Читать книгу Heavy Metal - Nick Lubens - Страница 4
ОглавлениеSeptember 1988
I wanna be somebody – W.A.S.P.
„Tilo!“ Wenn das Hämmern an meiner Tür mich nicht ohnehin schon wach gemacht hätte, die durchdringende Stimme meiner Mutter hätte es sogar geschafft, mich aus dem Reich der Toten zurück auf die Erde zu befördern. „Steh endlich auf! Du kommst zu spät zur Schule.“
„Jahaaa!“, rufe ich zurück und schäle mich aus dem Bett. Verdammt müde schaue ich auf den Wecker, der auf einem kleinen selbstgezimmerten Regal über dem Kopfende steht. Dreiviertel fünf, eindeutig zu früh, um schon irgendwelche klaren Gedanken zu fassen.
Schnell bin ich in die Jeans und das T-Shirt geschlüpft, dann schlurfe ich den Gang Richtung Küche entlang.
„Na, du Penner!“, werde ich von meinem kleinen Bruder empfangen. „Willst du so in die Schule gehen?“ Er grinst mich schelmisch an und deutet mit dem Messer auf meinen Oberkörper.
Verschlafen schaue ich an mir herunter, kann aber keinen Makel an meiner Aufmachung erkennen.
„Erster Schultag. Appell. FDJ-Hemd.“, hilft er mir auf die Sprünge. Erst da sehe ich, dass er sich die leuchtend blaue Uniform bereits übergeworfen hat.
„Sven, jetzt lass deinen Bruder doch erst einmal frühstücken!“, mischt sich meine Mutter in unser Gespräch ein, bevor es zu einem Streit ausarten kann – so, wie sie es bereits seit 14 Jahren jeden Morgen tut. „So kann er sich wenigstens nicht vollkleckern.“ Mit einem zufriedenen Lächeln tätschelt sie mir die Wange. Als wäre ich ein Kindergartenkind, geht es mir durch den Kopf, aber ich sage wohlweislich nichts.
„Ist vielleicht auch besser so.“, blödelt Sven mich an.
„Halt's Maul!“, gehe ich ihn an. „Nur weil du jetzt 14 und in der FDJ bist, musst du keine große Lippe riskieren.“
„Tilo! Wie redest du denn?“, echauffiert sich meine Mutter.
„Morgen allerseits!“ Mein Vater trudelt in die Küche. Mit Genugtuung stelle ich fest, dass er mindestens so unausgeschlafen zu sein scheint wie ich. „Na, alle gut geschlafen?“, fragt er in die Runde, ohne eine Antwort abzuwarten. Er schmiert sich das obligatorische Marmeladenschwarzbrot und schaut versonnen zum Fenster hinaus.
Meine Mutter stellt sich neben ihn und folgt seiner Blickrichtung. „Es ist wirklich ein Glück, dass wir diese Wohnung gefunden haben.“, seufzt sie. Mein Vater legt einen Arm um ihre Hüfte und drückt sie an sich.
Sven und ich gucken aus dem Fenster auf die dreckig grau-braune Fassade des gegenüberliegenden Neubaublocks. Der größtenteils betonierte Zwischenraum zwischen beiden Gebäuden nennt sich Straße, Bäume und anderes Grün sind nur sporadisch an strategisch wichtigen Punkten platziert worden. Sie sollen wohl für ein angenehmes Wohnklima im Baugebiet sorgen, ohne dabei allzu große Kosten zu verursachen.
„Ich find's doof.“, beschwert sich Sven. „Warum konnten wir denn nicht in der Luisenstraße bleiben?“
„Weil das Haus baufällig war, wie alle Altbauten hier.“, knurrt unser Vater.
Meine Mutter wirft einen ängstlichen Blick zur Decke. „Reinhart, nicht so laut!“, flüstert sie aufgeregt.
„Ist doch wahr. Hier tropft es wenigstens nicht von der Decke, wenn es mal regnet.“, brummt mein Vater missmutig. „Außerdem müssen wir keine Kohlen mehr schleppen, es gibt eine Badewanne und das Klo liegt auch nicht eine halbe Treppe tiefer.“, zählt er uns weitere Vorteile unserer modernen 4-Zimmer-Plattenbauwohnung auf.
„Und ihr habt endlich jeder ein eigenes Zimmer.“, flötet meine Mutter.
„Da hat sie recht.“, muss ich ihr zugestehen und grinse Sven schief an.
„Trotzdem!“, beharrt er auf seiner Ablehnung. „Wie sollen wir denn jetzt zur Schule kommen?“
„Gehst du denn nicht hier auf die neue Schule?“, frage ich verwundert nach.
„Ach, dazu hatten wir noch keine Zeit. Das mit der Wohnung ging ja von jetzt auf gleich. Das haben wir sowieso nur eurer Mutter zu verdanken. Die hat beim Rat des Bezirkes ein paar Beziehungen spielen lassen.“, brummelt mein Vater weiter vor sich hin.
„Wenn ich schon dort arbeite, kann ich mich ja auch mal für meine Familie einsetzen.“, trällert meine Mutter fröhlich vor sich hin. Ihre gute Laune ist mir irgendwie suspekt.
„Ich will gar nicht wissen, mit wem eure Mutter ins Bett steigen musste, um das hier möglich zu machen.“, ruft mein Vater plötzlich gut gelaunt. Er klopft sich auf die Schenkel und muss so laut über seinen eigenen Witz lachen, dass er gar nicht mitbekommt, wie Sven und ich peinlich berührt an die Decke starren und vor Scham krebsrot im Gesicht werden.
Meine Mutter verschluckt sich am Kaffee und hustet nun gegen Vaters Lachanfall an.
„Tilo wird das letzte Jahr sowieso noch auf der alten Schule bleiben.“, wechselt sie glücklicherweise das Thema, als sie wieder bei Atem ist. „Und so lange, bis wir dich umgemeldet haben,“, wendet sie sich an Sven, „fahrt ihr erstmal zusammen zur Schule.“
„Ich brauch doch keinen Aufpasser!“, stöhnt mein kleiner Bruder genervt.
„Nein, aber einen Chauffeur.“, witzelt mein Vater.
Jetzt ist es an mir, genervt zu sein. „Chauffeur? Soll ich eine Straßenbahn kapern, oder was?“
„Wäre mir das eher eingefallen, hätten wir eine Menge Geld sparen können, Ingrid.“, ruft mein Vater und schlägt sich theatralisch mit der Hand vor die Stirn.
„Los, jetzt gib's ihm schon! Die beiden müssen los.“, raunt Mutter ihm aufgekratzt zu.
Umständlich kramt unser Vater in der Hosentasche, dann zieht er einen Bund mit zwei kleinen Schlüsseln hervor. „Da haben wir sie ja.“ Mit feierlicher Miene reicht er die Schlüssel über den Tisch zu mir herüber. „Da, die sind für dich!“, sagt er und beißt wieder in sein Brot, so als sei damit alles gesagt.
Verdattert glotze ich Sven an, der aber nur blöd zurückguckt. Die Schlüssel in meiner Hand gehören eindeutig zu einer Simson, nur was ich damit soll, ist mir noch nicht klar. Hilfesuchend wende ich mich an unsere Mutter.
„Euer Vater hat eine alte Simson aufgetrieben und mit Onkel Udo wieder flott gemacht.“, erklärt Mutter uns mit leuchtenden Augen. „Sie steht draußen vor der Tür.“
„Wann hast du sie denn hergebracht?“, fragt Sven aufgeregt, während ich ans Fenster stürze, um nach unten zu lugen.
„Ihr seid schon ein paar Tage dran vorbeigelaufen.“, kichert mein Vater.
Da fällt mir die blaue Simson ein, die seit voriger Woche neben dem Hauseingang parkt und der ich schon so manchen sehnsüchtigen Blick zugeworfen habe.
„Hat nur drei Gänge, aber surrt wie ein Kätzchen.“, gibt sich mein Vater selbstgefällig.
„Komm!“, rufe ich meinem Bruder zu und stürze in den Flur. Sven folgt mir auf dem Fuß.
„Jungs! Wollt ihr nicht erst aufessen?“, tönt die Stimme unserer Mutter hinter uns.
Nein, wollen wir nicht. Wir schlüpfen in die Schuhe, schnappen unsere Lederranzen und sind schon fast zur Tür hinaus, als wir zurückgepfiffen werden. „Willst du dich nicht wenigstens bedanken, Tilo?“, kreischt es in meinen Ohren.
Betreten sehe ich ein, dass das wohl angebracht ist, und laufe noch einmal in die Küche. „Danke!“, brülle ich gehorsam und mache auf dem Absatz kehrt. Bereits auf der Treppe müssen wir noch einmal umkehren. „Die Helme!“, schallt es durchs ganze Haus.
Dann haben wir endlich alles beisammen und stürmen auf unser neues Beförderungsmittel zu.
„Die anderen werden Augen machen, wenn wir damit vorfahren.“, freut sich Sven.
Ich nicke nur würdevoll und betätige den Kickstarter.
Die anderen machen tatsächlich Augen, als wir an der Polytechnischen Oberschule Fritz Matschke vorfahren. Schade nur, dass uns ein anderer die Show gestohlen hat. Eine große Traube aus Schülern aller Jahrgänge hat sich um jemanden versammelt, der gerade selbstgefällig den Helm vom Kopf zieht und seine halblangen, dunkelblonden Haare theatralisch schüttelt. Klar, Falk wieder mal. Wir stellen die Simson neben das kleine Mäuerchen, das den Schulhof umgibt, und versuchen, einen verstohlenen Blick auf Falks Gefährt zu werfen, das alle bewundern.
„Eine ETZ 125.“, raunt Sven mir zu, als es ihm gelungen ist, das Objekt des allgemeinen Interesses zu entdecken. „Da kannst du mit deiner Simson nicht gegen anstinken.“, klärt er mich nüchtern auf.
Im Stillen bin ich sogar ein bisschen froh, dass niemand unsere Ankunft bemerkt zu haben scheint. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie peinlich es gewesen wäre, wenn wir fünf Minuten früher gekommen wären und uns für die Simson hätten feiern lassen, nur um dann mit ansehen zu müssen, wie der schöne Falk alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ich kann mir sein hämisches Grinsen, das ich geerntet hätte, bildlich vorstellen.
Schnell drehe ich mich weg. „Blöder Angeber.“, brumme ich und schleiche mich von dannen. Mit Falk habe ich noch mehrere Rechnungen offen und die müssen nicht gleich am ersten Schultag erweitert werden. Wobei – Rechnungen klingt irgendwie doch zu abgeklärt. Eigentlich war es immer so, dass er ständig obenauf war und ich mit eingezogenem Schwanz den Platz verlassen habe, wenn wir uns in die Quere gekommen sind. Und nach seinem neuesten Coup sieht es so aus, als würde sich daran auch dieses Schuljahr nichts ändern.
„Was ist denn das für ein Aufruhr?“, höre ich eine Frauenstimme in dem Versuch, das aufgeregte Geschnatter der Schüler zu übertönen, kreischen.
„Frau Sauer wie sie leibt und lebt.“, kommentiert Sirko, der mir unbemerkt gefolgt sein musste, in meinem Rücken.
„Alle auf den Schulhof, wenn ich bitten darf! Die Straße ist für den Verkehr da, ihr habt hier nichts zu suchen!“
Verstohlen blicke ich zurück zu der Traube um Falks Motorrad, die sich schlagartig auflöst und ihn mit seinem Helm unterm Arm allein zurücklässt. Er wirkt leicht verloren in diesem Moment. Irgendwie gönne ich ihm diese Niederlage, auch wenn Frau Sauers Begründung völlig an den Haaren herbeigezogen ist. Weit und breit ist kein Auto zu sehen und mit Ausnahme von zwei oder drei Mitgliedern des Lehrkörpers werden in der nächsten Stunde auch kaum Leute ihre Pappkisten hier entlang steuern.
Wir betreten den Schulhof und augenblicklich bleibe ich wie angewurzelt stehen, so dass Sirko keine Chance mehr zum Ausweichen hat und mir voll in den Rücken rennt. Ich habe kein Ohr für seine Flüche, keine Augen für die an mir vorbeidrängenden Siebtklässler und kein Gefühl mehr für Raum und Zeit. Wie vom Donner gerührt stehe ich einfach nur da und starre sie an. Jana Gebauer, Parallelklässlerin, also wie wir im 10. Jahrgang, Schwarm aller Jungen und seit drei Jahren das Objekt meiner jugendlich leidenschaftlichen Begierde. Ihre blauen Augen schweifen königinnengleich über die sie umwogende Menge, die roten, gelockten Haare fallen elegant über ihre Schultern und bilden einen perfekten Kontrast zu der blauen Bluse, die sie eng über ihre bereits gut ausgebildeten Brüste geknöpft hat. Es gibt das Gerücht, dass sie die FDJ-Bluse extra enger genäht habe, um ihre Oberweite besser zur Geltung kommen zu lassen, aber das ist mir völlig egal.
„Herrje.“, entfährt es Sirko bei Janas Anblick. Er ist einer der wenigen, denen ich meine Schwärmerei gebeichtet habe.
„Sie ist über die Ferien noch schöner geworden.“, stammle ich verzückt.
„Mach den Mund wieder zu. Am Ende sabberst du noch dein Hemd voll.“, blödelt mir Roberts Stimme ins Ohr und ich spüre, wie ein Zeigefinger sanft meinen Unterkiefer zurück in die Horizontale schiebt.
„Guck mal! Jetzt schaut sie hier rüber.“, flüstert Sirko und dreht sich schnell weg, um den Haupteingang zur Schule einer intensiven Musterung zu unterziehen.
„Ja, Mann. Sie hat eindeutig Interesse.“, gibt auch Robert seinen Senf dazu. „Jetzt geh doch mal rüber und quatsch sie an!“
„So ein Blödsinn.“, tue ich sein Ansinnen mit einer energischen Handbewegung ab. Ich spüre, wie mir bei dem bloßen Gedanken, hinüberzugehen und Jana Gebauer ein unschuldiges Hallo entgegenzuhauchen, die Knie weich werden. Mir wird ganz flau im Magen. Ich glaube, ich muss gleich kotzen. „Bei der hab ich doch sowieso keine Chance.“, stelle ich nüchtern und erstaunlich rational fest. „Was will die denn mit einem wie mir?“
Wie um meine Aussage zu bestätigen, tritt in diesem Augenblick Falk in unser Blickfeld und bewegt sich, die Arme weit auseinander gerissen, zielsicher auf Jana zu. Küsschen rechts, Küsschen links, ein neckischen Lachen entschlüpft ihrer goldigen Kehle.
„Und was will sie mit einem Typ wie dem?“, regt sich Robert auf. Ich bin mir nicht sicher, ob seine Sorge mir im Speziellen oder der Ungerechtigkeit der Welt im Allgemeinen gilt.
„Ja, keine Ahnung!“, antworte ich achselzuckend. „Irgendwas wird sie schon wollen.“
„Wenn du auch so eine Maschine hättest...“, hebt Sirko an und lässt den zweiten Teil der Aussage wie ein verhungerndes Tier in der Luft hängen.
„Hab ich aber nicht!“, knurre ich aus dem Mundwinkel.
Inzwischen hat sich Falk von Jana gelöst und flaniert über den Schulhof wie der Staatsratsvorsitzende durch einen seiner volkseigenen Betriebe. Wie zufällig führt ihn sein Weg durch die Schülerschar immer weiter in unsere Richtung. Obwohl ich vorgewarnt sein sollte, bin ich ehrlich erschrocken, als er plötzlich nach links schwenkt und mir seinen Ellbogen im Vorbeigehen voll in den Bauch rammt. „Pass doch auf, Reichel, du alter Trottel!“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht reibt er sich den Ellbogen und baut sich drohend vor mir auf.
Eine Schar Acht- und Neuntklässlerinnen, die ihrem angebeteten Idol auffällig unauffällig gefolgt sind, wirft mir giftige Blicke zu. Es wirkt wirklich gruselig. Ich frage mich, ob sie das jeden Abend vor dem Spiegel üben.
„Pass doch selber auf, du eingebildeter Affe!“, geht ihn Robert an.
„Lass gut sein!“, versuche ich ihn zu beschwichtigen.
„Lass gut sein?“, schreit Robert, so dass es der ganze Schulhof hören kann. „Von so jungem Gemüse lasse ich mich doch nicht dumm anmachen!“
„Ach ja, der Sitzenbleiber muss das Muttisöhnchen beschützen.“, macht sich Falk über uns lustig.
Die dummen Hühner in seinem Gefolge kichern albern um die Wette.
„Du machst dich besser ganz dünn, wenn ich komme!“, warnt Falk mich laut genug, dass die Umstehenden ihn verstehen können. „Dieser Schulhof ist nicht groß genug für uns beide.“
Er hebt seine Augenbraue, zwinkert Sirko verschmitzt zu und befühlt im nächsten Augenblick mit schmerzerfülltem Gesicht seinen Ellbogen. Noch einmal treffen mich tausende vernichtende Blicke aus den Augen der Mädchen, dann zieht die ganze Schar ins Schulhaus ab.
Auch wir folgen den blau- und weißbehemdeten Jungen und Mädchen in das Schulhaus, um zu unserer Klasse zu gelangen.
„Noch ein ganzes Jahr halte ich diesen Lackaffen nicht aus.“, stöhne ich.
„Sitzenbleiber!“, brummt Robert missmutig. „Das war in der zweiten Klasse. Und nur, weil ich lange krank war.“, beschwert er sich bei uns. „Und was kann ich denn dafür, dass ich erst ein Jahr später eingeschult wurde?“
„Nichts.“, beschwichtigt ihn Sirko. „Aber du weißt doch, wie er ist. Immer die große Fresse mit seinem aalglatten Gesicht und den im Wind wehenden Haaren.“ Geckenhaft schüttelt er in einer perfekten Nachahmung unseres Schulschönlings den Kopf.
„Und die blöden Weiber hecheln ihm alle nach. Als ob ich ihm mit meinem Bauch den Ellbogen brechen könnte.“, meckere ich mit.
„Stahlharter Waschbrettbauch, was?“, witzelt Robert.
„Na, hecken die Herren schon wieder Flausen aus?“, unterbricht uns die Stimme von Barbara Kästner in unserem Rücken.
„Wir doch nicht, Frau Pionierleiterin.“, entfährt es Sirko wie aus der Pistole geschossen. Sein Tonfall ist für meinen Geschmack etwas zu kriecherisch, aber Frau Kästner scheint er zu gefallen.
„Sie meinte ich doch auch nicht, Sirko.“, flötet sie ihm zu. „Bei Ihnen bin ich mir sicher, dass Sie eine ausgezeichnete Laufbahn im Dienste unseres sozialistischen Vaterlandes vor sich haben.“ Dann wendet sie ihre stechend blauen Augen Robert und mir zu. „Bei Euch beiden bin ich mir da nicht so sicher. Denkt daran, ihr seid auf Bewährung, alle beide. Keine weiteren Fehltritte!“ Sie droht uns unter Einsatz einer ernsten Mimik mit dem Zeigefinger und lässt uns dann verdattert stehen.
„Na, das fängt ja gut an!“, murmle ich.
Roberts Antwort wird von der Klingel übertönt, die jetzt durch das Schulhaus schallt. Wir spurten um die Wette, um möglichst noch vor unserer Lehrerin im Klassenraum zu sein.
Die besten Plätze sind schon weg. Der Schnösel Falk und Frau Kästner haben uns lange genug aufgehalten, so dass wir nun in der vorderen Bankreihe Platz nehmen müssen. Ich fange einen hämischen Blick von Alex auf, mit dem ich mir sonst immer ein Wettrennen um den Sitz ganz hinten am Fenster geliefert habe. Genüsslich lümmelt er mit dem Ellenbogen auf der Heizung herum und genießt seinen glanzlosen Sieg.
Ich drehe mich lieber nach vorn und nehme, flankiert von Robert und Sirko, direkt vor dem Lehrerpult platz. Eigentlich hat dieser Platz ja sogar etwas Gutes. So nahe bin ich Fräulein Schönemann noch nie gekommen. Sie ist einer der wenigen Gründe, warum sich das frühe Aufstehen an den Schultagen überhaupt lohnt. Keine Ahnung, ob sie eine gute Lehrerin ist und Deutsch und Staatsbürgerkunde interessieren mich eigentlich auch nicht besonders, aber ihre Ausstrahlung, die goldenen Locken, das freundliche Lächeln und, nicht ganz unwesentlich, ihr üppiger Vorbau lassen mich schon seit zwei Jahren regelmäßig während des Unterrichts in andere Sphären entschwärmen. Ich prüfe noch einmal unauffällig den Sitz meiner Klamotten. Alles tadellos.
Die Tür öffnet sich und alle springen eifrig auf. Es ist unser letztes Schuljahr an der POS und wer bisher nicht gelernt hat, dass ein erster guter Eindruck für die Zensurenvergabe maßgeblich sein kann, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen.
Die erwartungsfrohe Haltung der Klasse wird jäh gedämpft, als sich ein zotteliger blonder Haarschopf gut einen halben Meter über Fräulein Schönemanns Normalhöhe durch die Tür schiebt. Olaf ist wie fast immer zu spät und grinst verlegen in die Runde. Als er bemerkt, dass noch keine Lehrkraft anwesend ist, entspannt sich seine Körperhaltung schlagartig und er schlendert schlacksig zu uns herüber.
„Hey, Motte, ausgeschlafen?“, brüllt der vorwitzige Jan nach vorn. Alle lachen und Olaf bleibt nichts übrig, als den Spott über sich ergehen zu lassen und ihn mit einer obszönen Geste zu bedenken.
„'Nen besseren Platz konntet ihr wohl nicht finden?“, raunt er uns missmutig zu, während er versucht, seine langen, stämmigen Beine unter dem Tisch neben Sirkos Füßen zu sortieren.
„Hättest ja eher kommen und was freihalten können.“, murrt Robert, ohne den Blick von der leeren Tafel, die wie ein schwarzes Loch die Blicke magisch anzieht, zu wenden. Auch ich kann mich diesem düsteren Sog nur schwer entziehen. Von hier vorn sieht dieses Hauptarbeitsgerät unserer Lehrer irgendwie noch bedrohlicher aus als in den letzten Jahren, wo ich es aus der hinteren Reihe bewundern durfte.
Die Tür geht wieder auf. Diesmal erheben wir uns deutlich vorsichtiger, schließlich fehlen auch noch Jeanette und Björn. Für die machen wir nicht so ein Affentheater. Statt der beiden rauscht aber Barbara Kästner herein. Mit einem giftigen Blick ihrer blauen Augen taxiert sie uns vier von der ersten Reihe wie ein Sheriff, der sich vornimmt, die Bande von Revolverhelden, die gerade den Saloon seiner friedlichen Stadt betreten hat, genau im Auge zu behalten.
„Guten Morgen!“, posaunt sie mit einer für ihre geringe Körpergröße beachtlichen Lautstärke heraus. Dann stellt sie sich hinter dem Lehrerpult auf, strafft die Schultern, hebt die rechte Faust neben den Kopf und ruft uns in militärischem Befehlston „Freundschaft!“ entgegen.
„Freundschaft!“, schallt es weniger enthusiastisch und deutlich weniger lautstark aus 32 Kehlen zurück.
Der Mund der Pionierleiterin verzieht sich zu einem schmalen Strich. „Mager! Sehr mager!“, kommentiert sie enttäuscht. Warum sie dabei gerade mich anschaut, kann ich beim besten Willen nicht sagen. Vielleicht hat der Mopedhelm meine Frisur durcheinandergebracht?
„Setzt euch!“, fordert Frau Kästner die Klasse auf. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen.
„Eure Einstellung zum Lernen in der sozialistischen Schule lässt stark zu wünschen übrig.“, setzt sie zu einer Standpauke an, die sie aber alles in allem im Sitzen recht gut aushalten lässt. Zumal wir den Großteil der Rede schon zu verschiedenen Anlässen in den Vorjahren gehört haben und so ziemlich genau wissen, was auf uns zukommt. „Die Werktätigen in unserem Land arbeiten hart dafür, dass es euch einmal besser geht. Wohlstand und Fortschritt sind das oberste Bestreben unserer Staatsführung und dieses ganze Streben dient nur dem Wohl der heranwachsenden Generation. Ihr genießt eine kostenlose Bildung auf höchstem Niveau, wie sie sich Millionen von Kindern in den von den Imperialisten unterdrückten Ländern nur wünschen können. Allein in Amerika gibt es hunderttausende schwarze Jugendliche, die sich ein Bein ausreißen würden, um eine so tolle Schule wie die eure besuchen zu dürfen. Ein bisschen mehr Dankbarkeit der Arbeiterklasse und ihrer Partei gegenüber wäre da durchaus angebracht.“ Ihr stechender Blick kreist wie ein Geier über die Bankreihen. Schnell senken wir den Blick demütig auf die Tischplatten. Jetzt nur nicht aufblicken, bis sich das Gewitter gelegt hat.
„Es gab über die Ferien einige Veränderungen im Lehrkörper dieser Schule.“, fährt Frau Kästner nach einer Schweigeminute zu Ehren von Partei und Arbeiterschaft in etwas milderem Ton fort. „Diese betreffen auch Fräulein Schönemann. Eure Klassenlehrerin wird Mutter und ist bis zum Entbindungstermin krankgeschrieben. Deshalb werde ich zunächst den Staatsbürgerkundeunterricht in eurer Klasse übernehmen und bis sich ein Ersatz findet, auch die Aufgaben der Klassenleitung übernehmen.“ Schon wieder bedenkt sie mich mit einem, diesmal sauertöpfigen, Blick. „Ich hoffe, euch allen ist der Ernst der Lage bewusst.“, fährt sie, nun wieder an die ganze Klasse gewandt, fort. „Nicht nur werdet auch ihr bald in den Kampf gegen das imperialistische Ausbeutersystem des Westens eintreten, egal ob am Fließband, in der Amtsstube, auf der Baustelle oder in den Reihen der Nationalen Volksarmee, einigen wenigen von euch wird nach der 10. Klasse auch die Möglichkeit offen stehen, parallel zu einer Berufsausbildung das Abitur zu erwerben. Ein Studium in Moskau...“ Barbara Kästners Blick verklärt sich leicht, wird aber gleich wieder hart. „Aber nur die besten, fleißigsten und solidarischsten Schüler unter euch werden eine solche Chance erhalten.“ Diesmal schaut sie nicht mich an. Stattdessen tauscht sie ein freundliches Lächeln mit Liane Schulze, die in der zweiten Reihe an der Wand sitzt und seit der ersten Klasse ohne Unterbrechung jedes Jahr als beste Schülerin des Jahrgangs das Abzeichen für gutes Lernen verliehen bekommen hat.
„Es geht hier aber nicht nur um eure eigene persönliche Zukunft, sondern um die Zukunft unserer sozialistischen Gesellschaft. Dieses letzte Schuljahr ist für die meisten von euch die letzte Möglichkeit, euch zu Persönlichkeiten zu entwickeln, die einen wertvollen Beitrag zum planmäßigen Aufbau des Kommunismus in unserem schönen Vaterland leisten.“ Mit einem strahlenden Lächeln beendet sie ihre kurze Ansprache. Mit Ausnahme von Liane Schulze, die wie ein Honigkuchenpferd grinst, lächelt niemand zurück. Die meisten inspizieren zum zweiten Mal an diesem Tag intensiv die Oberfläche des Tisches vor ihnen.
Ein lauter Knall beendet die unangenehme Stille, die entstanden ist. Aufgeschreckt drehen wir uns nach hinten um, wo der Krach seinen Ursprung genommen hatte. Bedröppel rappelt sich Alex vom Boden hoch und reibt sich den Kopf. Ein Kichern von vorn bringt mich dazu, mich nach Barbara Kästner umzuschauen. „Das ich das noch erleben darf! Alexander Friedrich kippt beim Kippeln um.“ sagt sie mit einem befriedigten Blick. „Darauf warte ich seit neun Jahren.“
Die Mädchen kichern wie Zweitklässlerinnen mit vorgehaltener Hand, die Jungen brechen in einen johlenden Beifall aus. Ich grinse Alex spöttisch zu. Ich gönne ihm diese Schmach von Herzen.
„Ruhe!“, brüllt Barbara Kästner von vorn. „Was ist denn das für ein Affentheater? Als FDJler solltet ihr mehr Solidarität mit einem gefallenen Kameraden zeigen! Alex ist schließlich nicht der einzige, der noch eine steinige Strecke auf dem Weg zur gereiften sozialistischen Persönlichkeit vor sich hat.“ Wieder bedenkt die Pionierleiterin mich mit einem strengen Blick, der dann aber zum Glück schnell zu Robert und anderen schwachen Charakteren weiterschweift. Betreten senke ich den Kopf. Bisher habe ich es doch ganz gut geschafft, unter dem Radar durchzurauschen. Hätte ich nur niemals Gitarre spielen gelernt. Dann wäre das ganze Schlamassel auf dem Pioniertreffen nie passiert und ich könnte mein letztes Schuljahr entspannt über mich ergehen lassen.
„...dass wir nicht auch ins Wehrlager fahren durften.“, höre ich Kathrin Neubert sagen. Offenbar habe ich einen entscheidenden Themenwechsel verpasst. „Ich wäre auch lieber mit Gasmaske und Gewehr durch den Wald gelaufen, als zwei Wochen lang den anderen Mädchen Verbände anzulegen.“
Robert grinst mir vieldeutig zu. Um ehrlich zu sein, kann ich mir die burschikose Kathrin mit ihrer Igelfrisur auch eher in dreckiger Uniform als in weißem Kittel vorstellen. Im Ernstfall würde ich lieber von einem Fleischer als von ihr medizinisch versorgt werden.
„Jeder hat seinen Platz, und der von Frauen ist nicht hinter einer Waffe, Kathrin.“, wird sie von unserer Pionierleiterin sanft zurechtgewiesen.
„Außerdem heißt es Bevölkerungsschutzmaske.“, stellt Bodo, der zu allem einen altklugen Kommentar abgeben muss, besserwisserisch fest.
„Ganz richtig.“, greift Frau Kästner die Meinungsäußerung dankbar auf. „Wollen wir hoffen, dass ihr sie nie brauchen werdet, denn das würde bedeuten, dass die imperialistischen Aggressoren aus der BRD und den USA unsere friedliebende Republik angreifen.“
„Das sollen sie mal versuchen! Gegen uns haben die keine Chance!“, brüllt Alex, wohl in dem Bemühen, seinen kleinen Unfall vergessen zu machen.
Von mehreren Jungen kommt beifälliges Gebrumm, das aber von der freundlich lächelnden Pionierleiterin abgebrochen wird. „Tut mir leid, aber diese Diskussion werden wir auf eine der Staatsbürgerkundestunden verschieben müssen. Gleich beginnt der Appell auf dem Schulhof und da solltet ihr als Zehntklässler für die jüngeren Schüler ein Vorbild abgeben. Kleiderkontrolle! In zwei Minuten marschieren wir hinaus auf den Schulhof.“
Nachdem wir den Appell in der immer noch heißen Septembersonne mit den immer gleichen Reden und Ermahnungen hinter uns gebracht haben, geht es zurück ins kühle Schulgebäude.
„Jungs, wartet mal!“, hält Olaf uns zurück. „Sirko und ich hatten eine Idee. Kommt ihr kurz mit zur Kästner?“
„Was denn für eine Idee?“, mault Robert herum.
„Es geht um die Band.“, erwidert Olaf.
„Welche Band?“ Robert scheint die heiße Sonne auf die Denkleistung geschlagen zu sein.
„Wir wollten doch eine Band gründen.“, erinnert ihn Sirko milde lächelnd. „Schon vergessen?“
Robert schaut verwirrt zwischen uns hin und her. „Nein, das nicht. Aber was hat die Kästner damit zu tun?“
„Lass uns mal machen!“, sagt Olaf gönnerhaft und legt ihm einen Arm um die Schulter. Behutsam schiebt er Robert, der aufgrund von geschätzt 12 Kilogramm weniger Gewicht nicht wirklich eine Chance zur Gegenwehr hat, durch den Eingang und Richtung Pionierleiterzimmer.
Die Tür steht offen und so treten wir nach einem zögerlichen Klopfen ein. Barbara Kästner sortiert gerade mehrere Broschüren und schaut erstaunt auf, als sie uns vor sich stehen sieht.
„Ja?“, fragt sie halb ärgerlich, halb verwundert.
„Wir hätten da ein wichtiges Anliegen, Frau Kästner, das keinen Aufschub duldet.“, beginnt Sirko das Gespräch.
„Es geht dabei um die Diversifizierung des Angebots an Arbeitsgemeinschaften an unserer Schule.“, springt ihm Olaf bei.
Ich werfe Robert einen fragenden Blick zu, doch der zuckt nur ahnungslos mit den Schultern.
„Diversifizierung?“, fragt Frau Kästner mit hochgezogener Augenbraue.
„Ihre Worte!“, entgegnet Olaf mit Unschuldsmiene und erhobenen Händen. „Sie haben vor den Ferien selbst gesagt, dass das Angebot zu einseitig im sportlichen Bereich liege und wir als Schulgemeinschaft auch die schöngeistigen Künste zwecks Diversifizierung stärker in den Blick nehmen müssen.“
„Schöngeistige Künste.“, wiederholt unsere Pionierleiterin mit einem sarkastischen Unterton. „Und was genau hat das jetzt mit euch zu tun?“
Diese Frage sollte uns eigentlich empören, aber insgeheim muss ich ihr Recht geben. Mit schöngeistigen Künsten hat keiner von uns etwas am Hut, es sei denn, man rechnet die Briefmarkensammlung unter Olafs Bett in diesen Bereich.
„Wir möchten eine AG Popmusik gründen.“, wagt sich Sirko vor.
Die beiden haben sich gut abgesprochen. Wenn Barbara Kästner einem von uns einen Wunsch erfüllen würde, dann am ehesten dem Musterschüler Sirko.
„Und was genau soll dort stattfinden?“, fragt die Pionierleiterin skeptisch und runzelt die Stirn.
„Wir wollen eine Band gründen und Musik machen.“, greift Olaf die Frage freudig auf und versprüht einen Tatendrang, den man ihm bei seiner Leibesfülle gar nicht zutraut.
Auch auf Barbara Kästner scheint dieser Enthusiasmus überraschenderweise abzufärben. Ihre Stirn glättet sich und sie scheint unseren Vorschlag ernsthaft abzuwägen.
„Spielt ihr denn überhaupt Instrumente?“, fragt sie plötzlich und es klingt in meinen Ohren wie ein Strohhalm, an den sie sich klammert, um möglicherweise doch einen Grund zu haben, unser Anliegen abzulehnen.
„Tilo und Sirko können Gitarre spielen.“, ruft Olaf wie aus der Pistole geschossen. Offenbar hat er diese Frage schon erwartet. Barbara Kästner mustert mich mit kaltem Blick. „Und ich war Trommler im Fanfarenzug.“, ruft ihr unser dicker Freund in Erinnerung.
„Das stimmt.“, erwidert die Pionierleiterin mit einem Lächeln. „Daran kann ich mich noch gut erinnern. Und wie soll eure Band heißen?“, fragt sie gar nicht mal so unfreundlich.
„Mars.“, ruft Sirko, bevor noch jemandem von uns irgendein Blödsinn einfallen kann.
„Mars?“, fragen Frau Kästner und Robert gleichermaßen irritiert wie aus einem Mund.
Sirko nickt eifrig. „Es ist als Kampfansage an den amerikanischen Expansionismus gedacht, der weit über die Erde hinausreicht und in der Vereinnahmung des Weltalls gipfeln soll.“
„Sie waren vielleicht zuerst auf dem Mond, aber den Mars schnappen sie uns nicht weg.“, unterstützt ihn Olaf kämpferisch.
Nach einer kurzen Bedenkpause fällt Barbara Kästner ihr abschließendes Urteil. „Ich finde den Namen gut gewählt. Also gut. Wir werden die AG Popmusik einrichten. Für die Proben könnt ihr den Musikraum nutzen. Aber ich habe zwei Bedingungen!“ Sie hebt ihre rechte Hand und präsentiert uns Zeige- und Mittelfinger.
„Erstens.“, jetzt biegt sie den Mittelfinger herunter, „werdet ihr den Raum und die Instrumente pfleglich behandeln.“
Wir nicken unisono. „Das ist doch selbstverständlich.“, stimmt ihr Robert in jovialem Tonfall zu.
Frau Kästner bedenkt ihn mit einem abschätzigen Blick, dann klappt sie auch den Zeigefinger ein. „Und zweitens werdet ihr euch an die Unterhaltungsmusikvorgaben in unserer Republik halten: Maximal 40 Prozent nichtsozialistische Musik.“, ermahnt sie uns mit erhobenem Zeigefinger.
Wir nicken artig und schauen uns zweifelnd an. „Am schönsten wäre es natürlich, Sie hätten bis zur Weihnachtsfeier auch ein paar eigene Lieder auf Lager.“
„Mars?“, bricht es aus Robert heraus, als wir im leeren Schulflur stehen.
„Ja, und?“, fragt Sirko seelenruhig.
„Was ist denn das für ein Scheißbandname?“, regt sich Robert auf.
„Wieso? Er ist perfekt!“, springt Olaf Sirko zur Seite.
„Kampf um den Weltraum.“ Robert tippt sich mit dem Finger gegen die Stirn. „Was blöderes ist euch wohl nicht eingefallen?“
„Entspann dich mal!“, fällt ihm Sirko ins Wort. „Sie hat es doch geschluckt, oder?“
„Toll!“, erwidert Robert zynisch. „Sollen wir dann Weltraummetal spielen?“
„Jetzt denk doch mal nach, Klatsche!“ Immer, wenn Olaf unsere Spitznamen benutzt, ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass er langsam böse wird. „Den Namen gibt es im Deutschen und im Englischen. Hier ecken wir damit nirgends an und wenn wir mal Fans auf der ganzen Welt haben, müssen wir uns nicht umbenennen.“
„Und Mars war der Kriegsgott der alten Römer.“, legt Sirko nach. „Wenn das mal kein geiler Name für eine Heavy Metal-Band ist, weiß ich auch nicht mehr.“
Robert brummt etwas Unverständliches, aber ich spüre, dass sein Widerstand bröckelt. Das Kriegsgottargument hat auch mich restlos überzeugt. „Und was soll dieser Scheiß mit der Weihnachtsfeier? Wir wollen doch nicht ernsthaft auf einer FDJ-Fete unser erstes Konzert geben, oder?“, nörgelt er weiter herum.
„Wer A sagt, muss auch B sagen.“, kalauere ich ihm ins Ohr. „Am besten, du lernst mal ganz schnell Bass spielen.“, gebe ich ihm einen freundschaftlichen Rat und klopfe ihm sanft mit der Hand auf die Schulter.
Er dreht sich weg und stiefelt aggressiv auf die Tür unseres Klassenraumes zu. Ich höre ihn irgendetwas in Richtung „... blöd, Mann.“, murmeln, beschließe aber, lieber nicht nachzufragen.