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Ein unerwarteter Gast

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In Wien, im dämmrigen Salon einer prächtigen Barockvilla in der Nähe der Hofburg, saß die Marquise Madeleine de Bréde mit gesenktem Kopf vor ihrem kleinen, spielerisch mit Ornamenten verzierten Sekretär. Die verhängten, wuchtigen Spiegel, die zugezogenen Vorhänge, die die hellen Strahlen des sonnigen Morgens aussperrten, verliehen dem hohen Raum eine gewisse Intimität und zugleich einen Hauch von spürbarer, gewollter Tristesse. Der mit kostbaren, französischen Antiquitäten, vergoldeten Louis XV Möbeln und wundervollen Gemälden ausgestattete Raum ließ ahnen, dass sein Besitzer ein passionierter Kunstsammler war, dem ein nicht unbeträchtliches Vermögen gestattete, sich diesem Vergnügen uneingeschränkt hinzugeben.

Madeleine betrachtete mit versteinerter Miene das blaue Briefpapier, das vor ihr lag, die schwarz umrandeten Trauerkarten, sie sah auf ihre eigenen schönen, schrägen Schriftzüge mit den verschnörkelten, lang gezogenen Endungen, denen man trotz aller korrekten Linien anmerkte, dass ihre Hand gezittert hatte. Wie sollte sie nur so etwas Unfassbares wie den Tod ihres Mannes in Worte kleiden? Sie presste das Taschentuch gegen die pochenden Schläfen, unterdrückte ein Schluchzen und wischte sich neue Tränen aus den Augenwinkeln. Entschlossen tauchte sie dann die Feder erneut in die Tinte und ließ sie rasch und wie von selbst über die angefangene Seite gleiten.

»Madame«, die leise Stimme des Mädchens, das beim Eintreten knickste, drang nur von ungefähr in ihr Bewusstsein. »Madame«, nach den ersten schüchternen Versuchen erhob die Zofe ihre Stimme beim dritten Anlauf so laut, dass Madeleine zusammenschreckte.

Die Spitze der Feder brach auf dem Papier unter dem heftigen Druck ihrer Hand und hinterließ einen hässlichen, dunklen Tintenfleck.

»Ich sagte Ihnen doch, dass ich nicht gestört sein möchte!« Ihre sanfte Stimme bekam einen belegten, fast aufschluchzenden Unterton.

»Ja, aber ... der Herr lässt sich nicht abweisen – es sei sehr dringend!« Eine Pause entstand, in der die Zofe sie unschlüssig und mitleidig anblickte.

»Fragen Sie, wer dieser Herr ist und was er wünscht.«

Madeleine versuchte mit der silbernen Löschpapierrolle den Schaden zu beseitigen, dann gab sie es auf und knüllte die angefangene Seite resignierend zusammen.

Sicher wieder ein Besucher, der ihr seine Aufwartung machen wollte, mit einer jener Beileidsbezeigungen, die kein Ende nehmen wollten, seit der schrecklichen Stunde, als Alphonse, ihr Mann, aus heiterem Himmel leblos in ihren Armen zusammengebrochen war. Der schmerzliche Gedanke daran trieb ihr erneut Tränen in die Augen, und sie senkte den Kopf. Ach, es brach ihr das Herz, wenn sie daran dachte, dass er nicht mehr war! Dieser ungewöhnliche Mann hatte sie geliebt und zu seiner Frau gemacht, sie, die unscheinbare und schüchterne Gouvernante der Familie d’Emprenvil auf Schloss Valfleur! Nicht im Traum hätte sie damals daran gedacht, dass dieser kultivierte, vermögende Marquis sich über alle Standesvorurteile hinwegsetzen, sie um ihre Hand bitten und ihr alles, was er besaß, zu Füßen legen würde!

Mit einem tiefen Atemzug, der wie ein Stöhnen klang, schloss sie für einen Augenblick die Augen, als müsse sie sich genau an alles erinnern. Ach, nur so wenig Zeit war ihnen gemeinsam vergönnt gewesen – eine kurze Spanne auf Erden, in der sie zusammengewachsen und eine Einheit geworden waren. Die schier unglaubliche Symbiose zweier Menschen, eine Art Seelenverwandtschaft, die weit über das, was Mann und Frau gewöhnlich bindet, hinausging, war ihnen beiden vom Schicksal nur für eine kleine Weile gewährt worden. Was hatte sie an seiner Seite nicht alles gesehen, nicht alles gelernt! Ihr Leben lang würde sie sich an die Reisen durch das zaubervolle, blütenreiche Italien ins antike Rom erinnern, die sommerduftenden Abende am Ufer des Meeres und die Stunden, in denen sie einander bis in die Nacht hinein vorlasen, in denen Alphonse Gedichte rezitierte – nun waren sie vorbei, wie eine flüchtig vorbeiziehende Wolke eines schönen, nicht festzuhaltenden Traums, der sich in den unwirklichen Sphären des Himmels verliert. Und zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie sich wirklich geborgen, verstanden und geliebt gefühlt. Warum musste das Glück immer nur so kurz sein!

Alphonse hatte niemals von seinem Leiden gesprochen, es immer überspielt, und wenn sie ihn erschrocken fragte, was ihm fehle, wenn er sich plötzlich mit fahlem Gesicht an die Brust griff und seinen Körper wie im Krampf nach vorne neigte, hatte er immer Ausflüchte gefunden. Er wollte sie nicht beunruhigen, sie, die junge Frau nicht mit den Wehwehchen eines alternden, kranken Mannes belasten, wollte in der Rolle des Beschützers, des Stärkeren bleiben. Es gab nur geheimnisvolle Tropfen, die sie ihm reichen musste und die die bedrohliche Situation sofort milderten. Aber beim letzten Mal war ihre Wirkung nicht eingetreten.

»Der Name des Herrn ist Jean Lavallier«, das Mädchen wagte einen erneuten Versuch und riss sie aus ihren Gedanken. »Er lässt sich nicht abweisen ... er sagt, er sei ein guter Bekannter.«

»Lavallier?« Madeleine, aus dem Strom der Erinnerungen auftauchend, seufzte tief auf. »Nie gehört. Sagen Sie, ich wäre auf keinen Fall zu sprechen, da ich noch nicht angekleidet bin. Er soll etwas Schriftliches hinterlassen.«

Sie nahm eine neue Feder aus dem samtenen Etui und beugte sich erneut über die Trauerkarten. Aber noch bevor das Mädchen diese Nachricht überbringen konnte, hatte sich der Angekündigte einfach an ihr vorbeigedrängt.

»Madeleine ... bitte erschrecken Sie jetzt nicht«, der sonore Klang einer Stimme, die ihr nur allzu vertraut war, holte die junge Frau blitzartig aus der Versunkenheit, und Feder und Papier entglitten raschelnd ihren Händen und fielen zu Boden. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie den aufdringlichen Besucher an, der wie eine Erscheinung aus der Vergangenheit plötzlich vor ihr stand.

»Oh Gott ...« Sie sprang so abrupt auf, dass sich die Schleppe ihres seidenen Morgenkleides in ihrem Absatz verhakte und einen hässlichen Riss bekam, »das ist doch nicht möglich ...«, stammelte sie und fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als müsse sie eine Vision fortwischen. »Monsieur Richard ... Graf de Montalembert ... sind Sie es wirklich? Ich – wir alle glaubten, Sie ... seien tot!«

»Pssst!« Der Eingetretene machte eine abwehrende Geste und legte für eine kurze Sekunde den Finger auf den Mund. »Mein offizieller Name ist Lavallier, Jean Lavallier!«

Madeleine sah den Mann im blauen Offiziershabit mit ungläubigem Staunen an, während ihr das Blut ins Gesicht schoss. Gab es eine solche Ähnlichkeit oder sah sie plötzlich Gespenster? Nein, es war kein Zweifel möglich: Wie ein Wesen aus einer anderen Welt stand er vor ihr: Graf de Montalembert, der zum Tode verurteilte Ehemann Amélies, deren Jugend sie als Erzieherin auf Schloss Valfleur begleitet hatte! Sie traute ihren Augen immer noch nicht; ihr war, als müssten ihr die Sinne schwinden, so sehr überflutete sie mit einem Mal die Erinnerung an ihr vergangenes Leben, die Zeit als Gouvernante in der Familie des Baron d’Emprenvil mit all den Menschen, die ihr auf Valfleur so sehr ans Herz gewachsen waren, bevor sie in den tödlichen Strudel der Revolution gerieten. Nur ihr Schützling, ihre geliebte Amélie, und ihr Bruder Patrick, als Adjutant des königlichen Bruders, dem Grafen von Artois, hatten damals überlebt. Amélie war die Frau eines Abgeordneten der neuen Republik geworden, während Patrick mit dem Grafen ins Exil nach Koblenz flüchtete. Heiß durchströmte es ihr Herz, als für einen Augenblick lang das ausdrucksvolle Antlitz des Baron d’Emprenvil vor ihren Augen stand, ihre unerfüllte erste Liebe, in deren Bann sie so viele Jahre gelebt und gelitten hatte! Etwas in ihr war für immer zerbrochen, als der Baron nach einer abenteuerlichen Flucht aus dem Gefängnis ums Leben gekommen war! Sie schwankte, aber der unerwartete Gast nahm ihren Arm und stützte sie.

»Entschuldigen Sie, Madeleine, oder sollte ich eher sagen, Madame la Marquise, dass ich sie so erschrecke, aber ... ich konnte nicht anders.«

Die Marquise de Bréde, ehemalige Mademoiselle Dernier, packte fest seine Hand, um Halt zu finden und sah ihn forschend an. Er hatte sich verändert, sein Gesicht war schmal und ernst geworden, der Ausdruck seiner Augen besaß nicht mehr den strahlenden Glanz, die glühende Begeisterung des jungen Grafen, doch sein immer ein wenig skeptisch scheinendes Lächeln, der treue, aufrichtige Blick seiner blauen Augen in den gereiften und männlicher gewordenen Zügen unter der Welle des straff nach hinten gekämmten, dunkelblonden Haares waren gleich geblieben. Madeleine, an allen Gliedern bebend, versuchte krampfhaft ihre Fassung wieder zu gewinnen. Er war es, er lebte, daran bestand jetzt kein Zweifel mehr.

»Graf«, sie verbesserte sich, »ich meine ... Monsieur Lavallier, treten Sie doch näher!«

Gefasst, doch mit Lippen, die ihre Farbe verloren hatten, bat sie den Gast durch eine Handbewegung in den Erker des hinteren Raums. »Marie, lassen Sie uns bitte allein und schließen Sie die Tür!«

Sie zog Richard zu einem kleinen Tisch, der halb von einem pastellig bemalten Paravent verdeckt war. »Graf de Montalembert! Ich kann es kaum fassen – sind Sie von den Toten auferstanden? Wir glaubten Sie verurteilt ... hingerichtet bei den Septembermorden in der Salpétrière! Und Amélie ... sie hat sehr viel durchgemacht. Wissen Sie, dass sie wieder geheiratet hat?«

»Ja,« unterbrach de Montalembert sie mit finster zusammengezogenen Brauen, »das hat mich am meisten getroffen ...« Seine Stimme wurde brüchig, und er musste sich räuspern, bevor er fortfuhr. »Aber lassen Sie mich vorerst meine jetzige Lage erklären: Es ist wahr, offiziell bin ich für tot erklärt – doch wie Sie sehen, erfreue ich mich glücklicherweise guter Gesundheit. Ich konnte meinem Schicksal entkommen – die genauen Umstände, warum ich noch lebe, dürften jetzt zu weit führen! Einige Vertrauensleute – auch Ihr verstorbener Mann – waren genauestens über mein Schicksal unterrichtet.«

Er machte eine kleine, unschlüssige Pause und senkte bewegt seine Stimme. »Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen nicht gleich mein zutiefst empfundenes Beileid ausgesprochen habe!«

Madeleine war außerstande zu antworten, und so sprach er leise weiter. »Sie können nicht wissen, was der Tod Ihres Mannes auch für mich bedeutet! Ich stand mit ihm in dauernder Verbindung – er hat mir sehr viel geholfen. Doch es war sein Wunsch, Sie mit dieser Geschichte nicht zu behelligen. Ich musste es ihm versprechen! Er wusste nur zu gut, wie sehr Sie unter der Trennung von ... Amélie litten!«

Er hielt ein und versuchte, seine Bewegtheit zu verbergen. Madeleine lauschte wie erstarrt, sie nickte stumm, und ihre Züge waren wie aus Wachs. »Sie können mein Verhalten verurteilen oder nicht – aber ich habe alles getan, um Amélies Leben zu retten«, fuhr er gefasster fort, »dazu gehörte auch, dass ich im Dunkeln blieb. Ich wollte mich erst mit Amélie in Verbindung setzen, wenn sich der Sturm über meine Verurteilung gelegt hatte. Doch dann kam alles anders: Man brachte Amélie als Ehefrau eines hingerichteten Staatsfeindes und Royalisten ebenfalls ins Gefängnis! Dort geschah etwas für mich völlig Unerwartetes: Fabre d’Églantine, dieser skrupellose Emporkömmling, erkannte die Chance seines Lebens.«

Seine Miene verzerrte sich, bevor er, nach Fassung ringend, weitersprach. »Es gelang ihm, Amélie zu einer überstürzten Heirat zu zwingen, um mein Vermögen und auch das Erbe ihrer Eltern an sich zu reißen!« In einer verzweifelten Abwehrbewegung ballte er die Faust. »Ich konnte es nicht mehr verhindern!« Er schlug die Hände vor die Augen. »Glauben Sie mir, Madeleine, all das hat mich fast um den Verstand gebracht!«

Es entstand eine Pause, in der Madeleine nach Worten suchte. Doch dann war es de Montalembert, der hastig fortfuhr: »Später erkannte ich jedoch, dass Amélie unter dem Schutz d’Églantines vorerst in Sicherheit war. Ich bin überzeugt, dass sie niemals seine Frau geworden wäre, wenn sie erfahren hätte, dass ich noch am Leben bin.«

Seine Stimme erstickte, er ging zum Fenster und schob die Vorhänge beiseite. Mit feuchten Augen starrte er hinauf zum Himmel, der von dunklen Wolken überzogen war. Ein tiefes Schweigen entstand, in dem nur das Summen einer verirrten Fliege an den Scheiben zu hören war.

Madeleine sank mit geschlossenen Augen schwer atmend zurück in den weichen Lehnsessel. Ihr schwindelte, und ihr Kopf schmerzte.

»Ist Ihnen nicht wohl?«

De Montalembert musterte sie jetzt mit besorgter Miene.

»Entschuldigen Sie den Überfall, mein egoistischer Bericht in dieser ungünstigen Stunde eines für Sie so tragischen Ereignisses – aber ich konnte ja nicht ahnen, dass der Marquis so schnell ...« Er stockte, und Madeleine nickte nur.

»Das hat wohl niemand erwartet. Ich selbst bin noch wie betäubt«, murmelte sie fast unhörbar, »bitte lassen Sie mir ein wenig Zeit.« Mit einem raschen Entschluss nahm sie die silberne Klingel und läutete.

Das Mädchen erschien nach einer Weile, in der sie sich schweigend gegenübergesessen waren, stellte ein Tablett mit heißer Schokolade sowie eine Porzellanschale mit Gebäck auf den Tisch und entfernte sich knicksend.

Nachdem Madeleine vorsichtig ein paar Schlucke des heißen Getränks genommen hatte, atmete sie tief ein und heftete ihren von Trauer verschatteten Blick auf die Uniform ihres Gegenübers.

»Sie stehen in schwedischen Diensten, wie ich sehe!«

Richard zögerte: »Die Kleidung dient nur dazu, meine Spur zu verwischen. Ich gehöre zu den ›Chevaliers du Poignards‹, der geheimen Kampftruppe unseres hingerichteten Königs. Wir haben uns das Ziel gesetzt, Marie Antoinette aus dem Kerker zu befreien und die Monarchie wieder herzustellen. Ihr und ihrem Sohn, dem künftigen Ludwig XVII, gebührt der Platz auf dem Thron und nicht den Republikanern, die das Volk ins Verderben führen!« Er sandte ihr einen beinahe hochmütigen Blick. »Nur wenn ich all meine Rechte zurückerlangt habe, kann ich wagen, vor Amélie zu treten ... dann wird es an ihr sein, eine Entscheidung zu treffen ...«

Er brach ab und senkte die Augen vor dem zweifelnden Blick Madeleines.

»Und wo haben Sie sich bisher verborgen gehalten, Graf?«

»Verzeihen Sie mir, wenn ich mich in diesem Punkt in Schweigen hülle! Auf jeden Fall musste ich meine Identität von Zeit zu Zeit wechseln, um im Schatten zu bleiben.«

Madeleine begann plötzlich zu zittern, Kälte stieg in ihr auf, und sie schloss in einem erneuten Schwächeanfall die Augen. Hilfesuchend griff sie nach der Hand des Besuchers und bat mit erstickter Stimme nach einer kleinen Pause.

»Entschuldigen Sie, Graf – ich fühle, dass all dies über meine Kräfte geht! Lassen Sie mir ein wenig Zeit, lassen Sie mich nachdenken, bevor Sie mir weiter berichten! Es ist alles zu viel für mich. Der plötzliche Tod, der Verlust meines geliebten Mannes, die Beisetzung, die ich gezwungen bin vorzubereiten – ich muss versuchen, Fassung zu bewahren. Es werden so viele Leute an der Zeremonie teilnehmen. Wie Sie wissen, stand mein Mann zuletzt zwecks diplomatischer Verhandlungen mit Frankreich als eine Art geheimer Botschafter in den Diensten des österreichischen Kanzlers Thugut, dem Vertrauensmann Kaiser Franz II. Er hatte Einfluss und mächtige Freunde in Paris ...«

»Sehen Sie, gerade diesen Einfluss wollte ich nutzen«, unterbrach de Montalembert erregt, »darum bin ich gekommen. Aber unglücklicherweise zu spät!« Die Enttäuschung ließ seine Züge hager und abgezehrt wirken.

Madeleine war außerstande zu antworten. Zutiefst ermattet lehnte sie jetzt in den Polstern. Richard erhob sich nach einer Weile und sah mitleidig auf sie herab.

»Verzeihen Sie, Madeleine – ich verstehe, die Situation ist denkbar ungünstig. Es tut mir von Herzen leid, dass ich diesen tragischen Moment gewählt habe. Aber ich verspreche Ihnen, wiederzukommen!« Er verbeugte sich förmlich. »Gott gebe Ihnen Kraft für die kommenden Tage.«

Mit wenigen Schritten und noch bevor Madeleine etwas entgegnen konnte, war de Montalembert an der Tür, neigte noch einmal den Kopf in ihre Richtung und entfernte sich.

Wie betäubt sah Madeleine ihm nach, unfähig zu irgendeinem Wort oder einer Geste. Doch dann völlig unvermittelt, wie ein Schatten aus der Vergangenheit, tauchten die geliebten Züge Baron d’Emprenvils vor ihr auf, sein leuchtender Blick, der sie einst dahinschmelzen ließ, die Art, wie er ihr mit einem lässigen Augenzwinkern gebot: »Versprechen Sie mir, immer auf meine Amélie aufzupassen ..., sie ist so ein wildes Kind!«

Mit einem Ruck sprang sie auf und ein Schrei löste sich aus ihrer Brust: »Graf – bleiben Sie!« Sie lief hinaus. »Marie, versuchen Sie den Herrn noch einzuholen.«

Die Zofe sprang die Treppen hinunter, kehrte aber schon nach ein paar Minuten atemlos zurück und zuckte bedauernd die Achseln. »Er ist fort, Madame la Marquise!«

Madeleine sank enttäuscht in ihren Sessel zurück. Mit leerem Blick streifte sie den Stapel Trauerkarten und ein trockenes Schluchzen erschütterte ihre Brust.

Amélie und die Botschaft des Medaillons

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