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DIE FIRMA

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Drei Wochen später fing ich bei „K-Messe“ an. Ich hatte es also geschafft und mir eine Position gesichert, von der andere ein Leben lang träumten! Obwohl ich noch nicht über allzu viel Erfahrung verfügte und außerdem eine Frau war, was in dieser Branche eine Art Seltenheitswert hat, gab man mir eine Chance. Eine neue Ära begann, und ich freute mich voller Stolz darauf.

Nicht nur mein Gehalt stimmte, sondern auch die neuen Kollegen waren in Ordnung. Durch die Bank alle sehr sympathisch. Wenn ich eine Frage hatte, standen sie mir hilfsbereit zur Seite, packten mit an und nahmen mir so meine anfängliche Unsicherheit. Ehrgeizig bemühte ich mich, von ihnen zu lernen und meinen Aufgaben gerecht zu werden. Fleiß sollte mir dabei helfen, nicht ständig an den Mann zu denken, der mich so durcheinandergebracht hatte und mein Herz nach wie vor Cha-Cha-Cha tanzen ließ.

Es war bedauerlicherweise nicht nur der erste Eindruck gewesen und auch nicht der zweite oder der dritte, der mich expressiv in eine Schieflage geleitet hatte. Nein – es hatte mich erwischt! Wie stark vermochte ich noch nicht zu sagen, aber mein Vorgesetzter machte mich irre, so viel stand fest! Und mich mit Arbeit abzulenken, klappte leider nur bedingt. Einerseits wurde ich dadurch zwar schnell zu einer produktiven Mitarbeiterin, andererseits blieb der gewünschte Effekt aus. Denn es gestaltete sich problematischer als angenommen, jemanden aus seinem Hirn zu katapultieren, dem man täglich über den Weg läuft.

Quer schoss dabei auch die Firmenpolitik, die vertraglich vorschrieb, sich intern gegenseitig mit den Vornamen anzusprechen – ein Umstand, der wenig förderlich war, wenn man eigentlich einen Sicherheitsabstand für besser hielt, aber was sollte ich tun?

Obwohl ich mich nach außen um Distanz bemühte, war es nicht von der Hand zu weisen, dass Mark mich mental über Gebühr in Beschlag nahm. Und meine Telefonkritzeleien bedurften wahrlich keiner psychologischen Deutung. Verträumt malte ich seinen Namen in den verschiedensten Varianten auf kleine Zettelchen, die ich schnell wieder zerknüllte und in den Müll warf, sobald ich realisierte, was ich da tat.

Nichtsdestotrotz passten unsere Initialen meiner Meinung nach gut zusammen. Aber egal! Spielte eh keine Rolle, durfte es ja auch gar nicht! Wie kam ich nur auf solchen Blödsinn? Das war der völlig falsche Ansatz! Doch ungeachtet dessen, dass Mark eine Frau hatte, deren Name bestimmt noch viel besser zu ihm passte als mein eigener, fand ich ihn toll und erlag seiner Anziehungskraft.

Keinesfalls wollte ich mich vor ihm blamieren oder zeigen, wenn ich mir an einem Projekt die Zähne ausbiss. Er sollte mich schließlich ernst nehmen und sehen, dass er sich richtig entschieden hatte, als er mir die Stelle gab. Dass mein Brustbereich in seiner Nähe häufig auffällig spannte, stand auf einem anderen Blatt.

Zu dieser Zeit hatte ich noch ein oder zwei Beziehungen am Start. (Oder waren es mehr?) Altes klang aus, und etwas noch Älteres machte nach wie vor keinen Sinn. Auch neuen Bekanntschaften gegenüber zeigte ich mich als moderne junge Frau nicht automatisch abgeneigt.

Das bedeutete allerdings nicht, dass ich leicht zu haben, wohl aber auf der Suche war und meinen Marktwert testete. Doch auch wenn ich mich mit verschiedenen Männern traf, hielt sich meine Begeisterung dabei meist in Grenzen. Ich war es leid, Kompromisslösungen einzugehen, und hatte es satt, jemandem tiefe Gefühle vorzugaukeln, bloß weil man sich gerade mal nett unterhielt.

So konsumierte ich seelische Streicheleinheiten oder hatte einfach nur Sex, ohne emotional viel zu investieren. Dabei brauchte ich weder das Kuscheln davor noch die Zigarette danach, wichtig allein war nur der Akt an sich. Ein flüchtiges Empfinden von Geborgenheit, wie bei einer Momentaufnahme. Damit sprengte ich zwar ein Klischee, aber ich hatte noch nie irgendeinem Stereotyp entsprochen.

Tatsächlich glaubte ich an die große Liebe und daran, dass der Blitz einschlug, wenn man seinem Seelenpartner begegnete. Darauf würde ich warten, und bis dahin musste ich mich gedanklich irgendwie von Mark lösen. Denn: Wer keinen Notstand hat, muss nachts auch nicht regelmäßig von seinem Chef träumen – ein Konzept, das für eine Weile recht passabel funktionierte. Aber eben nur für eine Weile.

Wie es dann weiter ging? Nun ja, zwischen Mark und mir entwickelte sich keine greifbare Annäherung, aber durchaus eine wachsende Sympathie. In dem Bewusstsein, einen verheirateten Mann vor mir zu haben, der noch dazu ein Kind mit langen blonden Zöpfen hatte, hielt ich mich pflichtbewusst an die Regeln.

Darum bemüht, meine anstößigen Denkinhalte, die ich seit dem ersten Aufeinandertreffen hatte, zu unterdrücken, verdrängte ich die Bilder unserer kopulierenden Körper aus meinem Schädel, auch wenn ich rund um die Uhr grübelte, wie alt er tatsächlich sein mochte. Und ja, ich kochte ihm Kaffee, kaufte Mittagessen oder half mit Zigaretten aus, aber mehr war da nicht. Ich erledigte quasi den Job einer durchschnittlichen Sekretärin, obgleich das nicht Inhalt der Stellenbeschreibung gewesen war.

Ambivalent wog ich immer wieder ab, ob ich wirklich auf ihn abfuhr oder ihn vielleicht nur sehr gern hatte. Vermutlich ein bisschen von beidem. In jedem Fall wollte ich ihm etwas Gutes tun, und da mir unter den gegebenen Umständen ein Blow-Job verwehrt blieb, waren die Möglichkeiten eben begrenzt.

Irgendwie wünschte ich mir, Mark danken zu können, denn er leitete sein Team praktisch mustergültig und tat beinahe alles für seine Abteilung. Bei neuen Projekten hatte er stets die Muße, uns alles haarklein zu erklären, stärkte uns im Ablauf mit Rat und Tat, war nie genervt und nahm es mit Humor, wenn mal was daneben ging. Er sprang selbst dann schützend vor uns, wenn alle Fakten gegen uns sprachen, und riskierte lieber seinen eigenen Hals, als Andere hinzuhängen. Schoss einer einen Bock, setzte er sich stellvertretend mit unserer Chefin auseinander, die in der Tat nicht sehr umgänglich war.

Gerade wenn Gerlinde Sackser, die übertakelte Dekoschnecke und Inhaberin der Firma, ihn zur Rechenschaft zog, brüllte er ungehalten so lange zurück, bis sie sich wieder beruhigte und einlenkte. Allein dafür verdiente er einen Orden!

Und Gerlinde, die mit ihren Wechseljahren kämpfte, hatte sich bisweilen nicht besonders im Griff. Sie gehörte zu den Menschen, die ihre schlechte Laune – am schlimmsten war es montags – pauschal an ihren Angestellten ausließen.

In ihrer Gegenwart lief plötzlich jeder wie auf rohen Eiern. Betrat sie den Raum, wurde ich sofort flatterig und merkte, dass mir die Angst den Nacken hinaufkroch – und das völlig ohne Grund. (Wie in der U-Bahn: Selbst wenn ich wusste, dass ich gestempelt hatte, und die Fahrscheine kontrolliert wurden, bekam ich Panik.) Ich schaffte es manchmal kaum, sie anzusehen, und fragte mich oft, ob sie vor der Menopause genießbarer gewesen war.

Warum Mark so mit ihr umspringen durfte, wie er es tat, lag daran, dass die beiden eine gemeinsame Vergangenheit teilten: Sie hatten bereits früher zusammen bei einem Messebauer gearbeitet.

Der Geschäftsführer dort war ein Arschloch, wie es im Buche steht, denn er liebte es, das weibliche Personal zu schikanieren. Seine cholerische Art hatte ihm in seiner Jugend bereits einen Knast-Aufenthalt beschert, der seine schlagkräftige Natur erst richtig zum Vorschein brachte.

Eines schönen Tages – sein Kopf hochrot, die Backen gebläht, der Puls rasend – verlor er seine Selbstbeherrschung gänzlich. Und genau das bekam Frau Sackser hautnah mit, als ihr der Chef in der Tiefgarage eine gewaltige Ohrfeige verpasste, nur weil sie versehentlich sein Auto gerammt hatte. Keiner vermag zu sagen, was noch passiert wäre, wenn Mark nicht just in diesem Moment ebenfalls beschlossen hätte, Feierabend zu machen.

Mark sah die Rangelei, durchschaute den Sachverhalt in Sekunden, war sich dessen bewusst, dass die Gefahr noch nicht gebannt war, und positionierte sich ohne zu zögern schützend zwischen dem Angreifer und Gerlinde. Es kam zu einer Anzeige, einer Gerichtsverhandlung und infolgedessen zu einer Geschäftsaufgabe. Mark, der als Zeuge auftrat, trug seinen Teil dazu bei, dass die Richter nicht allzu milde urteilten.

Im direkten Anschluss an den unliebsamen Vorfall nahm er die heulende Kollegin jedoch erst mal mit zum Bowling, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Und wie es der Teufel will, verliebte sich diese noch am gleichen Abend in Marks besten Freund Karl. Um es kurz zu machen: Karl war von Frau Sackser hingerissen, sodass zwei Jahre später bereits eine Hochzeit folgte. Der Erstgeborene kam einen Monat darauf zur Welt, und man machte Mark postwendend zum Taufpaten.

Gerlinde hatte all das nie vergessen (was man ihr wiederum zugute halten musste), weshalb ihre Sympathie Mark gegenüber ungebrochen blieb, egal was geschah. Treu und loyal holte sie ihn vor einiger Zeit aus einer geschäftlichen Misere direkt in ihre Firma, obwohl dieser eigentlich Architektur studiert hatte und damit als Quereinsteiger galt. Seither wurde nachgemault, sich gestritten und kamerareif wieder versöhnt, aber beide wussten mit Gewissheit, dass sie sich im Ernstfall aufeinander verlassen konnten.

Natürlich waren nicht nur Obrigkeiten in der Liebigstraße zugange, sondern auch eine Reihe von Mitarbeitern, die auf meiner Ebene schwammen, und es wäre unfair, diese unerwähnt zu lassen: Zu viert teilten wir uns einen Raum, der sich „Planungsvorstufe“ nannte.

Da gab es Felix (32), der sieben Tage nach mir bei „K-Messe“ angefangen hatte und deswegen mit seiner eigenen Situation beschäftigt war, denn alles zu beschnuppern und sein Revier zu bepinkeln, erfordert höchste Konzentration. Er gliederte sich problemlos ein und zeigte sich offen für Gespräche, solange diese kritiklos mit seiner Person umgingen. Wir etikettierten ihn heimlich mit Sparfuchs, denn er liebte es, mit seinem Geld zu geizen. In der Kantine einen Block weiter, niemand sonst würde dort einen Bissen runterkriegen, handelte er mit Vorliebe an der Kasse, und wenn er einen extra Knödel gratis abstaubte, war er mit sich und der Welt zufrieden. Er lebte ganz nach dem Prinzip „Nehmen ist besser als geben“ und fühlte sich damit pudelwohl.

Dann war da noch Anton (28), der sich in seiner Freizeit als exhibitionistischer Performancekünstler behauptete. Aufführungen, bei denen man nackt durch winterliche Minusgrade im Schnee um die Bavaria auf der Theresienwiese herumhüpfte, gehörten zu seinem außergewöhnlichen Repertoire. Gleichermaßen philosophisch wie in sich gekehrt, konnte man seine Absichten meist nur erahnen, was die Kommunikation mit ihm manchmal etwas schwierig gestaltete und Missverständnisse nicht ausschloss. Dennoch kamen wir bestens miteinander aus.

Zu meiner Anfangszeit war jedoch hauptsächlich Reimund (30) mein Ansprechpartner. Er unterstützte mich nach Kräften und wurde damit praktisch zu meinem Mentor. Auch wenn Reimund launisch sein konnte, habe ich doch viel von ihm gelernt. Seine Kompetenz sicherte ihm einen Stellenwert in der Firma, dem selbst seine ungepflegte Erscheinung nichts anhaben konnte. Einen Haarschnitt benötigte er nicht, und seine Klamotten waren stets zerknittert. Die Löcher in seiner verlotterten Kleidung hatte ich irgendwann aufgehört zu zählen. Auch Körpergerüche kümmerten ihn wenig. Sein Geschmack beschränkte sich rein auf die Arbeit, sein Aussehen war ihm egal. Wen störten schon Oberflächlichkeiten wie zwei gleiche Socken? Und weshalb sollte man einen Pulli nicht auch mal verkehrt herum tragen?

Es handelte sich im Großen und Ganzen um einen recht lustigen Haufen mit den unterschiedlichsten Charakteren. Wir hatten Spaß, flachsten gelegentlich albern herum und nahmen uns gegenseitig gerne auf die Schippe. Langweilig wurde es nie, und ich freute mich darüber, dass man mich akzeptierte.

Unstimmigkeiten nahm ich mir sehr zu Herzen. Und meine genetisch bedingte Harmoniesucht, die ich von meiner Mom übernommen hatte, machte es auch den Anderen oft nicht leicht. Es war mir enorm wichtig, dass wir uns alle gut verstanden, und – aufgrund meiner weiblichen Veranlagung – wollte ich grundsätzlich alles bis ins kleinste Detail ausdiskutieren. Damit biss ich jedoch bei meinen „Jungs“ meist gehörig auf Granit. Wir sprechen hier schließlich über drei Männer. Aber das machte nichts, denn auch in dieser Hinsicht waren sie hervorragende Lehrmeister fürs Leben.

Mein tägliches Highlight hieß jedoch nach wie vor unumstritten Mark, und die Augenblicke, die ich an seinem Schreibtisch hockte, wurden länger.

Er begleitete mich neuerdings, wenn ich mittags zum Bäcker ging, und auch die Zigarettenpausen verbrachte ich nicht mehr alleine in der Küche, sondern immer öfter in seinem Büro.

Ich scheiterte zwar kläglich daran, mein verdorbenes Gedankengut einzubremsen, dennoch flirtete ich nicht und verhielt mich weitestgehend diskret, obwohl ich innerlich danach lechzte, mich unschicklich auf seinem Schoß zu räkeln. Aber einen Quickie in der Besenkammer à la Boris Becker würde es nicht geben.

Die Gespräche, die meist ganz gewöhnlich mit der Frage „Wie geht's?“ begannen, waren ein Mix aus Trivialität und Tiefgang. Wir unterhielten uns wie Freunde, ließen immer mehr Substanz zu, und ich erfuhr, dass er tatsächlich 35 Jahre alt war. Ich hatte also mit meiner Schätzung gar nicht so daneben gelegen und hielt den Altersunterschied zwischen uns durchaus für vertretbar.

Bedauerlicherweise kristallisierte sich jedoch schon bald heraus, dass ich Marks Gegenwart augenscheinlich nicht ganz so unbemerkt genoss, wie ich gedacht hatte. Zweifelsfrei erahnte der Rest der Abteilung, dass hier etwas im Gange war ohne genau zu wissen was. Aber wie auch? Ich kapierte ja selbst kaum, was genau geschah. Es schlichen sich unerwünschte Begleiterscheinungen ein, die in Form von Neid und Missgunst zutage traten. Unterschwellige Bemerkungen über mich oder meinen „Sonderstatus“ häuften sich, wodurch das bisher so angenehme Klima ein wenig in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Doch während ich mich bei meinen Kollegen rege ins Zeug legte, um die Wogen wieder zu glätten und Vorbehalte auszuräumen, veränderte sich mein Umgang mit der sprunghaft gelaunten Frau Sackser in eine ganz andere Richtung: Ich gewann ihr gegenüber an Selbstvertrauen und nahm nicht mehr jede ihrer Attacken persönlich.

Je mehr ich mich Mark verbunden fühlte, desto mehr vertraute ich ihm. Er würde mich beschützen, wenn es hart auf hart kam, und nicht zulassen, dass man mir ernstlich schadete. Neben ihm konnte mir niemand etwas anhaben – glaubte ich jedenfalls.

Wir suchten nach Gemeinsamkeiten, und wir fanden sie. So hatten wir gleichermaßen eine Schwäche für Schokolade, Horrorfilme, Musicals und geschichtliche Romane, konnten aber dafür Freibäder, Gesellschaftsspiele und griechisches Essen nicht ausstehen.

Ich erinnere mich an zwei Wochen, in denen wir partout das Rauchen aufhören wollten. Wir hatten – unabhängig voneinander – einen Bericht im Fernsehen gesehen, der darüber aufklärte, wie schädlich Nikotin und Teer waren. Als hätten wir vorher noch nie davon gehört, erkannten wir urplötzlich das Risiko, das von den verfluchten Glimmstängeln ausging, die uns abhängig machten.

Gesund zu leben wurde für uns ab sofort zur fixen Idee. Symbolisch bröselten wir Seite an Seite unsere letzte Zigarette in die Toilette und schmissen den Filter in den Abfall. Jeden Morgen empfingen wir uns gespannt mit der Frage: „Und, hast du durchgehalten?“, worauf beiderseits ein stolzes Nicken folgte.

Fünf Tage später wurde Mark jedoch rückfällig, was mich demzufolge anstachelte, ihm zu beweisen, wie konsequent ich sein konnte. Nun war „Konsequenz“ nicht das, was bisher irgendwer auch nur im Entferntesten mit mir in Verbindung gebracht hätte, doch ich wollte unbedingt Eindruck schinden!

In den nächsten zwei Wochen präsentierte ich mich ebenso anstrengend wie zickig – kein Vergleich zu den Tagen vor meiner Periode. Und das war natürlich nicht gerade meine Intention! Ich hatte den Entzug reichlich unterschätzt und registrierte selbst, wie ich jedem auf den Zeiger ging. Bevor meine Marotten überhandnahmen, streckte ich also die Waffen und kapitulierte ebenfalls.

Der gescheiterte Versuch schmerzte zwar, aber wir hatten immerhin etwas Bedeutsames zusammen erlebt. Beim nächsten Mal – so belogen wir uns – würde es bestimmt klappen.

Ich hätte derzeit, es war Anfang September, und die Tage wurden bereits kürzer, meinen Zustand selbst rein subjektiv nicht als verknallt deklariert. Verknallt – was für ein blöder Ausdruck, der einen in eine Schublade stopfte, ohne genauer hinzusehen.

Mark faszinierte mich zwar, und ich realisierte durchaus mein etwas übersteigertes Interesse an ihm, deshalb war ich aber noch lange nicht verknallt! Da gehörte schon ein bisschen mehr dazu! Oder? Schließlich wusste ich, dass Mark eine Frau hatte. Eine Frau mit einem Namen: Helga! Und wir reden dabei nicht von der durchschnittlichen Hausfrau, sondern dem Inbegriff der Weiblichkeit mit den Maßen 90-60-90, die – wenngleich auch keine 17 mehr – in herkömmlichen KFZ-Werkstätten üblicherweise in den Spinden hing.

Woher ich das wusste? Nun, ich hatte sie auf Facebook gefunden und darüber einen Verweis auf ihre eigene offizielle Homepage.

Sehr wohl ahnend, dass ich meine Neugierde schnell bereuen würde, machte ich einen folgenschweren Fehler: Ich klickte den angegebenen Link an. Hätte ich das mal besser gelassen! Aber Hochmut kommt ja bekanntlich vor dem Fall, und dementsprechend rächte sich meine virtuelle Schnüffelei. Warum musste ich auch meine Nase in Dinge stecken, die mich nichts angingen?

Zumindest war es damit offiziell! Helga Engel sah nicht nur so aus, als könne sie ihr Geld als Model verdienen, sie tat es tatsächlich. Eine Information, auf die ich gerne verzichtet hätte. Aber die Seite auf meinem Monitor war der Beweis und präsentierte ebenso erbarmungslos wie geschmackvoll ihre Setkarte zum Downloaden.

Eine Flut von Aufnahmen ihrer bisherigen, recht erfolgreichen Karriere priesen ihre Vorzüge an, ohne dass sie sich dafür hätte ausziehen müssen. Das Internet spuckte mir unnachsichtig ins Gesicht und fütterte meine Wissbegier mit qualvollen Einzelheiten. Helga war Skorpion, genauso alt wie ihr Gatte, und mit einer Schönheit gesegnet, die mich neben ihr durchsichtig erscheinen lassen würde. In Verona geboren, von einer italienischen Mutter, die aus gutem Hause kam und einen deutschen Piloten geheiratet hatte, studierte sie – nachdem die Familie Italien den Rücken gekehrt hatte – ursprünglich Germanistik. Um ihr Studium zu finanzieren, fing sie nebenher an zu modeln und blieb auch nach summa cum laude bei diesem Beruf. Sie war also nicht nur schön, sondern auch klug, zeigte sich gerne und schien damit nicht unerheblich zu verdienen. Metaphorisch könnte man sagen, dass ich als Kinderriegel durchging, während man sie als formvollendete Praline beschreiben könnte.

Niederschmetternd, einfach nur niederschmetternd! Manchmal hörte ich per Zufall (ehrlich!) Telefongespräche mit, wenn Mark daheim anrief. Er lauschte geduldig, wenn sie schilderte, wie sie ihren Tag verbracht hatte, teilte ihr mit, jetzt nach Hause zu kommen, oder informierte sie, wenn es später wurde in der Firma. Mein linkes Augenlid fing dann oftmals an zu zucken, und ich musste mir eingestehen, durchaus ein wenig neidisch zu sein.

Oder war ich doch verschossen in den Typ? Deckte sich die Reduktion auf die körperliche Anziehung vielleicht tatsächlich nicht ganz mit der Wahrheit? War das freundschaftliche Getue etwa nur Tarnung?

Ich flüchtete mich nicht in die Abstraktion, dass Mark als Partner für mich in Frage käme, das konnte ich zu diesen Zeitpunkt ohne Weiteres mit Gewissheit sagen. Er war verheiratet, Ramonas Vater und spielte außerdem in einer völlig anderen Liga! Weshalb sollte sich ein Mann wie er überhaupt näher mit mir befassen? Wenn auch um einiges jünger, verblasste ich in einer Nebeneinanderstellung mit Helga geradezu, da würden auch meine grünen Augen nicht weiterhelfen. Und einen wie Mark wickelte man nicht mal eben um den kleinen Finger, zumal die beiden ein Kind hatten und sich seit ihrer Jugend kannten.

Immerhin begriff ich, dass ich mich nach jemandem sehnte, der mich anrief, wenn es in der Arbeit mal länger dauerte. Das brauchte nicht Mark zu sein, sondern irgendwer, der wie er war und nach ähnlichen Werten lebte. Ein Kerl, der sich um mich kümmerte, der gefühlvoll war und trotzdem Stärke ausstrahlte.

Mark verkörperte all das, was ich mir immer von einem Mann gewünscht hatte. Die Typen, die ich bisher kennen gelernt hatte, waren dagegen eine eher mäßig überzeugende Ausbeute, zumal ich bis dato selbst nicht genau gewusst hatte, wonach ich eigentlich suchte. Aber würde sich ein Mann mit diesem Format je für mich interessieren und obendrein auch noch frei sein? Vielleicht gab es ja irgendwo seinesgleichen – einen Prinzen, der nur darauf wartete, sich in mich zu verlieben. Ich entschied mich, darauf zu warten, und hoffte das Beste.

Leider war es kein Prinz, der sich kurz darauf zu erkennen gab, sondern eine Kröte, die auch nach 1000 Küssen eine solche bleiben würde: ein Kollege aus dem Rückgebäude, ein Handwerker – Christoph Kresser (25). Durch ihn kam etwas in Gang, das ohne seine Initiative vermutlich niemals geschehen wäre. Mark wurde eifersüchtig, und ich vermute, dass dies der Moment war, in dem er begann, in mir eine Frau zu sehen.

Während ich also insgeheim auf eine selbstzerstörerische Art für Mark schwärmte, mit dem eine Beziehung so unmöglich schien, als würde er auf dem Mars wohnen, wurde innerhalb der Firma ein stiller Verehrer mir gegenüber immer lauter.

Schlampe, Opfer, Schwein.

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