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Kapitel 3

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Ein Räuspern lässt mich zusammenfahren. Um ein Haar hätte ich die Flasche neben meinem Mac umgefegt, in der immer noch ein Rest Bier schwimmt.

Scheiße. Keine offenen Getränke in der Nähe von Computern. Ein absoluter Anfängerfehler, für den mir mein Vater eine gesalzene Predigt gehalten hätte. Ich bin eindeutig zu müde, zu unaufmerksam, zu angetrunken, zu hungrig...

Plötzlich erinnere ich mich an das Räuspern, das mich aus der Arbeit gerissen hat, und sehe auf.

Fünf Meter vor meinem Schreibtisch steht ein Mann in dunkelbrauner Jacke mit einem Pizzakarton in der Hand und einem sexy Lächeln im Gesicht, das meinen Herzschlag erneut aus dem Takt bringt. Aber nicht nur sein Lächeln ist heiß. Der ganze Mann sieht aus, als könnte er einen Raum allein durch seine Anwesenheit heizen. Ein Schlafzimmer zum Beispiel.

Wie lange er dort wohl schon steht?

Espressobraune Augen strahlen mich an. Und schicken ein lustvolles Ziehen durch meinen Unterleib.

Oh. Wow.

Wie lange wir uns wohl schon anschauen?

Oh Gott. Wie lange ich ihn schon anstarre?!

»Hey«, sagt er endlich. Seine Stimme scheint meinen Schwanz wie eine sehr geschickte Hand zu umschließen und zu massieren.

Ich schlucke. »Hi?«

Er tritt näher. »Ich wollte dich nicht erschrecken. So spät bin ich noch nie hier gewesen. Normalerweise ist die Bude immer gerammelt voll.«

Gerammelt...

»Okay?«

Er deutet mit dem Daumen hinter sich. »So ein großer Kerl mit Sommersprossen hat mich reingelassen, sonst hätte ich geklingelt oder dich angerufen.«

Ich bin verwirrt. Wann ist Kev gegangen? Ich dachte, dass ich schon seit mindestens einer Viertelstunde allein im Gebäude bin. Hat sich der Pizzabote verlaufen? Die meisten Türen sind um diese Uhrzeit abgeschlossen, inklusive der Eingangstür.

Ich ertappe mich dabei, dass ich ihn schon wieder anstarre wie ein hirnloser Roboter. Im selben Moment scheint er zu bemerken, dass er meinen Blick erwidert, denn er fährt sich verlegen durch die etwas zu langen, schwarzen Haare, die platt gedrückt und ungestylt an seinem Kopf anliegen.

Normale Männer wie ich sehen mit so einer Frisur aus wie ein Vollidiot. Attraktive Männer wie er hingegen wirken durch so einen kleinen Makel noch anziehender.

»Oh.« Er schwenkt den Pizzakarton, als würde er ihm just in dieser Sekunde wieder einfallen. »Deine Pizza.«

Als er die Schachtel allen Ernstes auf dem Schreibtisch ablegen will, hebe ich hastig beide Hände, um sie ihm abzunehmen, bevor sie womöglich auf meinem Mac, der Bierflasche, meinem Handy oder meinen Notizen landet.

»Danke.« Ich schiebe den Karton neben eine Topfpflanze auf das Regal hinter mir und greife nach der bereitgelegten Zwei-Euro-Münze.

»Bezahlt ist schon«, sagt der Pizzabote, als ich sie ihm hinhalte.

»Ich weiß. Das ist Bringgeld. Trinkgeld. Für dich. Für, äh... die Pizza.«

Er lacht leise. Der Klang schmiegt sich an meinen Nacken, bis die Haut dort zu prickeln beginnt.

»Danke.«

In derselben Sekunde, in der er die Hand nach der Münze ausstreckt, weiß ich, was er tun wird, noch bevor es passiert. Es blitzt in seinen dunklen Augen auf, zeigt sich in dem sexy Lächeln. Lust ballt sich zu einem glühenden Feuerball in meinem Unterleib zusammen.

Dann streifen seine warmen Finger meine. Drei Sekunden, vier. Er hätte die Münze längst nehmen können, stattdessen hält er meine Hand fest und streicht mit dem Daumen darüber.

Ich erschauere und schaffe es nur gerade so, ein Keuchen zu unterdrücken.

Gott. Ich kenne den Kerl seit drei Minuten – wobei Kennen definitiv übertrieben ist. Er hat mir meine Pizza geliefert. Wir haben kaum zwei Sätze miteinander gewechselt. Und trotzdem fühle ich mich gerade so sehr zu ihm hingezogen.

Schließlich zieht er seine Hand zurück und steckt die zwei Euro in seine Hosentasche. Es klimpert leise, als hätte er dort schon einige Münzen angesammelt.

»Arbeitest du öfter so lange? Ganz allein?«

Ich schließe kurz die Augen, als der Feuerball gierige Flammen spuckt und mein Schwanz zuckt. Musste der Zusatz sein? »Ähm. Ja. Manchmal.«

»Ist das nicht langweilig?«

Warum? Willst du mir die Langeweile vertreiben? Ich räuspere mich, um meiner Fantasie die Gelegenheit zu nehmen, den Gedankengang mit Bildern zu füllen. »Nein. Ich habe ja zu tun. Meine Arbeit. Ist spannend.«

»Aha.«

Er sieht mich immer noch mit diesem Blick an, der meinen Puls weiter hämmern lässt. Mein Gaydar ist miserabel, aber bei ihm bin ich mir spätestens seit der Übergabe der Zwei-Euro-Münze vollkommen sicher, dass er auf Männer steht.

»Tja, dann. Danke. Für die Pizza. Die ich jetzt essen werde.«

Demonstrativ schaue ich runter auf meinen Schreibtisch, bis mir einfällt, dass ich den Karton hinter mir abgestellt habe. Verdammt.

Ich drehe mich um, schnappe mir die Pizza und halte sie wie zum Beweis hoch, ehe ich sie wieder in sicherer Entfernung auf dem Regal ablege.

Er grinst.

Oh Mann. Er hat ja recht. Ich verhalte mich total bescheuert. Als würden einige Verbindungen in meinem Hirn aufgrund akuter Überhitzung einfach wegschmelzen.

»Scheiße. Du siehst echt süß aus, wenn du rot wirst.«

»Äh...«

Er lacht. Es klingt ein bisschen so überfordert, wie ich mich fühle. »Tut mir leid. Normalerweise mache ich so was nicht, wenn ich Auslieferungen fahre, aber du bist meine letzte Pizza für heute. Vielleicht hast du ja Lust, auch Feierabend zu machen?«

Die Art, wie er Lust ausspricht, kitzelt meine Hoden. Ich atme tief durch und versuche, mich zu konzentrieren. »Ich weiß nicht. Um... was zu tun?«

»Na ja...« Er sieht über seine Schulter und dann wieder mich an. »Ich habe beim Reingehen die Sofas gesehen...«

Jetzt keuche ich doch auf, weil mein Schwanz so schnell hart wird, dass es mir die Luft raubt. In seinen dunklen Augen tanzt eine Mischung aus Belustigung und Erregung. Offenbar bin ich leichter zu durchschauen als Fensterglas.

»Irgendwie fühlt sich das hier gerade wahnsinnig gut an. Und wenn's dir ähnlich geht, könnten wir uns einfach rübersetzen und...«

Die vielen Möglichkeiten, die zwischen uns in der Luft schweben, werden nur intensiver dadurch, dass er sie nicht ausspricht.

Als er noch einen Schritt näher an meinen Schreibtisch herankommt, muss ich den Kopf in den Nacken legen, um den Augenkontakt zu halten. Und ich muss ihn halten. Ich darf gar nicht daran denken, wo ich hinsehe, wenn –

Mein Blick zuckt nach unten. Ich starre seinen Schritt mindestens fünf Sekunden zu lange an, bevor ich ihm hastig wieder ins Gesicht sehe. Mein Herz hämmert. Er hat eine Erektion. In der Jeans nicht gut auszumachen, aber in Kombination mit dem Verlangen in seinen Augen doch unverkennbar.

Ich schlucke. Mir wird heiß. Und plötzlich kann ich an nichts anderes denken, als an ihn und mich auf einem der Sofas in der Loungeinsel. In der Mitte des Raums. Inmitten des Co-Working-Space. Bei meiner Arbeit. Mit der ich zu viel Zeit verbringe.

Heilige Scheiße.

»Dich...« Meine Stimme klingt so rau, dass ich noch mal neu ansetze. »Dich hat nicht zufällig ein Typ namens Kev geschickt?« Und mit einem Teil seiner Millionen bezahlt?

»Kev?«

»Der große Kerl mit den Sommersprossen.«

»Nein. Warum sollte er?«

Ich mustere ihn, kann aber beim besten Willen nicht sagen, ob er die Wahrheit sagt oder nicht. »Weil... Das würde jetzt zu weit führen.«

Es führt mich auf jeden Fall zu einer Entscheidung. Das hier ist Irrsinn. In der Loungeinsel des Co-Working-Space? Mit dem Pizzaboten? Habe ich da gerade ernsthaft drüber nachgedacht? Das muss an dem Gespräch mit Kev und Joscha auf der Dachterrasse und dem ungewohnten Körperkontakt vorhin liegen. Plötzlich erinnert sich mein Schwanz daran, dass er auch noch was anderes kann, als pinkeln.

Allerdings ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt. Ich kann derzeit keine Ablenkung gebrauchen. Nicht vor dem Launch meiner App. Nicht so spontan aus heiterem Himmel.

»Okay.« Er weicht wieder zwei Schritte zurück, schiebt die Hände in seine Hosentaschen und wippt auf den Fußballen. Die Münzen in seiner Jeans klimpern leise. »Dann ist das ein Nein?«

»Ja.« Als mir aufgeht, dass das irgendwie missverständlich klingt, schiebe ich hinterher: »Ein Nein. Tut mir leid.«

»Schade.« Er sieht ehrlich geknickt aus. Wahrscheinlich wird er nicht oft abgewiesen, erst recht nicht von Männern wie mir. »Dabei dachte ich wirklich...« Er zuckt die Schultern, bevor er wieder dieses sexy Lächeln aufsetzt. Nicht ganz so unbekümmert wie am Anfang, aber er bemüht sich. »Aber immerhin hab ich's versucht.«

Ich lächle zurück. »Ja. Danke.«

Er stutzt. »Dafür brauchst du dich nicht bedanken.«

»Doch. Das war... nett.« Lehrreich wäre das bessere Adjektiv gewesen. Offenbar schlummert meine Libido nur und ist nicht vollends verkümmert. Es fehlte nur der richtige Mann. Nach dem Gespräch mit Kev und Joscha irgendwie beruhigend.

»Scheiße.« Er verzieht gequält das Gesicht. »Bis eben bin ich noch ganz gut weggekommen, aber nett ist übel. Richtig übel. Ich wollte so ziemlich alles, aber ganz bestimmt nicht nett sein.«

Das bringt mich zum Grinsen. Tatsächlich finde ich ihn gerade sehr nett. Er steckt die Abfuhr gut weg dafür, dass ich gedanklich schon mit ihm in der Horizontalen lag und er mir das bestimmt angesehen hat.

»Sorry, ich meine natürlich: Ich fühle mich geschmeichelt, aber nein danke.«

Er brummt. »Minimal besser. Vergeben?«

»Hm?«

»Ob du einen Freund hast.«

Verblüfft blinzle ich ihn an. Er ist immer noch interessiert, obwohl ich ihm schon einen Korb gegeben habe? »Nein.«

»Freundin?«

Ich muss lachen. »Das fragst du noch nach dem, wie ich eben auf dich reagiert habe?«

Zu spät erkenne ich meinen Fehler. In seinen Augen funkelt es.

»Dann hab ich mir das nicht eingebildet.« Eine Feststellung. Keine Frage.

Ich weiche seinem Blick aus und wische ein paar imaginäre Staubkörner von der Schreibtischoberfläche. »Es passt gerade nicht so gut.«

Als ich ihn wieder ansehe, strahlt er mich an. »Okay. Damit kann ich leben. Falls es irgendwann mal besser passt, weißt du ja, wo du Pizza bestellen musst.«

Ich lache, habe aber keine Ahnung, ob er das ernst meint. Vielleicht war die Anziehung ja nur spontan. Vielleicht hat er mich vergessen, sobald er morgen die erste Pizza ausliefert – oder dieses Gebäude verlassen hat.

Sowieso schließen sich daran so viele Fragen an. Wann genau arbeitet er bei Tonis Trattoria? Warum gibt er mir nicht gleich seine Handynummer? Will er wirklich mit mir schlafen? Hat Kev ihn vielleicht doch bezahlt?

»Ich behalt's im Hinterkopf«, sage ich vage, woraufhin er zufrieden nickt und zum Abschied auf meinen Schreibtisch klopft.

»Mach nicht mehr so lange. Du bist wirklich süß, aber ohne die Augenringe siehst du bestimmt noch besser aus.«

Herz gegen Vernunft

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