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Bei ihnen steht die Bibel neben dem Koran
ОглавлениеVon Rainer Lahmann-Lammert
Im Bücherregal steht die Bibel neben dem Koran. Margret Flohr-Bilalic ist Katholikin, ihr Mann Elvir Bilalic Muslim. Beiden ist der Glaube wichtig, aber keiner will den anderen bekehren. Auch nicht die beiden Kinder Malaika und Malik. Sie alle finden, dass Christentum und Islam ganz gut zusammenpassen.
Als in Osnabrück 4500 Menschen im Januar 2015 gegen Rassismus und Ausgrenzung demonstrierten, wagte sich die 15-jährige Malaika aus der Gesamtschule Schinkel ans Mikrofon und sprach einen Satz, der viele beeindruckte: „Meine Mutter ist Christin, mein Vater Muslim, und wenn sich Pegida in diesem Land durchsetzt, könnte ich nicht in Frieden in diesem Land leben!“
Elvir Bilalic ist stolz auf seine Tochter. Sie hat auf den Punkt gebracht, was auch ihm wichtig ist. In der Sutthauser Familie wird viel über Glaubensdinge gesprochen, über das Zusammenleben verschiedener Kulturen und über das, was Menschen jenseits aller Unterschiede ausmacht. Wenn Malaika erzählt, dass es für sie ein großes Glück sei, in ihrer Schulklasse auf so viel Wohlwollen und Sympathie zu stoßen, dann antwortet ihr Vater: „Deine Klasse kann sich freuen, dass sie dich hat!“
Malaika und ihr Bruder Malik (11) haben ihren Vater schon oft in die Moschee an der Wasastraße begleitet und ihre Mutter in die katholische Kirche Maria Königin des Friedens. Beiden Eltern ist die Religion wichtig. „Ich bin mit dem Glauben aufgewachsen“, sagt Margret Bilalic-Flohr, die 1988 aus Kenia nach Deutschland gekommen ist. In der Not habe sie immer im Gebet Trost gefunden. Ihr Mann Elvir Bilalic kam 1992 als Kriegsflüchtling aus Bosnien nach Deutschland. Für ihn sei es ein langer, schwieriger Weg gewesen, berichtet er. Der Glaube habe ihm geholfen, die schlimmen Erfahrungen seiner Flucht zu verarbeiten.
Kennengelernt haben sich die beiden 1993 in einer Diskothek in Herzebrock. „Es war die große Liebe“, erzählt Elvir Bilalic noch immer voller Begeisterung. Damals machte er eine Ausbildung zum Gas-und-Wasser-Installateur, Margret zur Kinderkrankenschwester. Die beiden heirateten, und das schwarz-weiße, christlich-muslimische Paar musste erst einmal die eigenen Familien von dieser Farbkombination überzeugen. „Man kannte das nicht in meiner Verwandtschaft“, sagt der 41-Jährige mit einem Augenzwinkern und erklärt, worauf es ankommt: „Wenn man jemanden liebt, darf so etwas nicht stören.“ Und dann war es für die Angehörigen in Bosnien tatsächlich kein Problem und für die in Kenia genauso wenig: „Wir wurden beide toll aufgenommen!“, erzählen Margret und Elvir freudestrahlend.
Als sie nach der Geburt ihrer Tochter selber schon eine kleine Familie waren, zogen sie 2001 nach Osnabrück, wo die junge Mutter im Christlichen Kinderhospital eine Arbeit fand und der junge Vater in einem Installateurbetrieb. Für die Eltern und die Kinder ist die Stadt Heimat geworden, wie es die 15-jährige Malaika ausdrückt. Dass ihre Haut dunkler ist und ihre Haare anders aussehen als bei den meisten Ortsansässigen, ist ihr bewusst. Aber deshalb fühlt sie sich nicht als etwas anderes, im Gegenteil, sie ist mittendrin. Abfällige Bemerkungen, darauf legt sie Wert, seien hier immer die Ausnahme gewesen.
So sieht das auch ihr jüngerer Bruder Malik, der wie sie zur Gesamtschule Schinkel geht. Als aktiver Fußballer und Leichtathlet ist er ebenfalls ein gefragter Teamplayer. Wird er auf seine Stadt Osnabrück angesprochen, gibt er die für einen Elfjährigen vielleicht etwas ungewöhnliche Antwort, dass er die Leute hier „höflich und hilfsbereit“ findet und dass ihm die Natur gefällt.
Für beide Kinder gehört die Religion zum Alltag, und es scheint sie zu faszinieren, das Muslimische mit dem Christlichen zu verbinden. „Das Coole ist, man hat auch mehr Feiertage“, sagt Malik, während sich die Frage für seine Schwester Malaika ganz anders stellt. Im Glauben an Gott oder Allah fühlt sie sich gestärkt und geschützt. Sie sieht keinen Anlass, sich für eine der beiden Religionen zu entscheiden. Denn für sie ergänzt das eine das andere auf sinnvolle Weise.
Gerade weil Malaika das Verbindende und nicht das Trennende hervorhebt, reagiert sie sensibel auf Ausgrenzung. Als in der Schule über Islamfeindlichkeit und Rassismus gesprochen wurde, fühlte sie sich besonders herausgefordert. Sie wollte unbedingt verstehen, wie sich die Pegida-Anhänger ein Deutschland ohne Islam vorstellen. Die Überlegung, was das für ihre Familie bedeuten würde, ließ sie erschauern.
Malaika entschloss sich, das kulturelle Miteinander – und damit ihre Familie – zu verteidigen, mit einer gut vorgetragenen Argumentation im Englischunterricht. Ihre Englischlehrerin Edith Böhne ermutigte sie, ihre Gedanken öffentlich vorzutragen – auf der Demonstration gegen Pegida im Januar. Malaikas Familie war dabei. Und spendete der mutigen Tochter einen stürmischen Applaus.
Stolz auf die mutige Tochter: Elvir Bilalic (links) mit seinem Sohn Malik, Ehefrau Margret und Malaika. (Elvira Parton)