wagen?!“ rief er aufgebracht und betrachtete seine Tochter.

Sie hatte sich verändert. Das erkannte er sofort.

Dies war nicht mehr die junge Frau, die er mit einem einzigen Befehl oder ein paar Worten einschüchtern konnte.

Vor ihm stand eine Kriegerin. Und sie war gefährlich.

Dies ließen ihn nicht die beiden glänzenden Dolche, die in einem Gürtel um ihre Hüfte geschlungen waren, wissen. Es waren mehr ihre Augen, die ihn wütend und voller Trotz an funkelten.

Er musste auf der Hut sein.

„Wie könnt Ihr es wagen!“ zischte sie und es war keine Frage.

„Wir sind gestern hier angekommen! Dass Ihr Euch nicht einmal die Mühe macht uns nach unserer Rückkehr willkommen zu heißen, interessiert mich nicht, aber dass Ihr es noch nicht einmal für nötig befindet, bei der Beisetzung Eurer eigenen Tochter anwesend zu sein, dagegen sehr!“

Anthonius zog die Augenbrauen nach oben und lehnte sich zurück. Er ließ sich seine wachsende Besorgnis nicht anmerken.

„Ich weiß nicht, was Ihr Euch einbildet! Ich muss mich vor Euch sicherlich nicht rechtfertigen, Cathrina. Ich bin ein vielbeschäftigter Mann und war in dringlichen Angelegenheiten tätig und die kamen von seiner Majestät höchstpersönlich.“

„Das ist ja alles sehr interessant!“ ihr Ton war spöttisch. „Und Ihr glaubt nicht, dass seine Majestät Verständnis dafür gehabt hätte, wenn Ihr von Eurer ältesten Tochter Abschied genommen hättet?!“

Anthonius atmete genervt aus.

„Wir sprechen hier von seiner Majestät höchstpersönlich! Es gibt wichtigere Dinge, als die Beerdigung Eurer Schwester! Es ging um die Sicherheit ganz Ascardias! Aber Ihr seid nur eine einfache Soldatin und ich erwarte nicht, dass Ihr das versteht.“

Von all dem, was ihr Vater hätte antworten können, waren das die mit Abstand am schlechtesten gewählten Worte.

Das Anthonius sie beleidigte, interessierte Cathrina nicht, die Herabsetzung ihrer Schwester dagegen schon.

Anthonius konnte nicht so schnell reagieren, wie Cathrina bei ihm war.

Sie schlug ihre Hände auf den Schreibtisch und es kostete sie alles an Willenskraft diesen Mann nicht einfach am Kragen zu packen und über die Tischplatte zu ziehen.

Sie konnte die Unsicherheit in seinem Blick sehen, auch wenn es nur für einen kurzen Augenblick war.

„Von all Euren Kindern war Leelu angeblich immer Euer ganzer Stolz...“

„Den hat sie verwirkt, als sie seine Majestät verraten hat!“

„Unsinn!“ stieß Cathrina hervor.

„Nein, Cathrina, das ist kein Unsinn. Leelu und Cailan haben sich den Rebellen angeschlossen. Wir erhielten einen geheimen Hinweis und wir gingen ihm nach. Ich selbst konnte... wollte nicht glauben, dass es die Wahrheit war, doch meine Hoffnung wurde enttäuscht.“

Anthonius stand auf und kam um den Schreibtisch herum. Nachdenklich verschränkte er die Arme hinter dem Rücken.

„Wie Ihr sicher wisst, ist es sehr schwierig herauszufinden, wer wirklich zu den Rebellen gehört. Sie arbeiten sehr geschickt aus dem Verborgenen heraus. Sind schwer zu fassen da sie sehr vorsichtig sind. Diese kleine aber effektive Organisation existiert schon seit Jahrzehnten.“

„Und Ihr glaubt, dass sich Leelu und Cailan ihnen angeschlossen haben?“ fragte Cathrina.

„Nein, ich glaube es nicht... Nicht wirklich. Aber die Beweise waren zu belastend. Als wir ihr Haus durchsuchten stießen wir auf einen geheimen Raum. Er war über und über mit Plänen und Papieren voll gestopft. Pläne vom Schloss, vom Schlafgemach seiner Majestät. Mit Geheimgängen, und Zimmern die außer seiner Lordschaft nur seine engsten Vertrauten kennen.

Leelu und Cailan wurden vor fünf Tagen festgenommen. Ich versuchte alles um den Rat von ihrer Unschuld zu überzeugen, doch es hatte keinen Sinn, die Beweise sprachen ganz eindeutig gegen sie.“

„Was ist mit Gerbodo?“

„Bei ihm war es ganz ähnlich. Er war in den letzten Wochen sehr häufig bei Leelu und Cailan zu Besuch, oft sehr spät, wie uns berichtet wurde. Auf den Verdacht hin durchsuchten wir auch sein Haus und die Schmiede und fanden ganz ähnliche Beweise, wie bei Eurer Schwester.“

Cathrina ließ das Gesagte auf sich wirken.

Sie wusste dass auf Verrat die Todesstrafe stand.

Doch soweit sie das sagen konnte, war in Ascardia nur ein einziges Mal jemand wegen Hochverrat angeklagt und hingerichtet worden.

Und diese Person war ihre Mutter gewesen.

Und auch Lillith hatte geschworen, dass diese unschuldig war.

Es war erstaunlich wie sehr sich diese beiden Fälle ähnelten.

Sie sah auf und ihr Blick klärte sich als sie Anthonius fest in die Augen sah.

„Ich glaube Euch nicht!“ sagte sie und war dabei ganz ruhig. „Leelu hätte etwas derartiges niemals getan!“

„Es spielt keine Rolle, ob Ihr es glaubt, oder nicht. Seine Majestät hat den Beweisen geglaubt und seine Befehle waren eindeutig.“

„Wisst Ihr... mir wurde gesagt, dass schon einmal jemand wegen Hochverrats angeklagt wurde,“ sie wollte ihren Vater nun endlich damit konfrontieren und konnte sehen wie sich seine Augen bei ihren Worten weiteten.

„Ich war erstaunt zu hören, dass es sich hierbei um Leandra DuPuis handelte... Meiner Mutter.“

Anthonius Reaktion überraschte Cathrina.

Er lachte schallend auf.

„Und das hat Euch natürlich Lillith erzählt, habe ich nicht recht? Ja natürlich! Es stimmt, was sie sagt. Leandra wurde damals hingerichtet, wir konnten von Glück sagen, dass Helembertus davon überzeugt war, dass ich mit dieser Sache nichts zu tun hatte und seine Majestät von meiner Unschuld überzeugen konnte, sonst wären wir alle heute nicht mehr am Leben.“

„Wieso habt Ihr es uns nicht gesagt!?“ rief Cathrina. „Wieso mussten wir von einer Fremden erfahren, was mit unserer Mutter geschah!? Es wäre Eure Pflicht gewesen, es uns zu sagen!“

„Meine Pflicht.“ schnaubte Anthonius abfällig.

„Ich habe meine Pflicht schon damit erfüllt, dass ich Euch und Eure Schwestern in diesem Haus aufgenommen habe...!“

„Was? Wovon redet Ihr da?!“

Anthonius sah sie an. Sie konnte den Ausdruck in seinem Gesicht nicht deuten.

„Es reicht jetzt, Cathrina.“

„Nein, tut es nicht. Ich will endlich die Wahrheit wissen!“

Anthonius funkelte sie wütend an.

„Ihr seid genau wie Eure Mutter! In allem was Ihr tut! Ihr denkt, alles zu wissen, doch in Wirklichkeit habt Ihr keine Ahnung! Nicht im Entferntesten.“

„Ach nein! Dann sagt es mir endlich! Hören wir doch mit diesen Spielchen auf und machen reinen Tisch...“

Ihr Vater schnaubte.

„Das könnt Ihr nicht, nicht wahr? So verworren sind nun Eure Lügen.“

Anthonius lachte verächtlich.

„Ihr habt keine Ahnung, Cathrina! Ihr glaubt, Ihr hättet verstanden, worum es hier geht, doch Ihr irrt Euch! Noch eine Parallele zu Eurer Mutter!“

Cathrina die sich gerade zum gehen umwandte hielt in der Bewegung inne.

„Wisst Ihr, dass ist genau das, was mich am meisten zum nachdenken gebracht hat. Von jedem, der meine Mutter gekannt hat, Euch eingeschlossen, höre ich ständig, wie ähnlich ich ihr doch bin.“

Sie drehte sich vollends zu Anthonius um.

„Doch wenn das wirklich wahr ist, wenn wir uns wirklich so ähnlich sind, dann bringt mich das zu einer festen Gewissheit; meine Mutter hätte ihren König niemals verraten! Ebenso wenig wie Leelu es getan hat, oder ich selbst es tun würde. Und das, kann nur eines bedeuten; meine Mutter wurde in eine Falle gelockt! Und wer könnte das besser, als ihr eigener Gemahl!?“

Ihre Worte taten ihre Wirkung.

Anthonius packte sie fest an den Oberarmen.

„Ihr wagt es?!“ er schäumte vor unbändiger Wut. „Ihr seid meine Tochter! Ihr lebt in meinem Haus! Und Ihr wagt es mich derart zu beleidigen!?“

Er stieß sie von sich und Cathrina lächelte.

„Machen wir uns doch nichts vor, Vater.“ das letzte Wort spuckte sie ihm fast vor die Füße. „Ich war in diesem Haus noch niemals willkommen. Und vielleicht hebt das Eure Stimmung wenn ich Euch sage, dass ich es verlassen werde. Für immer.“

Anthonius lachte bei diesen Worten.

„Macht Euch doch nicht lächerlich! Wo wollt Ihr denn schon hin gehen?“

„Nun ich habe eine Aufgabe zu erfüllen und als erstes muss ich mit Hawke sprechen.“

„Mit dem Kommandanten? Als hätte er nicht Wichtigeres zu tun, als sich Eure wilden Anschuldigungen anzuhören, vor allem zu dieser späten Stunde.“

„Er wird mich anhören.“

Irgendetwas in ihren Worten alarmierte Anthonius und er betrachtete Cathrina genauer.

Dann erbleichte er.

„Ihr habt Euch ihm hingegeben...?!“

Es war keine Frage sondern eher ein Vorwurf.

Abermals packte er Cathrina an den Armen und schüttelte sie.

„Ihr habt Euch von ihm anfassen lassen, einfach so? Wie eine... einfache, erbärmliche Dirne?!“

Er starrte sie angewidert an.

„Das hätte ich niemals von Euch gedacht. Ich dachte Ihr seid eine ehrbare Frau...!“

„Erzählt Ihr mir nichts von Ehrbarkeit!“ stieß sie hervor.

„Habt Ihr eine Ahnung was Ihr da getan habt?!“

„Was ich getan habe, geht Euch nichts an...“

Er starrte sie aus zusammengekniffenen Augen an, bevor er sie entsetzt aufriss.

„Ihr... liebt ihn?!“ sein Griff wurde fester.

„Ihr glaubt ihn zu lieben... Doch wisst Ihr eigentlich, wer er wirklich ist!?“

„Was soll das heißen, wer er wirklich ist!?“ fragte Cathrina verwirrt und Anthonius lachte bösartig.

„Er hat es Euch also nicht gesagt? Ihr teilt mit ihm das Lager und wisst eigentlich nichts von ihm! Gar nichts!“

„Wovon zum Teufel redet ihr da!?“ sie knirschte mit den Zähnen und er genoss ihre Pein in vollen Zügen und dann sagte er es ihr und Cathrina verschlug es für einen Augenblick die Sprache.

„Ihr lügt!“ rief sie. „Das ist unmöglich!“

„Nein! Mein Kind, genau so ist es. Er ist eine Gefahr, eine Bedrohung für ganz Ascardia. Seit er auf dieser Welt ist.“

„Das ergibt doch alles keinen Sinn...“

„Oh doch natürlich. Und Ihr, dummes verwöhntes Gör habt nichts besseres zu tun als die Beine für so einen Mann zu öffnen! Das ist einfach widerlich!“

Cathrina hatte genug gehört.

Sie stieß Anthonius von sich.

„Wagt es nicht über mich zu urteilen! Nicht nach allem, was Ihr getan habt! Ihr steht da, mit Eurem selbstgefälligem Grinsen und wagt es mich zu verurteilen. Ja, ich liebe ihn und was Ihr auch sagt wird nichts daran ändern, wenn es denn der Wahrheit entspricht.“

Sie wandte sich zum gehen.

Sie musste schleunigst raus aus diesem Raum, der für sie immer mit schlechten Erinnerungen verbunden war.

Anthonius schnellte hervor, riss sie zu sich herum.

„Ihr werdet nirgendwo hingehen. Nicht nach allem was Ihr getan habt.“ er wollte sie mit sich zerren und sie irgendwohin sperren wo sie für ihn keine Gefahr mehr darstellte.

Cathrina riss sich los, ehe er zwei Schritte zur Tür gemacht hatte.

Er wirbelte zu ihr herum und hob die Hand. Doch noch bevor sie Cathrinas Gesicht auch nur berühren konnte, hatte diese sie gepackt und drehte Anthonius den Arm schmerzhaft auf den Rücken.

Es knackte laut und Anthonius schrie gequält auf.

„Das war ein Fehler, Anthonius.“ es war das erste Mal, dass sie ihn mit seinem Namen ansprach und nicht Vater nannte, denn das war er nicht für sie.

Ihr Blick war eiskalt, als sie Anthonius ansah, der nun zu ihren Füßen kniete, während Cathrina noch immer den gebrochenen Arm umklammert hielt.

„Vielleicht, weiß ich nur die Hälfte von dem, was hier vorgeht, doch über eines solltet Ihr Euch im Klaren sein; Ihr und die Euren, die es wagten, uns dieses Leid anzutun werden nicht mehr sicher sein. Ich werde Euch jagen und ich werde Euch töten, wenn Ihr mir auch nur noch einen einzigen Grund dazu geben solltet! Ihr habt meine Schwester hinrichten lassen, weil sie Euch in die Quere gekommen ist, und ich werde das beweisen. Welche Rolle Hawke bei dieser unglaublichen Intrige spielt, wird sich erst noch herausstellen. Haltet Euch von meiner Familie fern und fasst mich niemals wieder an, oder ich schwöre, dass nächste mal reiße ich Euch den Arm heraus! Habt Ihr mich verstanden?!“ sie wartete seine Antwort nicht ab und wandte sich von diesem erbärmlichen Anblick ab.

Mia hatte alles mitangehört.

Cathrina bemerkte sie nicht, als sie an ihr vorbei stürmte.

Noch niemals hatte sie ihre Schwester so erlebt. Doch sie konnte ihre tödliche Wut verstehen. Und mehr als das. Ihr selbst erging es nicht anders.

Ihr schwarzes, seidenes Gewand strich leise über den Boden als sie das Arbeitszimmer betrat.

Anthonius wimmerte, als er sie sah.

„Melissa. Meine Tochter... Bitte! Helft mir! Eure Schwester... Sie hat... den Verstand verloren.“

„Schweigt!“ sagte Mia, und ihre Stimme war leise, aber tödlich, als sie das sagte.

Anthonius blickte auf und betrachtete seine jüngste Tochter. Und was er sah, jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken.

Sie stand vor ihm und starrte ihn an. In ihren sonst smaragdgrünen Augen schien ein violettes Feuer zu pulsieren. Ihre Haare bewegten sich, als würde eine milde Brise hindurch streichen, obwohl es in dem Raum windstill war. Violette und schwarze Fäden schlängelten sich um ihre Arme und wanderten von den Fingerspitzen zu ihren Schultern hinauf.

„Was...?“

„Ihr habt Leelu verraten! Ihr habt sie alle zum Tode verurteilt...!“ mit jedem ihrer Worte schwoll ihre Stimme an und der Raum schien plötzlich zu beben. Die Regale an den Wänden erzitterten, Bücher knallten auf den Boden.

Der kostbare Globus schwankte gefährlich und einige der Bilder, an den Wänden lösten sich von ihren Haken.

Mia presste die Lippen aufeinander.

„Betet! Betet, dass Euch Cathrina als erste in die Finger bekommt. Denn ich kenne Wege Euch leiden zu lassen, die Ihr Euch in Euren schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen könnt!“

Sie hob die Hand und Anthonius kreischte auf.

Es fühlte sich an als würde sein gesamter Körper bei lebendigem Leib in Flammen aufgehen. Er meinte die Flammen zu sehen, obwohl da nichts war.

Er glaubte den Geruch versengenden Fleisches zu riechen, auch wenn das unmöglich war.

Die Schmerzen waren entsetzlich und er meinte den Verstand zu verlieren.

„Aaah!“ kreischte er und wirkte erbärmlicher denn je. „Macht das es aufhört! Ich flehe Euch an! Hört damit auf!“

Mia lächelte bösartig.

„Und das ist nur der Anfang... vertraut darauf.“

Anthonius wimmerte und flehte, doch Mia beachtete ihn nicht weiter.

Ohne den Fluch von ihm zu nehmen drehte sie sich um und verließ den Raum und ließ den Mann, der einst ihr Vater gewesen war mit seinen Qualen zurück.

Die Legende von Ascardia

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