Читать книгу SPQR - Der Fluch der Mumie - Norbert Wibben - Страница 10
Eine weitere Aufgabe?
ОглавлениеSollte die Nutzung des Kontaktformulars durch Luke sozusagen einen Damm gebrochen haben? Dass innerhalb weniger Stunden eine weitere Aufgabe für die jungen Detektive eintrifft, muss jedoch Zufall sein. Wenn es denn überhaupt eine ernst gemeinte Anfrage ist.
»Welche Personenangaben sind gemacht worden?« Der Junge interessiert sich insbesondere für die sachlichen Fakten. »Sollte das ein Joke sein, wird dort vermutlich »Mister X« oder Ähnliches stehen. Oh, es wurde tatsächlich eine E-Mail-Adresse eingetragen. Ob die wohl funktionieren wird? Hier steht lediglich Anwarwenn@tut.amun.«
»Ach wie witzig!« Britta zeigt ihren Ärger offen. Sie hatte gehofft, endlich eine neue Herausforderung zu erhalten. Und nun dieses! »Das ist offensichtlich ein Jux! Wir hätten in dem Formular doch auf die Angabe des Namens und des Wohnortes, sogar noch besser, auf sämtliche Daten einer Postanschrift bestehen sollen.«
»Das ist heutzutage antiquiert. Eine E-Mail-Adresse reicht zur Kontaktaufnahme völlig aus. Darüber können wir bei Bedarf alles Weitere erfragen. Außerdem könnten auch die von dir genannten Informationen durch unsinnige oder falsche Eingaben gefüllt werden. Was würde uns das helfen?«, verteidigt Emma den Aufbau des Formulars. »Je weniger eingegeben werden muss, desto einfacher kann eine Anfrage bei uns eintreffen.«
»Können wir denn herausbekommen, wer der reale Absender ist?«, versucht Britta einzulenken.
»Wir antworten an die E-Mail-Adresse«, entgegnet Luke, »und fragen nach diesen Details. Dass sich jemand mit Alpträumen an uns wendet, klingt nicht logisch. Ich würde mich wegen externer Hilfe eher an einen Arzt oder Psychologen wenden.«
Er schaut Emma fragend an, die seltsamerweise wie abwesend wirkt. Die Freundin rüttelt sie kurz an der Schulter.
»Was?«, entgegnet diese auffahrend. »Warum schüttelst du mich?«
»Hast du nicht mitbekommen, welche E-Mail-Adresse …«
»Das habe ich durchaus«, wird sie unterbrochen. »Ein Teil davon erinnerte an meine Reise mit den Eltern nach Ägypten.«
»Du meinst bestimmt Tutanchamun, den altägyptischen Herrscher«, springt Luke ihr zur Seite. »An den musste ich jedenfalls unwillkürlich denken.«
»Auf ihn scheint ein Teil der E-Mail-Adresse hinzuweisen«, stimmt Emma zu. »Obwohl »Anwarwenn« eher nicht dazu passen wird. Anwar ist zwar ein üblicher Vorname in den Ländern Nordafrikas, doch »Wenn« ist kaum ein aus der Region stammender Familienname, oder sollte das ein zusammenhängender Name sein?«
Sie verstummt und die Freunde schauen sie abwartend an. Sie hoffen, den Grund für ihre Nachdenklichkeit genannt zu bekommen. In den Weihnachtsferien war Emma mit ihren Eltern Aurelia und Siegfried nach Ägypten geflogen. Dort hatten sie die Ausgrabungsstätten im berühmten Tal der Könige besucht. Die Mutter ist Ägyptologin und der Vater Kenner der Jungsteinzeit. Sie wollten ihre Tochter durch Erfahrungen vor Ort für ihren Beruf begeistern, wie diese ihren Freunden erläutert hatte. Was mag es auf der Reise gegeben haben, dass einen Bezug zu der angegebenen E-Mail-Adresse im Kontaktformular herstellt?
Irgendeinen besonderen Grund muss es geben, weshalb Emma völlig untypisch noch immer in Gedanken versunken ist. Da ihre Freundin weiterhin grübelt, lesen Britta und Luke den erläuternden Text aus dem Formular durch.
»Seit Jahren durchwandere ich in unregelmäßigen Abständen in einem Alptraum eine Sandwüste. Ich spüre plötzlich, verfolgt zu werden. Wenn ich mich umdrehe, entdecke ich eine lebende Mumie. Sie ruft mir unsinnige Aufforderungen zu, nach denen ich ihr etwas gestohlen haben soll. Ich will voller Panik fliehen und beginne, eine große Düne auf Händen und Füßen hinaufzukrabbeln. Oben angekommen, ist mein Verfolger verschwunden.
SPQR, ich weiß nicht, wodurch diese Träume ausgelöst werden. Rettet mich!«
»Das klingt, als wäre es einem Drehbuch für einen Horrorfilm entnommen«, beginnt Luke nachdenklich. »Ob uns vielleicht Edgar Poh, der Regisseur des hier im vorigen Jahr gedrehten Gruselfilms, einen Streich spielen will? Womöglich ist das ein Versuch, Emma für eine Filmrolle in einem weiteren Projekt zu gewinnen?«
»Ein derartiges Verhalten würde ich schon eher dieser Schauspielerin Emilia Romana zutrauen, um unsere Freundin von der Übernahme einer neuen Rolle abzuhalten. Sie schien auf ihre Fähigkeiten und die erlangte Aufmerksamkeit des Regisseurs eifersüchtig zu sein. Nein, das passt wohl nicht! Es könnte allerdings zu einem Streich von Mitschülern aus der Parallelklasse passen. Besonders Albert Schramm und sein Freund Ferdinand Krum könnten sich für ihren vermeintlich zu Unrecht erhaltenen zweiten Platz rächen wollen. Ihnen traue ich es zu, dass sie versuchen, uns auf diese Weise hereinzulegen.«
Emma vernimmt die Worte, ohne aber ihren Sinn zu erfassen. Ihre Gedanken beschäftigen sich noch immer mit den Ereignissen der Ägypten-Reise, so dass sie den geäußerten Vermutungen nicht folgt. Sie schreckt heftig zusammen, weil in diesem Augenblick die Pausenglocke alle Schüler zum Unterricht ruft. Auf eine Erklärung für ihr Verhalten müssen die Freunde bis zum Schulschluss nach weiteren zwei Stunden warten.
Als sie schließlich das Gebäude verlassen, will Emma jedoch nicht sagen, worüber sie gegrübelt hat. Sie möchte vorher zuhause etwas überprüfen. Sie verweist darum auf einen späteren Zeitpunkt. Die Freunde verabreden sich für den Nachmittag in Remus‘ Prätorium.
Die Erwähnung des Kolkraben lässt Britta und den Jungen verstummen. Ihre Gedanken richten sich sofort auf mögliche Gründe für dessen Verschwinden.
»Die Sorge um Remus ist vermutlich überflüssig«, versucht Emma die anderen aufzumuntern. »Luke, ich gehe davon aus, dass dich unser gefiederter Freund bei der Heimkehr begrüßen wird. Du informierst uns sofort, versprochen?«
»Selbstverständlich«, entgegnet der Junge. »Falls das aber nicht zutrifft, werde ich über E-Mail Kontakt zu Hiram Paltow aufnehmen.«
»Dieser freundliche Besitzer des Vogelparks wird uns sicher helfen!«, ist Britta überzeugt. »Ich hoffe, dass Remus bei ihm untergeschlüpft ist, falls er sich womöglich von uns vernachlässigt fühlt.«
Luke starrt sie erschrocken an.
»Glaubst du das wirklich?«
Das Mädchen grinst verlegen und versucht ihn zu beruhigen.
»Ehrlich gesagt nicht. Ich stelle mir aber vor, dass Herr Paltow uns auf andere Weise zu helfen vermag. Er ist Tierarzt, der sich auf Vögel spezialisiert hat und zudem ein in der Fachwelt geschätzter Ornithologe. Auch wenn er unseren Freund nicht so gut wie wir kennt, wird er sein Verhalten möglicherweise erklären können. Er kann sicher abschätzen, ob Raben so etwas wie Langeweile kennen. Das wäre eine mögliche Erklärung für seine längere Abwesenheit.«
Jetzt erläutert Emma doch noch, weshalb sie in der Pause mit den Gedanken woanders gewesen ist.
»Sobald ich zuhause bin, werde ich diesen Anwarwenn anschreiben. Zuerst möchte ich seine Anschrift erfahren, um einen Täuschungsversuch ausschließen zu können. Wenn sich dadurch keine Person ermitteln lässt, sollten wir unsere Zeit nicht mit diesem Fall vergeuden. – Ich werde außerdem noch einmal meine Fotos von den Ausgrabungsstätten in Ägypten durchsehen. Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dort unbewusst etwas mitbekommen zu haben.«
»Worum geht es denn?«, versucht Britta herauszubekommen. »Du hattest uns nach der Rückkehr deine Aufnahmen gezeigt, ohne dabei ein besonderes Ereignis zu erwähnen.«
»Das gab es auch nicht«, grübelt Emma. »Oder anders gesagt, es war mir da noch nicht bewusst. Trotzdem blitzte irgendetwas in meinem Kopf auf, als ich die E-Mail-Adresse sah und sofort an Tutanchamun dachte. Hm. Ich bekomme es aber nicht zu fassen.«
»Versuche nicht, die Gedanken mit Gewalt aufzurufen«, rät Luke. »Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das selten hilft. Solltest du jedoch an etwas anderes denken, hast du urplötzlich das vor Augen, wonach du vorher verzweifelt gesucht hast.«
»Das weiß ich auch«, begehrt das Mädchen auf. »Deshalb hoffe ich, schnell Kontakt zu diesem Anwarwenn aufnehmen zu können. Falls das ein echter Name ist, finde ich möglicherweise auch einen Hinweis bei der Suche im Internet. Womöglich löst sich dabei gleichzeitig der Knoten in meiner Erinnerung. – Wann sollen wir uns treffen?«
»Es ist gut, dass wir heute schon nach der siebten Sunde frei haben«, beginnt Luke. »Könntet ihr gegen sechzehn Uhr bei mir sein? – Gut. Dann bis später.«
Mit einem kurzen, forschenden Blick zum Himmel stellt er enttäuscht fest, dass Remus ihn nicht von der Schule abholt. Das ist früher manches Mal geschehen, doch er kann die schwarze Silhouette heute nirgends entdecken.
Der Junge winkt zum Abschied. Er startet sein Mofa und fährt knatternd los. Britta und Emma gehen zu Fuß. Sie trennen sich nach dem Verlassen des Schulhofs, um zu ihren Wohnungen in der Speicherstraße und in der Wasserstraße zu gelangen. Die befinden sich von der Schule aus in unterschiedlichen Richtungen.