Читать книгу Schirach - Oliver Rathkolb - Страница 7

1. VON BULL RUN ZUM GROSSHERZOGLICHEN HOFTHEATER Die Familie Schirach auf dem Weg nach Weimar

Оглавление

Baldur von Schirach war im »Dritten Reich« allgegenwärtig. Die Jugendbewegung der »braunen Revolution« trug seine Handschrift. Er selbst sah sich tatsächlich als Revolutionär – als geschäftiger »Macher« im Braunhemd, zusammengeschweißt mit dem von ihm verehrten Adolf Hitler auf Gedeih und Verderb. Eine bemerkenswerte Blitzkarriere im Schatten des »Führers« hatte ihn an die politische Spitze gebracht: Baldur von Schirach, Jahrgang 1907, wurde 1925, im Alter von achtzehn Jahren, Mitglied der NSDAP. Seit 1927 trug er das Braunhemd der SA, der »Sturm Abteilung« der »Bewegung« im Zeichen des Hakenkreuzes. 1928 übernahm der junge Mann aus Weimar, der abseits des politischen Getriebes recht und schlecht Gedichte schrieb, das Amt des Reichsführers des NS-Studentenbundes, 1931 wurde er Reichsjugendführer, 1933 Jugendführer des Deutschen Reiches im Rang eines Staatssekretärs. Schirach gelang es, sich im inneren Kreis der Macht zu etablieren, obwohl er unter den gestandenen Parteigenossen, den »Eisenfressern« aus den Freikorps und Bierkellern, wie ein »entgleister Aristokrat«2 wirkte.

Hitler und auch Goebbels schätzten ihn lange Zeit, präsentierte Schirach den »Führer« doch so, wie man es gerne sah: »als Vater seines treuen und geliebten Volkes«.3 Hitlers Image war vor allem auch die Arbeit seines jungen Paladins Schirach. Nach kurzem Kriegsdienst an der Westfront wurde Baldur von Schirach im August 1940 von Hitler als Reichsstatthalter und Gauleiter nach Wien geschickt, blieb aber Reichsleiter der NSDAP für die Jugenderziehung und Beauftragter des Führers für die Inspektion der Hitler-Jugend sowie oberster Verantwortlicher für die NS-Jugendpolitik, auch wenn sein Stellvertreter Artur Axmann Reichsjugendführer wurde. Schirach, so das Kalkül des »Führers«, sollte die Sympathien der Wienerinnen und Wiener für sich gewinnen, er interpretierte diesen Auftrag jedoch auf sehr eigene Art und Weise: Während in den Konzertsälen und auf den Bühnen der Stadt die von ihm geförderte »Wiener Kultur« glanzvolle Erfolge feierte und er sich mit viel Aufwand in europäischer Diplomatie versuchte, rollten vom Aspangbahnhof die Todeszüge in die Vernichtungslager des Ostens und starben im Landesgericht jene Frauen und Männer auf dem Schafott, die den Widerstand gegen das NS-Terrorregime gewagt hatten. Schirach wollte zwar die blutige Arbeit der Henker nicht sehen, meinte aber verkünden zu müssen, dass die Stadt unter seiner Ägide »judenfrei« geworden wäre. Als er im Frühjahr 1945 Wien gegen die anrückende Rote Armee verteidigen sollte, zeigte sich rasch, dass er dieser Aufgabe nicht gewachsen war – »seinen« Hitlerjungen blieb es überlassen, sich den russischen Panzern entgegenzustellen. Die wenig heldenhafte Flucht aus dem umkämpften Wien führte über die Anklagebank von Nürnberg in die 20-jährige Düsterkeit und Isolation einer Gefängniszelle in Berlin-Spandau …

Schirach

Подняться наверх