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Weit im Westen – Auswanderer und ihre Spuren in den USA

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Von Dirk Fisser

Der Nordwesten Deutschlands zieht heute Tausende Arbeitsmigranten aus Osteuropa an. Die Hoffnung auf besseren Verdienst bringt die Menschen an die Schlachtbänke und in die Werkshallen der Region. Dabei reichten hier in den vergangenen beiden Jahrhunderten lange Zeit Land und Arbeit nicht, um die Menschen zu ernähren. Zu Zehntausenden kehrten sie ihrer Heimat den Rücken. Das Ziel: die USA. Bis heute finden sich auf der Landkarte Spuren der norddeutschen Auswanderer.

46 Millionen US-Amerikaner haben ihre Wurzeln nach Angaben der US-Statistikbehörde in Deutschland. Es handele sich hinter den Hispanics um Amerikas größte ethnische Gruppe, stellte kürzlich der „Economist“ fest. Weil sich die Menschen aber so gut assimiliert hätten, fielen sie kaum noch auf. Die deutschen Einwanderer seien für die amerikanische Kultur so etwas wie die Prise Zimt für den Apfelkuchen.

Es folgt eine Aufzählung mit den unweigerlichen Exportschlagern wie Bratwurst, Bier und dem Kindergarten. Unübersehbare Abdrücke der Teutonen im amerikanischen Alltag, befand der „Economist“. Um Spuren der Einwanderer aus Nordwest-Deutschland zu finden, muss man schon etwas genauer hinschauen. Oder im Fall von Bunde etwas langsamer fahren.

Denn tatsächlich hat die Gemeinde im Landkreis Leer einen kleineren Zwilling im weit entfernten US-Bundesstaat Minnesota. Genauso geschrieben, nur anders ausgesprochen, nämlich „Bandie“. An der Verbindungsstraße zwischen den Kleinstädten Montevideo und Hutchinson gelegen, deutet nicht viel mehr als ein kleines Ortseingangsschild darauf hin. Und das überdimensionierte Schild der örtlichen Kirche. „Heute schon gebetet?“, werden die Vorbeifahrenden gefragt. Bunde ist nicht viel mehr als das Schild, die Kirche und fünf Wohnhäuser.

In einem davon befindet sich eine Art Museum, das an die Anfänge der Ortschaft erinnert. Es klingt ein bisschen nach der Weihnachtsgeschichte: Demnach kam in den 1880ern der gebürtige Rheiderländer Wübbe Dirk Ammermann nach Minnesota, um hier im Auftrag einer Landgesellschaft eine Siedlung mit ostfriesischen Einwanderern aufzubauen. Ammermann, so heißt es im Museum, habe sich zunächst in einem Kuhstall niedergelassen und von hier aus Kundschaft akquiriert.

Den Aufzeichnungen zufolge war der Rheiderländer 1864 mit seiner Frau Trientje und Sohn Dirk ausgewandert. 37 Jahre war Wübbe damals wohl alt. Von Bremerhaven ging es auf dem Dampfschiff „Bremen“ nach New York und von dort aus weiter nach Illinios. Einige Monate zuvor hatte sich hier die Familie von Trientjes Bruder niedergelassen. Nach fast zwei Jahrzehnten als Farmer zog Ammermann dann im Auftrag der Landgesellschaft in den Nachbarstaat Minnesota und warb hier um ostfriesische Siedler.

Kuper, Freese und Lutjens hießen den Aufzeichnungen zufolge die ersten Landkäufer – allesamt Ostfriesen. Im Sommer 1886 hätten täglich 16 bis 20 Männer bei Ammermann vorgesprochen. 45 ließen sich schließlich in dem Ort Bunde nieder, benannt nach Ammermanns deutscher Heimat. Die dazugehörige Township, eine amerikanische Verwaltungseinheit, nannte der 1894 im Alter von 66 Jahren gestorbene Ostfriese Rheiderland.

Die Gründung fiel mit dem Auslaufen der ersten großen Auswanderungswelle von Ostfriesland nach Amerika zusammen. Mehrere Tausend Menschen verließen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts mangels Arbeit und Land ihre Heimat. Im Vergleich zur Auswanderungsbewegung in Gesamtdeutschland ist das recht spät. Migrationsforscher und Historiker nennen die Hollandgängerei als Grund. Die Männer entlang der niederländischen Grenze konnten im Nachbarland Geld als Wanderarbeiter verdienen. Die Motive waren also ähnlich wie die der Auswanderung. Nur der Weg war kürzer. Und so blieben Emsländer, Grafschafter oder aber Ostfriesen länger in ihrer Heimat.

Wenn es dann über den Atlantik ging, war der Mittlere Westen das bevorzugte Ziel. Wie beispielsweise Minnesota. Auswanderer aus dem Osnabrücker Land, die tendenziell einige Jahrzehnte früher aufbrachen, zog es bevorzugt in den Bundesstaat Ohio. Und siehe da: Hier findet sich auf der Landkarte ein zweites Glandorf, gegründet 1833 von einem Osnabrücker Geistlichen. Mit dabei hatte er eine Reihe von Siedlern aus dem deutschen Glandorf. Dies sprach sich in der Heimat herum, und prompt folgten weitere. Kettenwanderung nennen Migrationsforscher dieses Phänomen.

Gleiches lässt sich für Meppen feststellen, einen kleinen Ort im Bundesstaat Illinois. Hier siedelten sich vor allem Deutsche aus dem emsländischen Börger an. Oder New Melle in Missouri mit Familien aus dem Umfeld von Melle im Osnabrücker Land. Es gibt unzählige weitere Beispiele. Viele sind bedeutend größer als das kleine Bunde in Minnesota. 20 Einwohner wurden bei der Volkszählung im Jahr 2012 noch gezählt. Allein die „Christian Reformed Church“ sorgt für Betrieb. Etwa 300 Mitglieder zählt die Gemeinde. Bis in die 1930er-Jahre wurden die Messen noch auf Deutsch abgehalten.

Gut möglich, dass die Einwanderer aus Deutschland auch hier wie im gesamten Rest der USA ihre Herkunft lieber verbargen angesichts der kriegerischen Auseinandersetzung und Gräueltaten im Ersten und später auch im Zweiten Weltkrieg. Und so geriet in Vergessenheit, wie deutsch die USA eigentlich sind. Erst langsam scheinen sich viele Amerikaner ihrer Wurzeln wieder zu besinnen. „Deutschland war noch nie so populär wie heute“, zitiert der „Economist“ die Leiterin eines Museums in Washington D.C., das an das deutsch-amerikanische Erbe erinnert.


Man muss schon genau hinschauen: Eine Straße im Mittleren Westen der USA – hier befindet sich die Ortschaft Bunde, ein Ableger der Gemeinde aus dem Rheiderland. (Dirk Fisser)

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