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Nantes, 17. August 1892

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Über die letzten beiden Tage hatten wir Besuch von auswärts. Der Herr heißt Émile Chazaud und ist ein Schulfreund von Victor. Die beiden haben sich lange nicht gesehen. Émile hatte sich in Paris erkundigt und so erfahren, dass er uns derzeit in Nantes antreffen kann. Émile wollte erst noch geschrieben haben, wie er ausdrücklich versicherte, dann ist er aber einfach so nach Nantes gefahren. Victor hat ihn gestern zum Essen mit nach Hause gebracht und wir haben auf diese Weise einen amüsanten Abend verlebt, mit allerlei Geschichten, die ich noch nicht kannte. Ich werde sie vielleicht später einmal zu Papier bringen, jetzt nur so viel. Victor und Émile sind sehr alte Freunde, die gemeinsam die Volksschule in Paris besucht haben, und zwar solange, bis Victor nach dem Tod seines Vaters im Internat aufgenommen wurde. Émile konnte sich sogar noch an Victors Vater erinnern. Er soll sehr gütig gewesen sein und es gab zwischen ihm und Victor nie ein böses Wort. Als Émile davon erzählte, wurde Victor ganz still. Ich habe dann bewusst ein anderes Thema angestimmt, obwohl ich gerne mehr erfahren hätte. Stattdessen hat Émile dann über seinen Beruf erzählt. Im Gegensatz zu Victor ist er Zivilist, er ist Reisender und arbeitet für die amerikanische Firma Eastman. Émile präsentiert mal in Europa, mal in Übersee die neusten Fotoapparate und die Kunst des Fotografierens. Nach seiner Überzeugung eine Kunst für jeden, der es erlernen möchte. In seinem Gepäck hatte er zur Demonstration eine kleine Kamera dabei, die schon allein beeindruckte, weil Victor und ich bislang nur die großen Apparate kennen, die in den Fotoateliers stehen. Die neue Eastman, wie Émile sie nannte, passt bequem in eine Umhängetasche und lässt sich bei Gelegenheit hervorholen, um die Ereignisse festzuhalten, denen der Fotograf jederzeit begegnen kann. Victor interessierte sich sehr für die technischen Einzelheiten. Émile konnte uns auch einige Fotografien zeigen, die er mit der Kamera aufgenommen hatte und die zunächst etwas merkwürdig anmuteten, weil der Bildausschnitt kreisrund war. Dies fand ich verzeihlich, wo doch die Kamera selbst so beeindruckte. Émile war erst vor ein paar Wochen in Übersee, in Neufundland und zeigte uns auch ein paar kuriose Fotografien von dort. Dies wiederum weckte mein Interesse, weil es beinahe schaurig war. Die Bilder stammten aus St. John's auf Neufundland. Émile hatte sie wenige Tage nach dem großen Brand Anfang Juli aufgenommen. Ich konnte mich dann auch an die Schlagzeilen im Figaro erinnern. Unter den alten Zeitungen, die Jeanette immer fürs Feuermachen aufbewahrt, habe ich den Artikel später sogar noch gefunden. Émiles Fotografien zeigen allerdings mehr, als die Worte in der Zeitung vermitteln können. Es war schon einige Tage nach dem Brand, jeglicher Rauch hatte sich bereits verzogen, sodass alles klar und deutlich zu sehen war. In St. John's finden sich fast ausschließlich aus Holz erbaute Häuser, die bis auf ihre steinernen Kamine ein Raub der Flammen geworden sind. Wenn es aber doch ein Steinhaus war, eine Kirche oder eine Fabrik, so war das hölzerne Dach verschwunden und die Gebäude standen wie leer da, ohne jegliches Innenleben. Ein bedrückender Anblick, einsame Kamine ragen in den Himmel, verbrannte Mauern. Émile hat sich in St. John's umgesehen und überall, wo er es für wichtig erachtete, hat er seine Eastman hervorgeholt und mit wenigen Handgriffen eine Fotografie gemacht. Er hat uns das Fotografieren gezeigt und es ist wirklich einfach. Er hat Victor und mich aufgenommen. Nach dem schönen Abend gestern hat er sich in sein Hotel verabschiedet, ist aber heute Morgen zurückgekehrt, und hat uns vor unserem Haus, im Sonnenschein, noch einmal fotografiert. Émile hat versichert, uns das Ergebnis mit der Post zu schicken, sobald es in einem Labor seiner Firma entwickelt wurde. Ich bin sehr gespannt darauf.

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