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Prolog: Wir nehmen Mallorca im Sturm
ОглавлениеEin Tuten ertönt, es gibt einen kleinen Ruck – und unsere Fähre sticht in See.
In drei Stunden werden wir in Palma anlegen, und unser Abenteuer auf Mallorca wird tatsächlich beginnen. Ohne Rückfahrticket in unser altes Leben.
Ich muss mich immer wieder kneifen, damit ich es glaube. Wir wandern gerade aus – und es fühlt sich toll an.
Es ist August 2006. Deutschland hat das Sommermärchen hinter sich – aber unser Märchen fängt gerade erst an.
Neben mir atmet Harald noch immer schwer. »Für so einen Sprint durch die Augustsonne bin ich echt zu alt«, schnauft er.
»Du bist mein Held!« Ich versorge ihn mit der verdienten Portion Bewunderung. »Ich hätte nicht gedacht, dass du es noch schaffst.«
»Musste ich ja. Die hätten sonst ohne uns abgelegt, und die teuren Expresstickets wären futsch gewesen …«
»Ja. Wir waren echt das letzte Auto, das drauf kam. Die sind ja superpünktlich. So hab ich mir die Spanier gar nicht vorgestellt.«
Der nett aussehende Mann, der neben uns auf der gut gepolsterten Bank im verglasten Aufenthaltsraum sitzt, murmelt halblaut: »Sind ja auch Katalanen, keine Spanier. Wichtiger Unterschied!«
Ich beuge mich vor und spreche ihn über Haralds immer noch heftig pumpenden Bauch hinweg an: »Sie sind auch aus Deutschland? Fahren Sie öfter mit dieser Expressfähre?«
»Ja, regelmäßig. Drei Stunden statt sechs machen schon was aus, finde ich. Aber beim ersten Mal wusste ich auch nicht, dass die Buchungsbestätigung nicht reicht und ich mir noch das Ticket holen muss, beim Fährbüro. War allerdings damals nicht so knapp wie bei Ihnen heute.«
Dann grinst er Harald an: »Respekt. Sie waren echt schnell. Und das bei 34 Grad.«
Harald grinst zurück, wenn auch etwas schief, und fragt: »Stimmt es, dass man hier nicht an Deck kann?«
»Ja, ist so. Leider. Das Ding ist eher ein Flugzeug als eine klassische Autofähre.«
Ich seufze. Unsere Ahnungslosigkeit ist mir ein wenig peinlich, aber der Mann ist zum Glück freundlich. »Na toll. Wir haben uns echt zu wenig informiert vorher. Uns war auch nicht klar, dass die Hunde unten bleiben müssen.«
Die beiden liegen jetzt im Auto auf den Sofapolstern, auf denen wir in den nächsten Wochen schlafen werden, bis der Umzugscontainer mit dem Ehebett und den Matratzen ankommt. Immerhin gab es keine Probleme bei der Einreise und bei der Auffahrt auf die Fähre. Die beiden vierbeinigen Auswanderer sind vorschriftsmäßig geimpft, gechippt und mit Hundepässen ausgestattet.
»Komm«, sagt Harald und legt mir die Hand auf den Unterarm. »Es war trotzdem richtig, dass wir uns die Fähre geleistet haben. Drei Stunden auf See sind genug für die Hunde – und für uns. Und es fühlt sich ein bisschen wie Luxus an: übers sommerliche Mittelmeer in unser neues Leben. Die Sitze hier sind doch superbequem, oder? Und deshalb mach ich jetzt auch die Augen zu. Ich bin echt todmüde. Ich hab letzte Nacht kaum geschlafen in unserem Kofferraumhotel.«
Die letzten Worte höre ich kaum noch, weil auch meine Lider plötzlich tonnenschwer sind. Ich lächle dem netten Nachbarn noch mal kurz zu, murmle: »Dann bis Palma …«, und bin weg.
Es kommt mir vor, als hätte ich kaum geschlafen, da erwache ich von einem stechenden Geruch.
Als ich die Augen öffne, wird schnell klar, woher er kommt: Mitten im August tobt auf dem Mittelmeer ein heftiger Sturm. Das Schiff schwankt und rollt – und einem Großteil der Passagiere ist übel geworden.
Ich schaue zur Uhr – wir sind gerade mal eine Stunde unterwegs. In einer Mischung aus Ekel und Angst klammere ich mich an Haralds Arm fest, sodass auch er erwacht.
»Sind wir schon da?«
»Leider nicht«, antworte ich mühsam. Um dann hervorzustoßen: »Mir ist schlecht. Wo gibt es hier Kotztüten?«
Leider stellt sich heraus, dass die teure Fähre keine an Bord hat – im Hochsommer rechnet offenbar niemand mit so etwas. Und an die Reling kommt man ja nicht … Das Ergebnis sieht und riecht man überall. Und auch uns trifft es zwangsläufig. Aus Verzweiflung hole ich den Kulturbeutel raus, den ich immer in meiner kleinen Reisetasche habe, räume ihn leer und …
In einer kurzen Pause, als der Magen gerade nicht rumort, fasst Harald mich plötzlich am Oberarm. »Nanni, die Hunde! Verdammt!«
Ich versuche, mich zu erheben – aber Harald hält mich fest. »Vergiss es. Man darf während der Fahrt nicht in den Laderaum. Sturm hin oder her.«
»Aber die beiden armen Tiere kotzen uns doch jetzt sicher alles voll da unten. Es ist so heiß und eng im Auto! Und dann das Geschwanke …« Ich muss erneut würgen.
Harald steht der kalte Schweiß auf der Stirn. Wegen der Übelkeit? Das vielleicht auch. Aber vor allem weil ihm gerade eine Frage einfällt: »Wenn die jetzt alles vollmachen – worauf sollen wir dann heute Nacht schlafen?«
Unsere Auswanderung fängt wirklich toll an.
Na ja: Eigentlich begann die Geschichte unserer Auswanderung ein halbes Jahr vorher …