Читать книгу Die Verborgene Harmonie - Бхагаван Шри Раджниш (Ошо), Osho, Osho . - Страница 12

2. KAPITEL WIR SCHLAFEN MIT OFFENEN AUGEN

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Menschen sind selbst in wachen Augenblicken

Wie Blinde und beachten das,

Was um sie her geschieht, so wenig

Wie in ihrem Schlaf.

Narren sind, obwohl sie hören können,

Genau wie Taube.

Für sie gilt das Sprichwort:

Selbst anwesend

Sind sie abwesend.

Handelt nicht und sprecht nicht wie im Schlaf!

Wachende haben eine Welt gemeinsam –

Schlafende haben jeder eine Welt für sich.

Wachend sehen wir nichts als Tod,

Schlafend – nichts als Träume.

Heraklit rührt an das tiefste Problem der Menschheit – dass wir sogar im Wachzustand fest schlafen. Ihr schlaft, wenn ihr schlaft, aber ihr schlaft auch, wenn ihr wach seid. Buddha sagt es, Jesus sagt es und Heraklit sagt es auch: Ihr seht hellwach aus, aber das ist nur Schein; tief im Innern geht der Schlaf weiter. Was ist damit gemeint?

Sogar in diesem Augenblick träumt ihr im Innern. Tausende von Gedanken reihen sich aneinander – und ihr seid euch nicht bewusst, was ihr tut, ihr seid euch nicht bewusst, wer ihr seid.

Ihr wisst sicher, dass bestimmte Leute, sogenannte Somnambule, im Schlaf herumgehen, irgendetwas tun und sich dann wieder hinlegen. Sie steigen nachts aus dem Bett, mit offenen Augen, gehen herum, öffnen zum Beispiel die Tür zur Küche, machen sich etwas zu essen und legen sich dann wieder schlafen. Und wird so ein Mensch am Morgen danach gefragt, weiß er nichts davon. Er erinnert sich höchstens an einen Traum, in dem er aufgestanden ist und sich in der Küche etwas zu essen gemacht hat … aber freilich nur im Traum und selbst daran wird er sich kaum erinnern können.

Viele Menschen haben auf diese Weise Verbrechen begangen. Es gibt Mörder, die vor Gericht aussagen, dass sie nichts mehr wissen, dass sie sich nicht mehr daran erinnern können, so etwas getan zu haben. Und sie belügen nicht etwa das Gericht – durchaus nicht! Die Psychologen wissen heute, dass das keine Täuschungsversuche sind, dass diese Menschen nicht die Unwahrheit sprechen. Sie sprechen die volle Wahrheit. Sie haben gemordet, aber im Tiefschlaf; sie taten es wirklich – aber wie im Traum. Solch ein Schlaf ist tiefer als unser gewöhnlicher Schlaf. Diese Art von Schlaf ist wie Trunkenheit: Man kann ein wenig herumgehen, man kann ein paar Dinge tun, man kann sogar ein bisschen wahrnehmen – aber man ist wie betrunken. Man weiß nicht genau, was geschieht.

Und ihr – was habt ihr in eurer Vergangenheit getan? Könnt ihr euch genau daran erinnern, warum ihr getan habt, was ihr getan habt? Und was euch alles zugestoßen ist – wart ihr bei klaren Sinnen, als es geschah? Ihr verliebt euch und wisst nicht warum. Ihr werdet böse und wisst nicht warum. Natürlich habt ihr eure Erklärungen dafür. Ihr rationalisiert alles, was ihr tut – aber Rationalisieren ist nicht Bewusstheit.

Bewusstheit bedeutet, dass alles, was im Moment geschieht, mit vollem Bewusstsein wahrgenommen wird: Du bist völlig da. Wenn du voll bei Sinnen bist, dann kann keine Wut ausbrechen. Sie kann nur ausbrechen, wenn du fest schläfst. Wenn du ganz da bist, findet sofort eine innere Umwandlung der Energie statt; denn wenn du gegenwärtig bist, voll bewusst, sind gewisse Dinge einfach nicht möglich. Alles, was man Sünde nennt, ist im bewussten Zustand nicht möglich. Und so gibt es also nur eine wirkliche Sünde und die heißt Unbewusstheit.

Das ursprüngliche Wort für Sünde bedeutet so viel wie fehlen, verfehlen. Es bedeutet nicht, etwas Falsches tun; es bedeutet einfach fehlen, abwesend sein. Das besagt die hebräische Wurzel des Wortes Sünde – fehlen. Ganz in dem Sinn, wie es noch in den heutigen Worten ‚Fehlverhalten‘ und ‚Fehltritt‘ steckt. Fehlen heißt, nicht da sein, etwas tun, ohne da zu sein. Das ist die einzige Sünde. Und entsprechend ist das einzige Verdienst: alles mit vollem Bewusstsein zu tun.

Gurdjieff nennt es „Selbsterinnerung“; Buddha nennt es „Gewahrsein“; Krishnamurti nennt es „Wachheit“; Kabir nennt es Surati – gegenwärtig sein. Das ist alles, was Not tut – sonst nichts. Zu ändern brauchst du nichts. Du kannst tun, was du willst, um dich zu ändern, es wird dir nicht gelingen. Wie oft hast du versucht, alles Mögliche an dir zu ändern. Und der Erfolg? Wie oft hast du dir vorgenommen, nie wieder wütend zu werden! Was ist aus deinem Vorsatz geworden? Wenn es so weit ist, gehst du wieder in die gleiche Falle: Du wirst wütend. Und wenn die Wut verraucht ist, tut es dir wieder leid. Es ist wie ein Teufelskreis: Du wirst wütend, dann bereust du, dann bist du irgendwann wieder so weit.

Vor allem macht euch klar: Selbst in der Reue seid ihr nicht gegenwärtig. Auch die Reue gehört zur Sünde. Genau darum verändert sich auch nichts. Du versuchst es immer von neuem, fasst gute Vorsätze und machst Versprechungen, aber nichts geschieht – du bleibst, der du bist. Du bleibst genau derselbe, der du schon bei deiner Geburt warst, nicht die kleinste Veränderung hat sich in dir abgespielt. Das liegt nicht daran, dass du es etwa nicht versucht hättest, dass du dich nicht genug angestrengt hättest. Du hast es immer wieder versucht, aber umsonst – weil es nämlich keine Frage der Anstrengung ist. Sich noch mehr anzustrengen führt zu nichts. Es ist eine Frage der Wachheit, nicht der Anstrengung.

Wenn du wach bist, fällt vieles von selbst weg, ohne dass du es fallen lassen musst. Wenn du wach bist, sind bestimmte Dinge einfach nicht möglich. Und das ist meine Definition von Sünde: Was du im wachen Zustand nicht tun kannst, nenne ich Sünde. Und alles, was du im wachen Zustand tun kannst, ist Tugend. Es gibt keine andere Definition, es gibt kein anderes Kriterium. Du kannst dich nicht verlieben, wenn du wach bist. Somit ist es Sünde sich zu verlieben. Im Wachzustand kannst du nur lieben – das ist dann aber kein Herabfallen, keine Trübung deiner Wachheit, sondern ein Aufsteigen zu einem höheren Bewusstsein.

Warum sprechen wir von Verlieben? Es ist ein Fallen; du kommst dir abhanden, du fällst – du steigst nicht auf. Wenn du wach bist, kannst du einfach nicht fallen, nicht einmal in die Liebe hinein. Das ist nicht möglich, einfach nicht möglich. Bei wachem Bewusstsein ist das unmöglich – denn durch Liebe steigst du auf. Und wenn du durch Liebe aufsteigst, ist das ein vollkommen anderes Phänomen, als wenn du dich verliebst, jemandem verfällst. Verliebtheit ist ein Traumzustand.

Man kann es deshalb den Leuten an den Augen ablesen, wenn sie verliebt sind: als wären sie in Trance, als wären sie berauscht und voller Träume. Ihre Augen sind schwer von Schlaf. Menschen, die zur Liebe aufsteigen, sind vollkommen anders. Es lässt sich erkennen, dass sie frei von Träumen sind, dass sie der Wirklichkeit ins Auge schauen und dass sie durch ihr Lieben wachsen.

Wenn du dich verliebst, fällst du ins Kindliche zurück. Wenn du zur Liebe aufsteigst, reifst du. Und mit der Zeit hört die Liebe auf, eine Beziehung zu sein, sondern sie wird zu einem Seinszustand. Dann liebst du nicht den einen mehr und den anderen weniger. Nein – du bist dann ganz einfach Liebe. Wer immer dir nahekommt, du teilst mit ihm. Was immer geschieht, du gibst deine Liebe. Du berührst einen Stein, als wäre er der Körper deiner Geliebten; du blickst einen Baum an, als blicktest du in das Gesicht deiner Geliebten. Es wird zu einem Seinszustand. Du bist nicht verliebt, sondern jetzt bist du Liebe. Und das ist ein Aufsteigen, kein Fallen. Liebe ist schön, wenn du durch sie zu einer höheren Ebene aufsteigst, und Liebe wird schmutzig und hässlich, wenn du ihretwegen fällst. Dann wirst du früher oder später sehen, dass sie sich als Gift erweist, dass sie zur Fessel wird. Du hast dich einfangen lassen, deine Freiheit wird erdrückt, deine Flügel werden dir gestutzt, du bist ein Gefangener. Wenn du dich verliebst, wirst du zum Besitz; du besitzt den andern und gestattest dem andern dich zu besitzen. Du wirst zur Sache gemacht und willst umgekehrt den, in den du dich verliebt hast, zur Sache machen. Seht euch ein Ehepaar an: Mann und Frau sind wie Objekte, sie sind keine Menschen mehr. Beide versuchen, sich gegenseitig zu besitzen – nur Objekte lassen sich besitzen, niemals Menschen. Wie kannst du einen Menschen besitzen? Wie kannst du einen Menschen beherrschen? Wie kannst du einen Menschen in Besitz umwandeln? Unmöglich! Aber der Mann versucht die Frau zu besitzen und die Frau macht es umgekehrt. Dann kommt es zum Zusammenprall; sie werden zu heimlichen Feinden und zerstören sich gegenseitig.

Es geschah: Mulla Nasrudin kam ins Friedhofsbüro und beschwerte sich beim Manager: „Ich weiß genau, dass meine Frau hier auf Ihrem Friedhof begraben liegt, aber ich kann ihr Grab nicht finden.“ Der Aufseher sah im Register nach und fragte: „Wie heißt Ihre Frau?“ – Mulla sagte: „Frau Mulla Nasrudin.“ Er sah wieder nach und sagte: „Wir haben hier keine Frau Mulla Nasrudin, sondern nur einen Mulla Nasrudin.“ Und dann: „Es ist uns sehr peinlich, da muss ein Fehler im Register unterlaufen sein.“ Nasrudin sagte: „Keineswegs! Wo ist das Grab von Mulla Nasrudin? – Bei mir läuft alles unter meinem Namen. Auch das Grab meiner Frau!“

Besitz… jedermann sucht zu besitzen: die Geliebte den Liebhaber. Das hat mit Liebe nichts mehr zu tun. Im Gegenteil: Wenn du einen Menschen besitzt, dann hasst du ihn, dann zerstörst du ihn, dann tötest du ihn – du bist ein Mörder. Liebe muss Freiheit gestatten – Liebe ist Freiheit. Liebe macht den Geliebten freier und freier, Liebe verleiht Flügel und Liebe tut den weiten Himmel auf – sie kann kein Gefängnis, keine Einengung sein. Aber diese Liebe kennt ihr nicht, denn die geschieht nur, wenn ihr bewusst seid. Solche Liebe entsteht nur aus Bewusstheit. Die Liebe, die ihr kennt, ist Sünde, denn sie kommt aus Schlaf.

Und das gilt für alles, was ihr tut. Selbst wenn ihr versucht Gutes zu tun, richtet ihr nur Schaden an. Seht euch die sogenannten Wohltäter an: Sie richten immer nur Schaden an, sie sind die schlimmsten Aufrührer der Welt. Sozialreformer, sogenannte Revolutionäre, sie sind es, die am meisten Unheil anrichten. Aber es ist nicht leicht, das Unheil aufzudecken, das sie stiften, weil sie so gute Menschen sind. Sie tun den andern immer nur Gutes an – das ist ihre Art, die andern ins Gefängnis zu stecken. Wenn du ihnen erlaubst, etwas Gutes für dich zu tun, wirst du zu ihrem Besitz. Sie fangen damit an, dir die Füße zu salben und früher oder später spürst du ihre Hände am Hals. Bei den Füßen fangen sie an, beim Hals hören sie auf, aber sie tun es unbewusst, sie wissen nicht, was sie tun. Sie haben einen Trick gelernt: Wenn du jemanden besitzen willst, tu Gutes. Es ist ihnen nicht einmal bewusst, dass sie diesen Trick gelernt haben. Aber der Schaden, den sie anrichten, ist echt. Ganz gleich, wodurch man den anderen zu besitzen versucht, gleich in welcher Form und welchem Namen es geschieht, es ist unreligiös, es ist Sünde. Eure Kirchen, eure Tempel, eure Moscheen haben sich allesamt an euch vergangen; sie alle lassen ihre Herrschsucht an euch aus und haben euch im Griff.

Jede Kirche ist gegen Religion, weil Religion Freiheit bedeutet. Wie kommen Kirchen also zustande? Ein Jesus versucht euch Freiheit und Flügel zu geben. Aber was geschieht dann, wie kommt es später zu einer Kirche? Es liegt daran, dass Jesus auf einer völlig anderen Seinsebene lebt, der Ebene des Bewusstseins; und die, die ihm zuhören, die ihm folgen, leben auf der Ebene des Schlafs. Was immer sie hören, hören sie durch den Filter ihrer eigenen Interpretation, durch ihre interpretierenden Träume. Und was immer sie dann tun, ist Sünde. Christus gibt euch eine Religion und dann machen Leute, die im Tiefschlaf leben, eine Kirche daraus.

Es heißt, dass der Satan, der Teufel, eines Tages sehr traurig unter einem Baum saß. Ein Heiliger kam vorbei, sah ihn und sagte: „Ich dachte immer, dass du dich nie ausruhst, dass du unentwegt Gemeinheiten ausheckst. Was tust du hier unter diesem Baum?“ Satan war wirklich niedergeschlagen. Er sagte: „Ach, es scheint, die Priester haben mir die Arbeit abgenommen; ich habe nichts mehr zu tun, ich bin völlig unbeschäftigt. Manchmal kommen mir schon Selbstmordgedanken, weil diese Priester mehr Erfolg haben als ich.“

Die Priester haben so viel Erfolg, weil sie aus der Freiheit Gefangenschaft gemacht haben, weil sie die Wahrheit zu Ideologie pervertiert haben, weil sie alles von der Ebene des Bewusstseins auf die Ebene des Schlafs heruntergezerrt haben. Versucht zu verstehen, was dieser Schlaf genau ist, denn wenn ihr fühlen könnt, was er ist, seid ihr schon auf dem Weg, der hinausführt. Was ist dieser Schlaf? Wie kommt es dazu? Was ist sein Mechanismus? Was ist sein modus operandi?

Der Verstand ist immer entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Das ist seine Arbeitsweise – er ist nie in der Gegenwart. Er kann nicht in der Gegenwart sein, das ist dem Verstand völlig unmöglich. Wenn du in der Gegenwart bist, hört der Verstand auf, denn Verstand heißt Denken, und wie kann man in der Gegenwart denken? Du kannst nur über die Zukunft nachdenken; sie ist noch nicht da, also kann der Kopf davon träumen. Der Kopf kann zwei Dinge tun: Er kann entweder in die Vergangenheit gehen, da gibt es genug Spielraum, den ganzen unendlichen Raum der Vergangenheit; da kannst du dich endlos herumtummeln. Oder der Verstand geht in die Zukunft; auch sie ist ein unendlicher Raum, nicht auszumessen… du kannst träumen und träumen und träumen. Aber wie soll der Verstand in der Gegenwart funktionieren? Sie hat keine Ausdehnung; die Gegenwart hat keinen Raum, in dem sich der Verstand bewegen könnte.

Die Gegenwart ist nichts als eine Trennlinie. Sie ist ohne Raum. Sie scheidet die Vergangenheit von der Zukunft – nichts als eine Scheidelinie. Man kann in der Gegenwart sein; aber nur, wenn man nicht denkt; zum Denken braucht man Raum. Gedanken brauchen Raum, genau wie Dinge – vergesst das nie. Gedanken sind unsichtbare Dinge, sie sind stofflich; Gedanken sind nichts Übersinnliches, denn die Dimension des Übersinnlichen beginnt erst dort, wo die Gedanken aufhören. Gedanken sind stoffliche, feinstoffliche Dinge und jede Materie braucht Raum. Du kannst nicht in der Gegenwart denken; sobald du zu denken anfängst, ist sie schon wieder Vergangenheit. Du sieht die Sonne aufgehen; du siehst es und du sagst: „Was für ein schöner Sonnenaufgang!“ – er ist bereits Vergangenheit. Es gibt nicht einmal genug Spielraum um: „Wie schön!“ zu sagen, denn wenn du diese beiden Wörter aussprichst – „wie schön“ –, dann ist die Erfahrung schon Vergangenheit, dann hat der Verstand sie sich schon als Erinnerung eingeprägt. Aber was kannst du genau in dem Augenblick denken, wo die Sonne aufgeht – die Sonne steigt eben über den Horizont –, was kannst du da denken? Du kannst dich in diesen Augenblick auflösen, aber du kannst nicht denken. Für dich ist genug Raum da, aber nicht für Gedanken.

Eine Blume blüht im Garten und du sagst: „Eine schöne Rose!“, aber in dem Augenblick bist du nicht mehr bei der Rose; sie ist bereits Erinnerung. Wenn die Blume da ist und du bist da, beide einander gegenwärtig, wie kannst du dann denken? Was kannst du denken? Wie ist Denken möglich? Es gibt keinen Raum dafür. Der Raum ist so eng – vielmehr: Es gibt überhaupt keinen Raum – und du und die Blume, ihr könnt nicht getrennt sein, denn es gibt für zwei nicht genug Raum. Nur Eines kann existieren.

Wenn es nur noch Gegenwart gibt, wirst du die Blume und die Blume wird du. Du bist nur ein Gedanke, ebenso wie die Blume ein Gedanke in der Vorstellung ist. Wenn aber das Denken wegfällt, wer ist dann die Blume und wer ist der, der sie ansieht? Der Beobachter wird zum Gegenstand der Beobachtung. Plötzlich verschwimmen die Grenzen. Plötzlich bist du in die Blume eingedrungen und die Blume ist in dich eingedrungen. Plötzlich seid ihr nicht mehr zwei – nur Eins ist.

Sobald du zu denken anfängst, seid ihr wieder entzweit. Wenn du nicht denkst, wo ist dann die Dualität? Wenn du mit der Blume bist ohne zu denken, kommt es zu einer Zwiesprache, wo zwei eins werden: kein Zwiespalt, sondern Zwiesprache. Wenn du mit deiner Geliebten zusammen bist, ist es eine Zwiesprache, nicht ein Zwiespalt; es gibt keine Zweiheit mehr. Du sitzt neben deiner Geliebten, du hältst die Hand deiner Geliebten und du bist ganz einfach da. Ihr denkt nicht an die Tage, die hinter euch liegen; ihr denkt nicht an die Zukunft, die näherkommt – ihr seid hier und jetzt. Und es ist so schön, hier und jetzt zu sein, und so gewaltig; kein Gedanke kann diese Intensität durchbrechen. Und das Tor ist eng – eng ist das Tor der Gegenwart! Nicht einmal zwei können zusammen durchgehen, nur einer. In der Gegenwart ist Denken unmöglich, ist Träumen unmöglich, denn Träumen ist nichts anderes als Denken in Bildern. Beide sind sie Dinge, beide sind sie Erscheinungsformen der Materie.

Wenn du ohne zu denken in der Gegenwart bist, bist du zum ersten Mal im Übersinnlichen. Eine neue Dimension eröffnet sich dir – das ist die Dimension der Bewusstheit. Und weil ihr diese Dimension nie kennengelernt habt, behauptet Heraklit, dass ihr schlaft, dass ihr unbewusst seid. Bewusstheit heißt, so restlos im Augenblick aufzugehen, dass keine Bewegung möglich ist, weder in Richtung Vergangenheit noch in Richtung Zukunft. Alle Bewegung hört auf. Aber das bedeutet nicht, dass du bewegungslos wirst. Eine neue Bewegung beginnt, eine Bewegung zur Tiefe hin.

Es gibt zwei Formen von Bewegung und das ist die Bedeutung des Kreuzes Jesu: Es zeigt zwei Bewegungen an, die sich schneiden. Die eine Bewegung ist linear; man bewegt sich auf einer Linie, von einem Ding zum anderen, von einem Gedanken zum anderen, von einem Traum zum anderen; du bewegst dich von A zu B, von B zu C, von C bewegst du dich zu D. Du bleibst auf einer Linie, horizontal. Das ist die Bewegung derer, die fest schlafen. Wie ein Weberschiffchen kannst du hin und her gehen – die lineare Dimension. Es gibt aber eine Bewegung, die in eine völlig andere Richtung geht. Sie ist nicht horizontal, sie ist vertikal. Du gehst nicht von A nach B, von B nach C, sondern von A zu einem tiefer liegenden A: von A nach A1, A2, A3, A4, in die Tiefe; oder in die Höhe. Wenn das Denken aufhört, beginnt die neue Bewegung. Jetzt fällst du in die Tiefe, in etwas, das sich auftut wie ein Abgrund. Menschen, die tief meditieren, kommen früher oder später an diesen Punkt: Dort überkommt sie die Angst, denn wenn man vor sich einen Abgrund gähnen fühlt – bodenlos –, dann überkommt einen die Angst. Du möchtest dich an die alte Bewegung klammern, denn die kennst du; das hier dagegen ist wie der Tod. Das symbolisiert das Kreuz Jesu: Es ist ein Tod. Aus der Horizontalen in die Vertikale gehen, bedeutet Tod – das ist der wirkliche Tod.

Aber Tod ist es nur vom einen Ende aus gesehen; am anderen Ende ist es Wiederauferstehung; es ist ein Sterben, um geboren zu werden; es ist ein Sterben in der einen Dimension und eine Geburt in einer anderen Dimension. Auf der Horizontalen bist du Jesus, auf der Vertikalen wirst du zu Christus.

Wenn du von einem Gedanken zum anderen gehst, bleibst du in der Welt der Zeit. Wenn du in den Augenblick hineingehst, statt in die Gedanken, gelangst du in die Ewigkeit. Aber bewegungslos bist du nicht – nichts auf der Welt ist bewegungslos, kann bewegungslos sein – aber deine Bewegung wird eine neue sein, eine Bewegung ohne Motivation. Behaltet diese Worte. Auf der Horizontalen bewegst du dich aufgrund von Motivation. Du musst etwas erreichen – Geld, Prestige, Macht – oder Gott, aber erreichen musst du etwas, irgendeine Motivation ist vorhanden. Eine motivierte Bewegung ist das Gleiche wie Schlaf.

Eine Bewegung ohne Motivation bedeutet Bewusstheit – du bewegst dich, weil es die reine Freude ist; du bewegst dich, weil Bewegung Leben ist, du bewegst dich, weil Leben Energie bedeutet, und Energie Bewegung. Du bewegst dich, weil Energie Genuss ist – aus keinem anderen Grund. Es geschieht absichtslos, du bist nicht auf irgendwelche Leistungen aus. Ja, eigentlich gehst du nirgendwohin, gehst du gar nicht – du genießt lediglich die Energie. Es gibt keinen Zweck außerhalb der Bewegung; Bewegung hat ihren eigenen, ihr innewohnenden Sinn, keinen äußerlich herleitbaren Sinn. Ein Buddha lebt, ebenso wie ihr, aber die Bewegung ist von anderer Art: grundlos.

Vor ein paar Tagen hat mich jemand gefragt: „Warum hilfst du den Leuten zu meditieren?“ Ich gab ihm zur Antwort: „Es macht mir ausgesprochen Freude.“ Genau wie einer, der seine Freude hat, wenn er im Garten Samen aussät und auf die Blumen wartet, so freue ich mich, wenn ihr aufblüht. Es ist wie Gärtnern. Für den, der aufblüht, ist es eine reine Freude. Und ich teile diese Freude mit ihm. Es gibt dabei kein Ziel. Wenn ihr nicht aufblüht, frustriert mich das nicht. Wenn es euch nicht gelingt, ist das auch in Ordnung, denn man kann niemanden zum Blühen zwingen. Du kannst eine Knospe nicht mit Gewalt öffnen – du kannst es zwar tun, aber dann tötest du sie. Es mag wie Aufblühen aussehen, aber es ist keines.

Die ganze Welt bewegt sich, die Schöpfung bewegt sich, in alle Ewigkeit; das Denken bewegt sich in der Zeit. Die Schöpfung bewegt sich in die Höhe und in die Tiefe und der Verstand bewegt sich rückwärts und vorwärts. Der Verstand bewegt sich horizontal; das ist Schlaf. Wenn du dich vertikal bewegen kannst, ist es Bewusstheit.

Sei im Augenblick. Bring dein ganzes Sein in den Augenblick ein. Gestatte der Vergangenheit nicht sich einzumischen und gestatte der Zukunft nicht sich einzumischen. Die Vergangenheit ist nicht mehr, sie ist tot. Und wie schon Jesus sagt: „Lass die Toten ihre Toten begraben.“ Die Vergangenheit ist nicht mehr! Warum machst du dir Gedanken über sie? Warum kannst du nicht aufhören, sie wiederzukäuen? Bist du verrückt? Es gibt sie nicht mehr, sie ist nur in deiner Vorstellung, sie ist nur eine Erinnerung. Die Zukunft ist noch nicht. Was soll es also, über die Zukunft nachzudenken?

Was noch nicht ist, wie kannst du darüber nachdenken? Wie kannst du es planen? Was du dir auch ausdenken magst, es wird anders kommen und dann wirst du frustriert sein, denn das Ganze folgt seinem Plan. Warum versuchst du deinen eigenen Gegenplan zu haben? Die Schöpfung hat ihre eigenen Pläne, sie ist klüger als du – das Ganze ist notwendig klüger als der Teil. Warum tust du, als wärest du das Ganze? Das Ganze hat seine eigene Zielrichtung, es verwirklicht sich auf seine eigene Weise. Warum machst du dir darüber Gedanken? Ganz gleich, was du tust, es wird Sünde sein, denn du verfehlst den Augenblick – diesen Augenblick. Und wenn es zur Gewohnheit wird – und es wird zur Gewohnheit –, dann kommt die Zukunft und wieder verfehlst du sie, denn sie kommt nicht als Zukunft, sondern als Gegenwart.

Gestern hast du an heute gedacht, weil es das Morgen war; jetzt ist es das Heute, aber du denkst an Morgen, und wenn das Morgen kommt, wird es zum Heute … denn alles, was ist, ist Hier und Jetzt, anders kann es nicht sein. Und wenn deine Denkgewohnheiten festgelegt sind, sodass dein Kopf immer nur an Morgen denkt – wann gedenkst du dann zu leben? Morgen kommt nie. Und so lebst du immer nur am Jetzt vorbei – und das ist Sünde. Das ist der Sinn des hebräischen Wortstammes für Sünde. Im Augenblick, wo die Zukunft auftritt, tritt die Zeit auf. Du hast gegen die Schöpfung gesündigt. Und daraus ist ein festes Verhaltensmuster geworden: Wie ein Roboter gehst du unentwegt am Jetzt vorbei.

Zu mir kommen Leute von weit her, und zu Hause denken sie über mich nach und werden ganz aufgeregt meinetwegen und sie lesen und überlegen und träumen. Kaum sind sie dann hier, beginnen sie an zu Hause zu denken. Kaum angekommen, kehren sie schon wieder zurück. Dann fangen sie an, sich über die Kinder, die Frau, den Beruf, über alles Mögliche und tausend Dinge Gedanken zu machen. Und ich sehe mir den ganzen Unsinn an. Wenn sie wieder daheim sind, denken sie wieder an mich. Sie gehen am Jetzt vorbei, und das ist Sünde. Während du hier bist, bei mir, sei hier bei mir; sei ganz und gar hier bei mir, damit du eine neue Art von Bewegung lernst, damit du dich in der Ewigkeit bewegen lernst, statt in der Zeit.

Zeit ist Welt und Ewigkeit ist Gott; die Horizontale ist die Welt, die Vertikale ist Gott. Beide treffen sich in einem Punkt – das ist der Punkt, wo Jesus gekreuzigt wird. Beide treffen sich in einem Punkt, das ist der Punkt des Hier und Jetzt. Vom Hier und Jetzt aus hast du die Wahl zwischen zwei Reiserouten: die eine Reise in die Welt, in die Zukunft, die andere Reise zu Gott, in die Tiefe. Werdet mehr und mehr bewusst, werdet immer aufmerksamer und empfänglicher für die Gegenwart.

Wie aber sollst du es bewerkstelligen? Wie soll das möglich werden? Denn du steckst so tief im Schlaf, dass du auch daraus einen Traum machen kannst. Du kannst selbst über dies Hier und Jetzt nachdenken, es zum Gegenstand deiner Gedanken machen. Du kannst dich dabei so verkrampfen, dass du gerade deswegen nicht in der Gegenwart sein kannst. Wenn du zu sehr darüber nachdenkst, wie du in die Gegenwart kommen kannst, dann hilft dir dieses Nachdenken nicht. Wenn du dann zu viel Schuld empfindest … und du wirst dich mit Sicherheit schuldig fühlen, wenn du manchmal in die Vergangenheit zurückgehst; es ist schließlich eine uralte Gewohnheit. Und dann fängst du an über die Zukunft nachzudenken, und schon fühlst du dich schuldig, dass du schon wieder gesündigt hast.

Fühl dich nicht schuldig, sieh ein, dass es eine Sünde ist, aber fühl dich nicht schuldig; aber das ist ein großer Balanceakt. Wenn du dich schuldig fühlst, gehst du an der ganzen Sache vorbei. Jetzt fängt das alte Spiel wieder in einer neuen Spielart an. Jetzt fühlst du dich schuldig, weil du an der Gegenwart vorbeigegangen bist. Damit denkst du über die Vergangenheit nach, denn jene Gegenwart ist nicht mehr gegenwärtig; sie ist vergangen und du fühlst dich deswegen schuldig und du gehst wieder am Jetzt vorbei.

Merkt euch also eines: Jedes Mal, wenn du plötzlich siehst, dass du in die Vergangenheit oder in die Zukunft gegangen bist, mach daraus kein Problem; komm ganz einfach in die Gegenwart zurück, ohne ein Problem daraus zu machen. Es ist vollkommen in Ordnung! Hole deine Aufmerksamkeit einfach zurück. Tausendmal wirst du den Augenblick verfehlen; es kann nicht gleich geschehen, ohne Übergang! Das ist zwar möglich, aber da du nicht genügend vorbereitet bist, kann es eben nicht gleich geschehen. Es ist eine so alte, so tief eingefleischte Angewohnheit, dass du sie nicht gleich ändern kannst. Aber macht euch keine Sorgen, Gott ist nicht in Eile; die Ewigkeit kann ewig warten.

Versucht es nicht auf Biegen und Brechen. Wenn du merkst, dass du abgekommen bist, komm zurück; das ist alles. Fühle dich nicht schuldig; das Schuldgefühl ist eine List des Verstandes, jetzt spielt er wieder sein Spiel. Bereue es nicht, dass du „schon wieder vergessen“ hast. Sobald du es merkst, komm zu dem zurück, was du gerade tust: Du nimmst jetzt ein Bad – komm hierher zurück. Du isst jetzt – komme wieder zurück. Sofort, wenn du merkst, dass du nicht hier und jetzt bist, komm zurück, ohne weiteres, ohne Schuld. Halse dir keine Schuld auf. Wenn du dich schuldig fühlst, hast du alles missverstanden.

Es geht zwar um eine Sünde, aber nicht um Schuld, doch das ist schwer verständlich für euch. Sobald ihr spürt, dass etwas nicht stimmt, bekommt ihr sofort Schuldgefühle. Der Verstand ist so gerissen, so schlau. Solange du dich noch schuldig fühlst, kann das Spiel weitergehen; auf neuem Boden zwar, doch das gleiche Spiel. Die Leute kommen zu mir und sagen: „Wir vergessen es immer wieder.“ Völlig entmutigt sagen sie: „Wir vergessen es immer wieder. Wir geben uns Mühe, aber wir können es nur ein paar Sekunden lang im Kopf behalten. Einen Augenblick lang sind wir wach und erinnern uns an uns selbst, aber dann ist es wieder wie weggeblasen – was sollen wir bloß tun?“ Nichts kann man tun. Es ist überhaupt keine Frage von Tun. Was kannst du schon tun? Das Einzige, was getan werden kann, ist, sich deshalb nicht auch noch Schuld aufzubürden. Komm ganz einfach zurück.

Je öfter du zurückkommst … ganz unkompliziert, vergiss das nicht, nicht mit so ernstem Gesicht, ohne große Anstrengung; schlicht unschuldig, ohne ein Problem daraus zu machen. Denn die Ewigkeit kennt keine Probleme. Alle Probleme sind auf der Horizontalen zu Hause; und auch dieses Problem gehört dahin.

Die Vertikale kennt keine Probleme, sie ist der reine Genuss, ohne jede Furcht, ohne jede Quälerei, ohne alle Sorgen, ohne alle Schuld, nichts von alledem. Nimm es leicht und komm zurück. Es wird viele Male danebengehen, aber das macht nichts. Achte nicht zu sehr darauf, wie oft du es vergisst. Beachte vielmehr, wie oft du dich schon wieder erinnert hast. Das merke dir: Lege das Gewicht nicht darauf, dass du oft den Faden verlierst, sondern darauf, dass du dich viele Male wieder daran erinnert hast. Sei glücklich darüber. Dass du den Faden verlierst, natürlich, das muss so sein. Du bist menschlich, du hast viele Leben lang auf der Horizontalen gelebt, es ist also natürlich. Das Schöne ist, dass du so oft zurückgefunden hast. Dir ist das Unmögliche gelungen; du kannst dich darüber freuen.

In vierundzwanzig Stunden wirst du es tausendmal vergessen, aber tausendmal wirst du dich auch wieder erinnern. Langsam beginnst du jetzt die Dinge neu zu sehen. Du bist so oft nach Hause zurückgekehrt, dass sich jetzt allmählich eine neue Sichtweise durchsetzt. Du wirst mehr und mehr in der Bewusstheit bleiben und immer weniger hin und her gehen. Die Spanne wird immer kürzer. Immer weniger wirst du vergessen – du trittst in die Vertikale ein. Und plötzlich, eines Tages, verschwindet die Horizontale ganz. Die Vertikale gewinnt an Intensität und die Horizontale verschwindet.

Das ist die tiefere Bedeutung, wenn in der Hindu-Tradition, wenn bei Shankaracharya und im Vedanta diese Welt illusionär genannt wird. Denn wenn die Bewusstheit vollkommen ist, verschwindet ganz einfach diese Welt, die ihr in eurer Vorstellung erschaffen habt. Eine andere Welt wird euch offenbart. Der Schleier der Illusion, Maya, verschwindet. Die Illusion ist nur da, weil ihr schlaft, weil ihr unbewusst seid.

Es ist genau wie mit dem Träumen. Nachts lebst du im Traum und solange der Traum anhält, ist er so wahr! Hast du je im Traum gedacht: „Das ist nicht möglich!“ Das Unmögliche geschieht im Traum, aber du kannst es nicht bezweifeln. Im Träumen bist du so gutgläubig, im Traum ist niemand skeptisch, nicht einmal ein Bertrand Russell. Nein, im Traum ist jeder wie ein Kind, voll Vertrauen, ganz gleich, was geschieht. Dir erscheint deine Frau im Traum, plötzlich verwandelt sie sich in ein Pferd. Du denkst keinen Augenblick: „Wie ist das möglich?“ Träumen ist Vertrauen, ist Glauben. Du kannst im Traum nicht zweifeln. Wenn du anfängst im Traum zu zweifeln, schwindet der Traum. Wenn du dich auch nur einmal daran erinnerst, dass dies ein Traum ist, wird es ein Schock sein, der Traum wird in Stücke gehen und du wirst endgültig wach.

Diese Welt, die du um dich her siehst, ist nicht die wirkliche Welt. Nicht, dass sie nicht existiert. Sie existiert, aber ihr seht sie durch einen Schirm von Schlaf, zwischen euch und der Welt ist Unbewusstheit. Ihr seht sie an und interpretiert sie auf eure Weise; ihr seid wie Trinker.

Mulla Nasrudin kam einmal angetorkelt, ganz betrunken, und der Liftboy wollte gerade die Tür zum Fahrstuhl schließen, aber irgendwie drängelte er sich noch hinein. Der Fahrstuhl war überfüllt. Jeder merkte, dass Mulla sternhagelvoll war; sein Atem stank, er versuchte, den Nüchternen zu spielen; er versuchte die Tür anzustarren, aber er fand sie nicht – seine Augen waren betrunken und müde. Irgendwie versuchte er zu stehen, aber auch das gelang nicht. Und er war so verlegen, denn alle starrten auf ihn und dachten, wie betrunken er war, er konnte es fühlen. Dann vergaß er plötzlich, wo er war, und sagte: „Sie werden sich fragen, warum ich diese Versammlung einberufen habe.“ Er sah so viele Menschen um sich her, dass er glaubte eine Versammlung einberufen zu haben, und dass sich nun alle Anwesenden fragten, worum es denn ging. Am Morgen wird er wieder klar sein. Er wird selbst darüber lachen, genauso wie ihr jetzt darüber lacht.

Alle Buddhas lachen, wenn sie erwachen. Ihr Gelächter ist wie Löwengebrüll. Sie lachen nicht über euch, sondern über den ganzen kosmischen Witz. Sie haben im Traum, in Schlaf gelebt, vollkommen betrunken von Begierden, und diese Begierden waren die Brille, durch die sie das Leben gesehen haben. Also war es nie das wirkliche Leben, sondern sie projizierten ihren eigenen Schlaf darauf.

Ihr nehmt die ganze Schöpfung als Leinwand, projiziert eure eigenen Vorstellungen darauf und seht Dinge, die gar nicht da sind; und die Dinge, die tatsächlich da sind, seht ihr nicht. Und der Verstand hat Erklärungen für alles, wenn Zweifel laut werden – der Verstand weiß eine Antwort. Er schafft Theorien, Philosophien, Systeme, nur um sich zu beschwichtigen: Alles ist in Ordnung. Alle Philosophien erfüllen den Zweck, das Leben erträglicher zu machen, sodass alles seine Ordnung hat und nichts schiefläuft. Dabei läuft alles schief; denn ihr schlaft.

Es kam einmal ein Mann zu mir: Er hatte große Sorgen. Er ist der Vater eines hübschen kleinen Mädchens. Er war tief besorgt. Er sagte: „Jeden Morgen wird ihr übel: Ich bin bei allen möglichen Ärzten gewesen und sie sagen, dass ihr nichts fehlt. Was soll ich nur tun?“

Also sagte ich ihm: „Geh doch zu Mulla Nasrudin, er ist der Schlaueste hier und weiß alles, denn ich habe ihn noch nie ‚Ich weiß nicht‘ sagen hören. Geh nur zu ihm.“

Er ging hin. Ich ging hinterher, nur um zu hören, was Nasrudin wohl sagen würde. Nasrudin schloss die Augen, dachte über das Problem nach, dann machte er die Augen auf und sagte: „Gibst du ihr Milch zu trinken, bevor sie schlafen geht?“ Der Mann bejahte. Nasrudin sagte: „Jetzt hab ich’s! Wenn du einem Kind Milch gibst, dann wälzt sich das Kind die ganze Nacht über von einer Seite auf die andere und durch das Schütteln wird die Milch zu Quark. Aus dem Quark wird dann Käse und aus dem Käse Butter, aus der Butter wird Fett, aus dem Fett Zucker und aus dem Zucker schließlich Alkohol – und dann hat sie am Morgen natürlich einen Kater.“

Und so sind alle Philosophien: beliebige Erklärungen der Dinge. Irgendwelche Erklärungen für Dinge, die nicht erklärt werden können; angebliches Wissen über etwas, das nicht gewusst werden kann. Aber sie machen das Leben annehmbar. Man kann dann besser schlafen; Philosophien sind wie Beruhigungsmittel.

Vergesst nicht – das ist der Unterschied zwischen Religion und Philosophie: Philosophie ist ein Beruhigungsmittel, Religion ist ein Schock; Philosophie verhilft euch zu einem guten Schlaf, Religion rüttelt euch aus dem Schlaf auf. Religion ist keine Philosophie, sie ist eine Technik, euch aus eurer Unbewusstheit herauszubringen. Und alle Philosophien sind Techniken, euch zu einem guten Schlaf zu verhelfen; sie geben euch Träume, Utopien. Religion nimmt euch alle Träume, alle Utopien.

Religion bringt euch zur Wahrheit, und Wahrheit ist nur möglich, wenn ihr nicht träumt. Ein träumender Geist kann nicht das Wahre sehen. Ein träumender Geist wird selbst noch die Wahrheit in einen Traum verkehren. Habt ihr es noch nie erlebt? Du stellst den Wecker; morgens um vier willst du aufstehen, du musst zum Zug. Dann geht am Morgen der Wecker los und deine Sinne gaukeln dir einen Traum vor: Du sitzt in einem Tempel und die Glocken des Tempels läuten – damit ist alles erklärt. Der Wecker stört dich nicht weiter, er kann dich nicht mehr aufwecken, du hast ihn wegerklärt – im selben Augenblick! Der Verstand arbeitet sehr raffiniert.

Und heute können sich die Philosophen gar nicht darüber beruhigen, wie das funktioniert, wie der Verstand so schnell, so blitzschnell produziert. Welche Kompliziertheit! Der Verstand muss schon vorher Entwürfe machen. Wieso findest du dich plötzlich in einer Kirche oder in einem Tempel, wo die Glocken läuten? Der Wecker geht los und ohne Zeitabstand wird innerhalb des Traums die Erklärung geliefert. Du versuchst dem Wecker aus dem Weg zu gehen, du willst nicht aufstehen, du willst an einem so kalten Wintermorgen nicht aufstehen. Die Vorstellungskraft sagt: „Das ist nicht der Wecker, es ist ein Tempel, den du besuchst.“ Alles ist klar, du fällst in den Schlaf zurück. Nichts anderes haben seit je die Philosophen getan und daher gibt es so viele Philosophien – denn jeder braucht eine andere Erklärung.

Eine Erklärung, die für einen anderen ein Schlafmittel ist, muss es nicht auch für dich sein. Und das ist es, wovon Heraklit in diesen Versen spricht. Versucht nun, ihn zu verstehen. Er sagt:

Die Menschen sind selbst in wachen Augenblicken

Wie Blinde und beachten das,

Was um sie her geschieht, so wenig

Wie in ihrem Schlaf.

Im Schlaf bist du dir nicht bewusst, was um dich her vorgeht, aber bist du dir in deinen wachen Stunden bewusst, was um dich herum geschieht?

Die Forschung hat sich viel damit befasst. Achtundneunzig Prozent aller Mitteilungen an dich lässt dein Hirn nicht zu, achtundneunzig Prozent; nur zwei Prozent werden zugelassen! Und selbst diese zwei Prozent werden von deinem Denksystem interpretiert. Ich sage etwas und du hörst etwas anderes; was du hörst, sage ich gar nicht, aber du interpretierst es so, dass du in deinem Schlaf nicht gestört wirst. Deine Vorstellungskraft liefert dir sofort eine Interpretation. Du ordnest es in dein Denksystem ein und dein Denksystem verarbeitet es, es wird Teil deines Denkens. Und damit verfehlt ihr jeden Buddha, jeden Christus, jeden Heraklit und andere. Sie sprechen immer von neuem zu euch; sie sagen euch wieder und wieder, dass sie etwas gefunden haben, dass sie etwas erfahren haben, aber sowie sie das sagen, sofort interpretiert ihr es. Ihr habt eure eigenen Tricks.

Aristoteles wurde durch Heraklit äußerst verstört. Also befand er, dass dieser Mensch irgendeinen Charaktermangel hatte – und damit war für ihn der Fall erledigt! Du hast ihn kategorisiert, weil er dir nicht passt, weil er dich verstört. Heraklit muss für Aristoteles ein Dorn im Auge gewesen sein, denn Aristoteles bewegt sich auf der Horizontalen, darin ist er Meister, und dieser Heraklit versucht, uns in das Mysterium hineinzustoßen. Das musste irgendwie erklärt werden. Also sagte Aristoteles: „Mit diesem Mann stimmt irgendetwas nicht, ob nun biologisch, physiologisch, charakterologisch, irgendein Fehler ist jedenfalls da. Warum sollte er sonst auf Paradoxen bestehen? Warum sollte er so auf dem Geheimnisvollen bestehen? Warum sollte er darauf bestehen, dass es eine Harmonie gibt – zwischen Gegensätzen? Gegensätze sind Gegensätze! Da gibt es keine Harmonie. Leben ist Leben und Tod ist Tod. Haltet die Dinge klar auseinander, vermischt sie nicht, dieser Mensch scheint nicht ganz klar im Kopf.“

Laotse empfand genauso. Laotse sagte: „Alle scheinen weise zu sein, außer mir. Alle scheinen so klug, außer mir; ich bin ein Narr!“ Und Laotse ist einer der größten, der weisesten Menschen, die je geboren wurden, aber in eurer Mitte fühlt er sich wie ein Narr. Laotse sagt: „Was für klare Denker alle Leute sind; ich bin ein Wirrkopf.“ Was Aristoteles über Heraklit sagte, sagt Laotse über sich selber. Laotse sagt: „Wer meinen Lehren zuhört, ohne den Kopf einzuschalten, wird erleuchtet. Wer meinen Lehren durch den Kopf zuhört, findet seine eigenen Erklärungen – aber die haben mit mir nichts zu tun. Und Leute, die zuhören, ohne überhaupt zu hören, davon gibt es viele, Leute, die so tun, als ob sie zuhörten, ohne tatsächlich zuzuhören, die lachen über meine Narrheiten.“ Diese dritte Art von Zuhörern ist in der Mehrheit. Und Laotse sagt: „Wenn die Mehrheit nicht über dich lacht, dann sei dir bewusst, dass du etwas Falsches gesagt haben musst. Wenn die Mehrheit lacht, nur dann sagst du etwas Wahres. Wenn die Mehrheit dich für einen Idioten hält, nur dann besteht die Wahrscheinlichkeit, dass du ein Weiser bist; andernfalls ist es ausgeschlossen.“

Heraklit kommt Aristoteles wie ein Wirrkopf vor. Und euch muss er auch so vorkommen, denn Aristoteles hat alle Universitäten erobert, alle Colleges der Welt. Heute werdet ihr überall in Logik unterrichtet, nicht in Mysterien.

Überall wird euch beigebracht rational zu sein, nicht mystisch. Jeder wird geschult, klipp und klar zu sein. Um klipp und klar zu sein, muss man sich auf der Horizontalen bewegen; dort ist A gleich A und B ist B und A ist niemals B. Aber im geheimnisvollen Abgrund der Vertikalen überschneiden und vermischen sich die Grenzen: Mann ist Frau und Frau ist Mann; Richtiges ist falsch und Falsches richtig; das Dunkle ist hell und das Helle dunkel; Leben ist Tod und Tod ist Leben – alle Grenzen verschwinden und vermischen sich. Auf der Vertikalen ist Gott ein Geheimnis und kein logischer Schluss. Diejenigen, die Gottesbeweise liefern, versuchen nur das Unmögliche; für Gott ist kein Beweis möglich. Beweise gehören der Horizontalen an.

Das ist die Bedeutung von Vertrauen: Du fällst in den Abgrund, du erlebst den Abgrund, du verschwindest einfach in ihm – und dann erkennst du. Du erkennst erst, wenn deine ganze Vorstellungswelt verschwunden ist, niemals vorher.

Narren sind, obwohl sie hören können,

Genau wie Taube.

Für sie gilt das Sprichwort:

Selbst anwesend

Sind sie abwesend.

Der Ort, an dem du bist, ist genau der, wo du nicht bist. Du magst überall sein, nur nicht da, wo du bist. Wo immer du bist, da bist du nicht. Es heißt in alten tibetanischen Schriften, dass Gott viele Male zu dir kommt, aber er findet dich nicht da, wo du bist. Er klopft an deine Tür, aber der Hausherr ist nicht zu Hause, er ist immer woanders. Fragt euch selbst: Seid ihr zu Hause dort, wo ihr wohnt, oder seid ihr irgendwo anders? Wie kann Gott dich finden? Du brauchst ihn gar nicht aufzusuchen; sei einfach zu Hause, und er wird dich finden. Er ist auf der Suche nach dir, genau wie du auf der Suche nach ihm bist. Sei einfach zu Hause, dass er dich finden kann, wenn er kommt. Er kommt und klopft und wartet tausendmal an deiner Tür, aber du bist nie da.

Narren sind, obwohl sie hören können,

Genau wie Taube.

Für sie gilt das Sprichwort:

Selbst anwesend

sind sie abwesend.

Das ist der Schlaf: abwesend zu sein, nicht da zu sein im gegenwärtigen Augenblick, irgendwo anders zu sein.

Mulla Nasrudin saß im Café und redete über seine Großzügigkeit. Und wenn Mulla redet, dann geht er bis zum Äußersten. Da sagte einer: „Nasrudin, wenn du so großzügig bist, warum lädst du uns nie zu dir nach Hause ein? Du hast uns noch nicht ein einziges Mal zum Essen eingeladen. Wie steht’s also?“

Mulla war so begeistert, dass er gar nicht an seine Frau dachte. „Kommt, wir gehen gleich jetzt!“, rief er. – Je näher er seinem Haus kam, desto nüchterner wurde er. Plötzlich erinnerte er sich an seine Frau und bekam es mit der Angst zu tun – dreißig Leute schleppte er an!

Vor seinem Haus angekommen, sagte er: „Wartet! Ihr wisst alle, ich hab eine Frau. Ihr habt auch Frauen, also wisst ihr, was ich meine. Wartet also. Ich will vorangehen und sie überreden, dann ruf ich euch herein.“ Und er ging und verschwand.

Sie warteten und warteten und warteten, aber er kam einfach nicht; schließlich klopften sie an. Nasrudin hatte seiner Frau erzählt, was geschehen war: dass er den Mund zu voll genommen hatte wegen seiner Großzügigkeit und sich dann hatte einfangen lassen. Seine Frau hatte gesagt: „Aber wir haben nichts zu essen für dreißig Leute und es ist zu spät, um noch etwas zu besorgen.“

Da sagte Nasrudin: „Mach Folgendes: Wenn sie anklopfen, geh einfach hin und sag ihnen, dass Nasrudin nicht zu Hause ist.“

Und als sie endlich klopften, kam die Frau und sagte: „Nasrudin ist nicht zu Hause.“

Sie antworteten: „Das überrascht uns, denn wir sind zusammen gekommen, und er ist hineingegangen und wir haben ihn nicht herauskommen sehen, wir sind dreißig Zeugen und warten seitdem hier auf den Stufen, er muss also drinnen sein. Geh zurück und suche ihn, er muss sich irgendwo verstecken.“

Sie ging hinein und sagte: „Was sollen wir tun?“ – Nasrudin wurde nervös! Er sagte: „Warte!“ Er kam heraus und sagte zu den Wartenden: „Was soll das heißen? Er könnte doch zur Hintertür das Haus verlassen haben?!“

So etwas ist möglich, das passiert euch jeden Tag. Er vergaß sich vollkommen; und das ist es: Aus Logik heraus vergaß er sich selbst. Die Logik stimmt, das Argument stimmt: „Was soll das heißen: Ihr wartet an der Vordertür, er könnte durch die Hintertür hinausgegangen sein!“ Die Logik stimmt, aber Nasrudin hat vollkommen vergessen, dass er es selber ist, der das sagt.

Ihr seid nicht zu Hause. Weder für die Welt seid ihr zu Hause, noch für euch selbst. Das ist der Schlaf. Wie könnt ihr dann hören? Wie könnt ihr dann sehen? Wie könnt ihr dann fühlen? Wenn du nicht hier und jetzt gegenwärtig bist, sind alle Türen geschlossen. Du bist ein Toter, du lebst nicht. Darum sagt Jesus immer wieder zu seinen Zuhörern: „Wer Ohren hat zu hören, höre mich. Wer Augen hat zu sehen, sehe mich!“

Heraklit muss vielen Menschen begegnet sein, die zuhören ohne zu hören; die sehen können und doch nicht sehen, weil ihr Haus vollständig leer ist. Der Hausherr ist nicht zu Hause; die Augen sehen, die Ohren hören, aber der Hausherr ist nicht zu Hause, er ist nicht anwesend. Augen sind nichts als Fenster; sie können erst dann sehen, wenn du hindurchsiehst. Wie kann ein Fenster sehen? Du musst am Fenster stehen, erst dann kannst du sehen. Wie sonst? Sie sind nur Fenster, sie können nichts spüren. Wenn du da bist, ändert sich alles vollkommen.

Der ganze Körper ist wie ein Haus und die Gedanken reisen, der Hausherr ist ununterbrochen auf Reisen und das Haus steht leer. Und das Leben klopft an deine Tür – du kannst es Gott nennen oder was du willst, der Name spielt keine Rolle; nenn’ es Existenz, es klopft an die Tür, ja es klopft schon lange, aber du bist nie anzutreffen. Das ist der Schlaf, den Heraklit meint.

Handelt nicht und sprecht nicht wie im Schlaf!

Handle und sprich mit vollem Bewusstsein, und du wirst eine ungeheure Veränderung in dir beobachten. Die bloße Tatsache, dass du bewusst bist, verändert deine Handlungsweise. Nun kannst du keine Sünde begehen – nicht, dass du dich kontrollieren musst, nein! Kontrolle ist ein armseliger Ersatz; sie nützt nicht viel. Wenn du bewusst bist, brauchst du keine Wut zu unterdrücken: Wut kann nämlich bei Bewusstheit gar nicht erst aufkommen. Wut und Bewusstheit können nicht Seite an Seite bestehen; zwischen ihnen gibt es keine Koexistenz. Bei Bewusstheit kann Eifersucht nicht aufkommen. Bei Bewusstheit verschwinden viele Dinge einfach – alle Negativität verschwindet.

Es ist wie mit Licht: Wenn dein Haus voll Licht ist, kann dann die Dunkelheit noch darin herrschen? Sie entweicht einfach. Wenn dein Haus erleuchtet ist, wie kannst du noch stolpern? Wie kannst du gegen die Wand rennen? Das Licht ist an, du kennst die Tür, du gehst einfach hin und gehst hinein oder hinaus. Solange es dunkel ist, stolperst du, tappst du herum, fällst du hin. Wut ist nichts als Stolpern; Eifersucht ist nichts als ein Tappen im Dunkeln. Alles Verkehrte ist nicht an sich verkehrt, sondern deshalb, weil ihr im Dunkeln lebt.

Wenn ein Jesus zornig werden will, kann er das; er kann damit umgehen. Ihr könnt nicht damit umgehen – der Zorn geht mit euch um. Wenn Jesus das Gefühl hat, dass es gut und nützlich ist, wütend zu werden, kann er sich der Wut bedienen, wie und wo er will, er ist ein Meister. Jesus kann wütend spielen, ohne wütend zu sein. Viele Menschen haben mit Gurdjieff gearbeitet, er war ein Mann zum Fürchten. Wenn er wütend wurde, dann schnaubte er wie rasend; er sah aus wie ein Mörder; aber das war bloß Spiel, einfach eine Situation, um jemandem zu helfen. Und im selben Augenblick, ohne auch nur eine Sekunde Abstand, sah er jemand anders an und lächelte; und dann sah er wieder auf den, dem er seine Wut zeigen wollte, und blickte wieder wutschnaubend drein. Das ist möglich. Wenn du bewusst bist, kannst du von allem Gebrauch machen. Selbst Gift wird zum Elixier, wenn du bewusst bist; und umgekehrt, wenn du schläfst, wird sogar ein Elixier zu Gift, denn alles hängt davon ab, ob du bewusst bist oder nicht. Handlungen bedeuten nichts. Auf Handlungen kommt es nicht an. Auf dich, auf deine Wachheit, auf dein Bewusstsein, auf deine Geistesgegenwart kommt es an. Es geht nicht darum, was du tust.

Es gab einmal einen großen buddhistischen Meister namens Nagarjuna. Ein Dieb kam zu ihm. Der Dieb war in Liebe zu diesem Meister entbrannt, weil er nie einen schöneren Menschen gesehen hatte, nie solch grenzenlose Anmut. Er fragte Nagarjuna: „Gibt es auch für mich irgendeine Möglichkeit so aufzublühen wie du? Aber eines muss ich dir gleich ganz klar sagen: Ich bin ein Dieb. Und noch eins: Ich kann es nicht lassen. Das darf also nicht zur Bedingung gemacht werden. Ich will tun, was immer du sagst, aber ich kann nicht aufhören ein Dieb zu sein. Das hab ich schon oft versucht, es geht einfach nicht, und so hab ich mir das aus dem Kopf geschlagen. Ich füge mich meinem Schicksal, dass ich ein Dieb bin und bleibe, also brauchst du mir darüber nichts zu sagen. Das muss von vornherein klar sein.“

Nagarjuna fragte: „Wovor hast du Angst? Wer redet denn davon, dass du ein Dieb bist?“

Der Dieb sagte: „Aber jedes Mal, wenn ich zu einem Mönch gehe, zu einem Priester oder einem Heiligen, sagen sie immer: Hör erst mit dem Stehlen auf.“

Nagarjuna lachte und sagte: „Dann müssen es selber Diebe gewesen sein, warum sonst sollte sie das kümmern? Mich kümmert das nicht!“

Der Dieb war sehr froh. Er sagte: „In Ordnung. Es scheint, ich bin jetzt also dein Schüler. Du bist der richtige Meister.“

Nagarjuna nahm ihn auf. Er sagte: „Jetzt kannst du gehen und tun, was du willst. Nur eine Bedingung musst du befolgen: Sei bewusst! Geh und brich in Häuser ein, hol dir heraus, was du willst, stiehl nach Herzenslust, tu was dir Spaß macht, mich kümmert es nicht, ich bin kein Dieb – aber tu es bewusst.“

Der Dieb sah nicht, wie er in die Falle ging. Er sagte: „Dann ist ja alles in Ordnung. Ich will’s versuchen.“

Nach drei Wochen kam er wieder und sagte: „Du bist schlau, denn wenn ich bewusst stehle, kann ich nicht stehlen. Wenn ich stehle, verschwindet das Bewusstsein. Ich bin in der Klemme.“

Nagarjuna sagte: „Kein Wort mehr von deiner Dieberei und deinem Stehlen. Es geht mich nichts an, ich bin kein Dieb. Entscheide dich jetzt! Wenn du Bewusstheit willst, dann entscheide dich. Wenn du sie nicht willst, auch da entscheide jetzt.“

Der Mann sagte: „Aber jetzt ist es schwer, ich hab davon gekostet und es ist so schön, ich will ja alles aufgeben, was du willst.“

Dann erzählte er: „Erst neulich nachts ist es mir zum ersten Mal gelungen, in den Palast des Königs einzudringen. Ich habe die Schatzkammer geöffnet. Ich hätte der reichste Mann der Welt werden können, aber du warst mir auf den Fersen und ich musste bewusst werden. Als ich bewusst wurde, war plötzlich keine Motivation mehr da, kein Verlangen. Als ich bewusst wurde, sahen die Diamanten einfach wie Steine aus, ganz gewöhnliche Steine. Sobald ich diese Bewusstheit verlor, war der Schatz wieder da. Ich wartete und wiederholte das viele Male. Ich wurde bewusst und war wie ein Buddha und konnte noch nicht einmal die Hand danach ausstrecken, denn die ganze Sache sah einfach kindisch aus, einfach dumm, nichts als Steine, was tue ich nur? Mein Bewusstsein um dieser Steine willen zu verlieren? Aber dann verlor ich dieses Bewusstsein schon wieder und die Steine wurden wieder schön, die ganze Illusion war wieder da. Am Ende raffte ich mich auf und entschied, dass sie die Sache nicht wert waren.“

Wenn du erst einmal von der Bewusstheit gekostet hast, lohnt sich nichts anderes mehr, du kennst jetzt die höchste Glückseligkeit des Lebens. Dann plötzlich fallen viele Dinge von dir ab; du siehst ihre Dummheit, ihre Torheit. Die Motivation fällt weg, das Verlangen fällt weg, die Träume sind zerfallen.

Handelt nicht und sprecht nicht wie im Schlaf!

Das ist der einzige Schlüssel.

Wachende haben eine Welt gemeinsam –

Schlafende haben jeder eine Welt für sich.

Träume sind privat, absolut privat! Niemand kann deinen Traum betreten. Du kannst keinen Traum mit deiner Geliebten teilen. Mann und Frau schlafen im gleichen Bett, aber sie träumen getrennt. Es ist unmöglich, einen Traum zu teilen, weil er ein Nichts ist. Wie lässt sich ein Nichts mit einem anderen teilen? Wie eine Luftblase ist er absolut nicht-existent, du kannst niemanden an ihm teilhaben lassen, du musst für dich allein träumen. Und darum, wegen der Schläfer, wegen so vieler Schläfer, gibt es so viele Welten. Du hast deine eigene Welt; wenn du schläfst, lebst du eingeschlossen in deine eigenen Gedanken, Vorstellungen, Träume, Begierden. Wenn du einem anderen begegnest, ist das jedes Mal ein Zusammenstoß zweier Welten. Welten, die zusammenprallen, das ist unsere Situation! Schaut genau hin!

Schaut euch an, wie Ehemann und Ehefrau miteinander reden; sie reden überhaupt nicht. Der Mann denkt ans Büro, ans Gehalt; die Frau denkt an ihre Kleider zu Weihnachten. Im Innern haben sie ihre eigenen Privatwelten, aber ihre Privatwelten treffen sich irgendwo, stoßen vielmehr zusammen, denn die Kleider für die Frau hängen vom Gehalt des Mannes ab; das Gehalt des Mannes muss die Kleider der Frau finanzieren.

Die Frau sagt „Liebling“, aber hinter diesem Wort steckt „Kleider“; denn das ist es, woran sie denkt. Dieses Liebling bedeutet nicht das, was im Wörterbuch steht, denn jedes Mal, wenn seine Frau Liebling sagt, ist das nur eine Fassade und der Mann kriegt es sofort mit der Angst zu tun. Er zeigt es nicht, natürlich, denn wenn jemand Liebling sagt, darf man keine Angst zeigen.

Er sagt: „Was ist, Liebes? Was gibt’s?“ Aber er hat Angst, weil er an sein Gehalt denkt; er weiß, Weihnachten rückt näher – Gefahr droht.

Mulla Nasrudins Frau sagte zu ihm: „Was ist los mit dir? In letzter Zeit habe ich so oft geweint und gejammert, ich kann vor Tränen nichts sehen und du fragst nicht einmal warum!“ Nasrudin sagte: „Irgendwann reicht es! Es kostet zu viel, wenn ich frage. Und wie oft habe ich diesen Fehler nicht schon begangen. Denn diese Tränen sind nicht einfach Tränen, sondern Kleider, ein neues Haus, neue Möbel, ein neuer Wagen. Was weiß ich, was diese Tränen alles meinen. Mit Tränen fängt es immer an.“

Kein Dialog ist möglich, denn innen sind sie zwei private Welten; nur Konflikt ist möglich. Träume sind privat, Wahrheit ist nicht privat. Wahrheit kann nicht privat sein, Wahrheit kann weder meine noch deine sein, Wahrheit kann nicht christlich oder hinduistisch sein, Wahrheit kann nicht indisch oder griechisch sein. Wahrheit kann nicht privat sein. Träume sind privat. Alles, was privat ist – merkt es euch! –, muss notgedrungen der Welt der Träume angehören. Wahrheit ist ein offener Himmel, sie ist für alle da, sie ist eins.

Die Sprache, die Laotse spricht, mag daher zwar eine ganz bestimmte sein; und wenn Buddha spricht, ist es wieder eine andere Sprache; und die Sprache eines Heraklit wieder eine andere, aber all diese Sprachen bedeuten das Gleiche, sie weisen auf das Gleiche hin. Und die sie sprechen, leben nicht in einer Privatwelt. Ihre Privatwelt ist gleichzeitig mit ihren Träumen und Begierden verschwunden, mit ihrer ganzen Vorstellungswelt. Nur in der Vorstellung gibt es eine private Welt, aber das Bewusstsein kennt keine privaten Welten.

Wachende haben eine Welt gemeinsam

Alle, die wach sind, leben in ein und derselben Welt, in der einen Schöpfung. Und alle, die schlafen und träumen, haben eine eigene Welt für sich. Eure Privatwelt muss fallen, das ist die einzige Entsagung, die ich von euch verlange. Ich sage nicht, du sollst deine Frau verlassen; ich sage nicht, du sollst deinen Beruf aufgeben; ich sage nicht, verzichte auf dein Geld oder auf sonst irgendwas, nein! Ich sage nur: Komm heraus aus deiner Welt privater Träume. Das ist Sannyas für mich.

Das alte Sannyas hieß dieser Welt zu entsagen, dem Sichtbaren den Rücken zu kehren. Man ging in den Himalaja, ließ Frau und Kind zurück. Aber darum geht es nicht. Das ist nicht die Welt, die es zu verlassen gilt. Wie könnte man die verlassen! Selbst der Himalaja gehört dieser Welt an.

Die Welt, die man verlassen muss, ist die Welt der Vorstellungen, die Privatwelt der Träume. Wenn du der entsagst, dann kannst du auf dem Marktplatz sitzen und doch zugleich im Himalaja sein. Und solange du ihr nicht entsagst, wirst du selbst im Himalaja immer nur eine Privatwelt um dich herum schaffen. Glaube nicht, dass du dir selbst entkommen kannst! Wohin du auch gehst, du nimmst dich mit; wohin du auch gehst, du wirst dich verhalten wie eh und je. Die Situationen mögen andere sein, aber wie solltest du wohl anders sein? Du wirst im Himalaja genauso fest schlafen. Ob du nun in Pune schläfst oder in Boston oder in London oder im Himalaja – wo liegt der Unterschied? Wo du auch bist, wirst du träumen. Gib das Träumen auf! Werde wacher! Plötzlich verschwindet alles Träumen und mit dem Träumen alles Elend.

Wachend sehen wir nichts als Tod

Schlafend – nichts als Träume.

Das ist wirklich schön! Was du siehst, wenn du schläfst, sind Träume, Illusionen, Luftspiegelungen; deine eigene Schöpfung, deine eigene Privatwelt. Und was siehst du, wenn du wach bist? Heraklit sagt: Wenn du wach bist, siehst du rund um dich her nur Tod. Das ist vielleicht der Grund, warum du nicht hinsehen willst. Vielleicht träumst du nur deshalb und webst eine perlmuttfarbene Wolke um dich herum – damit du nicht der Tatsache des Todes ins Auge zu blicken brauchst.

Aber denke daran: Man wird erst dann religiös, wenn man sich dem Tod stellt, niemals vorher. Wenn du dem Tod ins Auge siehst, wenn du ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehst, wenn du ihm nicht ausweichst, wenn du dich nicht duckst, wenn du nicht davonläufst, wenn du dich nicht in eine Wolke einnebelst, wenn du dich stellst, wenn du ihm begegnest, dem nackten Faktum Tod, dann plötzlich erkennst du: Tod ist Leben. Je tiefer du in den Tod eindringst, desto tiefer dringst du ins Leben ein, denn, so sagt Heraklit, die Gegensätze treffen sich, vermischen sich, sind eins.

Wenn du also versuchst, vor dem Tod davonzulaufen, dann vergiss nicht, dass du damit auch vor dem Leben davonläufst; genau deswegen seht ihr so tot aus. Das ist das Paradox: Lauf vor dem Tod davon und du bist schon tot; zeige dich, schau dem Tod ins Angesicht und du wirst lebendig. Im Augenblick, wo du dem Tod so nah bist, dass du glaubst, du stirbst jetzt, wenn du nicht nur an der Peripherie, sondern im Innersten den Tod fühlst und ihn berührst, dann ist die Krise gekommen. Das ist das Kreuz des Jesus, die Krise des endgültigen Sterbens. In dem Augenblick stirbst du in der einen Welt, der Welt der Horizontalen, der Welt der Vorstellungen, und du erstehst neu in jener anderen Welt. Die Auferstehung von Jesus Christus ist kein körperliches Phänomen. Die Christen haben unnötigerweise immer neue Hypothesen hierüber aufgestellt. Gemeint ist nicht die Wiederauferstehung dieses leiblichen Körpers, es ist die Auferstehung in eine andere Dimension dieses Körpers; es ist die Auferstehung in eine andere Dimension eines anderen Körpers, der niemals stirbt. Unser Körper ist zeitlich, jener Körper ist ewig. Jesus ersteht neu in einer anderen Welt, der Welt der Wahrheit. Die private Welt ist verschwunden.

Im letzten Augenblick sagt Jesus, dass er betrübt, verstört ist. Selbst ein Mensch wie Jesus kann im Sterben betrübt sein, wie kann es auch anders sein. Er wendet sich an Gott, er schreit auf: „Was tust du mit mir?“ Er möchte sich an die Horizontale klammern, er möchte sich ans Leben klammern, selbst ein Mann wie Jesus. Fühlt euch also nicht schuldig, wenn ihr euch auch irgendwie festhalten möchtet. Das ist der Mensch in Jesus und darin ist er menschlicher als Buddha oder Mahavir. Und das Menschliche an ihm ist: dass dieser Mann jetzt, wo es ans Sterben geht, verstört ist, dass er aufschreit; aber dass er auch nicht zurückweicht, dass er nicht fällt. Im gleichen Augenblick wird ihm klar, worum er da bittet. Und da sagt er: „Dein Wille geschehe!“, entspannt sich, schickt sich in alles. Und plötzlich dreht sich das Rad, er ist nicht mehr in der Horizontalen; er ist in die Vertikale eingetreten, in die Tiefe … dort wird er auf ewig wiedergeboren.

Stirb für die Zeit, damit du für die Ewigkeit auferstehen kannst. Stirb für die Welt der Vorstellungen, damit du lebendig wirst im Bewusstsein. Stirb für das Denken, damit du in die Wachheit geboren wirst. Heraklit sagt: „Was wir wachend sehen, ist Tod…“ Und darum ziehen wir den Schlaf und die Träume vor, leben mit Drogen, mit Alkohol und Betäubungsmitteln, nur um dieser Tatsache nicht ins Auge blicken zu müssen. Aber man muss dieser Tatsache ins Auge blicken. Wenn du es kannst, erwächst aus der Tatsache des Todes die Wahrheit; wenn du fliehst, lebst du in Lügen. Wenn du der Tatsache ins Auge blickst, wird die Tatsache zur Tür für die Wahrheit. Die Tatsache ist der Tod. Dem muss man sich stellen. Und die Wahrheit wird das Leben sein. Das ewige Leben, das unerschöpfliche Leben, ein Leben ohne Ende.

Und dann ist Tod nicht mehr Tod. Dann ergänzen sich Leben und Tod wie zwei Flügel und werden eins.

Das ist die verborgene Harmonie.

Die Verborgene Harmonie

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