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DER VATER MEINER KINDER

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Mponela war eine große Ortschaft im Zentrum des Landes, und der Markt war ein konzentriertes Gemisch aus Gerüchen, Geräuschen und Farben. Dort lernte ich James, den Vater meiner Kinder, kennen. Er eroberte mein Herz im Sturm. Er war viel größer als ich, und bei ihm fühlte ich mich geliebt und beschützt. In den Tagen nach unserer ersten Begegnung behandelte er mich respektvoll und sanft. Obwohl alle schlecht von ihm redeten, machte ich mir nichts daraus und glaubte niemandem. Ich dachte, sie seien eifersüchtig und neidisch, weil ich einen schönen und freundlichen Mann gefunden hatte, der mich mit Aufmerksamkeiten überschüttete, aus einer guten Familie kam – sein Vater war Lehrer – und eine gute Stelle in einem staatlichen Büro bekleidete. Auch meine Verwandten waren nicht glücklich und wollten, dass ich nach Hause, nach Lilongwe, zurückkehrte, doch das interessierte mich nicht. Ich hatte den Richtigen gefunden. Und ich konnte über meine Zukunft entscheiden. Ich fühlte mich frei.

Nach etwa einem Jahr wurde ich schwanger, und 1999 kam mein erster Sohn, Maupo, zur Welt.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich trotz allem ein privilegiertes Leben geführt. Ich kam aus einer wohlhabenden Familie, hatte studiert und in der Stadt gelebt. Verglichen mit dem größten Teil meiner Altersgenossinnen war ich eine Ausnahme. Doch mit einem Mal und ohne es wirklich zu begreifen, hatte ich alle meine Privilegien verloren. Als mein früherer Verlobter aus Lilongwe, der in der Zwischenzeit sein Studium abgeschlossen und eine Stelle angetreten hatte, erfuhr, dass ich ein Kind bekommen hatte, litt er heftig und war sehr enttäuscht. Ich machte ihn ausfindig und traf mich mit ihm. Er war zornig und verbittert, er fühlte sich hintergangen. Ich bat ihn, mir zu verzeihen, und dankte ihm für alles, was er für mich getan hatte. Ich fühlte mich schuldig und war ehrlich zu ihm. Wir gingen als gute Freunde auseinander, er verstand mich.

Zwei Jahre vergingen. Meine Verwandten weigerten sich, ihre Zustimmung zur Ehe zu geben. Ich fühlte mich allein, isoliert. Ich war gekränkt. Aber ich liebte James und wusste, dass ich tun musste, was ich für richtig hielt. Ich blieb hart, und am Ende gaben sie nach. Sie akzeptierten einen Brautpreis von sechs Kühen und gaben uns ihren Segen : 2001 heirateten wir vor dem District Commissioner der Stadt.

Mein Leben änderte sich, es nahm eine für mich völlig unerwartete Wendung.

James schlug mir vor, das Unterrichten aufzugeben, er sagte, ich solle mich um das Haus und um den kleinen Maupo kümmern. Ich wehrte mich, doch er bestand darauf, und so gab ich nach. Anfangs war es kein Problem, es machte mir nichts aus. Ich war in meinem Zuhause und hatte unzählige Dinge zu tun. Außerdem konnte ich mich, anders als bei meinem Onkel, einrichten und organisieren, wie ich es selbst für am besten hielt. Ich stand um fünf Uhr morgens auf – das ist in Afrika ganz normal : Die Tage beginnen früh, weil man das Sonnenlicht ausnutzen muss –, brachte das Wasser zum Kochen und kümmerte mich um die Mahlzeiten, ich wusch die Wäsche, putzte und räumte auf. Nachmittags ging ich zu den Nachbarn, und wir hielten vor den Haustüren ein Schwätzchen, wie es in den afrikanischen Dörfern üblich ist. Um vier, ehe James von der Arbeit zurückkam, ging ich wieder nach Hause. Nach dem Abendessen ging er aus, und ich musste zuhause bleiben. Mein einziger Trost war der Fernseher, wahrscheinlich einer der ersten in ganz Malawi, den mein Vater gekauft hatte, als wir nach mehreren Umwegen wieder nach Lilongwe zurückgekehrt waren. Ich blieb also dort und tat nichts. Ich schlug die Zeit tot.

Meine Brüder und den Rest der Familie sah ich praktisch nie. Sie waren gegen meine Heirat gewesen und besuchten mich nur ungerne. Und auch ich besuchte sie selten. James kam nie mit. Er war immer in der Bar. Er trank. Wenn er heimkam, schlug er mich. Er brauchte keinen Grund, ein Nichts genügte. Er schrie, dass ich eine Null sei, dass ich in meinem Leben nichts zustande gebracht hätte. Er war gnadenlos und aggressiv. Ich wusste, dass die Frauen in Malawi oft von ihren Männern geschlagen wurden, aber ich hätte nie gedacht, dass es mir auch einmal so ergehen würde. Und dass ich es einfach so hinnehmen musste, machte alles nur noch schlimmer. Nach einiger Zeit gab er mir kein Geld mehr, um Lebensmittel zu kaufen, er sagte, er hätte nichts, obwohl er seine Abende nach wie vor in der Bar verbrachte. Trotzdem erwartete er, dass es immer etwas zu essen gab. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich fragte den Direktor der Sekretärinnenschule, ob ich wieder bei ihm arbeiten dürfe, wenigstens ein paar Stunden pro Woche, doch er lehnte ab, er sagte, er könne das nicht tun, er wolle keinen Ärger. Er nannte keinen Namen, aber es war klar, dass er dabei an James dachte.

Ich warnte ihn : »Wenn du mir kein Geld gibst, mache ich dir nichts zu essen.« Doch es half nichts, er änderte sich nicht. Er war nicht mehr der Mann, den ich geheiratet und von dem ich geglaubt hatte, dass er ein Ruhepol in meinem Leben sein würde. Ich war verängstigt, eingeschüchtert und hatte niemanden, mit dem ich reden konnte. Meine Verwandten ahnten wahrscheinlich etwas : Jedes Mal, wenn sie mich sahen, war ich dünner und schlimmer zugerichtet. Obwohl ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, zeigte mein Körper allzu deutlich, wie es in meinem Inneren aussah. Doch meine Brüder stellten nicht viele Fragen, und ich erzählte ihnen nichts. Sie hatten mich gewarnt, ich hatte meinen Kopf durchgesetzt, und jetzt musste ich die Folgen tragen. Ich hätte gerne jemandem mein Herz ausgeschüttet, geweint, geschrien. Ich hätte gerne jemanden gehabt, der mich verstand und dem ich alles erzählen konnte. Ich fühlte mich allein, es war furchtbar. Manchmal vertraute ich mich den Nachbarn an, aber ich brachte es nicht über mich, mich ganz zu öffnen. Meine Zukunft wurde immer düsterer. War das die Familie, von der ich geträumt hatte ? War das der Mann, mit dem ich mein Leben teilen sollte ? Dieser Mann, der alles Geld vertrank, statt es in die Ausbildung seines Sohnes zu investieren ? Dieser Mann, der mich nicht einmal eines Blickes würdigte ?

»Ich habe mich geirrt«, sagte ich mir, »aber wie mache ich es wieder gut ?«

Ich ging zu meinen Brüdern und bat sie um Geld. Ich erzählte ihnen nichts, aber das war auch gar nicht nötig. Sie dachten sich ihren Teil. Mit dem Geld organisierte ich ein kleinen »Laden« : Ich kaufte drei Paletten Eier, insgesamt etwa neunzig Stück, die ich am Morgen kochte und auf der Straße verkaufte. Das ging nicht lange gut. Kaum hatte er davon erfahren, zwang James mich auch schon, damit aufzuhören und auf dieses Wenige zu verzichten, das uns weitergeholfen hätte. Das uns geholfen hätte, zu überleben. Wieder gab ich nach. Ich wollte immer noch glauben, dass er mich auf seine Weise liebte, dass es zu unserem Besten war, wenn er mich so behandelte. Damals war mir die Bedeutung der Arbeit und insbesondere der Frauenarbeit noch nicht klar. Arbeiten heißt nicht nur Geld verdienen. Es bedeutet viel mehr. Arbeiten hilft dir, einen Platz in der Gesellschaft zu finden, es bringt dich mit anderen Menschen in Kontakt. Es öffnet dir die Augen und lässt dich von einer anderen Zukunft träumen. Es gibt dir Unabhängigkeit, Entscheidungsfreiheit. Würde. Es spielt keine Rolle, ob du auf der Straße Eier verkaufst, als Sekretärin arbeitest oder Schreibmaschinenkurse hältst. Wichtig ist nur, dass du es tust, dass du etwas auf die Beine stellst. Als ich jung war, glaubte ich wie so viele Frauen, dass es nur auf die Familie ankomme und dass mein Partner der einzige Mensch sei, auf den ich mich verlassen und auf den ich zählen könne. Doch so war es nicht, ich hatte mich getäuscht. Er wurde immer eifersüchtiger und hörte nicht auf, mich zu schlagen. Ich bereute meinen Starrsinn. Ich war die Gefangene meiner eigenen Entscheidungen.

Im Viertel gingen inzwischen Gerüchte um. Die Nachbarn erwähnten seine vorige Frau, die seit einigen Jahren tot war. Sie tratschten und sagten, er gehe zu anderen Frauen. Ich verschloss Augen und Ohren und redete mir ein, das sei alles üble Nachrede und ein Produkt ihrer Eifersucht. Doch es ging mir schlecht. Ich fühlte mich nicht geliebt. Ich ertrug es nicht, dass ich mit niemandem darüber sprechen konnte und so völlig auf mich alleine gestellt war.

Eine Zukunft für meine Kinder

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