Читать книгу Ich wünsch dir alles Gute - Nicole Beisel - Страница 8
4. Kapitel
ОглавлениеDa Till sich bezüglich seiner Gedanken um Sarah und ihre langjährige Freundschaft im Kreis drehte, entschied er, sich Sarah endgültig aus dem Kopf zu schlagen. Es hatte sowieso keinen Sinn. Sie waren beide eine Beziehung eingegangen mit Menschen, denen sie wirklich viel bedeuteten. Da er sie nicht mehr persönlich gesprochen hatte, seit sie offensichtlich einen Freund hatte, entschied er, ihr zumindest einen Zettel in den Briefkasten zu werfen. Schließlich wohnten sie noch immer nah beieinander. Und trotzdem sahen sie sich so gut wie gar nicht mehr. Seltsam, wie das Leben sich verändern konnte…
Er schnappte sich einen kleinen Zettel, schrieb fünf Wörter darauf, darunter seinen Namen, faltete ihn zusammen und schrieb ihren Namen auf die Vorderseite. Dann lief er schnell hinüber zum gegenüberliegenden Häuserblock und warf den Zettel mit leicht zitternden Händen ein. Es tat ihm in der Seele weh, ihr diese Worte zukommen zu lassen, denn sie würden mit Sicherheit nicht folgenlos bleiben. Auch war ihm durch den Kopf gegangen, dass sie seine Mitteilung eventuell falsch verstehen könnte, aber er war sich sicher, dass es so am besten war. Schweren Herzens lief er an dem Spielplatz vorbei zurück nach Hause, wo er noch lange über die vergangenen Jahre nachdachte, bevor er irgendwann erschöpft einschlief.
Als Sarah am Tag darauf von der Schule nach Hause kam, hatte ihr ihre Mutter einen Zettel auf ihren Schreibtisch gelegt.
Ihr Name stand darauf und sie wusste, wessen Handschrift das Stück Papier zierte. Aufgeregt und ein wenig ängstlich faltete sie das Blatt auseinander, auf dem nur wenige, aber harte Worte standen, auch wenn sie womöglich noch so lieb gemeint waren: »Ich wünsch‘ dir alles Gute. Till.« Ungläubig las sie die Worte wieder und wieder, ehe sie ahnte, was sie zu bedeuten hatten.
Sie dachte sehr lange über Tills Nachricht nach. Waren seine Worte nur auf ihre neue Beziehung bezogen? Oder war das seine Art, ihr zu sagen, dass er keinen Sinn mehr in ihrer Freundschaft sah und sich nun quasi damit »verabschieden« wollte und ihre Freundschaft aufgab? Sarah verstand die Welt nicht mehr. Tränen liefen ihr übers Gesicht.
Obwohl sie sich so sicher gewesen war, das Richtige getan zu haben, indem sie ihre wahren Gefühle Till gegenüber verschwieg, war sie vielleicht doch den falschen Weg gegangen. Dabei war er es doch, der sich eine Freundin gesucht hatte? Der sich verliebt hatte und sich nicht mehr für Sarah interessiert hatte? Der ihre Freundschaft hatte schleifen lassen und sie nun anscheinend beendet hatte?
Es war wohl tatsächlich so, als hätte er sich selbst nun endgültig aus ihrem Leben ausgeschlossen. Aber sie konnte sich nicht erklären, warum. Sie waren doch so gute und enge Freunde gewesen, hatten alles miteinander geteilt und konnten miteinander über Gott und die Welt reden. Welchen Grund hätte er gehabt, die Freundschaft zu beenden und seinen weiteren Lebensweg ohne Sarah zu gehen?
So sehr sie überlegte, sie fand einfach keine Antwort auf all ihre Fragen, die ihr nun durch den Kopf gingen. Es fühlte sich an, als würde ihre Welt zerbrechen. Sie hatte ihren besten Freund und gleichzeitig den jungen Mann, den sie von Herzen zu lieben schien, verloren. War es vielleicht doch ein Fehler gewesen, ihm ihre wahren Gefühle zu verheimlichen und zu versuchen, diese zu verdrängen? Aber wäre dann nicht ebenfalls ihre Freundschaft zerbrochen?
Nach langer Zeit des Grübelns kam sie zu dem Schluss, dass es so kommen musste und dass es nichts gab, das sie hätte tun können, um dieses traurige Ende zu verhindern. Sie hatte Steffen sehr gerne und offensichtlich war Katja Till ebenfalls sehr wichtig geworden.
So beschloss sie noch am gleichen Abend, ihm ebenfalls eine Nachricht zukommen zu lassen. Auch ihre Nachricht an Till enthielt lediglich sechs Worte, ihren Namen und Tills Namen auf dem Umschlag, in dem der Zettel steckte. Bei solchen Dingen war sie sehr ordentlich; sie selbst hielt ihre Nachrichten an Andere eher verschlossen. Sie warf den Brief am nächsten Morgen auf dem Weg zur Schule ein. Da sie erst zur zweiten Stunde zum Unterricht musste war sie sicher, dass Till bereits weg war, als sie den Brief einwarf.
An diesem Tag hatte sie Till auch auf dem Schulhof nicht gesehen. Allerdings hatte Till sie entdeckt und hatte sofort ihren traurigen Blick registriert. Daher hatte er sich sofort wieder zurückgezogen.
Sie hatte seine Nachricht also erhalten. Es tat ihm weh, sie so zu sehen. Sie bedeutete ihm so unendlich viel, aber das konnte er ihr auf keinen Fall sagen. Sie würde es nicht verstehen, dass er aus einem solchen Grund ihre Freundschaft zerstörte. Er verstand es ja selbst kaum, aber es schien ihm die beste Lösung zu sein. Er wollte wirklich nur, dass sie glücklich war. Und das konnte sie nicht, wenn sie wüsste, was er wirklich für sie empfand. Also war es das Beste, vorerst getrennte Wege zu gehen.
Als er an diesem Nachmittag nach Hause kam, lag ein Umschlag auf der Kommode im Flur. Sarah hatte seine Nachricht also tatsächlich nicht nur erhalten, sondern hatte entsprechend darauf reagiert.
Er war gespannt, was ihn in dem Umschlag erwartete, der sorgfältig zugeklebt war. So war sie schon immer gewesen, stets ordentlich. Mit einem Lächeln dachte er an die vergangenen Tage, als sie noch kleine Kinder gewesen waren. Alles hatte sie nach Farbe oder Größe sortiert, hatte immer alles gut verpackt und hatte meist ein aufgeräumtes Kinderzimmer, mit welchem ihre Mutter ihr nur selten zur Hand ging.
Er öffnete gespannt den Umschlag und zog einen kleinen Zettel heraus. In sorgfältiger Schrift standen nur wenige Worte darauf geschrieben: »Ich wünsch‘ dir auch alles Gute. Sarah.« Er atmete tief durch. Einerseits war er traurig, andererseits aber auch ein wenig erleichtert.
Er hatte schon befürchtet, sie könnte sauer oder wütend auf ihn sein. Könnte ihm Fragen nach dem Warum stellen, auf die er keine korrekte und faire Antwort wusste. Zu gerne hätte er gewusst, was wirklich in ihrem Kopf vorging, aber nun konnte er sie nicht mehr danach fragen.
Selbst wenn er es gewusst hätte, wäre es ihm nicht anders gegangen. Er war sich sicher, dass er bald erkennen würde, dass er tatsächlich das Richtige getan hatte. Er sollte sich nun auf seine Beziehung mit Katja konzentrieren. Er musste Sarah loslassen, auch wenn das bedeutete, dass er auch ihre Freundschaft losließ, wenn er das nicht sogar bereits getan hatte.