Читать книгу Schlampe, Opfer, Schwein. - Norma Rank - Страница 6
CHRISTOPH
ОглавлениеBisher habe ich nur die Abteilung der Planungsvorstufe eingehender beschrieben, aber in Wirklichkeit beschäftigte „K-Messe“ als mittelständisches Unternehmen insgesamt 28 Mitarbeiter. Die Aufgaben verteilten sich über Messebau, Kundenkontakte und diverse Planungsstellen. Ging man durch den Innenhof zur Werkstatt, traf man die Produktioner an, die ihre Tage mit Sägen, Schweißen und Verleimen verbrachten.
Das war grundsätzlich keine schlechte Sache. Und welche Frau hat nicht schon mal insgeheim über ein Stelldichein mit einem Blaumann nachgedacht? Wenn auch nicht unbedingt originell, galt das immerhin als eine der erotischsten Fantasien überhaupt – rein hypothetisch.
Trotzdem kam es natürlich darauf an, wer und was in so einem Blaumann steckte, und Christoph, der sein Geld als Schreiner verdiente, ähnelte nun nicht gerade dem Archetyp. Stattdessen war er kleinwüchsig, von der Statur her eher untersetzt, trug einen Vollbart und hatte viel zu dichte Augenbrauen, die sich bis über die Nase kräuselten. Mit einem optischen Überflieger gab es demzufolge keinerlei Übereinstimmungen.
Dazu gesellten sich charakterliche Merkmale, die ihm hin und wieder erheblich im Wege standen. So nahm er sich nicht nur im Job ziemlich wichtig, sondern bei praktisch allen Dingen, auch wenn sie ihn nichts angingen. Außerdem petzte er leidenschaftlich gerne. Wenn etwas schief ging, galt es demnach tunlichst zu vermeiden, dass er davon Wind bekam, denn er nutzte jede Info sofort, um sie an Gerlinde weiterzuleiten, der er mit Vorliebe in den Allerwertesten kroch.
Somit gliederte er sich in die Kategorie der Schattenparker ein, und man betrachtete ihn als Mitläufer, der kontinuierlich nach Bestätigung suchte. Ständig verwendete er das Wort „knuffig“, und auch seinen Enthusiasmus für Mittelaltermärkte teilte in der Firma niemand.
Wertfrei betrachtet, tat er mir fast ein bisschen leid, weswegen ich ihm freundlich begegnete und großzügig darüber hinweg sah, was für ein Waschweib er war. Von seiner Geschwätzigkeit abgesehen, konnte ich ihn zunächst sogar ganz gut leiden. Als Kumpel!
Irrtümlich nahm ich an, dass Christoph ebenso wenig von mir wollte wie ich von ihm, und hatte keine Ahnung, dass hier etwas mehr Vorsicht von Nöten gewesen wäre.
Was ich ebenfalls nicht wusste: Er liebte die Frauen. Nicht etwa Blonde oder Brünette, sondern alle, die einen Puls hatten und nicht bei drei auf dem Baum waren. Aber ich war immer noch die Neue, und sein umstrittener Ruf hatte mich noch nicht ereilt, weswegen mein Unwissen zu einem fatalen Missverständnis führte.
Passiert ist Folgendes: Christoph, der zufällig mitbekam, dass ich zwischen Feierabend und einem Kinobesuch mit Freundinnen etwas Leerlauf hatte, lud mich auf einen Drink ins „Tattenbach“ (eine nahegelegene Kneipe) ein. Ich wertete das als nette Geste, ohne mir weiter etwas dabei zu denken, und da ich ihm das Gleiche unterstellte, sagte ich arglos zu.
Selbst als Mark mich an diesem Tag kopfschüttelnd verabschiedete und giftig meinte: „Was willst du denn mit dem kleinen Säufer? Der Wicht ist doch hinter jedem Rock her!“, war ich noch nicht gewarnt. In meinen Ohren klang es vielmehr wie ein Spaß, eine belanglose Stichelei, denn dass Christoph nicht zu seinen engsten Freunden zählte, war kein Geheimnis.
Was Mark jedoch konkret mit „Säufer“ meinte, brachte ich dann relativ schnell in Erfahrung – es war genau 18:00 Uhr, als Christoph sein erstes Weißbier orderte.
Bei milden Temperaturen saßen wir uns in der Abendsonne an einem kleinen runden Holztisch gegenüber, außerhalb des Lokals in einer unbefahrenen Seitenstraße, mehr oder minder auf dem Gehweg. Eigentlich sehr idyllisch. Die Vögel zwitscherten, und die Menschen um uns herum wechselten gerade vom Arbeits- in den Freizeitmodus.
Wir schauten der engagierten Bedienung dabei zu, wie sie erst die Tischplatte mit einem Lappen säuberte und im Anschluss eine winzige mir unbekannte Topfpflanze darauf stellte. Kaum einen Augenblick später eilte sie mit unseren Getränken herbei, dabei erwiderte sie mein Lächeln aufgeschlossen, während sie Christoph eher ignorierte. Dieser Umstand wunderte mich zwar ein bisschen, beschäftigte mich aber nicht weiter. Müde vom Tag freute ich mich stattdessen auf meinen Kaffee, der nach frisch gemahlenen Bohnen roch und den Koffeinschub versprach, den ich mir erhoffte. Entspannt lehnte ich mich zurück und harrte der Dinge, die da kommen würden, bis mir bewusst wurde, dass mein Begleiter sich benahm, als wäre er am Verdursten.
Staunend sah ich dem Zwerg dabei zu, wie er das Bier in seinen Rachen kippte, als hätte er ein Loch im Bauch. Der Zucker in meiner Tasse hatte sich noch nicht aufgelöst, als Christoph bereits lauthals Nachschub verlangte. Die enorme Geschwindigkeit, in der er sich betrank, war wirklich verblüffend, und ich überlegte, ob das für eine Anmeldung bei „Wetten dass ...?“ reichen würde. Schaumreste hingen in seinem Bart, was den Grad seiner Attraktivität nicht unbedingt steigerte, weswegen – ich um Ablenkung bemüht – versuchte, ein Gespräch in Gang zu bringen.
Jammerschade, auch hier: Fehlanzeige. Spannendes hatte er nicht zu berichten, nur eine zusammenhanglose Brühe, die meine Ohren strapazierte. Selbst der ausschweifende Monolog über seine Großmutter, die ihre Inkontinenz mit frischen Pfifferlingen behandelte, ödete mich bald an.
„Zu den Pilzen gibt es immer ganz leckeren Schweinebraten, und sie ist für ihr Alter ja noch sooo knuffig!“ Davon abgesehen, dass ich eine Kombination von Pilzen und Schweinebraten pervers fand, drängte sich mir die Frage auf, ob es einen Ödipus-Komplex zweiten Grades gab oder ob mein Kollege nur vollkommen durchgeknallt war.
Während ich einer vorbeilaufenden Frau mit ihrem Hund hinterher sah, der Ähnlichkeit mit einer überdimensionalen Heuschrecke hatte, kämpfte Christoph eisern mit dem Inhalt seines dritten Weißbieres. Wann hatte er sich das bestellt? Er musste es heimlich getan haben, um genau 18:47 Uhr, als ich mir mit Hilfe eines kleinen Taschenspiegels die Lippen nachgezogen hatte.
Nachdem dann auch noch seine Finger wiederholt nach meinen Händen grabschten und seine Geschichten anfingen, mich ernsthaft zu langweilen, entschloss ich mich, die Zelte schleunigst abzubrechen. Dabei fiel mir das Verhalten der Bedienung wieder ein, und ich begriff, dass Christoph nicht zum ersten Mal Gast im „Tattenbach“ war. Ich zahlte und gab ihr ein sattes Trinkgeld, während mich mein Gegenüber mit ebenso schlüpfrigen wie niveaulosen Komplimenten zum Bleiben bewegen wollte. Aber so nötig hatte ich es de facto nicht! Wo kämen wir denn da hin?
Frühmorgens zitierte Mark mich am nächsten Tag zu sich, und seine Frage nach dem gestrigen Abend – die sich etwas gepresst anhörte –traf mich unvorbereitet. Dabei wollte er ebenso wenig über den Film sprechen, den ich mir mit ein paar Mädels angesehen hatte, wie über das Foto, das via Radarfalle kurz vor Mitternacht von mir gemacht wurde.
„Wie hat sich Christoph verhalten?“, hakte er präzise nach und bohrte so lange weiter, bis ich ihm Rede und Antwort stand. Als hätte ich eine Beichte abzulegen, erstattete ich Bericht. Mark reagierte – zu meinem völligen Unverständnis – überraschend aufgebracht. Allerdings merkte ich schnell, wie sehr ihm mein Kontakt mit Christoph missfiel, wusste aber nicht weshalb, zumal das Szenario zwar unangenehm, aber ansonsten belanglos gewesen war. Und was ich in meiner Freizeit tat, war allein meine Entscheidung! Was kümmerte ihn also mein Privatleben? Und warum hörte er nicht auf, mich auszuhorchen?
Um das Thema abzuschließen, meinte ich irgendwann betont sachlich: „Sorry, Mark, aber das geht dich alles nun wirklich nichts an!“
Was wollte er? Und warum verhielt er sich plötzlich wie ein Rüde, der sein Revier markiert? Ich kam nicht dahinter. Ging es dabei vielleicht gar nicht um Christoph, sondern um mich?
Das entzog sich nun wirklich meinem Anschauungsvermögen! Selbst wenn ich mein Spiegelbild ganz genau betrachtete, fand sich darin nichts, was sich auch nur entfernt mit Helga hätte messen können. Zumindest dann nicht, wenn sich die Angaben auf ihrer Webseite mit der Realität deckten.
Unterschiedlicher hätten zwei Frauen kaum sein können! Sie: Groß, langbeinig und sicher versiert darin, mit High Heels durch einen Supermarkt zu flanieren, anstatt einfach nur einzukaufen. Ich hingegen, mit einer Körpergröße von gerade mal 1,60 Meter, vertrat mehr den sportlichen Typ, glich einem Wildfang, der gern Turnschuhe trug und sich eher kommod gab. An meinen Locken, die mir bis zu den Schultern reichten, verzweifelte jeder Friseur, und mein Gesicht mit den viel zu breiten Wangenknochen war übersät mit Sommersprossen, die ich seit meiner Kindheit verfluchte.
Wie also käme ein Mann, der mit einer so außergewöhnlichen Frau zusammenlebte, dazu, sich für mich zu interessieren? Welch naive Vorstellung!
Als ich nach dem Gespräch mit Mark zurück zu meinem Schreibtisch ging, lag dort ein Päckchen, liebevoll verpackt mit einer roten Schleife drum herum.
Perplex blickte ich in die Runde und überlegte, von wem das Geschenk sein konnte, aber niemand nahm Notiz von mir.
Ich hatte weder Geburtstag noch fiel mir sonst ein Grund ein, warum mir jemand etwas hätte schenken sollen. Weshalb aber lag dann dieses Paket da? Verwundert machte ich mich daran, selbiges umfassend zu begutachten, suchte nach Hinweisen, was es damit auf sich hatte, und rüttelte vorsichtig daran, um den Inhalt zu erraten. Keine Chance – ich tappte vollends im Dunkeln.
Doch da sich das Geschenk auf meinem Tisch befand, musste es ja für mich sein. Also nutzte ich den Bildschirm, um mich dahinter zu verstecken, und machte es auf. Zum Vorschein kam ein Malkasten, wie man ihn aus der Schulzeit kennt, mit 12 Farben darin. Als ich ihn öffnete, fiel ein kleiner Zettel heraus, auf dem in krakeliger Schrift folgende Nachricht geschrieben stand: „Du machst mein Leben wieder bunt! Vielen Dank für den gemeinsamen Abend! Dein Christoph!“
Sprachlos glotzte ich auf den Text. War der blöd? Außer, dass wir kurz was zusammen getrunken hatten, enthielt meine Erinnerung weder ein „gemeinsam“ noch den ganzen Abend!
Mein Ärger wuchs! Zum einen, weil ich das Verhalten von dem Wicht als übertrieben und völlig fehl am Platz einstufte, und zum anderen, weil ich für einen kurzen Moment geglaubt hatte, das Geschenk könne von Mark sein (wofür Christoph wiederum nichts konnte).
Peinlich berührt, musste ich zugeben, dass die Idee mit dem Malkasten an sich durchaus bestechend war, käme sie von der richtigen Adresse. Und hätte ein Mann wie Mark diesen Einfall gehabt, wäre ich vermutlich vor Freude tot umgefallen. So aber blieb ein Gefühl der Enttäuschung, gekoppelt an die Unannehmlichkeit, dass mich jemand bedrängte, von dem ich nichts wollte.
In was für eine Bredouille hatte ich mich da nur manövriert? Ich wollte Christoph nicht vor den Kopf stoßen, musste ihm aber verdeutlichen, dass er sich keine Hoffnungen zu machen brauchte. Und das ohne Marks Argwohn zu wecken, denn dann wäre Ärger vorprogrammiert – so viel hatte ich begriffen.
Doch das war leichter gesagt als getan. Natürlich bedankte ich mich anstandshalber für das Präsent, das gehörte sich ja so. Dabei betonte ich allerdings kühl, dass ich es nicht für nötig hielt, von ihm beschenkt zu werden, und lehnte seinen Vorschlag, sich erneut zu treffen, ohne Begründung ab. Daraufhin begann er, mich täglich mehrfach anzurufen, wollte wissen, was ich gerade machte und ob ein Wiedersehen nicht doch möglich sei. Er hatte aber auch eine wirklich lange Leitung.
Ich wurde zunehmend patzig, und meine Kollegen, die natürlich mitbekamen, wie ich die Stacheln ausfuhr, amüsierten sich königlich. Das verschaffte dem Miteinander in der Mannschaft ein paar Pluspunkte und nahm der Angelegenheit ein bisschen den Ernst. Wirklich von Nutzen war das zwar nicht, aber wir wurden zumindest wieder mehr zu einer Einheit.
Ich war gerührt, als Reimund von sich aus vorschlug, die Rufumleitung einzusetzen, um meine Gespräche stellvertretend entgegenzunehmen, und dankte auch Felix, der im Vorbeigehen vereinzelt das Klingeln unterbrach, indem er abhob und mich verleugnete.
Aber anstatt den Rückzug anzutreten, fing Christoph penetrant an, mir ständig über den Weg zu laufen, mich wie zufällig anzugrabschen und „knuffige“ Gummibärschlangen mitzubringen.
Damit sorgte er dafür, dass es bald in der ganzen Firma bekannt wurde, wie er mir nachstellte. Und hier hörte der Spaß auf, denn irgendwann würde es unweigerlich auch Mark erfahren. Also schnappte ich ihn mir eines Morgens im Treppenhaus und sagte: „Du, ich will da gerne etwas klarstellen.“
Er: „Ja – was denn?“ Sein Atem roch wie abgestandenes Blumenwasser.
„So geht das nicht weiter, Christoph. Ich finde dich echt nett, aber du hast da was absolut missverstanden.“
Er (dämlich): „Ich weiß nicht, was du meinst.“
Ich unterdrückte meine Wut, da ich ihn nicht verletzen wollte: „Sieh mal, ich bin neu hier in der Firma und in der Probezeit. Eine Beziehung interessiert mich im Moment herzlich wenig und am Arbeitsplatz schon gar nicht.“ Den Gedanken an Mark verdrängte ich lieber.
Hartnäckig überhörte der Frustsäufer die Botschaft: „Okay, ich verstehe, dann warten wir halt bis nach deiner Probezeit – kein Problem.“ Dabei näherte er sich mir Zentimeter für Zentimeter. Jetzt war ich diejenige, die ziemlich dämlich aus der Wäsche schaute. Welcher Film lief denn da ab? Wie bekloppt war der eigentlich?
Nun, er hatte mich herausgefordert, und ich war nicht gewillt, weiter Rücksicht zu nehmen. „Dann habe ich mich falsch ausgedrückt, sorry, mein Fehler! Was ich sagen wollte, ist, dass ich nicht auf dich stehe und sich daran auch nichts ändern wird – egal was du tust! Also lass mich künftig bitte einfach in Ruhe und hör vor allem auf, mich ständig anzufassen!“ In Wahrheit passte er doch genauso wenig zu mir wie eine Pizza zu einem Hustenbonbon.
Zuversichtlich, dass selbst jemand wie Christoph jetzt dahinter stieg, wie sinnlos sein Gebalze war, hielt ich jenes unerquickliche Kapitel für beendet. Doch damit saß ich einem gewaltigen Irrtum auf.
Er ließ einfach nicht locker. Zwei Wochen später zerrte er immer noch unbeirrt an meinen Nerven und ignorierte mein Abblocken konstant. Dadurch disqualifizierte er sich nicht nur endgültig, sondern zwang mich auch dazu, den nächsten Schritt zu tun, ob ich wollte oder nicht.
Ich fasste den Entschluss, Mark in seiner Funktion als Abteilungsleiter hinzuzuziehen, um der Belästigung ein Ende zu bereiten, obwohl mir nicht wohl dabei war – hatte ich doch bisher die ganze Sache erfolgreich vertuscht, um ihn nicht weiter zu provozieren.
Seine Haltung Christoph gegenüber und mein eigenes Versagen, diesem Grenzen zu setzen, machten mir zu schaffen. Ein viel größeres Problem jedoch war, dass Mark eben Mark war. Denn damit winselte ich ausgerechnet dem Mann etwas vor, der mir das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ, nur weil ein Blindgänger mir am Rockzipfel hing wie eine Klette. Das empfand ich als äußerst blamabel, zumal ich mich selbst – trotz eindringlicher Warnung – in die Sache reingeritten hatte.
Da Christoph aber jegliche ihm auferlegte Sanktion missachtete und ich mit meinem Latein schlichtweg am Ende war, erzählte ich Mark widerwillig von dem ganzen Schlamassel. Er hörte sich meine Geschichte an, war ungewöhnlich still für seine Verhältnisse, und ich argwöhnte, dass ihm mein hochroter Kopf nicht verborgen blieb. Lange sagte er nichts, sah mich nur an und blieb stumm wie ein Fisch. Meine Unsicherheit wuchs, und ich konnte mich nicht erinnern, je in einer vergleichbar peinlichen Situation gewesen zu sein.
Seine Sympathie Christoph gegenüber schien den absoluten Nullpunkt zu erreichen, er schwieg und ließ mich zappeln, als wolle er mich bestrafen. Angespannt wartete ich seine Reaktion ab. Sein Blick verhieß nichts Gutes, und ich hätte mich ohrfeigen können, hier wie ein Milchmädchen vor ihm zu stehen, nur weil ich geglaubt hatte, alleine mit allem fertig zu werden.
„Gratuliere! Das hast du ja super hingekriegt!“ Die Art und Weise, in der er das sagte, traf mich mitten ins Herz. So formell, so herablassend. er war stocksauer und das unwiderlegbar. Aber warum? Was machte ihn so zornig?
Äußerlich gelassen, rang er offenbar mit sich, bestrebt sich nicht in die Karten schauen zu lassen, um zu verbergen, was wirklich mit ihm los war. Aber weshalb?
Er musste das leuchtende Fragezeichen über meinem Kopf bemerkt haben und wollte mir anscheinend behilflich sein. Noch immer ziemlich steif fragte er: „Und warum kommst du erst jetzt damit zu mir?“ Ah, daher kam seine Verstimmung! Kern war die Vertrauensfrage!
Ich antwortete ehrlich: „Weil ich mich geschämt habe und mir sicher war, alleine damit klarzukommen.“ Was hätte ich auch sonst sagen sollen?
Sein Zorn verpuffte. Ich sah, wie Mark ausatmete und sich dabei merklich entspannte. Er beugte sich vor und bot mir nach einer weiteren Schweigeminute sogar eindringlich seine Hilfe an.
Ich war klug genug, ihn nicht gleich abzuwiegeln, denn deshalb führten wir ja dieses Gespräch überhaupt. Auch die endlose Litanei über Christoph, die mit Schimpfwörtern gespickt war, die ich noch nie zuvor gehört hatte, unterbrach ich nicht. Doch seine Wortwahl ließ keinen Zweifel mehr zu: Mark war eifersüchtig und mit ausgefahrenen Hörnern bereit zur Tat. Und bei aller Nerverei um mich herum schmeichelte mir sein Verhalten, obwohl es das vermutlich nicht hätte tun sollen.
Aber es tat gut, Klarheit darüber zu haben, ihm nicht egal zu sein. Es tat gut, mich nicht so alleine zu fühlen mit all meinen Empfindungen ihm gegenüber. Es tat gut, weil noch kein Mann sich wegen mir die Ärmel hochgekrempelt hatte. Es tat gut, da ich spürte, wie wichtig ich ihm war.
Am nächsten Tag – ich verbrachte die Mittagspause mit Mark in seinem Büro – steckte plötzlich die Nervensäge seine Nase ausgerechnet zu uns herein. Nicht zu fassen!
Der Erdbeerjoghurt blieb mir, obwohl linksgedreht, klebrig im Hals hängen, und meine Laune sank jäh in den Keller. „Geh weg!“, schrie es in mir, und ich bemühte mich, nicht auszurasten.
Christoph, den es überhaupt nicht störte, hier vor dem Mann meiner Träume zu stehen, reagierte auf die angespannte Stimmung und fragte besorgt: „Was ist denn los, Schatzi, fühlst du dich heute etwa nicht wohl?“ (Gebt mir ein Gewehr, ein Messer, irgendwas ...) Es kümmerte ihn nicht im Geringsten, dass er mich bis auf die Knochen blamierte.
Krampfhaft darum bemüht, Haltung zu bewahren, erwiderte ich kühl: „Erstens bin ich nicht dein „Schatzi“, und zweitens solltest du dringend einen Gang runterschalten, wenn du nicht willst, dass es hier gleich richtig knallt!“ Es mag böse klingen, aber ich war stolz auf mich – ich hatte viel zu lange gezögert, ihm genau das zu sagen.
Aus den Augenwinkeln sah ich Marks amüsierten Blick und bemerkte, dass ihm die Darbietung gefallen hatte. Bisher regungslos abwartend wie eine Raubkatze, brachte er nun ohne Umschweife zu Ende, was ich begonnen hatte, indem er zu Christoph sagte: „Jetzt mach dich mal nicht weiter lächerlich! Merkst du nicht, dass diese Frau 'ne Nummer zu groß für dich ist? Aber du hast selbstverständlich die Wahl: Entweder du lässt Norma ein für allemal in Ruhe, oder ich rede mit Gerlinde, und du kannst noch heute deine Papiere abholen!“
Das alles hat Christoph letztendlich dann doch überzeugt. Von da an sagten wir nicht mal mehr „Hallo“ zueinander, aber damit konnte ich leben. Ich brauchte ihn ungefähr so dringend wie einen Kropf.
Erleichterung darüber, dass es vorbei war, machte sich breit, und ich war geschmeichelt, dass Mark zu mir gestanden hatte. Obwohl ich seine Reaktion in puncto Eifersüchtelei nicht ganz verstand, freute sie mich. Aber des Rätsels Lösung blieb verborgen: Wieso mimte er mit einem Mal den Besitzergreifenden? Schließlich war er es, der einer Frau vor Jahren Liebe und Treue bis in den Tod versprochen hatte! Nichtsdestotrotz machte Mark mittlerweile unmissverständlich deutlich, dass ich ihm nicht gleichgültig war, und wäre Christoph nicht so ein Vollpfosten, hätte ich mich vielleicht sogar bei ihm dafür bedankt – denn er war eindeutig der Auslöser gewesen.