Читать книгу Ich wünsch dir alles Gute - Nicole Beisel - Страница 7
3. Kapitel
ОглавлениеSarah schaute verträumt über den Spielplatz, der um diese Uhrzeit schon leer war. Sofern hier noch kleine Kinder wohnten, waren diese sicher schon mit dem Abendessen beschäftigt oder lagen sogar bereits in ihren Betten, während ihre Mütter ihnen Gute-Nacht-Geschichten vorlasen.
Trotz der vermeintlich verbotenen Gefühle im Verborgenen blieben Sarah und Till noch lange befreundet. Allerdings trafen sie sich nicht mehr allzu oft. Vielleicht lag es an ihren Gefühlen füreinander, die sie beide versuchten, zu verdrängen. Sie hatten beide versucht, sich abzulenken.
Sie trafen sich mit anderen Freunden und verbrachten nur noch sehr wenig Zeit miteinander. Während dieser Zeit versuchten sie, wie gewohnt miteinander umzugehen, was auch ganz gut geklappt zu haben schien. Und Dank größter Bemühungen schafften sie es, feste Partner zu finden und sich auf ihre jeweiligen Beziehungen einzulassen. Till schien es etwas leichter gefallen zu sein als Sarah. Sarah saß wie immer auf der kleinen Mauer im Schulhof, als sie Till einige Meter weiter weg dastehen sah. Allerdings war er nicht alleine gewesen. Er hatte ein Mädchen im Arm und ab und zu hatten sie sich geküsst. Im ersten Moment versetzte es Sarah einen Stich mitten ins Herz, aber sie versuchte sich schnell ins Gedächtnis zu rufen, dass es ganz gut so war.
Er hatte nun also eine Freundin, so würde er bald uninteressant für Sarah werden und sie könnte sich ebenfalls einen netten Kerl suchen, der sich für sie interessierte. Das einzige, das sie wirklich verletzte, war die Tatsache, dass sie es auf diese Weise erfahren musste. Sie hatte es einfach gesehen.
Er war nicht zu ihr herübergekommen, mit seiner Freundin im Arm und hatte die beiden Mädchen einander vorgestellt. Wusste dieses Mädchen überhaupt, dass er eine beste Freundin hatte und dass sie diejenige war? Wahrscheinlich nicht.
Sie dachte einen Moment nach und kam zu dem Schluss, dass sie wohl ähnlich handeln würde. Was würde ein Junge von ihr denken, wenn sie sagen würde: »Und das hier ist mein bester Kumpel«? Richtig, er würde sicher eifersüchtig werden. War sie gerade eifersüchtig? Sicher, ein wenig, aber sie gab sich große Mühe und versuchte, sich für ihren besten Freund zu freuen, auch wenn sie für ihn nun sicher erst einmal eine Weile abgeschrieben war.
Traurig war sie an diesem Nachmittag nach Hause gegangen, hatte sich in ihrem Zimmer eingeschlossen, traurige Lieder gehört, sich alte Fotos von Till angesehen und viel geweint. Sie überlegte immer wieder, was passiert wäre, wenn sie ihm ihre Gefühle gestanden hätte. Sicher, ihre Freundschaft wäre früher oder später in die Brüche gegangen. Was auch sonst? Hatte sie ernsthaft in Erwägung gezogen, er könnte das Gleiche für sie empfinden und sie würden glücklich werden bis ans Ende ihrer Tage? Sowas gab’s doch eh nur im Märchen. Das waren Träumereien einer pubertierenden Jugendlichen, nichts weiter.
Sie hatte sich einen Tag der Trauer und der Wut gegönnt, aber schon am nächsten Morgen hatte sie sich geschworen, dass sie das alles so akzeptieren würde und dass sie ebenso glücklich sein konnte, wie Till es gewesen war. Sie hoffte nur, dass er sie nicht ganz vergaß. Schließlich hatte die beiden einst so unendlich viel verbunden.
Da Till von sich aus nicht mehr oft auf Sarah zukam, lenkte auch sie ihre eigenen Interessen in eine andere Richtung. So kam es, dass sie ihren Freundeskreis erweiterte und auch andere Jungs kennenlernte. Sie versuchte, nicht mehr allzu oft an Till zu denken, was ihr jedoch nicht gerade leicht fiel nach all den Jahren der engen Freundschaft - erst recht, nachdem sie erkannte, dass er für sie wohl mehr war als nur ein guter Freund. Sarah hatte das Gefühl, dass er sich nur noch für seine anderen Freunde, jedoch nicht mehr für sie interessierte. Was war nur aus ihrer Freundschaft geworden?
Sie hatte dieses enge Band nicht zerstören wollen, und doch ist es nun allem Anschein nach passiert. Allerdings hatte sie hierfür keine Erklärung. Wahrscheinlich war das einfach der Lauf der Dinge. Dass sich die Interessen während des Erwachsenwerdens einfach veränderten, man lernte neue Leute kennen und alles Gewohnte verlor an Reiz und wurde mit der Zeit langweilig. Sarah war sehr traurig über diese Erkenntnis, aber sie wusste, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als das zu akzeptieren.
Also lenkte sie sich ab und ließ sich letztendlich, wenn auch mit eher ungutem Gefühl, auf einen Klassenkameraden ein, der zwar lange nicht so gut aussah wie Till, aber immerhin zeigte er ehrliches Interesse an Sarah und wollte unbedingt ihr Herz erobern. Sarah gab sich also einen Ruck und ging somit ihre erste feste Beziehung mit diesem Jungen namens Steffen ein, sammelte Erfahrungen, die ein Mädchen in dem Alter nun mal so sammelte und schaffte es, nicht mehr allzu oft an Till zu denken. Auch er hatte in der Zwischenzeit mitbekommen, dass Sarah einen festen Freund hatte. Natürlich machte es ihn traurig, dass ihr Herz nun einem anderen gehörte, und nicht ihm.
Aber schließlich war er selbst schuld. Hätte er ihr an jenem Abend gesagt, was in ihm vorgegangen war, hätte vielleicht alles anders kommen können. Vielleicht wären sie glücklich miteinander? Zumindest wäre er sicher glücklicher, als er es jetzt war. Er fand seine Freundin zwar toll, allerdings war der Kontakt und somit die Freundschaft zu Sarah sehr zurückgegangen. Sie trafen sich so gut wie gar nicht mehr, und wenn sie einander zufällig begegneten, wechselten sie nur wenige Worte miteinander. Außerdem fühlte er sich schlecht seiner Freundin gegenüber. Auch wenn er sie sehr mochte, fühlte es sich nicht richtig an. Aber er wusste, dass es so am besten war. Er war in einer Beziehung und Sarah nun auch. Sie wirkte glücklich auf ihn, wenn er sie sah und schon alleine das war ein Punkt, der ihm sehr wichtig war. Dass sie glücklich war. Er würde schon irgendwie klar kommen, denn mit der Zeit, so war er sich sicher, würden seine mehr als freundschaftlichen Gefühle für Sarah sicher wieder verschwinden.
Er fand es allerdings sehr schade, dass sie beide kaum noch Kontakt zueinander hatten. Aber wen wunderte das? Er hatte sich ihr mehr oder weniger entzogen, als er erschreckend festgestellt hatte, dass er sie plötzlich sehr attraktiv fand. Er hatte selbst entschieden, dieses Geheimnis für sich zu behalten, aber er musste auch lernen, damit umzugehen und hatte versucht, sich für andere Dinge und vor allem für andere Menschen zu interessieren. Nur deshalb war er letztendlich mit Katja zusammen gekommen. Aber noch immer dachte er sehr oft an Sarah und musste schmerzlich erkennen, dass es anscheinend nichts gebracht hatte, dass er ihr nichts von seinen Gefühlen erzählt hat. Es ist paradox; hätte er ihr gesagt, was er tatsächlich seit jenem Abend auf dem Spielplatz für sie empfand, hätte er womöglich ihre Freundschaft aufs Spiel gesetzt.
Und nun? Richtig. Er hatte seine wahren Gefühle verdrängt und damit ebenfalls die Freundschaft zerstört. Er hatte sich für den in seinen Augen »richtigen« Weg entschieden, als er gefühlsmäßig an einer Weggabelung stand, und doch hatten beide Wege zum gleichen Ziel geführt. Wäre es anders gekommen, wenn sie gewusst hätte, was er für sie empfand? Wie stand es um Sarah, war er für sie wirklich nur ein Freund?
Er dachte noch oft an diesen einen Abend zurück und hatte dabei immer wieder das Gefühl, dass auch sie damals einen ganz bestimmten Blick in ihren Augen hatte, als sie sich lange schweigend ansahen, lediglich umgeben von der Stille und dem Sonnenuntergang. Aber andererseits konnte er sich nicht vorstellen, dass er mehr für Sarah sein könnte, als nur ihr bester Freund. Und nun war er noch nicht einmal mehr das. Sicher hätte sie ihm etwas gesagt, wenn mit ihrer Freundschaft etwas nicht gestimmt hätte. Daher verwarf er diesen Gedanken immer wieder aufs Neue. Nur um zu erkennen, dass er ihn nicht losließ, sondern er sich immer wieder die gleichen Fragen stellte. Was wäre gewesen, wenn…?