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Meine Lebensgeschichte
Das „richtige“ Mädchen

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Als ich 1967 das Licht der Welt erblickte, war ich das zweite Kind meiner Eltern. Außerdem sollte ich, nachdem sechs Jahre später noch ein Sohn folgte, ihr einziges Mädchen bleiben.

Mein Vater hatte bereits einen Sohn aus erster Ehe.

Davon erfahren habe ich erstmals, als ich schon zehn war. Und ihn bald darauf als meinen Bruder kennengelernt. Warum? Nun, der Grund dafür war, dass dessen Mutter ihm bis dahin den Kontakt verwehrt hatte, zu seinem – und damit auch zu meinem – Vater. Somit habe ich drei Brüder.

Meine Eltern waren stets darauf bedacht, uns Kinder recht religiös zu leiten und ich wurde zu einem „richtigen“ Mädchen erzogen. Was nach ihrem Empfinden hieß, dass für mich als spätere junge Frau eine Lehre zwar nützlich, das Abitur jedoch absolut unnötig sei.

„Nora, du heiratest eh und kriegst Kinder. Was soll das? Was willst du damit?“, wurde jede breitere Bildungschance auf der Stelle ausgeblendet.

Noch immer vermag ich die Worte meiner Mutter von damals zu hören:

„Du musst versorgt sein. Du brauchst einen Mann.“

Meine Eltern kennen es nicht anders; leben selbst seit Jahrzehnten so. In Wohnräumen, die erfüllt sind mit der patriarchalischen Luft jahrhundertelanger Rollenauffassung von Mann und Frau. In denen sich eine Frau einfach eben anzupassen und unterzuordnen hat.

Aber ich bin eine ganz andere geworden!

Geplant war ich nach elterlichen Aussagen nicht und weiß indessen, dass ich damit das Schicksal vieler anderer Kinder auf der Welt teile. Zu bedenken gebe ich außerdem, dass die Zeiten vor und um meinen Geburtsjahrgang herum völlig andere als heute waren. Wonach damals viel häufiger und frühzeitiger Kinder geboren wurden und ich wiederholt mit dem Satz:

„Du warst unser kleines Überraschungspaket“ aufgewachsen bin, der mir schon als Kind missfiel. Das war so ein Satz, den man nicht vergisst. Der mir immer einen Stich gab und den ich unschön fand. Wo er neben vielleicht gut Gemeintem doch auch zweifelhaften Inhalts war und ich ja das Beste aus meinem Leben machen wollte.

Inzwischen vermute ich, dass gar eine noch wesentlich tiefere Sache in diese Problematik mit hineinspielen könnte, nämlich, dass meine Mutter ihrerseits ebenfalls ein ungewolltes Kind gewesen war.

Und die Generation meiner Großmutter erst (1909 –2006)!

Blickt man auf sie genauer, wird das Verstehen fast noch schwieriger. So war die Mutter meiner Mutter eine kleine Frau, die niemals lachte; Scherze gab es nicht. Vielleicht hatten das die zwei Weltkriege, oder eine der anderen schweren Nöte, oder all das zusammen aus meiner Großmutter gemacht: hier kann ich nur mutmaßen und hoffen, dass ich das niemals erleben muss. Sie war eine Frau, die nicht wusste, dass sie endlos traurig ist.

Allein schon die Flucht. Was hat die Generation da über sich ergehen lassen müssen …

„Es gab das Lager. Und es gab uns. Und Angst. Wir Frauen wurden hinaus zitiert, so, wie es ihnen passte. Die Kinder mussten zurückbleiben“, im Erzählen meiner Großmutter konnte ich spüren, dass sie von ihrem Ehemann verlassen worden und wie frustriert sie von den Männern war, wie sich ihr Leben, traumatisiert vom Krieg, fortsetzte, eben einfach weiterzugehen hatte. Ohne zu fragen, was zum Beispiel Massenvergewaltigungen anrichten.

Kein Wunder, dass sie mir am Ende dann wirklich lebensmüde vorkam.

Ganz im Gegensatz zu der Zeit, in der ich auf Partnersuche war. Da kam voller Überzeugung:

„Was willst du mit einem Mann? Die Männer sind alle schlecht!“

Alles Einzelpersonen, Schicksale und hier Frauen.

Wobei meine Großmutter aber nicht in der Lage war, die schlimmen Kriegserlebnisse zu verarbeiten. Und so hat sie all das, was sie für sich als Los oder Last wahrnahm, ihrer Tochter – und damit meiner Mutter – mit aufgebürdet und es sie ein Leben lang spüren lassen. Wieder und immer wieder. Ich denke, es gibt bessere Mutter-Tochter-Beziehungen als die ihre einst gewesen war, von der ich noch einiges selbst miterlebt hatte. Was mich im Grunde traurig stimmt, weil sich mir das Tragische in der Sache offenlegt: Wie sehr meine Mutter darauf gehofft hatte, ja, wirklich bis hin zum Tod meiner Großmutter, dass sie als deren Kind endlich die ersehnte Anerkennung bekommt. Anerkennung, gleich welcher Art, auch Zuneigung, Zuspruch und Liebe.

Etwas, das sie nie erhalten hatte.

Ein Defizit, das sich oft unbewusst auf die nachfolgenden Generationen überträgt.

Unter diesen Umständen – das „Überraschungspaket“ einer Frau zu sein, bei der es selbst schwierig zuging, da sie eben von der eigenen Mutter nie richtig geliebt worden war – stand für mich beizeiten fest, dass ich nur dann ein Kind haben möchte, wenn es hundertprozentig von mir und meinem Partner gewollt, erwünscht, ja, ersehnt ist.

Ein Kind, das mit offenen Armen empfangen wird …, das stellte ich mir als eine der schönsten Visionen der Welt vor!

Gleichermaßen hatte ich immer den Anspruch, für dieses, mein Kind, auch einen Vater zu wollen; niemals wollte ich ein Kind nur um des Kindes Willen.

So war er eben, mein großer Traum.

Ein einfacher und völlig natürlicher: dass ich eines Tages vor meinem Partner stehen und ihm Geheimnis umwoben mitteilen würde, dass ich schwanger bin. Wobei sich sein Gesicht erhellen und ich in seine glänzenden Augen sehen würde.

Der Wunsch bleibt. Doch dann ... Die Geschichte eines Paares

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