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KAPITEL DIE STREAMINGREVOLUTION

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Florian bestellte sich telefonisch beim Asiaten noch schnell ein rotes Curry. Er hatte es genau so geplant, dass die Ware wenigen Minuten nach seiner Ankunft in die Wohnung geliefert wird. Tatsächlich zog er gerade seinen Mantel aus, als es klingelte. Der Bote überreichte ihm die Aluminiumverpackungen. Als er das billige Gericht auf dem Teller anrichtete, schwörte er sich, spätestens übermorgen wieder selbst zu kochen. Bis dahin sollte er es geschafft haben. Immerhin waren es nur noch acht Folgen. Mit dem Essen in der einen und die Fernbedienung in der anderen schaltete er den Flachbildschirm an und hangelte sich durch die Benutzeroberfläche. Dann erklang die mitreißende Musik, die die dramatischen Bilder Washingtons begleitete. Francis Underwood erschien und versuchte den Lehrerstreik zu beenden. Der brutale Politiker, dem er gestern bis spät in die Nacht fünf Folgen lang bei seinen hinterhältigen Machenschaften gefolgt war, hatte ihn in den Bann gezogen. Natürlich wollte er unbedingt wissen, ob Underwoods Plan, sich am Präsidenten zu rächen, aufgeht. Nur deshalb hatte er sich ein Netflix-Abo gegönnt, weil alle Kollegen von der Serie geschwärmt hatten. Und tatsächlich war auch er gefangen. Zwischendurch schrieb er seinem Freund Tom eine

SMS über das tragische Schicksal des Kongressabgeordnete Peter Russo. Allerdings erhielt er keine Antwort, was nur daran liegen konnte, dass sein Kumpel wie er heute Mittag angekündigt hatte, wahrhaftig ins Kino gegangen war.

Mit Beginn des neuen Jahrtausends wurde zuerst die Musikindustrie, dann der Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt durch das Internet einem disruptiven Wandel unterzogen.

Es war das Jahr 2003, da hatte der Apple-Gründer Steve Jobs mit iTunes einen Dienst vorgestellt, mit dem die Nutzer über das Netz Musikstücke erwerben und auf ihre Geräte (insbesondere den iPod) herunterladen konnten. Das Prinzip »Downloading« entwickelte sich zu einem weltweiten Erfolg, zunehmend verschwanden die CDs aus den Wohnzimmern, und es endete die Zeit der beliebten Plattenläden in den Städten. Für viele, vor allem junge Käufer, wurde der Besitz einer CD unwichtig. Zu verlockend waren die Vorteile des neuen Systems. Binnen weniger Jahre gewöhnten sich die Kunden daran, dass sie nicht nur ganze Alben, sondern auch einzelne Lieder erwerben konnten. Der Kaufwunsch wurde sofort und bequem zuhause erfüllt. Und der Genuss der Musik war auf sehr bequeme Art und Weise nicht mehr an einen Ort gebunden. Zwar fasste der erste iPod nur wenige Musikstücke (siehe Steve Jobs’ Slogan: »1000 Songs in Your Pocket«), aber schon bald war die Kapazität auf das zehnfache gestiegen. Dadurch war die eigene Musiksammlung immer und überall verfügbar. Die Vorteile dieser neuen Methode der Distribution erzeugte einen Bedarf, dass dies auch für Filme und Serien möglich sein sollte. Natürlich brauchte es dazu ein Abspielgerät, das über die notwendige Technik verfügte und einen ausreichenden Bildschirm besaß. Zwar konnten auf den iPods ab 2005 Videos abgespielt werden, aber das streichholzschachtelgroße Display war nicht besonders geeignet, Filme wie Stars Wars anzuschauen. Trotzdem wurden ab 2006 im iTunes Store neben der Musik zum ersten Mal Filme und Serienfolgen zum Kauf, also zum Download, bereitgestellt. Das Angebot blieb zwar zuerst auf die USA beschränkt, es stellte doch einen wichtigen Schritt in die audiovisuelle Zukunft dar. Allerdings beruhte das System noch darauf (wie auch im Musikbereich), dass der Kunde den Film kaufte und auf sein eigenes Gerät herunterlud. Er war im Gegensatz zum Streamen im Besitz der Ware und musste nur für den tatsächlich gekauften Film bezahlen. Beim Laden eines Films spielt die Zugangsgeschwindigkeit zum Internet für Verbraucher keine große Rolle. Es ist zwar ärgerlich, wenn der Download mehr als eine Viertelstunde dauert, aber dem Genuss des Films tut dies keinen Abbruch. Das Streamen eines Spielfilms in annehmbarer Qualität war aufgrund der langsamen Übertragungsgeschwindigkeit für die meisten Kunden zu dieser Zeit noch gar nicht möglich.

Im Jahr 2005 wurde das Unternehmen YouTube gegründet, das darauf spezialisiert ist, dass die Nutzer eigene Videos hochladen können. Schon sehr schnell stand eine Vielzahl von zumeist kurzen Clips auf der Plattform. Als YouTube in 2006 von Google übernommen wurde, wurden pro Tag rund 100 Millionen Mal Videos angesehen und 65.000 Clips hochgeladen. Allerdings war, damit ein ruckelfreies Streamen möglich wurde, die technische Qualität der Videos dem Amateurcharakter der Werke angemessen.

Natürlich wollte und sollte YouTube damals nicht das Fernsehen ersetzen, aber schon bald war klar, dass der Vertrieb von audiovisuellen Inhalten ein entscheidender Bereich in der Zukunft des Internets sein wird. Und tatsächlich schritt der Entwicklung stürmisch voran. Die schnelleren Verbindungen und besseren Computer hatten es möglich gemacht, dass Spielfilme in ausreichender Qualität über das Netz übertragen werden konnten. Was vorher schon mit der Musik geschehen war, wurde nun auch mit Filmen machbar. Gleichzeitig starteten die ersten sogenannten SVOD-Dienste (Subscription Video on Demand), also Plattformen, die gegen eine monatliche Gebühr Filme und Serien zur Verfügung stellten.

Das Zeitalter des Streamens hatte begonnen.

Die Netflix-Revolution

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