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„Im Anfang Sei die That!“ Endlich frei

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Für Ludwig ist die Bekanntschaft zu Wagner auch das Manifest einer persönlichen Befreiung. Als Zwölfjähriger bereits hat er begonnen, sich mit den Schriften Wagners zu beschäftigen. Vor allem „Das Kunstwerk der Zukunft“ hatte es ihm angetan, dieses Versprechen von bruchlosem, harmonischem Verschmelzen von Dichtung, Bild und Musik. Sein Vater allerdings, der brave Maximilian II., mag die Schwärmerei des Sohnes nicht dulden. Und er verbietet ihm den Besuch der Erstaufführung des „Lohengrin“ am 28. Februar 1858. Endlich, es ist 1861, darf Ludwig die Wiederaufführung des „Lohengrin“ sehen, bewacht von seiner Erzieherin. Und mag er die Wiederholung unter der Leitung von Franz Lachner auch als schlecht empfunden haben, so sieht er doch den „Keim gelegt zu Unserer Liebe und Freundschaft bis zum Tod, und dort ward (sic!) der bald zur mächtigen Flamme werdende Funke für unsere heiligen Ideale in mir entzündet“, schreibt Ludwig II. später an Wagner.

Der König und sein „Flaggschiff“: Ludwig II. vor dem Dampfer „Tristan“.

Foto: akg-images

Für Wagner sind die Folgen dieser Liebe bis zum Tod schon in der Gegenwart segensreich. „Die niedern Sorgen des Alltagslebens will ich von ihrem Haupte für immer verscheuchen, die ersehnte Ruhe will ich Ihnen

bereiten, damit Sie im reinen Äther Ihrer wonnevollen Kunst die mächtigen Schwingen Ihres Genius ungestört entfalten können“, beruhigt ihn Ludwig II. nach der ersten persönlichen Begegnung am 4. Mai 1864. Kaum der väterlichen Kontrolle ledig, erfüllt sich der Bayernkönig seinen Lebenstraum in einer großzügigen, hoheitsvollen Geste. Wagner, um es kurz zu machen, wird in München keine Not leiden. Und auch Wagners Gläubiger hat der König schon zufriedengestellt. Der wichtigste Plan der beiden taugt dennoch nur für ein Luftschloss. Ludwig will nach der Uraufführung von „Tristan und Isolde“ für Wagners Werk in München einen Tempel errichten, mit Wagners Dresdner Barrikadenkameraden

Gottfried Semper als Architekten. Einen Theaterbau am Hochufer der Isar, nicht weit vom Maximilianeum. Der Plan scheitert. Wagner hat sich – anonym, aber erkennbar – unklug in Zeitungen geäußert. Fordert die Entlassung von Gegenspielern. Ludwig lehnt das ab, folgt aber seinem Komponistenfreund in anderen Bereichen so eng, dass er dessen Denkschriften abschreiben und im Kabinett verteilen lässt.

Den Münchnern stößt die enge Verbindung zwischen Ludwig und Richard auf. Den Großvater, Ludwig I., hatte die Liaison zur Tänzerin Lola Montez den Thron gekostet. Nun spottet man in der Residenzstadt über „Lolus“. Und gemeint ist Richard Wagner. Mit dem Geld sieht es auch nicht mehr so günstig aus: Der Landtag will keine Mittel bewilligen. Und da ist die Angelegenheit zwischen Cosima von Bülow und Richard Wagner. Die beiden haben ihn beschwindelt, der König geht also lediglich von einer platonischen Beziehung aus und legt seine Ehre darein, die Reinheit der Beziehung öffentlich zu bezeugen. Im Dezember 1865 ist Schluss, Wagner muss München verlassen. Und geht nach Tribschen in der Schweiz. Nicht lange danach erfährt Ludwig II. die Wahrheit über Cosima und Richard. Er ist getroffen und verärgert, besucht aber 1868 Wagner überraschend in Tribschen. Wenige Wochen darauf sehen die beiden gemeinsam die Uraufführung der „Meistersinger“ in München. Ein Triumph. Wieder versichert man einander der unverbrüchlichen Freundschaft. Dann geht man wieder auseinander. Was die beiden sich aber auch immer wieder rausnehmen. Ludwig selber stößt Wagner vor den Kopf, indem er „Rheingold“ und „Walküre“ gegen Wagners Willen in München uraufführen lässt.

Ludwig baut sich eigene Traumschlösser, mit einer Hundinghütte, einer Venusgrotte und einer Gurnemanz-Klause in Linderhof nahe Ettal, mit einem „Tristan“-Schlafzimmer und vielen anderen sagenhaften Gemächern in Neuschwanstein.

Richard Wagner wird sein Theater endlich bekommen, und zwar in Bayreuth. Weit genug entfernt von München, aber immer noch in Ludwigs Königreich. Erneut hilft ihm der König. 1876 begegnen sich die beiden beim „Ring“ in Oberfranken. Hörig ist der König seinem Meister nicht mehr, vielleicht war er’s überhaupt nur in Fragen der Sehnsucht. 1881 überlegt Wagner, seinen „Parsifal“ mit dem Orchester des Königs aufzuführen, aber ohne dessen Dirigenten – den Juden Hermann Levi. Ludwig ist verärgert über den Judenfeind Wagner, macht seinen Einfluss geltend, stimmt (oder zwingt) Wagner um und schreibt ihm schließlich, nach Levis Bestätigung: „Dass Sie, geliebter Freund, keinen Unterschied zwischen Christen und Juden bei der Aufführung ihres großen heiligen Werkes machen, ist sehr gut. Nichts ist widerlicher, unerquicklicher als solche Streitigkeiten. Die Menschen sind ja im Grunde genommen doch alle Brüder, trotz der konfessionellen Unterschiede.“

1883, im Februar, stirbt Richard Wagner. Und Ludwig klagt: „Entsetzlich, fürchterlich!“ Etwas mehr als drei Jahre später wird der entmündigte König seine letzten Schritte tun, hinein in den Würmsee. Und kein Dampfboot „Tristan“ wird kommen, ihn zu retten.

Nachsatz: München wurde durch die Uraufführungen von „Tristan und Isolde“ (1865), „Die Meistersinger von Nürnberg“ (1868), „Das Rheingold“ (1869) und „Die Walküre“ (1870) zur Wagnerstadt und für einige Zeit zur Musikhauptstadt Europas. 1888 folgten die „Feen“.


Festspiel-Kurier #15

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