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1.6Ethik und Moral in der Tierfotografie

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»Soll ich’s wirklich machen oder lass ich’s lieber sein? Jein!« Dieses Zitat aus dem Song »Jein« der Band »Fettes Brot« passt hier recht gut, wenn es um die Ethik und Moral in der Tierfotografie geht. Wichtig ist nicht, dass du es allen immer recht machst. Dass das nicht geht, wissen wir bereits. Wichtig ist, dass du dich gut fühlst mit allen Entscheidungen, die du triffst. Das wird dich und deinen eigenen Vierbeiner vielleicht nicht betreffen, aber sobald du für Freunde fotografierst oder sogar anfängst, damit ein wenig Geld zu verdienen.

Am Anfang meiner Fotografie habe ich für mich einige Regeln aufgestellt, die meine ganz persönlichen moralischen Ansichten widerspiegeln. Deine Tierfotos haben potenziell eine große Plattform und Reichweite, wenn du sie »online« stellst. Genau damit bekommen sie viel Macht. Was du mit dieser Macht anfangen möchtest, ist dir überlassen. Viele Dinge habe ich immer aus dem Bauch heraus entschieden und als eigener Tierbesitzer oft sinniert: Würde ich das für meine Tiere wollen? Hatte ich ein schlechtes Gefühl, habe ich es gelassen. Wenn ich die Würfe eines Züchters fotografiere und sehe, dass die Tiere in einem schlechten gesundheitlichen Zustand sind, wird kein Shooting stattfinden.

Sehe ich, dass die Tiere nicht gut gehalten werden, wird ebenfalls kein Shooting stattfinden, auch wenn ich 200 km umsonst gefahren bin. Denn ich möchte keinem dubiosen Züchter helfen, offensichtlich kranke Tiere als gesund zu vermitteln.

Wenn ich bei einem Shooting sehe, dass der Tierhalter nicht gut mit seinem Tier umgeht, werde ich ihn darauf hinweisen und das Shooting unter Umständen abbrechen. Das kann sowohl körperliches Maßregeln sein, das Auslassen schlechter Laune am Tier jedweder Art oder z. B. das »Riegeln« eines Pferdes für schöne Reitfotos.

Auch das Einsetzen eines Stachelhalsbands ist für mich inakzeptabel! Menschen, die so mit ihren Tieren umgehen, bekommen von mir keine Bilder.

Bei Werbeshootings und Aufträgen großer Firmen gehe ich mit dem Tier nie über gewisse Grenzen hinaus. Leider ist das einmal notwendig geworden. Ich habe gegen mein Bauchgefühl gearbeitet und irgendwann den Auftrag abgebrochen und bin für diesen Konzern nicht mehr tätig. Ich nehme daher nur noch Aufträge an, bei denen ich sehr viel Freiheiten habe – nicht etwa für mich, sondern für die Tiere. Konkret bedeutet das, dass ich keine festen Posen oder ganz starre Skizzen akzeptiere, die mir als Vorlage dienen. Diese Art von Aufträgen mache ich nicht mehr. Ich würde meine Tiere für solch ein Shooting auch nicht hergeben!

Aber es gibt auch Dinge, bei denen die Grenzen schwammig verlaufen und man sich tatsächlich fragt, ob man immer richtig entscheidet. Das gilt etwa bei sogenannten Qualzuchten, die leider sehr weit verbreitet sind. Es ist unglaublich schwierig, hier zu differenzieren, denn eigentlich wird die Liste der Tiere, die ich nicht fotografieren sollte, dann sehr lang: Plattnasen wie z. B. Mops und Französische Bulldogge, haarlose Rassen wie die Canadian Sphynx (sofern ohne Tasthaare gezüchtet), Faltenhunde, kupierte Hunde, überzüchtete Rassen, die schwerwiegende gesundheitliche Probleme aufweisen – es ist schwierig. Wo fange ich an, wo beende ich diese Liste? Viele solcher Tiere wurden vom Erstbesitzer abgegeben und leben jetzt in Familien, die sie adoptiert haben, die sie hegen und pflegen und heiß und innig lieben. Darf ich sie dann ablichten oder besser nicht? Darf ich einen Schäferhund mit geradem Rücken ablichten, einen mit abfallendem Rücken aber nicht? Muss ich den Besitzer, der seinen kupierten Hund adoptiert hat, ablehnen oder nur den, der ihn hat kupieren lassen? Und zum Thema Kupieren: Was ist mit all den Rassen mit den kurzen oder kupierten Ruten? Wie kann ich wissen, ob es sich um eine angeborene kürzere Rute handelt (Natural Bobtail) oder nicht?


1/200 Sek. | f/2.8 | ISO 200 | 135 mm

Nala, das typische Beispiel. Eine sehr kranke Französische Bulldogge, die aus ganz schlechten Verhältnissen kommt, aber in ihrem Für-Immer-Zuhause, das sie adoptiert hat, über alles geliebt wird. Es war mir eine reine Freude, das Bild zu machen. Aber natürlich wurde das Foto aufgrund der kurzen Nase auch oft kritisiert. Die Menschen, die deine Fotos sehen, kennen diese Geschichte oft nicht!

Das Gleiche gilt für Reitbilder ohne Sicherheitskleidung – ein sehr umstrittenes Thema. Aber wir Fotografen sind meiner Meinung nach hier auch nur die ausführende Kraft. Fotografiere ich also ein zwölfjähriges Mädchen ohne Reitkappe auf einem galoppierenden Pferd und die Mutter steht daneben und gibt ihre Erlaubnis – abgesehen von meinem schlechten Bauchgefühl, was wäre jetzt mein Job? Sollte ich missionieren oder sogar die Fotos ablehnen? Wo fängt das Sicherheitsbewusstsein an, wo hört es auf? Wie sieht es mit den Westernreitern aus? Sie tragen sogar bei Turnieren oft nur einen Cowboyhut, keinen Helm. Muss ich das auch ablehnen?

Einige Jahre habe ich auf Turnieren fotografiert: Dressur, Springen, Western. Auch hier findet man vieles, was mit dem tierlieben Herz nur schwer vereinbar ist (Riegeln, Rollkur, hartes Einsetzen von Gebissen und Sporen, Maßregeln von Pferden, die ihre Aufgaben verweigern, u. v. m.) – das ist übrigens auch ein Grund, warum ich mich aus diesem Metier verabschiedet habe.

Viele Dinge sehe ich zwiegespalten, ich bin oft sehr unsicher, wie ich damit umgehen sollte. Dienstleister auf der einen Seite, Vorbildfunktion auf der anderen. Ja, ich fotografiere auch auf Wunsch Personen in ihrer Freiarbeit mit dem Pferd, ohne Sattel und Trense, mache auch Reitbilder ohne Sicherheitskleidung. Allerdings muss man sich die Frage stellen, ob man solche Fotos noch ins Internet stellen sollte? Aber auch hier gilt: Du musst dich wohlfühlen mit deinen Entscheidungen und die kann dir leider niemand abnehmen.

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