Читать книгу Die 33 schönsten Flussradwege in Deutschland mit GPS-Tracks Download - Oliver Kockskämper - Страница 9
ОглавлениеTour 3, Havelradweg
Von Neustrelitz nach Havelberg
Was könnte einen schöneren Auftakt für eine Radwanderung bilden, als die Mecklenburgische Seenplatte? Wir können wählen, ob wir bei Waren (Müritz) oder bei Neustrelitz einsteigen. Durch so geschichtsträchtige Orte wie Oranienburg rollen wir in die deutsche Bundeshauptstadt Berlin. Nachdem wir uns zumindest einen Bruchteil der Sehenswürdigkeiten angesehen haben, tut es gut, dass das Brandenburgische Havelland eher ländliche Idylle für uns bereit hält. Trotz der Nähe Berlins können wir ohne Massen von Radlern um uns herum ganz entspannt auf bestens präparierten Wegen radeln.
Flussradwege Info:
371 km, durchgehende Beschilderung. Keine nennenswerten Steigungen. Die Route führt meist abseits des Straßenverkehrs über separate Rad- oder Feldwege bzw. Nebenstraßen, daher perfekt für Familien.
Start: Neustrelitz oder Waren / Müritz
Ziel: Havelberg
Info: Koordinierungsstelle Havel-Radweg, Stendal, Tel.: 03931/60-6
Es ist mehr als nur eine Überlegung wert, die Radreise in Waren (Müritz) zu beginnen, denn wir sind hier im Zentrum der Mecklenburgischen Seenplatte. Die tolle Altstadt Warens liegt am Müritzsee, der mit 117 qkm der größte Binnensee Deutschlands ist. Der Name stammt aus dem Slawischen, die das „kleine Meer“ als „Morce“ bezeichneten. Das ist auch der Grund, warum man von „der“ Müritz redet. Was sich in seinen Fluten so alles tummelt, können wir im größten Süßwasser-Aquarium Deutschlands sehen.
Die Herzöge von Mecklenburg-Strelitz gründeten 1733 die „neue“ Residenzstadt, die sich fortan Neustrelitz nannte. Zeitgleich wurde das dortige Jagdschloss zu einer prunkvollen Residenz umgebaut. Nachdem wir uns auch den herrlichen Schlossgarten angesehen haben, können wir einer der acht Straßen folgen, die sternförmig auf den historischen Marktplatz zulaufen.
Wasser – unser Begleiter
Tipp: Wer nicht sofort in die eigentliche Radtour „Havelradweg“ starten möchte und sich länger in der Region aufhält, sollte es nicht versäumen, die umliegende Landschaft zu erkunden. Mit dem Seen-Radweg haben wir einen bestens ausgebauten und beschilderten roten Faden dafür zur Verfügung.
Preußische Pracht
Los geht´s in Waren (Müritz) oder in Neustrelitz. Von beiden Orten fahren wir zum Woblitzsee bzw. nach Wesenberg. Die nächsten Kilometer verlaufen parallel zum Radfernweg Mecklenburgische Seenplatte bzw. parallel zum Radweg Berlin-Kopenhagen. So radeln wir gemütlich durch Fürstenberg, Zehdenick und Liebenwalde nach Oranienburg. Hinter Hennigsdorf streifen wir bei Spandau die Randgebiete von Berlin.
Wesenberg wurde um 1250 gegründet. Wenig später entstand eine Burg, von der noch der so genannte Fangelturm und die Burgmauer erhalten sind. Rund 600 Jahre alt ist die Linde, die uns den Weg zur Kirche von Wesenberg weist. In der Kirche weckt die einer mystischen Sage nach eigentümlich geschmiedete Kette unser Interesse. Sie soll vom Teufel persönlich geschmiedet worden sein.
Vor Fürstenberg können wir einen Umweg über den Stechlinsee unternehmen, der als einer der klarsten Seen des Landes gilt. Die Stadt selbst liegt am Röblin- und am Schwedtsee, weshalb sie sich auch „Wasserstadt“ nennen darf.
Tipp: Kennen Sie einen Kaffenkahn? Sie können es bei einer Fahrt über die Seen um Fürstenberg herum kennen lernen. Bis Ende des 19. Jahrhunderts gab es von diesem Transportmittel, bei dem die Kaffen genannten Bug- und Heckspitzen hochgebogen sind.
Hinter Fürstenberg kommen wir am Stolpsee entlang nach Himmelpfort. Hier gehen vor Weihnachten Tausende von Briefen ein, in denen sich die Wunschzettel von Kindern für den Weihnachtsmann verbergen. Wer nicht mehr an den Weihnachtsmann glaubt, sieht sich den üppigen Kräutergarten mit über 200 Gewürzen an, der einst zum Kloster gehörte. Oder er geht im Sidow-, Moderfitz-, oder Haussee baden. Vielleicht steuern wir aber auch die bei Bredereiche liegende Ziegenkäserei an und geben uns den Gaumenfreuden hin.
Wir kühlen uns im Kleinen und im Großen Wentowsee ab, sehen uns den Umweltbahnhof in Seilershof an und kommen bei Burgwall ins Zentrum des Torfabbaus, was uns an den zahllosen künstlichen Seen deutlich wird.
Tipp: Den Besuch des Ziegelparks Mildenberg können wir mit einer Fahrt in der Tonlore krönen. So kommen wir auch zum aktiven Tagebau Burgwall, den wir besichtigen können.
Historische Gebäude können wir uns dann wieder in Zehdenick ansehen, allen voran das Zisterzienserinnen-Kloster mit der Klostergalerie. Direkt am Wegesrand liegen das Schiffermuseum und die alte Schleuse.
Nachdem wir uns im Heimatmuseum von Liebenwalde über die Geschichte informiert haben, sehen wir uns im ehemaligen Stadtgefängnis das „Museum im Knast“ an. Dann gelangen wir am Ufer des Lehnitzsees nach Oranienburg. Hier stehen der Besuch des Schlosses und seiner Orangerie sowie des Kreismuseums auf dem Programm. Ein dunkles Kapitel der Geschichte lernen wir kennen, wenn wir die Gedenkstätte zum KZ Sachsenhausen besuchen.
In Hennigsdorf geht es noch beschaulich zu. So können wir uns ganz entspannt auf das Ausflugsschiff begeben oder uns das Alte Wasserwerk, das Alte Rathaus und die Fußgängerzone ansehen.
Tipp: In bzw. hinter Hennigsdorf bieten sich zwei „Abstecher“ an, die jeder für sich aber mehrere Tage füllen können: Der sportliche Abstecher führt entlang des Berliner Mauerwegs. Auf rund 160 km wird uns hier, am ehemaligen Mauerverlauf, die Geschichte der deutschen Teilung vor Augen geführt. Dabei werden auch die fünf Gedenkstätten zur Berliner Mauer angesteuert, unter ihnen der an der Bernauer Straße. Die gezeigten Bilder gehen oftmals unter die Haut.
Der zweite „Abstecher“ führt von Spandau entlang des Hohenzollernkanals in die Stadtmitte von Berlin.
Unser Abstecher-Weg bringt uns geradewegs am Reichstag vorbei zum Brandenburger Tor, das Symbol für die deutsche Trennung und die deutsche Einheit gleichermaßen geworden ist. Vom Brandenburger Tor führt die Straße des 17. Juni schnurgerade durch die grüne Lunge zur Siegessäule. Auf der anderen Seite des Tores beginnt die berühmte Avenue Unter den Linden, die am Schlossplatz vorbei zum unter Kaiser Wilhelm II. 1894–1905 neu erbauten Dom führt. Hier liegen auf einer Insel mitten in der Spree, die sich Museumsinsel nennt, Ausstellungen von Weltrang. Zwischen 1830 und 1930 entstand hier „im Fluss“ eine „Tempelstadt der Künste“. Unter ihnen das Alte Museum, das Bode-Museum, das Pergamonmuseum oder das Vorderasiatische Museum. Prunkstück im Neuen Museum ist die weltberühmte Büste der ägyptischen Königin Nofretete.
Weiter geht´s von Berlin bzw. Spandau aus am Wannsee vorbei durch Potsdam, Werder und Ketzin, ehe wir nach Brandenburg an der Havel kommen.
Wir tangieren den Ortsteil Glienicke, der einst eine Mustersiedlung der DDR war. 1973 schafften es zwei Familien, durch einen 19 m langen Tunnel in den Westen zu flüchten, obwohl die Region wegen des hohen Grundwasserspiegels als „nicht tunnelgefährdet“ galt. Berühmt war im kalten Krieg die Glienicker Brücke, die nur ausgewählte Personen passieren durften. Nicht umsonst trug sie den Beinamen „Agentenbrücke“.
Rund um „Berlins Badewanne“, den Großen Wannsee, ist heute Entspannung angesagt. Zudem können wir uns einige tolle Villen in oft bester Lage ansehen.
Potsdam ist eine der Hauptattraktionen unserer Reise. Wie in eine vergangene Zeit versetzt kommen wir uns beim Rundgang durch die historische Altstadt vor – ob das Alte Rathaus am Alten Markt oder die schönen Fassaden am Neuen Markt, der neue Lustgarten mit der Nikolaikirche oder beim Besuch der Historischen Quartiere. Sehenswertes gibt es in Hülle und Fülle. Unter den historischen Quartieren versteht man das Weberviertel, das Villenviertel Neubabelsberg, das Holländische Viertel und die Russische Kolonie Alexandrowka. Wer mehr Zeit hat, taucht ein in die fiktive Welt der Filmstudios Babelsberg. Pflicht ist in jedem Falle der Besuch des Schlosses Sanssouci, das einst als Sommerresidenz für Friedrich den Großen diente. Ein Rundgang durch die weitläufigen Gärten ist ein Fest für alle Sinne!
Durch idyllische Landschaft und kleine Orte geht es entlang der Havel nach Brandenburg an der Havel. Die Bomben des Zweiten Weltkriegs fielen vor allem auf die nahe gelegene Hauptstadt Berlin, so konnte die Altstadt den Krieg fast unversehrt überstehen. Vor der Staffelgiebel-Fassade des Rathauses erzählt uns der 5,35 m hohe 1474 erschaffene Roland, dass hier einst eine mittelalterliche Rechtsordnung gepflegt wurde. Aus jener Zeit stammen auch noch die Reste der Stadtmauer mit den vier Türmen. Über viele Jahrhunderte wurde der Dom St. Peter und Paul ständig erweitert, bis das heutige Bauwerk stand.
Weiter geht´s von Brandenburg an der Havel durch Premnitz und Rathenow. Schließlich erreichen wir bei Havelberg die Mündung in die Elbe.
Nun kommt wieder eine „Abkühlstrecke“ für heiße Sommertouren – Bademöglichkeiten haben wir bei der Umrundung von Breitlingsee, Mösersche See, Heiliger See und Plauer See, ehe es durch viel Grün zum Havelsee geht.
Premnitz gilt als bedeutender Industriestandort der Region, andere schätzen eher die Gegend als Wassersportgebiet.
Kennen Sie eine Vierspindelschleifmaschine? Sie wurde um 1800 von Johann Heinrich August Duncker aus Rathenow entwickelt. Damit konnte die Fertigung von Brillengläsern wesentlich wirtschaftlicher durchgeführt werden – als Erinnerung an diese Zeit gibt es heute den Optipark, in dem das bei Insidern bekannte Brachymedial-Fernrohr zu sehen ist. Eine tolle Symbiose aus Altem und Neuem ist auch an der Kirchbergbrücke und am Alten Hafen gelungen, dessen Stufen zum Verweilen einladen. Auf dem Rathenower Weinberg steht seit 1914 der sehenswerte Bismarckturm am Ende eines hübsch angelegten Gartens. Er erinnert daran, dass die Wahlmänner aus Rathenow dafür sorgten, dass Bismarck 1849 in den preußischen Landtag gewählt wurde.
Der Hohenauer See liegt rechts von uns – hier gibt es einen Ort mit dem netten Namen „Wassersuppe“. Durch ruhige Natur und das 1381 als „Grocz“ erstmals erwähnte Grütz kommen wir nach Schollene, wo die Grenze zwischen Brandenburg und Sachsen-Anhalt durch die Havel verläuft. Der Gülper See bei Garz ist die letzte größere Möglichkeit zum Schwimmen, ehe wir in Havelberg das Ende unseres Radweges erreichen. Und das könnte spektakulärer kaum sein, denn das historische Zentrum liegt auf einer Insel mitten in der Havel. Und als ob dieses herrliche Panorama nicht ausreichen würde, gibt es in Havelberg auch noch einen Dom namens St. Marien – mit Brandenburg ist die Stadt damit der älteste Bischofssitz östlich der Elbe. Die kirchlichen Wurzeln werden durch die Stadtkirche St. Laurentius, das Prämonstratenserdomstift und durch die Hospitalskirchen St. Anna und St. Spiritus unterstrichen.
Tipp: Der Havelberger Pferdemarkt ist weit über die regionalen Grenzen hinaus bekannt. Meist wechseln um die 500 Pferde ihren Besitzer. Viele der Besucher kommen nicht nur für die stolzen Vierbeiner, sondern auch für die Kirmes und das bunte Höhenfeuerwerk.
Auf zum Segeln!
Kartentipp:
ADFC-Regionalkarten Mecklenburgische Seenplatte, 1:75.000, ISBN 978-3-87073741-2 + Potsdam/Havelland, 1:75.000,
ISBN 978-3-87073-739-9