Читать книгу Die 33 schönsten Flussradwege in Deutschland mit GPS-Tracks Download - Oliver Kockskämper - Страница 7

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Tour 1, Nord-Ostsee-Kanal-Tour

Von Brunsbüttel nach Kiel

Zuverlässig weisen uns die Schilder „NOK-Route“ den Weg entlang der meist befahrenen Wasserstraße der Welt. Eigentlich, so sollte man meinen, sind diese Schilder überflüssig, denn die „dicken Pötte“, die sich neben uns auf dem Kanal entlang schieben, sind unübersehbar. Aber die Schilder tun Not, denn sie führen uns ebenfalls zu kleineren oder größeren Abstechern ins Hinterland. Das ist schon allein von den Streckenangaben nicht überraschend, denn der Kanal ist „nur“ 100 km lang, während unsere beschilderte Tour mehr als die dreifache Länge misst.


Als Start-Ort bietet uns Brunsbüttel eine schöne Altstadt, die mit den Kirchen Paulus, Jacobus und Maria Meeresstern gleich drei Gotteshäuser zu bieten hat, die in strahlendem rotem Stein gewandet sind. Das Matthias-Boie-Haus ist neben dem Rathaus und den Kanalschleusen eine weitere wichtige Attraktion. Wenn sich dann noch so bedeutende Kreuzfahrtschiffe wie die Queen Mary 2 durch die Schleusen quetschen, ist Volksfeststimmung angesagt. Genau an dieser Stelle gibt es auch das „Atrium“, das als Museum alles Wissenswerte über den Kanal und die Schleusen vermittelt. Auf der entsprechenden Homepage können wir uns auch vorab informieren, ob sich während unseres Aufenthaltes gerade einige bedeutende Kreuzfahrtschiffe zum Schleusen angemeldet haben.

Flussradwege Info:

325 km inklusive Abstecher, durchgehende Beschilderung. Außer ein paar Hügeln bei Abstechern keine Steigungen. Die Route führt meist abseits des Straßenverkehrs über separate Rad- oder Feldwege, daher perfekt für Familien. Aufgrund des meist vorherrschenden Westwindes, am Besten von Brunsbüttel Richtung Kiel radeln.

Start: Brunsbüttel,

Ziel: Kiel oder die Kieler Bucht.

Info: Touristische Arbeitsgemeinschaft

Nord-Ostsee-Kanal, Rendsburg,

Tel.: 04331/6963844

www.nok-route.de


Begegnungen auf dem Nord-Ostsee-Kanal

Die Kapitäne nutzen den genau 98,5 km bzw. 53,3 Seemeilen langen Nord-Ostsee-Kanal gern, denn er erspart ihnen eine neunmal längere Tour um Dänemark herum. Nochmehr Zahlen? Nun gut: Bei nur 11 m Wassertiefe und 162 m Breite ist Präzisionsarbeit auf der Brücke angesagt. Dafür kann man nur staunen, welche Leistung 1895 beim Bau der Fahrrinne erbracht wurde. Damals wurde sie nach 8 Jahren Bauzeit noch als „Kaiser-Wilhelm-Kanal“ getauft. Inzwischen laden uns 10 Brücken und 14 Fähren ein, beide Uferseiten zu erkunden.

Tipp: Ein recht neuer Höhepunkt im herbstlichen Kalender ist die NOK-Romantika. Dabei werden die Kanalufer mit Laternen, Fackeln und Kerzen illuminiert, während es in vielen Ortschaften Feiern und Unterhaltungsprogramme gibt. Der Höhepunkt passt zu diesem Buch: Von Kiel und Brunsbüttel fahren jeweils Fahrradgruppen los, die sich dann in Schacht-Audorf treffen.

Unser Magen freut sich, wenn wir es schaffen, zu den „Dithmarscher Kohltagen“ im Ort zu sein. An der längsten Kohltafel der Welt wird schnell jeder zum Fan gesunden Essens.

Erst 1948 erlangte der Ort, der einst Brunsbüttel-Eddellaker-Koogs hieß, die Stadtrechte. Ob das wohl daran lang, dass die Hamburger Kaufleute früher von den Brunsbütteler Bürgern regelmäßig ausgeraubt wurden? Jedenfalls ist dies in den Analen von 1286 nachzulesen, als feierlich gelobt wurde, dass diese Überfälle aufhören sollen.


Tipp: Ein wahrer Augenschmaus ist ein Besuch in der werktags nachmittags geöffneten Galerie Rusch. Hier gibt es verschiedene Werke des am 26.April 1950 im benachbarten Neufeld geborenen Künstlers zu sehen. Gemälde mit viel Aussagekraft und Detailgenauigkeit finden wir hier ebenso, wie Radierungen oder Plastiken.

Los geht´s in Brunsbüttel. Von hier rollen wir teils direkt neben dem Kanal, teils auf so genannten Entdeckertörns durch die Wilstermarsch. Beides ist gleichermaßen reizvoll und bringt uns über Hochdonn und Oldenbüttel hinter zwei weiteren Exkursen nach Rendsburg.

Es geht durchs Marschland, aber was ist das überhaupt? Der Begriff bezieht sich auf den abgelagerten Boden: Kommt er aus den Tideflüssen, ist es Brackmarsch, kommt er aus dem Gezeitenmeer, ist es Seemarsch.

Die Wilstermarsch ist vor allem wegen zweier Themen bekannt: Durch das Kernkraftwerk Brokdorf, das viele Jahre in der Presse präsent war. Und durch den Ort Neuendorf-Sachsenbande. Welcher Ort? Nun, der Ortsname ist vielleicht nicht so geläufig, dennoch ist er von Bedeutung, denn hier steht bei 3,54 m unter (!) Normalnull ein Holzschild, das uns erläutert: „Tiefste Landstelle der B.R. Deutschland“. Die niederländischen Siedler, die im 12. und im 16. Jahrhundert hierher kamen, ahnten davon vermutlich noch nichts. Allerdings brachten sie ihr Fachwissen ein – erst durch deren Entwässerungsmühlen konnte die Gegend urbar gemacht werden. Fast schon eine Klischee-Befriedigung ist, dass sie auch die Milchwirtschaft und die Käseherstellung mitbrachten.


Die Windmühlen brachten die Holländer mit

Ganz typisch für die Wilstermarsch sind die hübschen Häuser, deren Reetdächer weit hinunter gezogen sind. Sie werden in dieser Region „Barghus“ genannt.

Da wir hier im Norden auf viele „Büttels“ treffen, sei erwähnt, dass dieses Anhängsel an viele Ortsnamen die im nordgermanischen Bedeutung von „Haus und Hof“ oder „Siedlungsgebiet“ hat.

In Hochdonn ist sie wirklich „hoch“ – 42 m nämlich ist die Brücke über den Kanal. Sie ist gemeinhin als „Marschbahn“ bekannt.


Auch historische Schiffe kreuzen unseren Weg

Die nächste Hochbrücke finden wir in Rendsburg. Die 2,5 km lange Konstruktion ist heute das Wahrzeichen der Stadt. Gleich darunter gibt es mit der Schwebefähre eine weitere technische Rarität, von der es nur noch zwei in Deutschland gibt. Sie ist auch nutzbar, wenn der Kanal zugefroren ist und verbraucht zudem weniger Energie als eine herkömmliche Fähre. Auf der anderen Kanalseite liegt Osterrönfeld, das mit rund 2.500 Einwohnern der größte Ort des Amtes Eiderkanal ist.

Um 1199 wurde an der Stelle des heutigen Rendsburg eine Siedlung nachgewiesen. Das schmucke Rathaus am Altstädter Markt entstand um 1566. Die Nähe zu Dänemark sorgte nicht nur für den Bau von Verteidigungsanlagen, sondern auch immer wieder für größere Zerstörungen. So wurden unter dänischer Hoheit ab 1852 gleich vier Stadttore abgerissen. Dennoch gibt es viel zu sehen – an den wichtigsten Punkten führt uns der „blaue Weg“ vorbei, der auf der „blue-line-Karte“ zusammengefasst ist. So spazieren wir vom Rathaus aus u.a. zum Schiffsbrückenplatz, zur Marienkirche, zur ehemaligen Synagoge und zum Jüdischen Museum.

In Rendsburg kreuzen wir den Verlauf des Ochsenweges. Dieser führt in südlicher Richtung bis nach Wedel bei Hamburg und in Nordrichtung bis nach Flensburg an der dänischen Grenze. Den eigentümlichen Namen verdankt der Fernradweg der Tatsache, dass genau auf dieser Trasse über 100 Jahre lang der Herr- und Ochsenweg verlief. Auf dieser als sicher geltenden Route tummelten sich Viehtreiber, aber auch Pilger, Kaufleute und Soldaten. Überall entlang der Strecke gab es Viehmärkte. Damit es nicht langweilig wird, können wir ab und an zwischen zwei Alternativrouten wählen.

Tipp: 1827 wurde auf dem Vorwerksgelände vom Rendsburger Ortsteil Büdelsdorf der damals größte Eisen verarbeitende Betrieb Norddeutschlands gegründet. Zur Blütezeit arbeiteten in der Carlshütte, die nach den Inhabern auch Ahlmannshütte genannt wurde, rund 3.000 Beschäftigte. Käte Ahlmann soll bis zu ihrem Tode 1961 die Hütte sprichwörtlich mit „eiserner Hand“ geführt haben. 1997 wurde die Produktion, die u.a. Badewannen umfasste, eingestellt. Nun gibt es hier ein Eisenkunstguss-Museum und einen Skulpturenpark.

Weiter geht´s mit einigen kurvigen Abstechern beiderseits des Nord-Ostsee-Kanals. Via Sehestedt und Schinkel erreichen wir mit der Landeshauptstadt Kiel das Ziel unserer Reise.

Sehestedt kann mit seinen rund 800 Einwohnern eher als beschaulich bezeichnet werden. Es entstand ab 1282 als Schutzburg an der Eider. Näheres dazu erfahren wir im Dorfmuseum.

Die größte Stadt Schleswig-Holsteins ist fast selbstredend auch die Hauptstadt. Die fjordartige Kieler Förde ermöglicht der Stadt einen Tiefseehafen, weshalb es schon früh zu einer Industrialisierung kam. Auch die erfolgreichste Zeit verdankt Kiel der See, nämlich als 1865 die preußische Flotte hierher verlegt wurde. Die Geschichte Kiels reicht sogar bis ins 13. Jahrhundert zurück.

Als Ziel unserer Radwanderung ist Kiel wie geschaffen, denn es gibt hier reichlich zu sehen. Beginnen sollten wir am Alten Markt, um den sich herum die Altstadt erstreckt. Erstes Haus am Platze ist die 1242 gegründete Nikolaikirche.

Auch die Fußgängerzone bietet sich zum Regenerieren an. Den besten Überblick haben wir vom 106 m hohen Turm des Rathauses, der dem Venediger Kampanile ähnelt. Doch auch die übrigen Räume des Rathauses sind so sehenswert, dass sich die Teilnahme an einer Führung lohnt. Direkt nebenan steht die Oper, deren einstige Jugendstil-Elemente nach dem Ausbessern der Bombenschäden nach dem 2. Weltkrieg verloren gingen.

Jede Menge Wissenswertes über Kiel erfahren wir im Stadtmuseum, das seit 1970 im Warleberger Hof untergebracht ist.

Wer es lieber ruhiger mag, besucht den Hiroshima-Park und genießt das Wasserspiel oder er verbringt sonnige Stunden am Kleinen Kiel. Dies war ein kleiner Meeresarm, der heute nur noch unterirdisch mit der Förde verbunden ist.

Zum Pflichtprogramm gehört der Besuch des Hafens, denn Kiel ist immerhin Deutschlands beliebtester Hafen für Kreuzfahrten. Zudem finden wir hier die Hörnbrücke. Es ist eine der in Europa seltenen Dreifeldzugklappenbrücken.

Wer noch „Saft in den Beinen“ hat, radelt hinaus nach Laboe und steigt hinauf auf das 72 m hohe Marinedenkmal. Zu dessen Füßen liegt das Unterseeboot U 996, das wir besichtigen können um festzustellen, warum die Besatzung sich damals vorgekommen sein muss wie Ölsardinen. Wer mag, kann dem Ostseeküstenradweg noch viele Kilometer weit folgen. Bis zu 17 m hoch ist die schnell erreichte Steilküste bei Hohwacht, darunter erstreckt sich ein 4 km langer Strand, was es zu einem idealen Urlaubsort macht. Die Dünen im Naturschutzgebiet Weißenhäuser Brök sind bis zu 6 m hoch, so hoch wie nirgendwo anders in der Gegend. Auf unserer Tour entlang der Küste kommen wir dann durch weitere namhafte Badeorte wie Oldenburg i.H., Kellenhusen, Dahme oder Grömitz.

Auf der anderen Uferseite der Kieler Förde finden wir das Olympia-Zentrum von Schilksee, einen Yachthafen und ein Meerwasser-Hallenbad. Von hier führt der Ostseeküsten-Radweg weiter durch eine Region, die als Dänischer Wohld bezeichnet wird. Wer diese Art Halbinsel umrundet, kommt nach Eckernförde, wo wir eine tolle Altstadt finden. Zu ihr gehören Fachwerk- und Bürgerhäuser sowie das Rathaus.

Kartentipp:

Radroute Nord-Ostsee-Kanal,

Radwanderkarte 1:50.000, Spiralbindung,

ISBN 978-3-87073-401-5

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