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Landarzt im Emsland? Zusage nach zwei Monaten Bedenkzeit
ОглавлениеVon Manfred Fickers
Landarzt im Emsland zu werden, das hätte sicher niemand von Jun-Young Jung erwartet, als er 1969 in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul geboren wurde. Die Entscheidung, eine Praxis in Twist zu übernehmen, sei richtig gewesen, sagt er nach eineinhalb Jahren in dem Dorf an der niederländischen Grenze.
Seinen Eltern sei die Entscheidung, ihre Heimat zu verlassen, sicher nicht leicht gefallen, meint Jung. Südkorea war noch Jahre nach dem Ende des Koreakriegs (1950–1953) ein bitterarmes Land. Fast die gesamte Industrie wurde zerstört, der Wiederaufbau in Südkorea gewann nur allmählich an Tempo. Vom Wirtschaftsboom nach 1980 ahnte damals noch niemand etwas. Der Vater, ein Ingenieur für Elektrotechnik, bewarb sich erfolgreich um einen Arbeitsplatz im deutschen Steinkohlenbergbau. Deshalb zog die Familie mit ihrem elfjährigen Sohn nach Waltrop, Kreis Recklinghausen.
Fleißig lernte Jung Deutsch, wobei man heute noch heraushören kann, wo er es gelernt hat. Nach dem Abitur begann der in Hamburg ein Medizinstudium, das er an der University of California mit einer Promotion zum Einsatz eines Ultraschallgeräts in der Therapie von Speiseröhrenkrebs-Patienten abschloss. Zusätzlich ließ er sich in der Fachklinik in Kötzting, Bayern, in traditioneller chinesischer Medizin ausbilden. Kenntnisse, die er auch seinen Patienten zur Verfügung stellt.
Nach dem Studium arbeitete der junge Doktor unter anderem als Notfallmediziner. Zu den beruflichen Stationen gehörten das Franziskus-Hospital Harderberg und die Paracelsus-Klinik in Osnabrück. Zwar bezeichnet sich Jung nicht als „sportbegeistert“, aber seit dieser Zeit ist er am VfL Osnabrück interessiert.
Es ist der Ärztemangel auf dem Land, der dem in Südkorea geborenen deutschen Staatsbürger eine neue berufliche Perspektive bot. Dabei half der am Krankenhaus Ludmillenstift Meppen tätige, aus Burundi stammende Kollege Dr. Evariste Gafumbegete. Jahrzehntelang hatte Dr. Michael Jaron die Hausarztpraxis an der Apotheke in Twist-Mitte geführt, aber die Gesundheit nötigte den Mediziner zur Aufgabe seiner Tätigkeit. Gafumbegete kaufte ihm das Praxisgebäude ab. Sein Kollege Jung besaß gute fachliche Voraussetzungen, aber er war zunächst skeptisch. Deshalb verordnete er sich eine Probezeit.
Die zwei Monate als Honorararzt „auf dem Twist“, wie Jung sagt, „waren sehr wertvoll, um Land und Leute kennenzulernen“. Das zeigt, wie schnell er im Emsland heimisch geworden ist. Denn der Arzt weiß, dass es im Sprachgebrauch der Einheimischen „auf dem Twist“ heißt und nicht „in Twist“. Schließlich zog er mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern nach Meppen. Die Stadt und ihre Umgebung gefallen dem Arzt und seiner Familie.
Die Praxisräume wurden vor der Übernahme durch den neuen Hausarzt modernisiert, und Jung konnte das kompetente Praxisteam seines Vorgängers übernehmen. Seine Ehefrau hat einen Arbeitsplatz gefunden, und es konnte eine passende Wohnung in Meppen bezogen werden. Er selbst und seine Familie leben gern im Emsland.
Zur Praxisübernahme gratulierte Bürgermeister Ernst Schmitz persönlich. Er ist froh darüber, dass keine Lücke in der ärztlichen Versorgung in Twist und Umgebung entstand und die Arbeitsplätze in der Praxis gesichert wurden. Die Praxis in der Mitte der Gemeinde ist gut zu erreichen, die Patienten kommen nicht nur aus Twist, sondern auch aus Nachbarorten im Emsland, der Grafschaft Bentheim und den Niederlanden. Dank guter Organisation sei das Arbeitspensum zu schaffen, sagte der Landarzt.
In der Gemeinde und vom Patientenkreis der Praxis sei er freundlich aufgenommen worden. Fremdenfeindlichkeit habe er in Deutschland nur einmal erlebt, im Osten Berlins, erzählt Jung. Seine Herkunft und seine internationale Erfahrung sieht der Arzt als einen Vorteil im Umgang mit seinen Mitmenschen an, sie führe zu einer größeren Gelassenheit und Toleranz. In zwei Kulturen zu Hause zu sein mache es möglich, aus beiden Gutes für sich auszuwählen. Trotz der Klagen über Ärztemangel auf dem Land sei man in Deutschland noch sehr gut versorgt, findet er. Als Arzt ist er in einem Teil seines Urlaubs für ein Hilfswerk in einem Slum der indischen Stadt Hyderabad tätig, „aus christlicher Überzeugung“.
Das Gemeindewappen hat Bürgermeister Ernst Schmitz dem Arzt Jun-Yong Jung ans Revers geheftet. Das Bild zeigt von links: Jenny Albers, Jun-Yong Jung, Margret Ribbels und Ernst Schmitz. (Manfred Fickers)