Читать книгу Keine Elche in Schweden - Oliver BERNARDI - Страница 8
20.05.19:
ОглавлениеAuf der schmalen Kante eines Frühstücksbrettchens zu nächtigen kann nicht viel unbequemer sein als der Einzelschlafplatz, den ich vergangene Nacht ausprobiert habe. Aber da gibt es ja auch noch Optimierungsmöglichkeiten. Z.B., wenn man schon aufgrund des unebenen Geländes nicht in der Waage steht, sollte man sich wenigstens mit den Füßen zum Gefälle hin ablegen. Wenn man dann auch noch so clever ist, den Kindersitz auszubauen, um die Liegefläche zu verbreitern (quasi zu verdoppeln) und dann noch cleverer ist und sich mit dem Oberkörper für diese (breite) Seite der Liegefläche entscheidet, dann erhöht das den Schlafkomfort schon enorm und bewahrt einen davor, alle halbe Stunde wach zu werden, weil man links bzw. rechts von der schmalen Seite der Liegefläche (also dort, wo eigentlich die Beine hingehören) zu fallen droht. Logisches Denken hat einfach seinen Charme!
Die gute Nachricht - Lukas hat durchgeschlafen!
Nach dem Frühstück steht die Feuertaufe an - Chemietoilette entleeren und auffüllen. Technik die begeistert. Ich muss sagen, DAS hatte ich mir komplizierter vorgestellt. Die Kassette (also der Tank) lässt sich leicht entriegeln und aus dem dafür vorgesehenen Fach entnehmen. Bei weiteren Strecken zur Entleerungsstation kann man das Ganze wie einen Trolley hinter sich herziehen.
Ich stell mir das gerade bildlich vor, wie ich damit zu einer Gruppe gutaussehender Stewardessen hinzustoße, die gerade mit ihrem Handgepäck das Hotel nebenan verlassen und fragen: „Na junger Mann, wohin des Wegs?“ „Hallo die Damen, ich fahre gerade unsere Sch… zum Gully!“ Dieses Kopfkino treibt mir gerade die Lachtränen in die Augen… Die weiteren Details des Entsorgungsvorgangs erspare ich euch, aber wie gesagt, das war echt kinderleicht.
Die erste Abwasserentleerung gestaltete sich noch einfacher. Einfach über die Ablassstelle fahren, Abwasserhahn auf und fertig! Cool! Uncool, dass ich 3 Gießkannen Frischwasser von der Wasserstelle zum Womo geschleppt habe, um an der Abwasserablassstelle festzustellen, dass es dort einen meterlangen Schlauch gibt, den man einfach nur in den Frischwassertank hätte halten müssen. Dieje-
nigen, die schon Wohnmobilerfahrung gesammelt haben, schlagen jetzt entweder die Hände über dem Kopf zusammen oder gestehen sich klammheimlich ein, dass sie ähnliche oder gleiche Erfahrungen gemacht haben. Für die anderen, die vielleicht noch Campingerfahrung dieser Art sammeln wollen - lernt aus meinen Fehlern!
Die Weiterfahrt zur Fähre erfolgte auf Empfehlung des Platzvaters nicht über die Autobahn, sondern entlang der Küste über die sogenannte Whiskey-Route; die Namensgebung ist den Wohnstätten einiger Dänen geschuldet, die nicht gerade an der Armutsgrenze leben. Abgesehen von der wesentlich attraktiveren Streckenführung hat diese Route den Charme, dass wir automatisch an den Fähranleger gelenkt werden. Und das ist gut so, denn es ist ein Nebel aufgezogen, der einen kaum die Hand vor Augen sehen lässt. Dementsprechend gibt es wenig zu sehen bei der Überfahrt, die erfreulicherweise bereits 15 min nach unserer Ankunft startet.
Apropos, viel länger als 15 min. dauert auch diese Fährfahrt nicht. Für knapp 110 € hatte ich mir da etwas mehr erwartet. Aber wir wol-len nicht meckern, es ist Urlaub und auf schwedischer Seite erwartet uns immerhin eine Art Sonnenschein bei Ankunft. Ich liebe das „schnelle Wetter“ an der Küste (sofern es sich zu unseren Gunsten entwickelt).
Auch der zweite Eindruck Schwedens ist ein positiver. Die Innenstadtbegrünung von Helsingborg ist sehr ansprechend und die alleenartige Einfassung der doppelspurigen Fahrstreifen in beide Fahrtrichtungen auf der Hauptverkehrsstraße, die durch den Innenstadtbereich führt, beeindruckt mich. Und dieser Eindruck wird durch die schönen, dahinterstehenden Häuserfassaden noch unterstrichen; diese Worte gehen mir jetzt nur sehr schwer über die Lippen, aber es hat fast ein bisschen was von Wiesbaden. Ich entscheide mich spontan um, es werden Erinnerungen an den Bereich um Hamburgs Außenalster wach, die zugegebenermaßen jedoch eher dem Umstand geschuldet sind, dass diese Stadt über eine ähnlich große bassinartige Wasserfläche verfügt. Aber wir wollen ja in die Natur und keinen Städtetrip machen, also weiter geht’s.
Ziel ist eine nördlich gelegene Landzunge mit dem „Kullabergs Naturreservat“. Auf demWeg dorthin passieren wir plötzlich ein Schild „Last grocery shop before Kullaberg“. Also U-Turn und noch schnell die Vorräte auffüllen. Es dauert etwas länger als erwartet, bis die Mädels zu den Fahrzeugen zurückkehren. Ursache - es gibt wohl eine Unmenge an unterschiedlichen Milchsorten- und Tüten in Schweden und an der Kasse hatte sich herausgestellt, dass die vermeintliche Vollmilch wohl doch eher ein Naturjoghurt war.
Kurz darauf erreichen wir schon unser Tagesziel und ergattern wieder zwei nebeneinander liegende Stellplätze. Eine erste Begehung des Platzes bestätigt, dass diese Kette ihrem Namen „First Camp“ alle Ehre macht - schöne BBQ-Möglichkeiten, toller Pool mit Kinder- und Babybecken, ein Minigolf-Platz, wie ich ihn in Deutschland noch selten gesehen habe, eine Grill-Kota… einfach klasse. Mittlerweile hat sich die Sonne am Himmel breit gemacht und da wir gefühlt die vergangenen beiden Tage fast ausschließlich fahrender Weise und im Wohnmobil zugebracht haben, gelüstet es uns nach Bewegung. Ziel, das nahe gelegene Küstenörtchen Mölle. Es folgt ein sehr schöner Spaziergang durch die Felder und Wiesen und Luki ist mehr als happy!
Das war’s denkt ihr? Kein Fauxpas an diesem Tag? Abwarten!
Rainer hatte unbeabsichtigt einen Trigger bei mir ausgelöst, als er das Wort „Eisdiele“ beiläufig auf dem Campingplatz erwähnt hatte. Je näher wir Mölle kamen, desto mehr wurde mir bewusst, dass dieser Ort offensichtlich nicht über die erforderliche Infrastruktur verfügen würde, um eine Vielfalt an Cafés vorzufinden, die wiederum eine mannigfaltige Auswahl an Gelati feilbieten würden. Soweit die Theorie - praktisch gab es jedoch genau eine einzige Eisbude im Hafen und ich sag euch, die hatte Eissorten, bei deren Nennung sich mir schon alles zusammenzieht. Da wären Salz-Lakritz (sah aus wie schwarze Teermasse), Vanille mit Ingwer + Chilli und gesalzenes (und wir sprechen hier von ganzen Kristallen) Karamell. Das krasse ist, Nina steht da voll drauf und schlägt zu.
Ich bin ja echt experimentierfreudig in Sachen Essen, aber es gibt Grenzen. Also ich nehme zwei Kugeln im Hörnchen, Cookies und Karamell. Dieses Schweden mit ihren meterlangen Wortkreationen, irgendwo in der 38 cm langen Bezeichnung auch meines Karamell-Eis’ hatte sich irgendwo das Wortfragment „Salz" versteckt. Keine ganzen Kristalle, aber genug, dass es nahezu Brechreiz bei mir auslöst. Ich bin einfach traumatisiert, seit ich 1996 in den USA bei einem Kinobesuch mit einer Amerikanerin, die ich im Hostel kennen gelernt hatte, mir voller Inbrunst eine große Handvoll Popcorn in den Mund stopfte, das Millisekunden später gleichen wieder in hohem Bogen verließ, begleitet von Würgegeräuschen die ihres gleichen suchten. GESALZENES Popcorn - wer macht so was? Und noch viel schlimmer, warum wird man beim Kauf nicht mit einer entsprechend in fluoreszierenden Lettern gehaltenen Warnmeldung auf dieses Verbrechen an gepopptem Mais hingewiesen? Überflüssig zu erwähnen, dass der Abend gelaufen war - in jeglicher Hinsicht!
Doch zurück in den Hafen von Mölle. Während wir bereits seit einigen Minuten fleißig unser Eis am Mümmeln sind, steht Angelika immer noch am Verkaufsfenster der Bude. Sie hatte uns eingeladen und wollte mit ihrer Kreditkarte, bislang hatte sich noch keine Gelegenheit ergeben, Bargeld in Landeswährung abzuheben, bezahlen. Aber die Karte wird aus unerfindlichen Gründen nicht akzeptiert. Kein Problem sag ich, ich zahl mit meiner EC-Karte. Leider gleiches Spiel.
Offensichtlich scheint etwas mit dem Kartengerät nicht zustimmen. Bereits beim Bezahlvorgang mit der Kreditkarte zeigt das Display die Aufforderung an, eine Servicenummer in Norwegen (dort sitzt die Betreiberfirma des Kartenlesegerätes) anzurufen. Gesagt getan, also die Eisverkäuferin (eine ältere Dame mit einem lustig gebundenen Kopftuch, so wie die Klementine von der Waschmittel-Werbung aus den Siebzigern), denn ich kann weder schwedisch lesen noch norwegisch sprechen; Haken an der Sache, die Servicenummer ist nur bis 16 h erreichbar. Überflüssig zu erwähnen, dass der große Zeiger auf dem Zifferblatt bereits die 8 in der 16ten Stunde des Tages anzeigt. Ach übrigens, in dem kleinen Örtchen gibt es natürlich auch keinen Geldausgabeautomaten.
Jetzt stehst Du da, kein Bargeld, die Karten funktionieren nicht, das Eis ist quasi aufgegessen und die arme Frau tut uns total leid. Sie nimmt die Schuld voll auf sich, sagt es sei unser Glückstag und das Eis ginge auf’s Haus. Unter ausführlichen Dankes- und gleichzeitigen Bedauerungsbekundungen ziehen wir von dannen, fühlen uns alle aber gar nicht wohl mit dieser Lösung. Dann kommt Nina der rettende Gedanken - wir könnten doch mit Euro zahlen - oh man, da hätten wir auch früher draufkommen können. Die Dame ist zu Tränen gerührt, als wir ihr die 170 Kronen (ca. 17 €, wir geben ihr 19) bezahlen. Mit einem guten Gefühl und dem festen Vorsatz, so schnell wie möglich schwedische Kronen zu organisieren, schlendern wir lächelnd zurück zum Campingplatz.