Читать книгу Mann meiner Träume - Nicole Knoblauch - Страница 9

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9. - 11. November

Auch, wenn Marie es ungern zugeben wollte, hatten Annas Worte sie nachdenklich gestimmt. Sie verbrachte den ganzen Tag damit, in ihren Büchern nach Antworten zu suchen, und stellte sich immer wieder dieselbe Frage: Will ich, dass das weitergeht?

Zu einem Ergebnis kam sie nicht und legte sich am Abend mit dem Gedanken schlafen, dass ihre Träume sie sicher klarer sehen lassen würden.

Doch es wurde eine traumlose Nacht. Marie hörte in sich hinein und stellte zu ihrer Überraschung fest, dass sie eigentlich froh darüber war. Das gab ihr Zeit zum Nachdenken. Denn mit einem hatte Anna recht: Das letzte Mal, als sie sich Hals über Kopf in eine Beziehung gestürzt hatte, war eindeutig eine Katastrophe gewesen. Sie hatte alle negativen Aspekte einfach beiseite geschoben, und sich am Ende selbst verloren. Das sollte ihr nicht noch einmal passieren.

Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie tat ja gerade so, als ob Napoleone echt wäre. Das waren Träume und nicht das echte Leben. Im echten Leben standen heute Ämtergänge auf dem Plan. Sie musste sich und ihr Auto ummelden und ihre Unterlagen bei der neuen Schule abgeben. Das hatte sie schon viel zu lange vor sich hergeschoben.

Heute Abend würden ihre Gefühle sicherlich klarer sein.

Waren sie nicht. Marie wusste nur, dass sie Napoleone vermisste. Sie hatte den ganzen Tag an ihn denken müssen und sich zu ihm zurückgewünscht.

Anna empfing sie gespannt, als sie endlich wieder zu Hause ankam. „Und, was ist diese Nacht passiert?“

„Nichts.“ Marie hängte ihre Jacke an die Garderobe, schlenderte ins Wohnzimmer und ließ sich in den Sessel fallen.

Mit gerunzelter Stirn setzte sich Anna zu ihr. „Wie, nichts?“

„Ich habe nicht geträumt.“

„Finden wir das jetzt gut oder schlecht?“

Marie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Gut, weil es mir Zeit zum Nachdenken gibt. Schlecht, weil ich ihn vermisse.“

„Du weißt schon, dass es nur Träume sind und es gut sein könnte, dass du nie wieder von ihm träumst?“, fragte Anna vorsichtig.

„Das weiß ich. Aber das will ich nicht glauben. Ich gebe mir noch eine Nacht. Ich meine, wenn das Träume sind, sollte das genug Zeit sein, um mich aus ihrem Bann zu befreien, oder?“

„Ich verstehe nicht?“

Marie zog die Knie an und stützte ihr Kinn darauf ab. „Du hast das doch bestimmt schon erlebt, dass ein Film oder ein Buch dich so sehr gefesselt hat, dass diese Welt für einen Moment realer war als das echte Leben.“

„Ein- oder zweimal, ja.“

„So fühlt sich das hier an. Dieses Gefühl vergeht, wenn die Realität Einzug hält. Ich gehe davon aus, dass diese Anziehungskraft morgen verschwunden sein wird.“

„Ist sie schon schwächer geworden?“

„Ein wenig.“

Dass Marie log, hörte Anna an ihrem Tonfall. Und, dass sie ihr bei ihren Worten nicht in die Augen sah, überzeugte sie völlig. Aber Marie würde das nie zugeben. Marie wollte Normalität, die sollte sie bekommen. „Lass uns in Kino gehen. Das lenkt dich sicher ab.“

Nach einer weiteren traumlosen Nacht erwachte Marie mit der Gewissheit, dass sie Napoleone wiedersehen musste. Um jeden Preis. Diese Träume waren einfach zu schön. Und das Gefühl, von dem sie Anna erzählt hatte, ließ nicht nach. Das Gegenteil traf zu. Es wurde immer schlimmer. Mit jedem Tag, der verging, glaubte sie, mehr in einer Scheinwelt zu leben. Die Realität verblasste gegenüber den Erlebnissen in der Traumwelt.

Diese Geschichte musste zu einem Ende gebracht werden. Wo dieses Ende lag und wie es aussehen mochte, war ihr nicht klar. Das machte auch nichts. Es würde gut werden.

Mit diesen Gedanken betrat Marie das Wohnzimmer. Noch bevor sie etwas sagen konnte, begann Anna zu sprechen: „Marie, ...“

„Ich will zurück zu ihm!“, platzte Marie dazwischen. „Ich halte das nicht mehr aus. Ich denke nur an ihn, an seine Hände, seine Küsse, seine Worte.“ Sie fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Und wenn ich verrückt bin, dann will ich das ausleben. Das ist tausendmal besser als das echte Leben. Die letzten Monate waren so beschissen, ich habe ein wenig Glück verdient.“ Sie schlug mit der Faust in die Luft. „Ich liebe Napoleone und ich will ihn wiedersehen!“

„Mit allen Konsequenzen?“

„Was sollen das für Konsequenzen sein? Ich tu doch niemandem was. Ich träume!“

„Das meine ich nicht. Ich meine die Konsequenzen für dich.“

„Für mich?“

„Ja, für dich. Machst du dir keine Sorgen über deine Zurechnungsfähigkeit?“

„Über meine ...“ Langsam sank sie auf das Sofa und starrte an Anna vorbei. „Du hältst mich für verrückt.“ Das hatte sie nicht erwartet. Sie hatte gewusst, dass Anna der ganzen Sache skeptisch gegenüber stand, aber die ganze Zeit angenommen, sie sei auf ihrer Seite.

„Ich halte dich nicht für verrückt!“ Anna fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ein wenig verwirrt im Moment, nicht verrückt.“

„Verwirrt! Ich muss hier weg.“ Mit diesen Worten stand Marie auf und stürmte in ihr Zimmer. Mit schnellen Griffen sammelte sie Handtasche und Jacke ein und verließ die Wohnung.

Am nächsten Morgen fand Anna mehrere Seiten mit Maries Handschrift vor ihrer Zimmertür liegen. Mit gerunzelter Stirn nahm sie die Aufzeichnungen und fing an zu lesen.

Mann meiner Träume

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