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Verabredung

Ich konnte mich nicht daran erinnern, das Fenster offen gelassen zu haben, aber der frische Morgenwind wehte die dünne weiße Stoffgardine in den Raum. Es war kurz nach sieben, und ich war ganz von allein wach geworden. Das milchig milde Licht des nahenden Morgens ließ mich noch einmal die Augen schließen.

Mit Beklemmung erinnerte ich mich, wie Cola in den Van gestoßen worden war. Dann stand er plötzlich wieder vor mir, als sei nichts gewesen. Ich hatte keinen blassen Schimmer, was an dem gestrigen Abend passiert war. Auch deshalb kam ich mir immer noch vor, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Was in dieser knappen Stunde mit Cola geschehen war, konnte ich mir nicht erklären. Aber mir war klar, dass er es mir auch nicht sagen wollte. Oder konnte. Ich rieb mir die Augen und die Stirn. Die Gedanken waren müßig und Freundschaften kompliziert. Es war Zeit, aufzustehen.

Ich fühlte mich wie gerädert, als ich mich erhob, um das Fenster zu schließen und ins Bad zu gehen. Nachdem ich gepinkelt und mich gewaschen hatte, stieg ich über den Haufen alter Kleider, die ich gestern Abend achtlos vor den Schreibtisch geworfen hatte. Dort würden sie heute Abend auch noch liegen. Ich machte das Mob an, das seit Tagen dieselbe Musik abspielte. Cola, der Unmengen von wirklich guter und richtig schlechter Musik konsumierte, hatte sie mir empfohlen und einen Treffer gelandet. „E-Lo Detective“ – Elektrosounds vermischt mit depressiven Texten –, ich hörte das Ding mittlerweile in der achtzehnten Wiederholungsschleife. Wahrscheinlich würde ich erst in der Vorweihnachtszeit wieder auf andere Musik umsteigen.

Ich schlurfte zum Kühlschrank, um Butter und Marmelade herauszuholen. Den Espresso hatte ich in einer luftdichten Dose verschlossen im obersten Fach verwahrt. Ich füllte meine italienische Espressokanne, die ich auf der kleinsten Herdplatte parkte und nun beheizte. Cola bezeichnete diese Art der Kaffeezubereitung als „old school“. Er mochte das Ergebnis. Der klägliche Rest Milch konnte gerade noch eine Tasse Milchkaffee veredeln. Das fühlte sich wesentlich besser an, als ohne Frühstück aus dem Haus zu gehen. Ich hatte tief und traumlos geschlafen. So sehr konnte mich meine gestrige neue Bekanntschaft also nicht beeindruckt haben. Das war ein tröstlicher Gedanke.

Jetzt musste ich meine Sachen zusammensuchen, die ich für die heutige Redaktionssitzung brauchte. Die zweistündige Hin- und Rückfahrt nach Chicago würde den Tag komplett zerschießen, aber vielleicht konnte ich in der Redaktion noch ein paar neue Termine festmachen. Vor vier Uhr nachmittags würde ich wohl kaum zurück sein.

Die Jeans von gestern würde es noch einmal tun. Sie war reinigungsbedürftig, aber perfekt eingetragen. Dazu ein weiterer hellblauer Pulli aus den unergründlichen Tiefen meiner Kommode und die blaue Lederjacke. Seitdem ich meine Garderobe auf eine Grundfarbe beschränkt hatte, war mein Leben einfacher geworden. Alles passte zueinander, und ich verbrachte nicht mehr so viel Zeit vor dem Kleiderschrank. Im Sommer erlaubte ich mir gelegentlich ein weißes T-Shirt. Aber da Weiß eigentlich keine Farbe war, brach ich auch nicht grundsätzlich mit meinem Dresscode.

Bevor ich das Mob einpackte, checkte ich nochmals die eingegangenen Nachrichten. Pearl hatte in der Nacht gearbeitet und mir ihre Ergebnisse mit einer komplizierten Verschlüsselung geschickt. Erst vor ein paar Tagen hatte sie mich mit dem entsprechenden Programm zur Entschlüsselung versorgt. Da ich nicht mehr viel Zeit bis zur Abfahrt des Zuges hatte, zügelte ich meine Neugierde und beschloss, die Informationen – sollte sie welche gefunden haben – auf der Fahrt in Ruhe zu lesen. Die restlichen Mails mussten auf Beantwortung warten. Ich packte das Mob in meine große Umhängetasche. Ich hatte sie in der Hoffnung gekauft, sie sei der Zugang zu einem schwarzen Loch im Universum. Da ich manche Sachen vermisste, die ich irgendwann mal hineingestopft hatte, schien das eine vertretbare Annahme zu sein.

Zähne putzen, Tisch abräumen, Schlüssel einstecken – als ich gerade die Tür abschloss, klingelte mein Mob. Meine Hände suchten an der Pforte zum Universum nach dem kleinen Gerät. Endlich hielt ich das summende Etwas in der Hand. Was wollte Keeler vor acht schon von mir? Außerdem brauchte ich dringend einen neuen Klingelton.

„Petit. Hallo?“

„Hi, Nia, ich bin es, Ethan. Entschuldige den frühen Anruf, aber ich habe zwei Stunden Zeitverschiebung und muss gleich los.“

Ich war perplex. „Zwei Stunden Zeitverschiebung? Wo bist du?“ Toll. Das war nun wirklich die blödeste, am häufigsten gestellte Telefonfrage des Jahrhunderts.

„Wegen unseres Treffens. Wie wäre es morgen Abend?“

Beleidigt, weil er meine Frage einfach übergangen hatte, schnappte ich: „Hatten wir nicht ausgemacht, dass ich anrufe?“

Pause.

„Ja, du hast recht.“ Er klang ganz entspannt. „Sorry, also bis dann.“

Für meine Begriffe hörte ich in den vergangenen Tagen entschieden zu oft die Wartemusik. Hatte er tatsächlich aufgelegt? Während ich versuchte, meine Tasche zuzumachen, die Tür abzuschließen und gleichzeitig das Mob halbwegs stabil zwischen Schulter und Ohr zu klemmen, drückte ich mich krampfhaft durch das Menü für die Rückruffunktion. Nach zweimaligem Piepen meldete er sich.

„Derek Palmer, hallo?“

„Sehr witzig. Wie wäre es also mit morgen Abend?“ Ich dehnte die Frage absichtlich.

„Oh, morgen Abend passt mir gut. Ich lade ein, ich suche aus. Okay? Ich hole dich gegen acht Uhr ab. Ich freue mich.“

Hatte er etwa schon wieder aufgelegt? Das gab es doch nicht. War er ein Mann der Tat oder einfach nur verdammt unhöflich? Ich musste mich entscheiden: Entweder ich regte mich noch eine Weile auf und startete eine empörte, wahrscheinlich erfolglose Rückrufaktion oder ich würde meinen Zug noch erreichen. Ein Blick auf die Uhr machte mir die Entscheidung leichter: Wieder einmal rannte ich die Main hinunter.

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