Читать книгу Der Weg des Wassers: Warum dir alles zufließt, wenn du endlich loslässt - Norman Brenner - Страница 72
1) Erwartungen sind bequem
ОглавлениеWie wir im Beispiel des Baches bereits gesehen haben, sind wir, genauso wie alle anderen Wesen und Phänomene in der Natur, bestrebt, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Wenn unsere Gedanken erst einmal in bestimmten Mustern fließen, erfordert es weniger Energie, in neuen Situationen einfach die alten Muster anzuwenden. Die Gedanken fließen mühelos durch die vorbereiteten Furchen und Gräben. Wie bereits erwähnt, verstärkt das natürlich diese Muster, je öfter sie gedacht werden und ein Teufelskreis entsteht. Teufelskreise sind übrigens eine weitere wichtige Station auf unserem Weg zur wahren Ursache des Festhaltens. Darauf werden wir in den nächsten Kapiteln genauer eingehen. Unsere Erwartungen sind neben diesem vermeintlichen Vorteil für unseren Energiehaushalt aber auch auf eine andere Weise bequem: Du musst dich nicht dafür rechtfertigen! Viele unserer Ideale und Erwartungen sind gesellschaftlich anerkannt. Teilweise sogar gesellschaftliche Konvention.
Die Kollegen auf der Arbeit haben morgens freundlich zu grüßen. Punkt.
Der Nachbar hat am Sonntagnachmittag nicht die Hecke zu schneiden oder den Rasen zu mähen. Basta.
Dein Partner hat dich für immer und ewig zu lieben. Ende.
Fast niemand hinterfragt diese Glaubenssätze. Selbst der Kollege, der nicht grüßt, der Nachbar, der sonntags die Hecke schneidet oder der Ehemann, der fremdgeht, tut das nicht aus dem Grund, weil er die Konvention oder Erwartung seiner Mitmenschen hinterfragt und nicht danach leben will. Nein, er ist sich über diese sehr wohl bewusst und erkennt sie ebenfalls als ungeschriebene Regel an. Nur dass er eben auf der anderen Seite steht und bewusst gegen sie verstößt. In dem Wissen und Vertrauen darauf, dass es sie gibt und dass sie berechtigt sind. Niemand muss sich in unserem Land dafür rechtfertigen, wenn er sich sonntags darüber aufregt, dass der Nachbar die Hecke schneidet. Das ist hierzulande eben so und jeder versteht den Ärger. Deshalb sind Erwartungen und Ideale auf der andern Seite auch der Klebstoff einer Gesellschaft. Ein Musterbeispiel sind Glaubensgemeinschaften, die ja erst aufgrund einer gemeinsamen Erwartung (z. B. „der Erlöser wird kommen“) entstehen. Damit möchte ich jetzt nicht alle Religionen verteufeln. Im Gegenteil: Ich sagte ja, dass Erwartungen auch der Kitt sind, der eine Gesellschaft am Laufen halten kann. Und an diesem Argument der Gemeinschaft erkennen wir gleich den nächsten Grund, warum wir trotz allem Erwartungen haben wollen: