Читать книгу Abende auf dem Gut Dikanka - Nikolai Gogol - Страница 15
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ОглавлениеDas ist ja ein Wunder, mein Herr!
Aus einem kleinrussischen Schwank
Auf dem Jahrmarkt hatte sich ein sonderbares Ereignis zugetragen: alles war von dem Gerüchte erfüllt, daß irgendwo unter den Waren der rote Kittel aufgetaucht sei. Die Alte, die Brezeln verkaufte, behauptete, den Satan in Gestalt eines Schweines gesehen zu haben, das unaufhörlich unter den Wagen umherschnüffelte, als ob es da irgend etwas suchte. Das Gerücht verbreitete sich schnell an allen Ecken und Enden des nun schon stillen Lagers, und jeder hätte es für ein Verbrechen gehalten, nicht daran zu glauben, obgleich die Brezelverkäuferin, die ihren Stand neben der Bude des Schankweibes aufgeschlagen hatte, den ganzen lieben Tag ohne jeglichen Grund Verbeugungen machte und mit den Füßen ähnliche Linien beschrieb wie ihre leckere Ware. Dazu kamen noch die übertriebenen Gerüchte von dem Mirakel, das der Gemeindeschreiber angeblich nachts in der verfallenen Scheune gesehen hatte, so daß sich alle, als es Nacht wurde, eng aneinander drängten; die Ruh war gestört, und die Angst ließ keinen ein Auge zutun. Die, welche ein Nachtlager in den Häusern haben konnten und nicht sehr wagemutig waren, zogen unter Dach und Fach. Zu diesen letzteren gehörten auch der Gevatter und Tscherewik mit seiner Tochter, die zusammen mit den Gästen, welche ebenfalls ins Haus drängten, das Gepolter verursacht hatten, das unsere Chiwrja so sehr erschreckte. Der Gevatter hatte schon etwas geladen. Das konnte man daraus ersehen, daß er bereits zweimal mit dem Wagen den Hof abgefahren hatte, bevor er sein Haus fand. Die Gäste waren ebenfalls alle schon sehr heiter und traten ganz ohne Umstände vor dem Wirt ins Haus. Die Frau unseres Tscherewik saß wie auf Nadeln, als sie in allen Ecken der Stube umherzuscharren begannen.
»Nun, Frau Gevatter,« rief der eintretende Hausherr, »wirst du immer noch vom Fieber geschüttelt?«
»Ja, mir ist nicht wohl!« antwortete Chiwrja, unruhig auf die Bretter unter der Decke blickend.
»So, Frau, hole uns doch das Fässchen dort vom Wagen!« sprach der Gevatter zu seiner Frau, die mit ihm gekommen war, »wir wollen eins mit den guten Leuten trinken, die verfluchten Weiber haben einem solche Angst eingejagt, daß es einfach eine Schande ist! Bei Gott, Brüder, wir sind ganz umsonst hierhergekommen!« fuhr er, aus dem Tonkrug schlürfend, fort. »Ich setz’ eine neue Mütze zum Pfand, daß die Weiber uns zum besten gehalten haben. Und wenn es auch Satan wäre, — was ist denn das, der Satan? Spuckt ihm auf den Kopf! Wenn er, beispielsweise jetzt im Augenblick hier vor mir erschiene: ich will ein Hundesohn sein, wenn ich ihm nicht einen Nasenstüber versetze!«
»Warum bist du denn auf einmal so bleich geworden?« rief einer der Gäste, der alle anderen einen Kopf hoch überragte und sich stets als Held aufspielte.
»Ich? ... Was fällt dir ein! Du träumst wohl!«
Die Gäste lachten. Ein zufriedenes Lächeln glitt über das Gesicht des prahlmutigen Helden.
»Warum soll denn der bleich werden!« fiel da ein anderer ein: »seine Backen blühen ja wie Mohn; jetzt sieht Zibulja nicht mehr wie eine Zwiebel aus, sondern wie eine rote Rübe, oder richtiger wie der rote Kittel selbst, der die Leute so erschreckt hat!«
Das Fässchen wurde auf den Tisch gerollt und machte die Gäste noch lustiger. Unser Tscherewik, der schon lange von dem Gedanken an den roten Kittel gequält wurde, und dessen neugieriger Geist keinen Augenblick Ruhe fand, machte sich an den Gevatter heran.
»Sag mir doch, Gevatter, sei so gut, ich frage und frage und kann’s nicht herausbekommen, was für eine Bewandtnis es mit dem verdammten Kittel hat!«
»He, Gevatter! Das sollte man eigentlich nicht zur Nacht erzählen; aber um dir einen Gefallen zu tun und den guten Leuten da (dabei wandte er sich zu den Gästen), die, wie ich merke, die Geschichte genau so wie du kennen lernen wollen — Meinetwegen, also hört!«
Er kratzte sich die Schulter, wischte sich am Rockschoß ab, legte beide Arme auf den Tisch und begann:
»Einst wurde — ob er nun etwas verschuldet hatte oder nicht, das weiß ich bei Gott nicht — ein Teufel aus der Hölle gejagt ...«
»Wieso denn, Gevatter?« unterbrach ihn Tscherewik. »Wie ist das bloß möglich, daß ein Teufel aus der Hölle gejagt wird?«
»Was kann man da machen, Gevatter! Man jagt ihn heraus und fertig! — wie ein Bauer seinen Hund aus der Stube jagt. Vielleicht hatte ihn die Lust überkommen, eine gute Tat zu tun: nun, da hat man ihn eben hinausgeworfen. Da ward dem armen Teufel so bang zumute, und er begann sich so nach der Hölle zu sehnen, daß er sich am liebsten aufgehängt hätte. Was war zu machen? Vor Kummer warf er sich aufs Saufen, er nistete sich in der verfallenen Scheune ein, die du dort am Berge gesehen hast, und an der jetzt kein guter Mensch vorübergeht, ohne vorher das Zeichen des heiligen Kreuzes zu machen, und der Teufel wurde zu so einem Säufer, wie man ihn selbst unter den Burschen kaum finden kann: vom frühen Morgen bis zum späten Abend saß er nur immer in der Schenke ...«
Hier unterbrach der gestrenge Tscherewik wiederum unseren Erzähler:
»Gott, was du da redest, Gevatter! Wie ist denn das möglich, daß jemand den Teufel in die Schenke hineinläßt? Er hat doch, Gott sei gelobt, Krallen an den Tatzen und Hörner auf dem Kopf.«
»Das ist’s ja eben! er hatte eine Mütze aufgesetzt und Däumlinge angezogen. Wie sollte man ihn da wohl erkennen? Er fing an, ein lustiges Leben zu führen und endlich kam es so weit, daß er alles versoffen hatte, was er bei sich trug. Der Schankwirt gab ihm längere Zeit Kredit, aber endlich hörte er damit auf. Da war der Teufel gezwungen, seinen roten Kittel fast für ein Drittel des Wertes bei dem Juden zu versetzen, der damals auf dem Jahrmarkt zu Sorotschintzy den Schnapsausschank in Besitz hatte. Er versetzte ihn also und sprach: »Gib acht, Jude, genau nach einem Jahre hole ich mir den Kittel wieder, heb ihn wohl auf!« — und weg war er, wie in die Erde gesunken. Der Jude sah sich den Kittel genau an: solches Tuch war in Mirgorod nicht zu bekommen, und die rote Farbe brannte wie Feuer, daß man sich an ihr gar nicht satt sehen konnte. Nun wurde es dem Juden aber zu viel, den Termin abzuwarten. Er kratzte sich die Schläfenlöckchen, und nahm einem zugereisten Pan ganze fünf Dukaten für den Kittel ab! denn den Termin hatte der Jude schon längst vergessen. Einmal, so gegen Abend, kam da ein Mensch angerückt: »Nun Jude, gib mir meinen Kittel!« Der Jude erkannte ihn zuerst nicht, aber dann tat er so, als ob er ihn nie gesehen hätte: »Was für einen Kittel? Ich weiß von keinem Kittel!« Jener ging seiner Wege, aber gegen Abend, als der Jude, der seine Bude schon geschlossen und das Geld in den Kästen gezählt hatte, ein Bettuch umnahm und nach Judenart zu Gott zu beten anfing, — da hörte er ein Geräusch ... Sieh da — aus allen Fenstern gucken Schweineschnauzen herein ...«
Hier wurde tatsächlich ein undeutlicher Laut hörbar, der dem Grunzen eines Schweines sehr ähnlich war; alle erbleichten ... Der Schweiß trat dem Erzähler auf die Stirn.
»Was gibt’s!« fragte Tscherewik ganz erschrocken.
»Es ist nichts!« ... antwortete der Gevatter, der am ganzen Leibe zitterte.
»Ah!« rief einer der Gäste.
»Hast du was gesagt?« ...
»Nein!«
»Wer hat da gegrunzt?«
»Ach Gott, warum sind wir nur so erschrocken? Es war ja nichts!«
Alle begannen sich scheu umzusehen und die Winkel abzusuchen. Chiwrja war mehr tot als lebendig. »Ach was seid ihr doch für Weiber, was seid ihr für Weiber!« rief sie laut aus: »Ihr wollt Kosaken und Männer sein! Man sollte euch ein Spinnrad in die Hände geben und an den Rocken setzen! Einem von euch ist wohl, mit Verlaub zu sagen, eine Sünde entfahren, oder die Bank hat unter jemandem geknarrt, und ihr springt in die Höhe, als ob ihr halb toll seid!«
Das beschämte unsere Helden und gab ihnen neuen Mut. Der Gevatter schlürfte aus dem Krug und erzählte weiter: »Der Jude war fast tot vor Schreck; aber die Schweine krochen auf ihren Beinen, die so lang wie Stelzen waren, in die Fenster, machten ihn im Nu mit dem dreischwänzigen Kantschu wieder lebendig und ließen ihn höher springen, als dieser Balken da oben ist. Der Jude fiel auf die Knie und gestand alles ein. Aber der Kittel war nicht so schnell wieder zu finden. Der Pan war unterwegs von einem Zigeuner bestohlen worden, der den Kittel an eine Händlerin verkauft hatte. Die brachte ihn wieder auf den Jahrmarkt von Sorotschintzy, aber von Stund an wollte niemand etwas bei ihr kaufen. Die Händlerin wunderte sich lange Zeit, aber endlich kam sie der Sache auf den Grund. Sicher hatte der rote Kittel an allem schuld; daher fühlte sie auch immer, wenn sie ihn anzog, daß sie etwas drückte. Ohne lange zu überlegen, warf sie ihn ins Feuer — aber der Teufelsrock wollte nicht brennen! ... »Ah so, das ist also ein Teufelsgeschenk!« Die Händlerin war so klug, ihn einem Bauern unter den Wagen zu schieben, der Butter zum Verkauf brachte. Der Dummkopf war hocherfreut, aber niemand fragte mehr nach seiner Butter. »O weh, da haben mir böse Hände den Kittel da unter den Wagen gesteckt!« Er ergriff eine Axt und hackte ihn in Stücke; aber sieh da, ein Stück kriecht zum andern, und wieder ist’s ein ganzer Kittel! Er bekreuzigte sich, schlug noch mal darauf, streute die Stücke auseinander und machte sich davon. Und seit jener Stunde geht jedes Jahr, pünktlich zur Jahrmarktszeit, der Teufel in Gestalt eines Schweines auf dem Platze um, grunzt und sucht die Stücke seines Kittels zusammen. Jetzt soll ihm nur noch der linke Ärmel fehlen. Die Leute hüten sich seitdem vor jenem Orte, und bald werden es zehn Jahre sein, daß dort kein Jahrmarkt mehr gewesen ist. Da muß nun der Böse den Präsidenten reiten, daß er gerade hier den Jahr...«
Die andere Hälfte des Wortes erstarb dem Erzähler auf den Lippen: krachend sprang das Fenster auf; klirrend flogen die Scheiben herum, und eine schreckliche Schweinsfratze erschien in der Öffnung, die Augen rollend, als ob sie fragen wollte: »Was treibt ihr hier, ihr lieben Leute?«