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Zum Glück in den Keller

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Es gab eine große Aufregung im Volkstheater, an dem ich in den frühen Fünfzigerjahren ein mittlerer bis kleiner Schauspieler mit hier und da kleinen Rollen war, als das »Volkstheater in den Außenbezirken« eingeführt werden sollte, um die Subventionen aufrechtzuerhalten.

Mit dem Betriebsrat wurde ausgehandelt, was zu bezahlen ist, wer zu bezahlen ist, ob man auch hier Rollen ablehnen kann – denn laut Kollektivvertrag kann man eine Rolle ablehnen –, wenn in einem nicht gleichwertigen Theater ein Gastspiel angesetzt wird. Da waren alle der Meinung, auf diesem Recht müsse man bestehen.

Direktor Leon Epp war wahnsinnig aufgeregt, für ihn war dieses Projekt ein heiliges Unternehmen und auch eine Rettung des Theaters. »Das Volkstheater muss ins Volk gehen« hieß es und es schwirrten noch allerhand andere Phrasen durch den Raum. Es wurde eine Versammlung einberufen in einem Gasthaus, das »Die Kohlstaude« hieß und in dem wir spielen sollten. Ich saß in der dritten Reihe und da passierte es. Jemand sagte: »Die Kohlstaude ist kein gleichwertiges Theater.«

Da wurde Epp ärgerlich: »Die Bande will nicht mitmachen.« Mit wütendem Gesicht trat er vor uns hin: »Was wollt’s ihr eigentlich?«

Jemand warf ein: »Wir wollen klären, was geschieht, wenn einer eine Rolle zu spielen hat, in den Außenbezirken beschäftigt ist und dann im Volkstheater ausfällt …«

Darauf Epp: »Na, Entschuldigung, da müsst’s ihr doch Vertrauen haben. Habt ihr denn kein Vertrauen zu mir?«

Mir ist ein lautes »Nein!« herausgerutscht. Ich habe aber gemeint, Verträge sind Verträge und dazu da, um gar nicht vertrauen zu müssen. Man hat einen Vertrag, dann muss man oder muss nicht. Und unser Vertrag war anders, das habe ich gemeint. Aber es kam nur ein »Nein!« heraus.

Volkstheaterdirektor Leon Epp

Ich habe geglaubt, jetzt werden mir die Kollegen, die sich vorher vollkommen einig waren, zustimmen. Es gab aber nur Empörung, dass der junge Bub das »Nein!« gesagt hat. Alle haben nur den Kopf geschüttelt und sich von mir distanziert. Nach einer tödlichen Stille sind alle abgerauscht.

Am nächsten Tag wurde ich zu Epp hinaufgerufen: »Herr Schenk, Sie sind in einer künstlerischen Krise«, so hat er angefangen. »Es fällt Ihnen alles zu leicht und Sie gehen die Sachen zu locker an.«

Er hat mir Dinge vorgeworfen, die ich überhaupt nicht verstanden habe, und dann mit einem blauen Brief herumgefuchtelt. Den hat er mir aber nicht gegeben. Der war nur eine Requisite in seinen Händen.

Ich habe gefragt: »Darf ich den Brief haben?« und er hat geantwortet: »Sie dürfen jetzt kleine Rollen spielen.«

»Na, aber ich spiel doch dauernd kleine Rollen.«

»Und Sie dürfen keine Rolle ablehnen!«

»Ich habe noch nie eine Rolle abgelehnt, Herr Direktor.«

Da habe ich mir gedacht: So, jetzt kündige ich. Und habe zu meinem Termin gekündigt.

Besonders nett war der damals schon wichtigste Regisseur und Chefbühnenbildner des Hauses, Gustav Manker, in dieser Zeit zu mir. Er hat gesagt: »Schau, das kriegen wir in Ordnung. Der regt sich jetzt auf, das wird wieder vorbeigehen.«

Gustav Manker bei einer Generalproben-Ensemblekritik im Volkstheater

Und dann kam mein Termin. Ich hatte inzwischen im Sommerstück eine Rolle zu spielen. Und da war ich flott drauf, es war eine recht hübsche Rolle und ich hatte einen Szenenapplaus. Einen Erfolg, wie man so sagt.

Es kam der Tag meiner Kündigung. Ich hatte sie bereits geschrieben, das muss man ja schriftlich machen, formell: »Ich bin froh, dass ich an diesem Haus … ich möchte aber jetzt …«

Als Wladimir in »Warten auf Godot« von Samuel Beckett mit Franz Messner als Estragon, Theater in der Josefstadt, 1962

Als ich in die Direktion kam, empfing Epp mich mit den Worten: »Herr Schenk, ich muss Ihnen sagen, Ihre künstlerische Krise dürfte vorbei sein. Ich habe Sie gesehen. Das haben Sie entzückend gespielt.«

»Ja, danke.«

»Was wollen Sie denn jetzt machen?«

»Ich werde wieder an ein kleines Theater gehen und soll im ›Godot‹ den Wladimir spielen.« Samuel Becketts »Warten auf Godot« war damals das Stück.

»Ich rate Ihnen nur eines«, sagte Epp noch, »führen Sie nicht Regie. Das würde Sie intellektuell zu sehr belasten.«

Als ich wieder unten war, hat Manker eifrig gefragt: »Na, was hat er gesagt?«

»Gar nichts, er hat jedenfalls nicht gesagt, dass ich bleiben soll.«

»Aber du hättest es sagen sollen!«, meinte er.

Er war sehr fürsorglich, es hat ihm so leid getan.

Das war das Ende meiner Karriere im Volkstheater. Das Ganze stand dann auch in der Zeitung: »Zurück in den Keller« war die Überschrift im Abend.

Ich war auch im Keller und es ging sehr gut. Dort, im Theater am Parkring, hat Karl Heinz Stroux 1962 die Nestroy-Aufführung »Verhältnisse« (drei Einakter, darunter »Frühere Verhältnisse«) gesehen, in der ich Regie geführt habe. Er war ganz begeistert von meinem Nestroy und hat mir eine Inszenierung an seinem Düsseldorfer Schauspielhaus angeboten. Den Vertrag hat er auf der Schreibmaschine im Volkstheater schreiben lassen, im Direktionszimmer vom Epp, der gerade seine Schreibmaschine gebraucht hätte, aber der Stroux hat ihm gesagt: »Entschuldige, Epp. Ich muss nur dem Jungen den Vertrag diktieren.«

Und Epp musste sich anhören, wie er mir einen Vertrag mit dem vielfachen Geld diktiert hat. So war ich rehabilitiert.

Das war ein Moment, in dem ich an Gott geglaubt habe.

Ich bleib noch ein bissl

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