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I

Zuerst konnte ich das Geräusch nicht einordnen. Ich senkte das Buch, das ich las, und versuchte zu verstehen, was da an mein Ohr drang. Es war ein leichtes, metallisches Schaben oder Knirschen, und es schien direkt neben mir zu entstehen - obwohl da nichts und niemand war.

Ohne mich zu erheben, blickte ich mich auf der Terrasse und im Garten um. In den alten, großen Bäumen rauschte ein leichter Wind, doch den Boden erreichte der Luftzug nicht. Der Garten sah aus wie immer; eine mögliche Ursache für das Geräusch konnte ich nicht entdecken. Rundum wuchsen hohe, dichte Büsche, da und dort durch eine Holzwand ergänzt, und sorgten für einen weitgehenden Sicht- und Schallschutz. Abgesehen vom fehlenden Wind gab es auch nicht viele bewegliche Teile aus Metall. Die Gartenmöbel waren aus Holz, und die Ersatzmöbel für größere Partys sicher verstaut im Schuppen. Auch das Grillbesteck war lange nicht hervorgeholt worden; insgesamt zeigten Terrasse und Garten eine junggesellenhafte Leere und Schmucklosigkeit. Es war nun fast ein Jahr her, seit meine Frau mich verlassen hatte und ich mich der Aufgabe stellen musste, ein großes Haus und den weitläufigen Garten praktisch alleine zu versorgen. Glücklicherweise konnte ich mir ab und zu einen Gärtner leisten, doch so sehr ich die parkartige Anlage mit den großen Bäumen und der weiten Rasenfläche mochte - zu mehr, als bei längerer Trockenheit die wenigen Tomatenstauden und Kräuter in dem kleinen Nutzgarten zu gießen, reichte mein gärtnerischer Ehrgeiz nicht.

Das Schaben hörte kurz auf, um dann um so heftiger wieder einzusetzen. Nun wirklich etwas beunruhigt, stand ich auf und blickte mich auf der Terrasse um. Die Fenster im Haus waren teilweise geöffnet, um nach einem langen, heißen Sommertag die Abendkühle einzulassen. Doch sie waren nicht aus Metall, und überhaupt kam das Geräusch nicht aus dem Haus. Es gab auch kein Blumenampeln mehr, die meine Frau so gemocht hatte, und die im Wind hätten quietschen können.

Mit bloßen Füßen tappte ich auf den Steinplatten im Kreis um meine Liege. Zuerst schien das Schaben immer noch von überall zugleich zu kommen, doch dann dämmerte mir, dass hier eine akustische Täuschung im Spiel war. Ich trat unter dem Vordach hervor und ging die zwei Stufen hinab, die auf den Rasen führten.

Ja, jetzt war es leiser - und vor allem war die Richtung eindeutig! Es kam von der Seite, vom Nachbargrundstück. So erleichtert ich darüber war, keinem Spuk aufzusitzen, so besorgt war ich nun, was die Ursache sei. Das Nachbarhaus stand seit einigen Monaten leer und zum Verkauf. Mein erster Gedanke war, dass dort jemand eingedrungen war, vielleicht ein Obdachloser, der sich in der vornehmen Villa einmal für ein paar Tage den Traum vom Wohnen im Luxus erfüllen wollte.

Ich ging in mein Haus und holte aus dem Schlüsselkasten einen ganz speziellen Schlüssel. In den früheren, glücklichen Jahren hatten meine Frau und ich zu den Nachbarn auf dieser Seite ein so gutes Verhältnis entwickelt, dass wir irgendwann gemeinsam beschlossen, die ständigen gegenseitigen Besuche durch eine Verbindungstür zu vereinfachen. Sie war gleich hinter unserer Terrasse in die Holzwand eingelassen und führte auf dem Nachbargrundstück zu einem Durchgang zwischen der gemeinsamen Schutzwand und der Garage. Wenn man sich danach links hielt, kam man an eine Gittertür, die auf den Garagenvorplatz und zur Straße führte; geradeaus ging es zur Terrasse der Villa und der großzügigen Liegefläche rund um einen stattlichen Pool.

Angst spürte ich keine, eher leichten Ärger und auch etwas Vorfreude auf die unangenehme Überraschung, die der Eindringling erleben würde. Doch nackt wollte ich ihm nicht entgegentreten. Also schlüpfte ich schnell in ein paar Badeshorts und einen Kimono. Dann schloss ich die Verbindungstüre auf. Seit die Nachbarn weggezogen waren, hatte ich sie nicht mehr genutzt. Mit der Maklerfirma war vereinbart worden, es von der Entscheidung der Käufer abhängig zu machen, ob sie irgendwann wieder in Betrieb genommen oder durch eine feste Wand ersetzt würde.

***

So leise wie möglich öffnete ich die Tür. Hier wurde es vollends deutlich, woher das Geräusch kam. Nun fiel mir auch wieder der eigentümliche akustische Effekt ein, der meine Terrasse mit der des Nachbargrundstücks verband. Seitlich des Pools stand ein gemauertes Gartenhaus mit großen Glasfenstern, das ursprünglich wohl als Wintergarten errichtet worden war, das die letzten Eigentümer jedoch als "Poolhaus" bezeichnet und vor allem zum Lagern der Gartenmöbel genutzt hatten. Die Rückwand der erwähnten Garage und die Seitenwand des Poolhauses lagen einander gegenüber und bildeten einen ungewöhnlich guten Schallleiter. Wenn es rundum ruhig genug war, konnte man auf meiner Terrasse recht problemlos jedes Geräusch hören, das drüben an bestimmten Stellen entstand.

Vorsichtig trat ich in den Durchgang, schlich zum Ende der Garage und schaute um die Mauerecke. Nun war es an mir, überrascht zu sein - mehr als das: Ich stand wie gebannt von einem unerwarteten, faszinierenden Anblick.

Ganz offenbar waren, ohne dass ich es bemerkt hatte, neue Bewohner in die Villa eingezogen. Das war nicht verwunderlich. Seit der Trennung von meiner Frau vergrub ich mich jeden Tag von früh bis spät in meine Arbeit, verbrachte viele Überstunden im Büro und war oft auch an Wochenenden dort. Wenn ich die Firma überhaupt einmal zu normalen Zeiten verließ, ging ich zum Sport oder - sehr viel seltener - mit Kollegen in ein Restaurant. Ich kann nicht sagen, dass ich aus dem Haus floh, in dem ich früher so glücklich gewesen war, doch ich floh vor der Einsamkeit darin, und war in den vergangenen Monaten kaum je - wie an diesem Freitag - außer zum Schlafen einmal längere Zeit zuhause gewesen.

Der Einzug konnte erst ein paar Tage her sein. In einer Ecke der Terrasse waren einige in Kunststoffhüllen eingeschweißte Gartenmöbel zusammengeschoben. Daneben standen mehrere neue, leere Terrakotta-Kübel, die noch die Etiketten eines Baumarkts trugen. Eine Klappliege aber war ausgepackt und aufgestellt, und sie war die Quelle des Geräuschs - oder, genauer gesagt, die nackte Frau, die darauf lag und sich in aller Ruhe und mit Hingabe selbst befriedigte.

Die Liege stand mit dem Kopfende zu mir, schräg nach vorn und zum Pool gewendet, so dass kaum die Gefahr bestand, die Frau könne mich sehen. Sie hatte dunkles, langes Haar, schien relativ groß und schlank, mit kräftigen, von den nach unten greifenden Armen emporgedrückten Brüsten. Weitere Einzelheiten konnte ich auf die Distanz und im Licht der frühen Dämmerung nicht erkennen, doch der Anblick war auch so fesselnd genug.

In rhythmischen Schüben glitt ihre rechte Hand zwischen den leicht gespreizten Beinen hin und her, während sie mit der linken mal nach unten griff, mal ihre Brüste streichelte. Sichtlich genoss sie ihr Tun und dehnte es wohl auch künstlich in die Länge. Immer wieder schien sie die Erregung bis kurz vor den Höhepunkt zu führen, erkennbar an einem leisen Stöhnen und einem Emporwölben des Oberkörpers, um dann wieder eine Pause einzulegen, in der sie ihren Körper streichelte oder einen Schluck aus dem Glas nahm, das neben der Liege auf dem Boden stand.

So ging es eine ganze Weile, und fast wurde mir trotz meiner Erregung die Zeit zu lang, als sie schließlich zum Ende kam. Ein Stöhnen, viel lauter als zuvor, drang zu mir herüber, und ihr Oberkörper hob sich in den Zuckungen des Höhepunkts förmlich von der Liege. Danach lag sie still, die Arme seitlich herabhängend, und nur ihr heftiges Atmen zeugte noch vom Nachhall ihrer Erregung.

Ich wollte schon gehen, hatte auch den Kopf bereits zurückgezogen, als ich eine helle Stimme hörte:

"Bist du fertig, Mama?"

"Aber ja," antwortete eine zweite Stimme in einem angenehmen, vollen Alt. "Hast du extra gewartet? Wie lieb von dir ..."

Die beiden waren also Mutter und Tochter, und diese wenigen Worte zerstreuten jede Befürchtung, meine neuen Nachbarn könnten sich als spießige Durchschnittsbürger erweisen. Eigentlich hätte ich mich nun wirklich zurückziehen sollen, doch die Neugier hielt mich fest. Die Gefahr einer Entdeckung bestand auch kaum. Die Dämmerung war deutlich vorangeschritten, und die Ecke, hinter der ich stand, lag im tiefen Schatten.

"Ich will noch mal eben reinspringen," hörte ich die Tochter sagen, als ich eben meinen Kopf wieder langsam nach vorne schob, und die Mutter ergänzte in ruhigem Ton, als sei es die normalste Sache der Welt:

"Ja, so eine kleine Abkühlung kann ich nach dem Orgasmus auch gebrauchen."

Mit größter Vorsicht schob ich meinen Kopf wieder um die Ecke.

"Komm, ich helf dir hoch," meinte die Tochter und streckte ihrer Mutter eine Hand entgegen. Soweit ich es im Halbdunkel erkennen konnte, war sie etwas kleiner als die Mutter, von kräftiger, wohlproportionierter Figur - und ebenfalls splitternackt. Sie hatte von ihrer Mutter die Haarfarbe und die Größe der Brüste geerbt, die bei ihr ohne jedes Anzeichen von Erschlaffung fest nach vorne ragten. Dann stand die Mutter neben ihr; fast einen Kopf größer und noch etwas schlanker, als ich vermutet hatte, mit einem weiblichen, doch nicht zu ausladenden Becken.

"Danke," meinte sie unter leichtem Lachen, griff ihrer Tochter ins Haar, zog sie ungeachtet ihrer beider Nacktheit an sich und küsste sie auf die Stirn.

"Nun aber rein ins Vergnügen!" rief sie.

Dann verschwanden die beiden aus meinem Blickfeld.

Die Göttin nebenan

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