Читать книгу Nachtschatten - Nataly von Eschstruth - Страница 5

Zweites Kapitel.

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Margret hatte den Geburtstagstisch so sinnig und hübsch geschmückt, wie es bei den bescheidenen Mitteln, über die sie verfügte, möglich war. Grosse Sträusse schlanker Weiden- und Nusskätzchen, die ersten gelben Blüten der Herlizia, Krokus und Fürwitzchen, untermischt mit bescheidenen, rotgeränderten Gänseblümchen und weissen Anemonen, kurz alles, was der erste, junge Lenz an Blüten und Knospen über die erwachende Welt streut, blühte auf dem weissen Damasttuch!

Selbstgebackener Mandelkuchen duftete auf buntgemalter Platte, schlanke Weinflaschen sorgten für das festliche Gepränge, und Margret hatte auf Befehl der Frau Agnes das lichtblaue Kleid anlegen müssen, welches ihr so ganz besonders hübsch zu Gesicht stand! —

Der Amtsrichter blickte denn auch mit unverkennbarer Huld auf die zarte, schmiegsame Mädchengestalt, und schien nicht zum angenehmsten überrascht, als Frau Agnes ihm mit viel selbstbewusster Würde den Stuhl an ihrer Seite anwies, während zu seiner Linken der Professor Platz nahm.

Herr von Uttenhofen schien auch etwas erstaunt über dieses Arrangement.

„Soll unser verehrter Gast denn nicht zwischen den beiden Damen sitzen, liebe Agnes?“ fragte er mit schüchternem Versuch, auch einmal eine Anordnung zu treffen, — Frau Hauser aber schöpfte gelassen die Suppe aus und sagte sehr ruhig und bestimmt: „Nein, Herr Professor, die Kleine ist heute eine zu ungemütliche Nachbarin, — Sie wissen, dass sie es sich heute ebensowenig wie sonst nehmen lässt, uns zu bedienen, und da würde der Herr Amtsrichter zumeist neben einem leeren Stuhl sitzen. — Das Tischgebet, Margret!“ —

„Wie du willst, liebe Agnes!“ —

Und dann sprach die weiche, melodische Stimme des jungen Mädchens, die bei den so überraschend gnädigen Worten der Alten heiss erglüht war, das schlichte Sprüchlein.

Man setzte sich, und der Amtsrichter machte mit galanter Verbeugung gegen Fräulein von Uttenhofen die treffende Bemerkung: „Vis-à-vis — noch besser wie nah dabi!“ — eine Artigkeit, die den Professor veranlasste Frau Agnes einen strahlenden Blick zuzuwerfen, der soviel ausdrückte, als wie: „Hast du’s gehört? Er hat wirklich Absichten!!“

Aber Frau Hauser löffelte vollständig gleichgültig ihre Suppe und sagte nur: „Na, jetzt haben Sie’s ja raus, Gretchen, wie man eine gute Fleischbrüh’ kocht!“ —

Margret starrte sie ganz verdutzt an, der Amtsrichter aber lächelte höflich: „Das gnädige Fräulein ist wohl Ihre Schülerin in der edlen Kochkunst, Frau Agnes? Nun, da kann man ihr freilich gratulieren!“

„Ihr und wohl auch demjenigen, der sie mal heimführt!“ lächelte die Matrone verschmitzt. „Nicht wahr, Kleine? Wenn der Mann so hungrig und müde vom Dienst nach Hause kommt und viel Staub geschluckt hat ... na, na — dies böse Gesicht! — Da hier — mein Suppenteller! Sie können uns gleich den Fisch holen!“— und damit wischte sich die Sprecherin mit breitem Lachen den Mund, nahm die Teller von ihren beiden Nachbarn zusammen und reichte sie dem jungen Mädchen. „Mit Verlaub, Herr Amtsrichter, es geht ganz gemütlich bei uns zu. Auf Gäste sind wir nicht eingerichtet — Lohndiener sind bei uns nicht, — man muss fürlieb nehmen!“

Margret war über die Art und Weise der Alten, sie plötzlich mit einem Offizier zu necken, so perplex, dass sie schleunigst mit den Tellern verschwand. — Auch der Professor sah ganz fassungslos aus, und Herr Hettstädt kniff mit saurem Gesicht die kurzsichtigen Augen zusammen und wiederholte gedehnt —: „Ah — dom Dienst? Also Fräulein Margret wünscht sich einen Herrn Offizier zum Gatten?“

Agnes neigte sich vertraulich näher: „Nein, das tut sie eben nicht! Sie macht sich nämlich nicht viel aus dem doppelten Tuch! — Hihi! Sahen Sie nicht ihr böses Gesicht? Aber, du liebe Zeit! Ich denke mir, es wird doch noch mal ein Leutnant! Da ist namentlich einer, der ist ganz toll in das Mädel! Rein von Sinnen! Ich sehe ja, wie er das Pflaster vor dem Hause glatt läuft!“

„Hm! Hm!“ —

„Nicht wahr, Sie merkten es auch schon?“

„Olmütz! Pah — grüner Laffe — kein Geld ... der kann ihr nichts nützen!“

„Sagen Sie das nicht! Hübsch ist er aber! Und schmuck und fein! Und in vier Jahren Hauptmann. So lange kann eine Achtzehnjährige wohl warten!“

Die Sprecherin schenkte dem Gast sehr freundlich Wein ein, der Professor sass wie ein steinernes Bild und stöhnte leise: „Aber Agnes — liebe Agnes ...“

Der Amtsrichter nahm jedoch mit sauertöpfischem Gesicht einen Schluck und zuckte die Achseln. „Sagten Sie aber nicht, Fräulein Margret mache sich nichts aus dem Militär?“ —

„Tut sie auch nicht!“

„Nun also!“ —

„Manches Mädchen hat schon den Falschen genommen, wenn der Rechte nicht kam! Ob sie Olmütz mal erobern wird? Das glaube ich kaum! Aber der Berliner ...“

„Der Berliner?!“

„Ja, sehen Sie, Herr Amtsrichter — ganz unter uns gesagt — von der Pension her hat sie auch einen Anbeter, einen flotten, reichen Husar sogar, der ein Schloss und Geld wie Heu hat. Du liebe Zeit, wem fiele das bildschöne Mädchen nicht auf —“

„Ein Husar?!“

„Liebe Agnes ... ein reicher Husar ... ei, davon weiss ich ja kein Sterbenswörtchen!“ —

„Woher denn auch? — Einem Manne und alten Onkel machen die Mädchen keine Geständnisse ...“

„Also doch Geständnisse —! Da ist die Sache wohl schon klipp und klar?“

„I, wo denken Sie hin, Herr Amtsrichter! Das ist ja das Wunderliche, dass das närrische Ding ihn auch nicht mag! Hat sich ja vor ihm hierher zu uns geflüchtet ... im Vertrauen gesagt, Herr Hettstädt!“ —

„Aber liebste Agnes ... hierhergeflüchtet?“ — und Onkel Max machte ein so unbeschreiblich überraschtes Gesicht, dass er vollständig vergass, den Mund wieder zu schliessen.

„Pst!“ sagte Frau Hauser. „Das liebe kleine Ding kommt!“

Und Margret setzte mit glühenden Wangen einen herrlich gebläuten Karpfen auf den Tisch, lachte den Amtsrichter ganz harmlos und lediglich aus Freude über das ihr gelungene Anrichten mit strahlenden Augen an, und huschte leichtfüssig zurück, um Kartoffeln und Sauce zu holen.

Frau Agnes aber sass dick und breit auf ihrem Stuhl und legte die Hände behaglich über dem Magen zusammen.

„Nun sieh mal an — wie sie’s ’raus hat!“ sagte sie mit anerkennendem Kopfnicken, mehr zu sich, wie zu den Herren, und dann schenkte sie dem Amtsrichter abermals ein. „Fisch will schwimmen und nun, bitte, mal zugelangt! Ich weiss aus dem Löwen her, dass Sie den Kopf lieben — mit Verlaub, wenn ich Ihnen vorlege!“

Herr Hettstädt strahlte vor Freude, hielt den Teller hin und nahm dankend sein Lieblingsstück in Empfang.

„Ganz recht, ganz recht! Der Kopf, ja dafür habe ich eine Schwäche! Aber sagen Sie um alles, beste Frau Agnes — wie erfuhren Sie das?!“

Die Matrone sah unendlich harmlos aus. „Ei, die Margret hat es mir wohl gesagt. Solch ein junges Ding weiss immer mehr wie andere Leute ... pst ... sie kommt.“

Voll ausgesuchtester Höflichkeit wandte sich der Amtsrichter der jungen Dame zu, die Unterhaltung schien die schönsten Blüten treiben zu wollen, als Frau Hauser energisch die Hand hob. „Beim Fisch wird nicht gesprochen! Essen Sie mal in Frieden Ihren Karpfenkopf, Herr Amtsrichter, die Margret hält sich nie lange mit Messer und Gabel auf, und wenn sie mit ihrem Teller im klaren ist, sagt sie uns mal das hübsche, lustige Gedicht vom Ritter Kunz und seiner Schwiegermutter auf.“

„Ja, das ist sehr spasshaft!“ nickte der Professor kauend, und der Amtsrichter, der nichts mehr liebte, als wie beim Fischessen gut unterhalten zu werden, ohne dass Ansprüche an seine Suade gestellt wurden, applaudierte mit scharmantestem Lächeln und war entzückt von der Idee.

„Aber liebste Frau Agnes, dieser alte Witz“ — — wehrte Margret verlegen ab.

„Schnickschnack! Trinken Sie mal! tüchtig, das ganze Glas aus! — So, und nun seien Sie ganz so lustig und gesprächig, wie Sie es stets bei Tische sind. Vor dem Herrn Amtsrichter brauchen Sie sich nicht zu genieren!“

„O gewiss nicht!“ Fräulein von Uttenhofen sah ganz verklärt aus. So liebenswürdig war ihre gestrenge Widersacherin ja noch nie zu ihr gewesen.

Ein Gefühl der Glückseligkeit überkam sie. Welch ein schöner Freudentag war es heute! — Wahrlich, da konnte man lustig und guter Dinge sein, schon dem Onkel zuliebe, der sie auch so bittend ansah.

Lachend rezitierte sie die schauerliche Ballade von dem Ritter Kunz, deren Wiege wohl auch die Fliegenden Blätter gewesen, und die sie ehemals bei heiterem Fest in der Pension dramatisch dargestellt hatten.

Ritter Kunz kann der Gespenster in seiner Burg nicht Herr werden.

Die grausigen Unholde toben Nacht für Nacht weiter, und der arme Schlossherr wendet alle nur erdenklichen Mittel an, um sie zu verscheuchen.

Umsonst! Die schauerlichen Spukgestalten spotteten jedweder Beschwörung, bis der geplagte Ritter auf ein letztes Mittel verfällt.

Er ruft seine Schwiegermutter zu Hilfe.

Just als der Höllenspektakel im fahlen Mondlicht der Rüsthalle wieder seinen Höhepunkt erreicht hat, öffnet sich die Tür, und in einer Nachttoilette, die das Entsetzen der bleichen Geister nur zu begreiflich erscheinen lässt, mit drohend erhobenem Besen erscheint die Schwiegermama auf der Schwelle.

Da ward’s still. —

In heillosem Schreck stieben die Gespenster auseinander und flüchten in wilder Hast aus dem Bereich der alten Dame.

Sie, die nichts in die Flucht schlagen konnte, packte bei dem Anblick einer Schwiegermutter bleiches Grauen.

Die Dichtung wirkte ungeheuer erheiternd auf die kleine Tischrunde, der Professor wischte sich die Lachtränen aus den Augen und sagte doch voll kopfschüttelnden Mitleids: „Die armen Schwiegermütter! Solange wie der Deutsche noch seine Witze macht, werden sie die Kosten derselben tragen müssen. Ein wunderlicher Widerspruch! — Keine Nation stellt ihre Frauen so hoch, hält sie so heilig und wert wie der Deutsche, dem das Wort ‚Mutter‘ ein Stücklein Religion umschliesst, — und doch macht er mit Vorliebe seine Scherze über dieses so teure Wort, wenn ihm die Silben ‚Schwieger‘ voranstehen!“ —

„Erklären wir es mit der ebenfalls sehr deutschen Eigentümlichkeit, dass das — was sich liebt — sich gerne neckt!“ lächelte der Amtsrichter in bester Laune, hob sein Glas und trank auf das Wohl der Damen.

Frau Agnes zuckte die Achseln. „Na — mit der ‚Liebe‘ wollen wir es in diesem Falle nicht zu genau nehmen. Es gibt Exemplare von Schwiegermüttern, die furchtbar sind. Davor möge Gott einen jeden Mann bewahren. Ich habe da selbst gar manches mit angesehen — und am schlimmsten sind sie, wenn sie das Geld in Händen haben und obendrein geizig sind. Da glaubt mancher, er nimmt sich eine wohlhabende Frau — und wenn’s zum Klappen kommt, sitzt die Schwiegermutter auf dem Geldsack und lässt die lieben Kinder hungern! Hat sich schon mancher die Zähne an Musbrot ausgebissen, der lieber Butter darauf gegessen hätte, — und statt Karpfen — grüne Heringe. Und statt Hühnerbraten einen Stallhasen! — Übrigens — ist denn das wohl wahr, dass die Doktorn neulich ein wildes Karnickel gebraten hat? — Gott soll mich bewahren, nächstens wird sie noch die Ratten und Mäuse spicken! — Sehen Sie, Herr Amtsrichter — ich will nichts gesagt haben — aber ich bin eine ehrliche Person und rede die Wahrheit. — Sehen Sie, die Doktorn, das ist so eine Schwiegermutter, von der die Männer auch beten können: ‚Davor bewahr’ uns, lieber Herrgott!‘ — — Ei, warum sehen Sie denn plötzlich so verlegen aus, mein Goldkindchen? Bei Ihnen kommt ja doch nie ein Mann in Verlegenheit wegen der Schwiegermama, Margret, — Ihr Zukünftiger kann sich ins Fäustchen lachen! — So, und nun holen Sie uns mal den Hühnerbraten, Kleine, — die Kompottschüsseln haben wir schon auf dem Tisch, fehlt also noch der Kartoffelsalat und die Sauce dazu!“ —

Margret hatte mit Schreck die sehr verdüsterte Miene des Amtsrichters gesehen, als Agnes so ungeniert von der Doktorn sprach. Du liebe Zeit, ahnte denn die Alte gar nicht, dass Herr Hettstädt der erklärte Freier von Doktors Lina war? — —

Sie ward dunkelrot vor Verlegenheit, erhob sich hastig und wechselte die Teller, um alsdann nach der Küche zu eilen.

Der Amtsrichter nickte mit grämlichem Gesicht vor sich hin. „Hm ... die Frau Doktor ...“ murmelte er. „Sie haben wohl recht, beste Hauser ... die Frau ist mehr wie sparsam. Das Karnickel hat sie in der Tat gebraten und behauptet, solch ein Lapin sei eine Delikatesse. — Schrecklich!“ —

„Behauptet sie? — Die Heuchlerin!“ rief Agnes voll sittlicher Entrüstung. — „Das Dienstmädchen hat erzählt, wie Schwamm hätte das Vieh geschmeckt, und so unappetitlich sei’s gewesen, dass sie lieber Hunger gelitten hätte, als so was über die Lippen zu bringen. Und das will was heissen! Denn bei Doktors werden die Mägde wirklich mit Heringsgräten gesuttert. Trotz alledem hat die Madame schon wieder neue Karnickel bei dem Forstläufer bestellt. Ja, ja, schütteln Sie sich man, Herr Amtsrichter! Wenn Sie in der nächsten Zeit hingehen, bekommen Sie auch Lapinbraten vorgesetzt, also bleiben Sie man lieber weg!“

„Ja — das werde ich wohl ... obgleich ... Sie verstehen, mein lieber Professor, so als Junggeselle und einsamer Mensch bedarf man eines gewissen Familienanschlusses. Ich bin Gemütsmensch, eine traute Häuslichkeit zieht mich an! Ja, wenn man es als Hagestolz so herrlich haben kann wie Sie, verehrter Freund. So versorgt und gehegt und gepflegt werden — eine solch meisterliche Küche ... o — ja dann“ —

„Hm ... allerdings ... meine gute Agnes ...“

„Ich will Ihnen mal was sagen, Herr Hettstädt: Wenn es Ihnen um Gemütlichkeit zu tun ist, dann kommen Sie zu uns, sooft Sie Lust haben! Wenn der Professor auch arbeitet — ei, so sind wir Frauenzimmer doch da, um Sie zu unterhalten. Bei mir gibt’s keine Karnickel und Musstullen, und die Margret spielt Ihnen was auf dem Klavier. So, da wären ja die Hühner! Haben Sie recht brav gemacht, Kindchen! So goldgelb knusprig müssen sie aussehn — und tüchtig Sahne an die Sosse? Schmeckt delikat. — Na ja, ich sage ja, die Magret kocht bald noch besser wie ich!“

Der Amtsrichter kniff sehr huldvoll lächelnd die Augen zusammen.

„Wissen Sie auch, Fräulein Margret, — dass meine lieben Freunde hier mich soeben aufforderten, recht häufiger Gast in diesem behaglichen Hause zu sein?“

Das junge Mädchen war so glückselig und verwirrt durch das Lob der Frau Agnes, dass sie nur mit leuchtenden Augen den Sprecher anblickte und ihm freundlich zulächelte: „O, das ist ja sehr nett! Dann darf ich Frau Hauser hoffentlich jedesmal in der Küche helfen!“

„Das versteht sich!“ nickte die Alte und schnitt mit kraftvoller Hand ein saftiges Hühnerbein ab, um es voll sorgender Höflichkeit allsogleich auf den Teller des Gastes zu legen. „Sie sollen jetzt tüchtig kochen lernen, Fräuleinchen, damit Ihr Mann mal ein gutes Leben hat, wenn Sie heiraten! Viele Zeit haben wir nicht mehr! Am Neujahrstag hat mir geträumt, dass ich Kuchen backte und einen Kranz flocht, das bedeutet eine Braut im Hause!“

„Ah — sieh an! — ei, ei, Fräulein Magret!“ —

„Hm — sollte mich freuen!“ schmunzelte der Professor und hob sein Glas: „Darauf wollen wir anstossen!“

„Aber Onkel!“

„Schnickschnack! Angestossen!“

„Ich erlaube mir, mein schönes Fräulein!“

„Nicht wahr, der kann lachen, der die mal kriegt?“ kicherte Frau Agnes und stiess den Amtsrichter mit den Ellenbogen sanft in die Seite. —

Der gestrenge Herr füllte sich gerade Kompott auf.

„Das glaube ich selbst! Eine Frau, die hübsch ist, gesund — gut kocht —“

„Hihi! und keine Schwiegermutter mit ins Haus bringt —“

„Sehr beachtenswert!“ —

„Und von feiner Familie ist —“

„Hm — darauf lege ich nicht viel Wert.“ — Das Gesicht des Sprechers bekam wieder etwas Säuerliches. — „Titel sind überflüssig: wenn nicht die Mittel dazu da sind, genieren sie höchstens. Aber die Mittel sind doch eine rechte Hauptsache!“ —

„Oho!“ Frau Agnes setzte sich in Positur. „Sagen Sie das nicht! Grässlich, wenn die Frau auf ihre Geldsäcke pocht! Eine reiche Frau hat stets im Hause die Hosen an! Die kommandiert und schikaniert und lässt bei jeder Gelegenheit den Mann merken, dass sie die Musikanten hat! Eine arme Frau ist viel bequemer! Die muss sich ducken, sich fügen, fein demütig gehorchen und dem Mann alle zehn Finger küssen, dass er sie durchfuttert! Solch eine arbeitsame, stille, gefügige Frau ist ein Glück — während ein Geldprotz immer ein Unglück ist!“ —

Der Amtsrichter sah plötzlich ganz nachdenklich aus. „In dieser Beleuchtung, allerdings — —! Hm ... Die Sache hat etwas für sich — — Sie haben vielleicht recht, Frau Hauser ...“

„Prosit! Darauf trinken Sie mal aus! Magret, schenken Sie dem Herrn Hettstädt ein!“

Das junge Mädchen war viel zu ahnungslos und harmlos, um sich bei diesem Gespräch das mindeste zu denken.

In ihrer frohen Stimmung sah sie die Welt durch rosafarbene Schleier an und dachte nicht darüber nach, ob dieselben das Auge täuschten. Sie wusste, dass kein ernsthafter Freier auf meilenweit für sie in Sicht war, darum lachte sie arglos über den Traum der Alten und über die Heiratsgedanken, mit denen man sie neckte.

Und weil sie gern in den heiteren Ton einstimmte und wieder necken wollte, so dachte sie daran, dass der Amtsrichter mit Doktors Lina verlobt gesagt wurde, hob ihr Glas und lachte ihm schalkhaft zu: „Gehen Sie nur mit gutem Beispiel voran, was das Heiraten anbetrifft, an mir wird’s dann auch schon nicht fehlen!“

Er nickte ihr mit wahrhaftem Gönnerblick zu. „Wer weiss, — wer weiss! Manch Mädel hat schon durch Kochkünste sein Glück gemacht!“ —

Und dann rückte er wiederum die Brille gravitätisch auf der Nase zurecht und begann zu erzählen, was für enorme Schwierigkeiten er mal wieder in der letzten Zeit in seiner einflussreichen Stellung überwunden habe, wie seine Vorgesetzten ihn gar nicht genug loben und rühmen könnten, wie man ihm eine ganz enorme Karriere voraussage!

Der Weihrauch, den er mit immer volleren Händen auf den Altar seiner eigenen Herrlichkeit streute, qualmte wie ein Fabrikschornstein, und die hagere, engbrüstige Gestalt des Herrn Amtsrichters schimmerte immer sagenhafter und göttergleicher aus den dichten Wolken, und Frau Agnes faltete die Hände über dem dicken Magen und starrte bewundernd auf den Mann der Zukunft, vor dem selbst alle Exzellenzen und Reichskanzler zusammenschrumpften wie Schatten vor der Sonne. Welch ein Mensch! —

Auch der Professor versagte ihm nicht die schuldige Hochachtung, nur Margret sass und blickte an dem salbadernden, hochbedeutenden Mann vorbei durch das Fenster, vor dem die volle, sonnengoldene Pracht des Frühlings flutete, und es zog wie eine stille, heisse Sehnsucht durch ihr Herz, nach Maienglück und junger Liebe ...

„Ja, ein geistig hochbedeutender Mann gebraucht eine Frau, die als demütiger, wesenloser. Schatten neben ihm herschreitet, — eine Verkörperung strengsten Pflichtgefühls, ein Wesen, das nur dient, nur gibt — und opfert — ohne für sich das mindeste zu verlangen, — eine Magd und Dienerin, eine Krankenpflegerin und bescheidene Dulderin, ein Weib — das nur sein Glück in der Sorge für den teuren Gatten findet!“ — Herr Hettstädt sagte es mit viel Pathos und Anmassung, und Frau Agnes nickte eifrig Beifall, — Margret aber hörte kaum, was er sprach, — sie sehnte sich hinaus in das Duften und Blühen goldener Lenzespracht, die so wundersame, wonnige Märchen von süsser Liebe und idealen Träumen in das Ohr junger Mädchen haucht ...

Sie seufzt leise auf. —

Der Amtsrichter kam wieder, — und kam immer öfter, aufs dringlichste und schmeichelhafteste von Frau Agnes geladen!

Anfänglich war Margret noch völlig unbefangen, ja sie freute sich sogar auf die Besuche, weil sie alsdann jedesmal in der Küche helfen, etliche Speisen sogar selbständig kochen durfte.

Die kleinen Anspielungen und Scherze der Frau Hauser verstand sie nicht, — ebensowenig legte sie den mindesten Wert auf die paar süsslichen Redensarten des Herrn Hettstädt, die ihr sogar unsympathisch und fatal waren. Dass sie dieselben als „Courmacherei“ aufzufassen habe, kam ihr gar nicht in den Sinn. Es lag eine so trockene, nüchterne Art und Weise in dem ganzen Amtsrichter, eine so grenzenlose Selbstüberhebung und herablassende Huld, dass Margret nur den ältlichen, kränkelnden Mann in ihm sah, den Egoisten und eingefleischten Bureaukraten, der dem Frühling und der Liebe so fern stand, wie die Nacht dem Tage. In welch anderer Weise huldigten ihr die jungen Offiziere!

Vor allen Dingen Olmütz!

Aber auch dieses war nicht nach ihrem Geschmack. Das feurig leidenschaftliche Werben des jungen Leutnants ängstigte und erschreckte sie. Sein Blick, seine verstohlenen Händedrücke, seine Worte, die er mit heissem Atem oft in ihr Ohr flüsterte, entsprachen nicht ihrem holden, schüchternen Mädchentraum von heilig ernster, himmelhochtragender Liebe! Was bei dem Amtsrichter zuwenig war, tiefinniges, zärtliches Empfinden, das war bei Olmütz zuviel; — was bei jenem fehlte, schäumte bei diesem über, was bei dem einen kaum als armseliges Fünkchen glimmte, drohte bei dem andern als verderblicher Brand in wilden Gluten emporzulodern. Und das eine gefiel Margret so wenig wie das andere.

Sie schuf sich selber in stillen Träumen die Idealgestalt ihres Glückes, und weil dieselbe so hoch, ach so unerreichbar hoch in den Wolken schwebte, kam es ihr gar nicht in den Sinn, dass sich auf niederer Erde eine barbarische Hand finden könne, die ihr das süsse Zauberbild in Stücke schlagen könne!

Sie war dem Amtsrichter gegenüber völlig unbefangen, bis eines Tages zum erstenmal an dieser Harmlosigkeit gerüttelt ward. Sie begegnete auf der Strasse Doktors Lina, wollte sie freundlich begrüssen und ihr die Hand reichen, — zu ihrer grossen Bestürzung jedoch funkelte das alternde Fräulein sie hasserfüllten Blickes an und wandte ihr, ohne den Gruss zu erwidern, den Rücken. Ganz betroffen von dem Unerwartenen fragte Margret eine just des Weges kommende, ihr befreundete Dame, was dies beleidigende Benehmen Linas bedeuten solle.

Die andere lachte ein wenig ironisch auf. „Aber meine Beste, Sie können doch nicht verlangen, dass man einem Mädchen, das einem den Freier abspenstig macht, noch um den Hals fliegen soll?“

„Den Freier abspenstig macht?!“

„Himmel, was können Sie kleiner Schalk für erstaunte Augen machen!! Glauben Sie denn, es bliebe in Rügenfurt unbemerkt und unbesprochen, wenn ein junger Herr plötzlich fahnenflüchtig wird? Früher war Hettstädt das tägliche Brot bei Doktors! Die Damen stickten sogar schon die Ausstattung, und nun plötzlich betritt er nicht mehr ihre Schwelle, sondern ist beinahe ein um den andern Tag bei Ihnen!“

„Bei mir?!“ Wie ein Schrei der Entrüstung klang es von den erbleichten Lippen Margrets.

„Nun — bei Ihnen oder in dem Hause Ihres Onkels, das ist doch gleichviel! Wegen des Herrn Professors oder der dicken Agnes wird er doch nicht kommen!“

„Doch tut er’s! Nur um des Onkels willen!“ stiess Fräulein von Uttenhofen mit bebender Stimme hervor. „Der Amtsrichter ist mir völlig gleichgültig — o, ich versichere Ihnen ...“

„Na, na! Diese Versicherungen kennt man!“ — ein Achselzucken und Auflachen — „das hat schon manche gesagt! Aber nun adieu, Kleine! Möchten Sie den besten Erfolg haben!!“

Schwarze Schatten schwirrten vor Margrets Augen. Wie gehetzt stürmte sie heim.

„Agnes! Agnes! — Wissen Sie, was man sagt?“ und sie berichtete mit entsetzten Augen das soeben Erlebte.

Die Alte zuckte gelassen die vollen Schultern. „Na, einmal muss es ja doch bekannt werden! In solch kleiner Stadt kann man nun mal nicht mit Verlobungen überraschen!“

„Verlobung!!“ —

Da fasste die Alte mit energischem Griff den Arm des jungen Mädchens. „Danken Sie dem lieben Gott auf den Knien, wenn ein solch gutgestellter Mann wie Hettstädt um Sie wirbt! Auf was wollen Sie warten? Einer Mamsell Habenichts fliegen die Prinzen und Grafen nicht in die Arme. Wollen Sie dem Onkel etwa ewig zur Last liegen, sich zeitlebens von dem alten Mann durchfuttern lassen? Er hat’s jetzt schon satt. Er darbt um Ihretwillen, er kann nicht mal seine notwendige Sommerreise machen, weil wir nun einen Fresser mehr im Hause haben. — Bitten Sie den lieben Gott, dass Hettstädt sich Ihrer erbarmt und Sie nimmt, ein grösseres Glück könnte Ihnen gar nicht blühen!“ — Schier drohlich funkelten sie die grauen Augen an, dann schlug die Tür schmetternd hinter der Sprecherin zu, — Margret aber fühlte ihre Knie erzittern. Als habe sie jählings ein Faustschlag zu Boden gestreckt, sank sie auf den Stuhl nieder. Sie weinte und seufzte nicht. Leichenblass, regungslos wie ein Bild von Stein starrte sie in den Frühling hinaus.

Nachtschatten

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