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It‘s Not TV

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Wer die Anfänge des Pay-TV in den 80ern vermutet, wird erstaunt sein, dass schon in den 50er Jahren das Bezahlfernsehen als Alternative im Gespräch war. Der renommierte britische Filmproduzent Sir Alexander Korda beschrieb 1955 das Modell so: »Beim Abonnementsfernsehen kauft sich der Teilnehmer eine Sendung wie ein Pfund Fleisch beim Schlachter.«7

Im kalifornischen Palm Springs, nicht weit von Hollywood entfernt, wurde sogar der Versuch vollzogen, bei dem die Nutzer einen zu einem bestimmten Zeitpunkt gestarteten Film freischalten konnten. Der lief gleichzeitig auch in den lokalen Kinos, jedoch zu einem etwas günstigeren Preis als die heimische Vorführung. Die Box mit dem Geld wurde einmal im Monat von dem Anbieter eingesammelt und durch eine neue ausgetauscht. Allerdings führten die hohen Kosten für die Nutzer, die für Einrichtung und Box eine monatliche Gebühr ebenso wie für jeden Film zahlen mussten, dazu, dass der Versuch bald wieder eingestellt wurde.

Zudem gab es auch damals schon heftige Kämpfe um das Modell. So fürchteten vor allem die Kinobesitzer, dass die Hollywoodstudios ihre Filme nicht mehr für die Leinwände, sondern für das Bezahlfernsehen drehen würden – eine Sorge, die heute abermals äußerst aktuell ist.

Zehn Jahre nach dem ersten Versuch kam ein junger Unternehmer auf eine verwegene Idee. Viele Wohnungen in New York konnten aufgrund der hohen Gebäude kein Fernsehen über Antenne empfangen. Charles Dolan gründete eine eigene Firma (heute würden wir Start-up sagen) und verkabelte mehr als zehn Wohnblocks und übertrug so die Signale auf die Fernsehgeräte – eigentlich ein vielversprechender Gedanke, aber die Kunden mussten für den Dienst zahlen. Und kaum jemand war bereit, Geld auszugeben für etwas, was der Rest der Nation umsonst bekam. Dolan hatte sich verkalkuliert, der Aufbau des Netzes und der Unterhalt verschlangen seine ganzen Rücklagen. Das New Yorker Zeitungsimperium Time Life war aber entschlossen, in einen erneuten Versuch zu investieren. Weit ab von der Metropole installiert Dolan ein Kabelnetz. Diesmal bot er zusätzlich einen eigenen Sender an. Am 8. November ging HBO (Home Box Office) auf Sendung. Allerdings konnten nur wenige Tausend Haushalte das Signal überhaupt empfangen, und das Angebot aus zweitklassigen Filmen und Sportveranstaltungen war auch nicht außerordentlich überzeugend. Time Life übernahm die Mehrheit an dem Unternehmen, und 1973 musste der Gründer Dolan seinen Hut nehmen.

Unter der neuen Führung wuchsen die Abonnentenzahlen, u. a. auch weil der Kabelsender Filme im Programm hatte, die bei den andern Anbietern nie laufen könnten. Da die staatlichen Regulierungsbehörden die Kabelanbieter nicht im gleichen Maße einschränken, was Sex und Gewalt betrifft, wie die frei empfangbaren Sender, nutzen sie diese Lücke ausgiebig aus. Wer nach Mitternacht HBO einschaltete, bekam mit großer Wahrscheinlichkeit einen Erotikfilm zu sehen.

1975 war HBO bereit sein Angebot auf die gesamte USA auszuweiten – ein dringend notwendiger Schritt, damit die Kundenzahlen noch weiter steigern konnten und die Profitabilität gewährleistet wäre. Aber die Besitzer der in der Erde verlegten nationalen Kabel verlangten von HBO mehrer hundert Millionen Dollar, ein Betrag, der die Möglichkeiten weit überstieg. War dies das Ende des Traums?

HBO investierte in eine Satellitenverbindung, um die Signale direkt in die bereits vorhandenen einzelnen Kabelnetze einzuleiten. Und um der Nation deutlich zu machen, dass es sich lohnt ein Abonnement abzuschließen, übertrug der Kabelkanal einen der großen Boxkämpfe aller Zeiten. Das Duell von Muhammad Ali und Joe Frazier, das in die Geschichte als »Thrilla in Manila« einging.

Im Jahr darauf wuchs die Abonnentenzahl jeden Monat um 30.000 und erreichte 1980 eine Million. Der wachsende Erfolg führte natürlich dazu, dass auch andere auf den Geschmack kamen, so startete u. a. 1976 der Anbieter Showtime. Beide lieferten sich in den 80ern einen erbitterten Kampf, um die Gunst der Zuschauer.

Aber die Gefahr für die Konkurrenten kam aus einer ganz anderen Richtung. Immer mehr Hauhalte hatten sich einen Rekorder angeschafft, und Videotheken schossen wie Pilze aus dem Boden. Auf diese Weise konnten die Zuschauer nicht nur Filme ohne Werbeunterbrechungen schauen, sondern auch den Zeitpunkt selbst bestimmen, ein klarer Vorteil gegenüber dem festen Sendeschema der Kabelsender. Und die Kunden registrierten, dass dort immer die gleichen Filme liefen und nur wenige neue hinzukamen.

Die Zahl derjenigen, die bereit waren, für das Angebot von HBO und Showtime zu bezahlen sank. Die Situation verschärfte sich noch als die DVD auf den Markt kam, denn hier war nicht nur die technische Qualität besser, auch enthielten die silbernen Scheiben oft attraktives Bonusmaterial.

Mitte der 90er Jahre war klar, es gab nur einen Ausweg. Neue Kunden waren nur mit eigenen Produktionen zu gewinnen. Angebote, die die Abonnenten nur auf HBO zu sehen bekamen. Und für einen Fernsehsender in den USA lag es nahe, nicht einen Film, sondern eine Serie zu produzieren. Natürlich sollte sich das Projekt von den Angeboten der frei empfangbaren Sender unterscheiden. Immer noch unterlagen die Kabelanbieter nicht den strikten Auflagen der staatlichen Stellen. Die erste Serie von HBO musste also mehr an nackter Haut und Gewalt enthalten, als die Zuschauer sonst zu sehen bekamen.

Der Chef der Firma Jeff Bewkes ging auf die Autoren zu, die bislang für die klassischen Sender geschrieben hatten. Er fragte sie, ob sie nicht Ideen im Kopf hätten, die sie bisher nicht unterbringen konnten. Schräge Konzepte mit außergewöhnlichen Figuren. Einer der Drehbuchautoren schlug ihm vor, eine Serie in einem Hochsicherheitsgefängnis spielen zu lassen. Er wollte realistische Figuren, die aus Gangmitgliedern, Mördern und Neonazis bestehen sollten.

Es war nur allzu verständlich, dass die klassischen Sender dankend abgewunken hatten.

Und Jeff Bewkes sagte zu, denn dies war genau das, was die Zuschauer bei ABC, CBS, NBC und Fox nicht zu sehen bekamen.

1997 wurde OZ von Tom Fontana ausgestrahlt. Das Feuilleton reagierte gespalten, und das Publikum war zurückhaltend. Aber die Serie machte deutlich, was HBO erreichen wollte.

Und dieses Ziel manifestierte sich auch in dem Slogan, mit dem der Kabelsender fortan sein Programm bewarb: It‘s Not TV. It‘s HBO.

Zwei Jahre später erschien eine weitere neue Produktion über einen Mafiaboss und seine Familie. Tony Soprano schlägt Menschen brutal zusammen, betrügt seine Frau, dealt mit Drogen und bringt einen Kronzeugen um. Die Zuschauer waren begeistert. Nicht nur unterschied sich The Sopranos in seinem Realismus von der sonstigen Fernsehware, sie erzählte auch tief gehend und ohne Kompromisse.

Es ist der Beginn des sogenannten »Goldenen Zeitalters« der Serie. Schon vorher hatte HBO Sex and the City herausgebracht. Vier Freundinnen in New York geben in dieser Geschichte offen und frisch ihre Schwierigkeiten mit Sex und mit Männern preis. Diese Produktionen waren für HBO so erfolgreich, dass nicht nur der Kabelsender selbst mit mehr Serien an den Start ging, sondern dass auch viele andere Konkurrenten mit attraktiven Formaten erschienen.

In den kommenden Jahren folgten weitere Serien, die zum »Quality-TV« gezählt werden: Six Feet Under, The Wire und True Blood. Sie zeichnen sich durch einen harten Realismus (The Wire) aus und vor allem durch die Originalität der Grundidee: Eine Familienserie in einem Beerdigungsinstitut (Six Feet Under) und die Liebesgeschichte zwischen einer jungen Frau und einem Vampir (True Blood).

Und im Jahr 2011 ging HBO mit einer Adaption der Fantasy Reihe A Song of Ice and Fire von George R. R. Martin an den Start: Game of Thrones. Die Saga wurde schnell zu einem kulturellen Phänomen. Sie wurde mit Preisen überhäuft und von den Zuschauern zu den Ausstrahlungsterminen sonntags sehnsüchtig erwartet. Vor allem führte GoT, (wie die Serie allgemein abgekürzt wird) dazu, dass die Zahlen der illegalen Streams in der Welt stark anstiegen.

Die Netflix-Revolution

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