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Halb nackt auf einer Wassermelone

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San Francisco war nicht mein einziger missglückter Instagram-Urlaub. Es gab weitere. Speziell eine Sommerreise mit meiner Familie nach Kroatien war für mich rückblickend ein einziges Instagram-Fiasko.

August 2018

Grün-rot mit schwarzen Punkten. Meine tägliche Begleiterin im Sommer 2018. Eine Luftmatratze in Form einer Wassermelone. Bereits beim Kauf überlege ich mir, ob die Matratze gut für meinen Instagram-Auftritt sein könnte und recherchiere. Das Netz ist sich einig: Einhörner out, Essen in. Na also, passt doch. Ich drücke auf den Bestell-Button und hoffe, dass sie rechtzeitig ankommt. Während ich bestelle, freue ich mich schon auf sieben erholsame Tage mit meiner Mutter Ira, meiner Schwester Pia und meiner Kindheitsfreundin Roxy. Auch zwei Freundinnen meiner Mutter und ihre Töchter sind mit von der Partie. Ein richtiger Girls-Trip eben.

Einen Tag vor unserer Abreise nach Kroatien ist meine Wassermelone endlich da. Jetzt muss ich sie nur noch in meinem Koffer unterbringen. Die Challenge beginnt. Ich packe ein und aus. Entscheide mich zwischen zwei Sommerkleidern und lasse meine heiß geliebten Magazine und Bücher zurück. Es reicht trotzdem nicht.

»Nena, gibt es in Kroatien keine Luftmatratzen zu kaufen?«, fragt mich Caspar ungläubig, während er sich mein wirres Pack-Spektakel anschaut.

»Doch, aber bestimmt keine Wassermelone«, entgegne ich trotzig. Was für eine saublöde Frage.

»Kannst du bitte mal meinen Koffer schließen? Er geht einfach nicht zu«, herrsche ich ihn an. Langsam werde ich sauer, auf die Idee hätte er ruhig auch mal selbst kommen können. Männer!

Die Wassermelone wandert ins Handgepäck. Mein Koffer geht zu. Endlich. Die Reise kann starten.

Bereits in der Sicherheitszone am Flughafen beginne ich unseren Urlaub zu dokumentieren und halte fest, wie Roxy und ich durch die digitale Passkontrolle schreiten. Danach fotografiere ich die Wolken und filme, wie ich meinen Koffer durch den Staub hinter mir herziehe. Nach einer kurzen Autofahrt kommen wir in unserer Ferienwohnung an. Das Erste, was ich tue? Nach einer Luftpumpe fragen. Gemeinsam mit Roxy puste ich meine Wassermelone auf. Endlich. Die nächste Hürde folgt sogleich: In Kroatien gibt es keinen Strand, der Zugang zum Meer besteht aus Steinen. Angstvoll hieve ich meinen kostbaren Besitz über den Asphalt. Meine Luftmatratze muss schließlich noch einige Tage halten. Was bringen mir Fotos, auf denen ich bleich bin wie ein Käse? Eben. Gar nichts. Also Schritt eins: bräunen. Und zwar von morgens bis abends.

An Tag vier unserer Reise ist es endlich so weit, ich bin braun gebrannt, trage meinen neuen roten Bikini und binde mir ein bunt gemustertes Haarband um den Kopf. Komplementiert wird mein Look mit meiner dunklen Sonnenbrille. Marke: Dolce&Gabbana. Wer wohl die besten Fotos machen kann? Roxy sicherlich nicht. Sie ist kein Instagram-Mädchen. Auch meine Mutter fliegt raus. Zu ungeduldig. Entweder Pia oder ihre Freundin Alina. Ich entscheide mich für meine Schwester und frage sie beiläufig: »Pia, kannst du ein oder zwei Fotos von mir auf der Wassermelone machen?«

Genervt nimmt Pia mein iPhone entgegen. Sie weiß, was ihr jetzt blüht. Mit meiner Wassermelone im Arm gleite ich ins Meer und versuche, mich bestmöglich in Szene zu setzen. Natürlich ohne dass meine Haare nass werden. »Pia, es soll nicht zu gestellt aussehen, okay?«, rufe ich ihr zu, während ich meinen Bauch einziehe und mit meinen Beinen paddele, um auf Kurs zu bleiben. Dabei lächele ich gezwungen in die Kamera. Nach 15 Minuten steige ich aus dem Wasser, um mir die ersten Ergebnisse anzuschauen, und bin enttäuscht. Die Bilder sind der blanke Horror.

Pia hat sich einfach nicht genug Mühe gegeben. War ja klar, hatte sie doch von Anfang an keine Lust, mich zu fotografieren. Ich bin sauer. Neuer Versuch. Zurück ins Meer. Dieses Mal lege ich mich schräg auf die Melone und blicke bemüht gelangweilt drein. Ich will cool und lässig aussehen. Und Pia fotografiert. Dreißig Minuten lang. Dieses Mal bin ich zufrieden, verlasse den Strand und schlendere zurück zum Haus. Am Meer ist es einfach zu hell. Im dunklen Apartment lassen sich die Fotos deutlich besser bearbeiten. Flink öffne ich AirBrush und beginne mit der Bildbearbeitung.

Zufrieden mit dem Ergebnis schicke ich die Fotos an meine Freundinnen. Via WhatsApp. Während Clara und Jil in Düsseldorf Foto Nummer eins am besten gefällt, finden meine Mitreisenden Roxy, Alina und Pia das zweite besser. Die Mehrzahl siegt. Ich lade das zweite Bild hoch und kontrolliere minütlich die Likes. Auch wenn es okay läuft, bin ich unzufrieden. Wenn du jetzt meinst, dass ich das einzige Instagram-Opfer bin, muss ich dich enttäuschen: Täglich versenden Tausende Mädchen ihre Fotos an ihre Freundinnen, warten auf Feedback und kontrollieren minütlich ihre Likes.

Was mich rückblickend verwundert? Keiner meiner Mitreisenden äußerte Kritik. Nicht mal meine Mutter. Vielleicht, weil ihr klar war, dass es nichts bringen würde. Ich war dem Instagram-Wahnsinn verfallen. Heute, anderthalb Jahre später, frage ich mich, wie mein 26-jähriges Ich derart abhängig von einer App werden konnte, die sich rein um Äußerlichkeiten dreht. Eines ist sicher: Mein 16-jähriges Ich würde sich über meine Wassermelonen-Aktion kaputtlachen und lieber im Meer tauchen. Ungeschminkt. Ohne Haarband, Sonnenbrille, iPhone.

Ab und an vermisse ich mein 16-jähriges Ich, war es doch meinungsstark, selbstbewusst und unangepasst. Mir war die Meinung von anderen damals herzlich egal. Ich habe so wenig der gesellschaftlichen Norm entsprochen, dass ich fristlos entlassen wurde. Aus meiner Modelagentur. Der Grund: Meine Haare sollten für einen Laufsteg-Job gefärbt und kurz geschnitten werden. Ich war generell zu frech für den Job eines Models. Kaum ein Auftrag verging, ohne dass sich der Chef bei meinem Agenten beschwerte. Über mich. In einem halbdurchsichtigen Kleid für die Firma L’Oréal über den Catwalk stolzieren? Nicht mit mir. Monatliche Polaroids im Bikini? Was für eine Fleischbeschauung. Und erst das Catwalk-Training: Welch einfältige Beschäftigung! Die Rolle des wandelnden Kleiderständers missfiel mir zunehmend.

Aber was viel wichtiger ist: Kritik perlte an mir ab. Ohne Spuren zu hinterlassen. Wenn ein Mann beim Casting meine unebenen Gesichtszüge bemängelte und dafür die Länge meiner Beine lobte, wurde ich nur eines: unfassbar wütend. Es berührte mich auch nicht, wenn Menschen in meiner Gegenwart darüber fabulierten, ob meine Nase nun zu lang, mein Mund zu groß oder mein Gesicht vielleicht doch besonders sei. Ihre Gespräche führten nur dazu, dass mein Traum, ein berühmtes Model zu werden, ebenso schnell verpuffte, wie er gekommen war.

Für mich ist unsere Instagram-Welt heute der verlängerte Arm der Model-Welt von damals. Nur, dass wir alle mitspielen. Wir sind Models, Fotografen, Auftraggeber und Kritiker. Wir entscheiden täglich, wer IN und wer OUT ist. Die Währung unserer Zeit: Likes und Follower. Und die Kritik in den sozialen Medien: schlimmer als zu meinen Model-Zeiten. Warum Werbeikone Verona Pooth in einem Interview mit mir Instagram als die nette Plattform bezeichnete, ist mir bis heute schleierhaft. Ich habe nur 4.760 Follower und erhalte trotzdem regelmäßig beleidigende Nachrichten.

Kostprobe gefällig?

»Mit deiner Hackfresse bringt dir deine dünne Figur auch nichts.« Der Absender: ein mir unbekanntes vielleicht 15-jähriges Mädchen. WOW. Die Männer von damals würden dem Mädchen bestimmt gerne zu ihrem scharfen Auge gratulieren. Sie wäre eine gute Modelagentin. Doch anstatt sie zu blockieren, antworte ich ihr, rechtfertige gar mein äußeres Erscheinungsbild. Danach frage ich meine Freundinnen, ob sie mich eigentlich hübsch finden. Ich bin mit 26 Jahren dünnhäutiger, als ich es mit 16 Jahren war. Vielleicht, weil ich mich dank Instagram täglich der Bewertung meiner Mitmenschen aussetze.

Was mir von meinem Kroatienurlaub bleibt? Eine Handvoll betrunkener Nächte. Hunderte Fotos. Kein einziger Glücksmoment, an den ich mich ein Leben lang erinnern werde. Doch wenn Instagram mir mein Urlaubsglück versiebt, gar dazu führt, dass die anderen Mitreisenden mich nicht leiden können, so wie es in San Francisco und teilweise in Kroatien der Fall war, und mich vielleicht gar für unsensibel halten: Was macht mich im Urlaub wirklich glücklich? Welche Momente berühren nachhaltig mein Herz? Und was war eigentlich meine unvergesslichste Reise?

Notiz an mich selbst:

•Nie wieder auf einer Luftmatratze posieren.

•Mir endlich einen analogen Fotoapparat anschaffen.

•Meine eigenen Bedürfnisse nicht länger über die Interessen meiner Mitreisenden stellen.

•Nicht länger die Gutmütigkeit der anderen ausnutzen. Niemand spielt gerne den Fotografen. Wirklich niemand!!!

•Zurück zu meinem 16-jährigen selbstbewussten, unangepassten Ich finden.

•Weniger Zeit auf Instagram verbringen.

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