Читать книгу Ich bleib noch ein bissl - Otto Schenk - Страница 13
Es begann im Affenhaus
ОглавлениеEberhard Waechter kannte ich schon seit meiner Schulzeit und bewunderte seine Gesangskunst lange bevor er ein Sänger war. Zum ersten Mal hörte ich ihn, als wir nach Kriegsende etwas betrunken durch die Stadt gingen und uns in die Ruine der Oper hineinschlichen. Auf einer brüchigen Feuerleiter, mitten in den Trümmern, sang er dort – er glaubte damals, Heldentenor werden zu müssen – die »Holde Aida« mit allen hohen Tönen, und wir applaudierten wie ein Geisterchor auf den Trümmern unserer geliebten Staatsoper: wir, die Marenzi-Brüder, das sind die Brüder seiner Frau, mit denen ich befreundet war und bin. Wir haben dann von kleiner Rolle zu kleiner Rolle mit dem Eberhard für seine Karriere gebangt und uns die Daumen fast zerdrückt beim Drücken.
Meine erste Zusammenarbeit mit ihm war 1970 die Titelrolle in Gottfried von Einems »Dantons Tod« im Theater an der Wien. Eberhard Waechter war geradezu süchtig nach Details, die ihm das Singen selbstverständlich machten. Er musste ständig beschäftigt werden. Dann war er unermüdlich im Erfinden von Nuancen und Aktionen und sofort müde, wenn man mit jemand anderem arbeitete. Dabei war er ein hinreißender Partner und selbstlos begeistert, wenn jemand neben ihm gut war.
Er hat eine große Weltkarriere geschwänzt, weil er sein geliebtes Wien und auch den Irrsee, an dem er ein Haus besaß, nicht für längere Zeit verlassen wollte. Er hat des Öfteren Bayreuth abgesagt, die Met, die Scala und war dem Leben ebenso verhaftet wie dem Theater und nicht bereit, das Leben aufzugeben. Er hat vielleicht auch die großen Details seiner Darstellung aus dem Leben gezogen und wir waren da fast immer einer Meinung. Es war nicht notwendig, mit ihm über Gefühle zu sprechen. Ein kleines Detail, das das Gefühl auslöst, war ihm lieber als die Schilderung des Gefühls selber. Ich bin ja auch der Ansicht, dass man am Theater auf Befehl nicht fühlen kann, sondern dass man zuerst die Schiene legen muss, auf der die Gefühle passieren, die äußere Handlung, wie der große Stanislawski sagt.
Sehr wichtig für Eberhard waren die gute Laune und die Verpflegung in den Pausen. Ein riesiger Kessel mit Weißwürsten stand in seiner Garderobe in München bei jeder »Fledermaus«-Aufführung bereit. Nach der Vorstellung – ich spielte ja meistens den Frosch – hatten wir einen geheimen Weg durch eine Hintertür, wo wir den Autogrammjägern entgingen. Wir fuhren dann im Auto gleich zu unseren Häusern am Irrsee. Um zwölf Uhr nachts waren wir zu Silvester auf der Autobahn und gratulierten uns zum Neuen Jahr. Er wäre nie im Leben bereit gewesen, einen Silvesterabend in München zu verbringen, und ich ebenso wenig. Ich wünsche mir seit diesen wunderbaren Silvestern auf der Autobahn von meiner Frau an diesem Abend immer ein Schlafengehen, aber es kommt meist irgendeine lästige Einladung dazwischen.