Читать книгу Der dritte Versuch Elfen und Menschen - Norbert Wibben - Страница 6

Für unseren König

Оглавление

Aedan berichtet, dass er mit einhundert seiner Kämpfer auf dem Weg in das Gebiet der Ostelfen ist, um dem Heer der Dubharan in den Rücken zu fallen. Als Lennard, der Oberste der Elfen, durch das Ostreich zog, um sämtlichen Führern der Menschen den Plan darzulegen, den Kayleigh und Cian mit ihm aufgestellt hatten, war Aedan im Norden des Landes unterwegs. Seine Kämpfer zogen damals nicht mit, als der Elfenführer die Krieger der Menschen dazu aufforderte. Sobald er zurück war, unterrichtete ihn sein Stellvertreter von den Ereignissen, woraufhin er alle Kämpfer sammelte und nur eine Handvoll zum Schutz seiner Eigentümer zurückließ. Robyn und Shane informieren ihn darüber, was sie bei den Anführern des dritten Heeres der Dubharan erfahren haben, und dass die Mittelelfen sowohl einen Reitertrupp gen Norden, aber mit der Hauptmacht ihrer Kämpfer offenbar zu den Ostelfen gezogen sind.

»Der geplante Überfall auf die alte Königsstadt im Norden scheint bereits bekannt zu sein«, überlegt Aedan. »Darauf könnte die kleinere Truppe der Mittelelfen hinweisen, die dorthin unterwegs sein wird. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass der Plan der Elfen nicht so realisiert werden kann, wie sie es sich ausgedacht haben. Sie müssen ihre Kräfte teilen. Hoffen wir, dass unsere Unterstützung für die Ostelfen und Mittelelfen nicht zu spät kommt!«

Die drei springen auf. Robyn und Shane bekommen die besten der mitgeführten Ersatzpferde, zudem jeweils Rundschild, Schwert und Bogen mit vollem Köcher. Beide überlegen, ob sie ihre Ersatzwaffe, den Stock mitnehmen sollen, lassen ihn dann aber mit leichtem Bedauern liegen. Beim Reiten sind die Langbogen ungewohnt genug, weil Robyn und ihr Neffe sonst den kürzeren Elfenbogen nutzen, da wären die langen Stecken nur hinderlich. Sobald sie in ihren Sätteln sitzen, reiten sie an die Spitze des Zuges, der sich Richtung Osten galoppierend in Bewegung setzt. Auch jetzt reiten sie hintereinander, um möglichen Feinden, die später ihre Spur entdecken sollten, die Anzahl der Krieger zu verbergen. Bevor die drei die Führungsposition erreichen, ruft jeder Kämpfer, den sie überholen:

»Für unseren König!« Ihre Gesichter zeigen Entschlossenheit. Aedan, Shane und Robyn antworten jedes Mal:

»Für die Freiheit!« Alle wissen, dass sie in eine gefährliche Schlacht ziehen, trotzdem sind sie bereit, im Kampf für Unabhängigkeit und gegen Unterdrückung notfalls ihr Leben zu geben. Aedan und Shane wechseln sich an der Spitze der langen Reihe ab, Robyn hält unverändert die dritte Position. Direkt hinter ihr reitet der Krieger mit dem Wimpel, auf dem ein symbolisierter Greif zu erkennen ist. Bei einem kurzen Blick darauf richtet sie sich unbewusst im Sattel auf. Es ist das Symbol des Königshauses des Ostreiches. Sie denkt einen kurzen Moment daran zurück, wie sie vor mehreren Tagen von einem älteren Paar der Mittelelfen nicht nur ein Pferd, sondern auch einen Elfenbogen und Pfeile geschenkt bekommen hat. Der Frau schenkte sie im Gegenzug ihren Gürtel als kleines Andenken. Nach einem Blick auf die Platte, die als Verzierung der Schnalle dient, wollten die Alten protestieren, doch Robyn ließ das nicht zu. Sie erinnert sich gut an ihre eigenen Worte.

»Das ist nur eine Messingplatte, auf der das Zeichen der Könige des Ostreiches eingraviert ist.« Trotzdem hat sie das Symbol vermisst. Nicht wegen des Wertes an sich, oder weil es sie als Teil des Herrscherhauses ausweist. Nein! Der letzte Herrscher dort war ihr Bruder, dessen Sohn Shane sie in eine Schlacht gegen die dunklen Magier begleitet. In ihren Augen ist es wichtig, dass der Gegner erkennt, mit wem er es zu tun bekommt: Mit unerbittlich für Freiheit und Gleichberechtigung kämpfende Menschen, die gegen jede Art der Unterdrückung und Ungerechtigkeit aufstehen. Das Symbol verdeutlicht aber noch etwas: ihren Glauben an den Sieg des Guten über das Böse. Der Greif wird den Drachen besiegen, heißt es. Auch wenn die Auseinandersetzungen vor vielen Jahren immer zugunsten des Lindwurms ausfielen, sobald er auftauchte, konnten die Dubharan letztlich doch nicht gewinnen. Robyn zuckt es fast in den Händen, die Lanze mit dem Wimpel zu nehmen, um damit vorneweg in die Schlacht zu stürmen. Doch sie beherrscht sich. Sie weiß, mit dem Bogen kann sie besser für ihre Seite gegen die Dubharan kämpfen, als mit der Standarte.

Die Reiter lassen die Pferde nicht nur galoppieren, dann würden sie letztlich mit ausgepumpten Tieren in den Kampf ziehen müssen. Sie wechseln die Gangart und legen auch immer wieder kurze Pausen ein.

Die Gegend ändert sich langsam in eine hügelige Landschaft. Obwohl die Täler nicht zwischen Bergen, sondern eher zwischen kleineren Erhebungen liegen, erschwert das doch die Sicht in die Richtung, der sie folgen. Die Führer fordern alle zu erhöhter Vorsicht auf, doch außer Vögeln in der Luft und hin und wieder einigen Kaninchen, begegnen ihnen keine Lebewesen. Am Nachmittag erreichen sie den Waldrand, wo das Gebiet der Ostelfen beginnt. Hier erblicken sie einen stark aufgewühlten Boden, der den Weg der Dubharan kennzeichnet. Aedan lässt kurz halten, um mit Shane und Robyn die Fährte genauer zu untersuchen.

»So wie es die Menschen in unserem Gebiet berichtet haben, benutzen sie keine Pferde in dem Heer. Die Füße der Krieger haben sich tief in den Untergrund gewühlt. Das liegt zum Teil an dem weichen Waldboden, aber es deutet auch auf die große Anzahl der Kämpfer hin.«

»Ich stimme dir zu«, bestätigt Shane. »Das müssen Hunderte oder gar Tausend gewesen sein.«

»An den Rändern sind Abdrücke von den Tatzen vieler Wölfe zu erkennen, also befinden sich Wolfskrieger unter ihren Kämpfern.« Robyn hat die Spuren entdeckt.

»Dann werden wir einen schweren Stand haben, aber auch die sind verwundbar.« Mit der letzten Äußerung gibt Shane das Zeichen, den Dubharan zu folgen. Jetzt ändern sie ihre Formation. Sie könnten jeden Moment auf die gegnerischen Kämpfer treffen, da ist es besser, ihnen nicht hintereinander reitend zu begegnen. Auf jeweils drei Reiter nebeneinander folgen vier, dann wieder drei, und so weiter. Da die Dubharan eine breite Schneise durch den Wald gezogen haben, können die Reiter zwischen sich einen Freiraum für zwei lassen. Die Reihen folgen einander mit etwa zwei Pferdelängen Abstand. Diese Aufstellung ermöglicht ihnen, sehr effektiv auf einen Gegner mit den Bogen zu schießen, ohne sich dabei gegenseitig zu behindern. Wenn sie zusätzlich in einem festgelegten Rhythmus und abwechselnd ihre Geschosse abfeuern, bilden sie eine tödliche Formation, die es mit einem zahlenmäßig wesentlich stärkeren Gegner aufzunehmen vermag.

Die Pferde werden meistens im Schritt geritten, nur manchmal wird der Trab genutzt. Schon bald nach dem Eindringen in den Wald, halten sie erneut an, ohne ihre Formation zu ändern. Nach kurzer Untersuchung kommen die Anführer zu dem Schluss, dass hier ein erstes Gefecht stattgefunden haben muss. Feuergeschosse der Zauberer haben niedergebranntes Gebüsch und verkohlte Stellen an Bäumen hinterlassen. Ein leichter Geruch nach Verbranntem liegt noch in der Luft, auch wenn der Qualm längst verflogen ist. Neben dem Weg deuten aufgeschüttete Hügel auf hier rasch verscharrte Tote hin. Das erste Aufeinandertreffen hat demnach vielen Kämpfern der Dubharan das Leben gekostet. Robyn weiß, dass unter den Erdhaufen keine Elfen bestattet worden sind, weil sie in einer speziellen Zeremonie zu ihren Ahnen geschickt werden. Ob hier auch Elfen getötet wurden, ist also nicht zu ermitteln. Eine Bestattung sollte nach Elfenbrauch innerhalb von drei Tagen stattfinden, doch wie das gehandhabt wird, wenn eine kriegerische Auseinandersetzung dazu nicht genügend Zeit lässt, weiß sie nicht. Seltsamerweise sind ab hier auf dem Weg keine Wolfsspuren mehr zu erkennen. Sollten alle Wolfskrieger in dem ersten Gefecht getötet worden sein? Sie könnten aber ihre Gestalt als Krieger beibehalten haben, um bei einer neuen Auseinandersetzung sofort gegen die Elfen vorgehen zu können. Robyn schüttelt den Kopf, das ist nicht sehr wahrscheinlich.

Mittlerweile bricht die Dämmerung herein und es wird schwierig, dem Heer der Dubharan zu folgen. Notgedrungen schlagen sie etwas abseits des Weges ihr Lager auf. Es ist zwar nicht anzunehmen, aber die Dubharan könnten eine Nachhut hinter sich herziehen lassen, die den zurückgelegten Weg kontrolliert, um einen Angriff auf ihrer Rückseite frühzeitig zu erkennen. Aus diesem Grund zünden die Verfolger kein Feuer an. Deshalb gibt es für jeden nur trockenes Brot, ein Stück Käse und etwas Wasser. Den krönenden Abschluss bilden Äpfel. Um das Lager stellen sie vier Krieger auf. In Richtung des nun verlassenen Weges beobachten zwei von ihnen die Umgebung. Diese Wachen werden nach jeder Stunde abgelöst.

Robyn vermag lange Zeit nicht einzuschlafen. Kommt morgen der Tag, an dem sie zusammen mit Shane gegen die Feinde antreten wird, die ihr den Bruder und ihm den Vater genommen haben? Obwohl sie keine Angst um sich verspürt, zittert sie doch bei dem Gedanken, ihrem Neffen könnte ein Unheil widerfahren. Sollten die dunklen Magier erneut das geflügelte Untier, den feuerspeienden Drachen, an ihrer Seite haben, werden sie einen schweren Kampf auszufechten haben. Selbst wenn der Lindwurm nicht eingreifen wird, ist die ihnen gegenüberstehende Anzahl der Krieger so groß, dass sie nicht auf einen guten Ausgang des kommenden Tages hoffen können. Als sie endlich einschläft, jagen sich in ihrem Traum ein feuerspeiender Drache und ein Greif. Wer wird den Sieg davontragen?

Der dritte Versuch Elfen und Menschen

Подняться наверх