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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

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Es ist seltsam mit der Zeit. Je langsamer sie vergeht, desto mehr schrumpft sie im Rückblick. Wo sind die Tage geblieben? Ein Grund, warum ich das sehr persönliche, stellenweise gar zu private Kapitel über die Reise mit meiner Uroma und über ihren Tod niederschrieb, ist, dass wir Menschen immer meinen, keine Zeit zu haben. Das ist zum einen unserem flüchtigen Lebenswandel geschuldet, zum anderen unseren Aktivitäten in den sozialen Netzwerken. Auch ich ertappe mich immer mal wieder dabei, meiner Familie ein Treffen oder ein wichtiges Telefonat abzusagen, weil ich zu viel zu tun habe. Zu beschäftigt bin.

Meine Arbeitszeit kann ich nicht minimieren. Eine Karriere entsteht nicht aus dem Nichts, und meine berufliche Tätigkeit ist mir sehr wichtig. Das war schon immer so. Aber jedes Mal, wenn ich mir meine Instagram-Zeit anschaue, fällt mir auf, wie viel Zeit ich auf diesem sozialen Medium verbringe. Obwohl ich meine Zeit mittlerweile schon um die Hälfte minimiert habe, sind es immer noch sieben Stunden. Wöchentlich. Das sind 28 Stunden im Monat. In diesen 28 Stunden könnte ich ganz schön viel Zeit mit meiner Familie, meiner Lebensliebe Caspar und meinen Freunden verbringen. Zum Beispiel vier ausgelassene Abende verleben, 14 Mittagessen genießen oder etliche Telefonate führen. Es muss besser werden.

Solltest auch du so viel deiner Zeit mit Instagram verschwenden, hoffe ich, dich ein wenig wachgerüttelt zu haben. Selbst wenn du nur zwanzig Minuten am Tag auf Instagram verbringst, sind das ganze neun Stunden im Monat. Wache, aktive Zeit. Was spricht dagegen, diese Zeit mit deiner Oma, deinen Eltern oder deinen Freunden zu verbringen? Sehr wahrscheinlich gibt es eine Person in deinem Umfeld, der es, anders als den Bloggerinas, wirklich etwas bedeuten würde, wenn du ihr deine Aufmerksamkeit schenkst.

Eine Person, die vielleicht nicht für immer da sein wird. Instagram läuft dir nicht weg. Ganz bestimmt nicht. Die Influencerinnen werden auch später noch ihre langweiligen FitTea-Storys hochladen, von ihrem mondänen Leben schwärmen und dir überteuerte Lippenstifte andrehen wollen. Auch deine Bekannten werden nicht aufhören, ihr ödes Essen oder ihren drögen Sonntagsspaziergang zu posten. Aber die Menschen, die dir in der Realität wichtig sind, werden irgendwann sterben. Das ist dem Lauf des Lebens geschuldet.

Ich verspreche dir hiermit eines: Du wirst es irgendwann bereuen, nicht mehr Zeit mit ihnen verlebt zu haben. Ich bereue es zutiefst, nicht noch mehr Zeit mit meiner Uroma, dieser großherzigen Frau, die mich gemeinsam mit meinen Eltern großzog, verbracht zu haben. Sie hätte es verdient gehabt, dass ich ihr noch viel mehr meiner Aufmerksamkeit und Zeit geschenkt hätte. Stattdessen schaute ich mir schon im Jahr 2015 emsig die Storys der Bloggerinas an. Und mir ist mein Kuhhandel nicht einmal aufgefallen.

Ab und an hatte ich schlicht keine Zeit für ein Telefonat mit meiner Uroma – oder vielmehr: Ich meinte, keine Zeit zu haben. Ich fühlte mich extrem beschäftigt, ohne genau zu wissen, warum. Natürlich ist nicht nur Instagram ein Zeitfresser, es gibt viele weitere. Aber unsere Instagram-Zeit zu minimieren und diese Zeitersparnis zu nutzen, um den Menschen in unserem echten Leben mehr Aufmerksamkeit zu schenken, ist so einfach!

Es gibt viele Fragen, die ich meiner Uroma zu gerne noch gestellt hätte. Die mir jetzt niemand mehr beantworten kann. Auch nicht meine Mutter. Zum Beispiel, wie sie ihre Kindheit verbracht hat, wie ihr Verhältnis zu ihrer Mutter war, über die sie nie sprach, ob sie etwas in ihrem Leben bereut hat, was sie ihrem 18-jährigen Ich raten würde. Vielleicht stelle ich viele dieser Fragen deswegen heute in wirklich jedem Interview, das ich führe.

Nicht bereuen werde ich, am Ende meines Lebens weniger Zeit auf Instagram verbracht zu haben. Und soll ich dir noch ein Geheimnis verraten: Die Menschen um dich herum werden dir nicht immer sagen, dass sie dich brauchen. Vielmehr stellen sie ihre eigenen Bedürfnisse für dich vermutlich zurück. Auch ich habe Roxy damals nicht gesagt, dass ich sie brauche. Als sie mich fragte, ob sie ins Krankenhaus kommen soll, sagte ich ihr, dass das nun wirklich nicht nötig sei. Glücklicherweise hörte Roxy nicht auf mich. Sie kam trotzdem.

Wir alle sollten mehr wie Roxy sein, anstatt unsere Zeit damit zu verschwenden, uns die Instagram-Storys der anderen anzuschauen. Vor allem die Storys der Bloggerinas, die wir in der Realität überhaupt nicht kennen und die wir vermutlich auch niemals kennenlernen werden. Unsere Aufmerksamkeit bedeutet ihnen rein gar nichts. Sie wissen nicht mal von unserer Existenz.

Unsere Generation muss endlich lernen, sich weniger mit sich selbst und fremden Menschen zu beschäftigen. Stattdessen sollten wir in der realen Begegnung empathischer für die Belange unserer Mitmenschen sein. Wetten, dass deine Oma oder ein anderer Mensch in deiner Umgebung einsamer ist, als du vielleicht denkst und sich freuen würde, wenn du einfach mal vorbeischaust? Mache nicht denselben Fehler wie ich, warte nicht darauf, dass diese Person dich darum bittet. Tue es einfach! Sei da!

Notiz an mich selbst:

•Weniger Zeit auf Instagram verbringen!

•Mehr Zeit mit den Menschen verbringen, die ich liebe.

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