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Alte Begegnungen

Mir ist ein bisschen mulmig, als wir in das Schulgebäude fahren. Irgendwie schaffe ich das schon, ich habe doch bis jetzt alles geschafft! Ich setze mein freundlichstes Gesicht auf. Zum Glück ist meine Schule so modern, dass sie auch einen Aufzug hat - ansonsten müsste mein Bruderherz wohl oder übel eine Fitness-Einheit einlegen.

Seitdem ich im Rollstuhl sitze, fällt mir immer häufiger auf, wie viele Orte damit nicht gut erreichbar sind. Meine Mutter hatte Anfang des Jahres mit dem Schulleiter abgesprochen, dass in der Schule noch eine barrierefreie Toilette gebaut werden sollte - und glücklicherweise hat das Geld hierfür gereicht. Mein Schuleiter ist voller Mitgefühl und wollte alles versuchen, damit ich wieder in meine alte Schule zurückkommen kann. Dieser Wunsch ist nun Wirklichkeit geworden! Francesco und ich fahren zum Klassenzimmer. Zaghaft klopfe ich an die Tür. Frau Spiel, meine Klassenlehrerin, öffnet mir. „Guten Tag, Franziska, komm doch rein! Setz dich neben Max, da ist noch ein Platz frei.“ Mit Francesco mache ich aus, dass er mich zur Pause wieder abholen kommt.

Plötzlich merke ich, dass meine Klassenkameraden mich anstarren. Mein Magen will das Frühstück nicht in sich behalten und ich muss die Galle, die mir die Speiseröhre hochkommt, wieder herunterschlucken. An meinem Platz angekommen, weist uns Frau Spiel an: „Bitte die Deutschbücher raus, Seite drei! Lest euch den Text gut durch, denn ich werde gleich Fragen dazu stellen.“ Ich schlage mein Buch auf und fange an zu lesen, während Max mich erstaunt anguckt. All das bemerke ich gar nicht, weil ich so in das Buch vertieft bin.

„Buch zu! Was ist euch in dem Text aufgefallen?“, unterbricht mich Frau Spiel in meinen Gedanken.

Ich melde mich sofort. „Die Geschichte war spannend geschrieben.“

„Danke Franziska, kannst du auch sagen, was daran so spannend war?“

„Es war so spannend, weil die Geschichte auch uns hier hätte passieren können. Sie ist nicht so unwahrscheinlich, sondern ganz normal.“

Frau Spiel ist erstaunt und voller Stolz. „Sehr gut! Ich merke, du hast viel gelernt, als du weg warst.“

Dann ruft sie Max auf. Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen: Wann ist endlich diese Stunde vorbei? Die brennenden Blicke meiner Klassenkameraden will ich nicht mehr sehen. Endlich ist Pause und Francesco fährt mich in den Pausenhof, während ich Ausschau nach Basti und meinen Freundinnen halte.

Am Tor des Pausenhofs erspähe ich schließlich Basti. Sofort erkenne ich seine Silhouette und seinen außergewöhnlichen Kleidungsstil. Er ist ein rockiger Typ, trägt immer schwarze Jeans mit Nietengürteln. Ich weiß noch, wie wir einmal zusammengestoßen sind. Damals habe ich mich über sein Erscheinungsbild amüsiert, aber jetzt tut es einfach nur weh, seine vertraute Gestalt zu sehen. Früher trug er seine langen Haare im Pferdeschwanz.

Auf dem Weg zu ihm wende ich mich noch einmal zu Francesco: „Ich muss mit Basti was klären.“

„Ok, komme einfach zu mir, wenn du fertig bist“, sagt mein Bruder und geht.

Vorsichtig fahre ich zum Tor. „Hallo Basti!“

Er dreht sich erschrocken um und sein Gesicht nimmt einen pinkfarbenen Ton an. „Franziska, bist du das? Ich habe dich gar nicht erkannt!“

„Ich habe eine Frage, Basti: Warum hast du dich, als ich im Krankenhaus war, nicht nach mir erkundigt? Du hättest ja wenigstens mal anrufen können!“, knurre ich ihn an.

„Aber, aber…aber“, stottert er und starrt lautlos auf seine Füße. „Ich habe mich einfach nicht getraut“, haucht er nach einer Weile, weil ich ihn immer noch wartend ansehe.

Tränen schießen mir in die Augen und ich drehe mich um und fahre weg, ohne, dass er noch etwas sagt.

Ich fahre zum Klo und sehe im Spiegel in mein verheultes Gesicht. Franziska, was machst du denn immer falsch? Ich drehe mich um und fahre wieder hinaus, um noch ein bisschen frische Luft zu schnappen. Francesco hängt mit ein paar seiner Kumpels ab. Eilig bei ihm angekommen frage ich ihn, ob ich ihn mal kurz sprechen könne. Er sieht mich mit besorgtem Gesichtsausdruck an und schiebt mich ein bisschen weg von seinen Freunden.

„Schwesterlein, erzähl mal, was los ist! Du siehst ja gar nicht gut aus!“

Ich schluchze schon wieder los: „Alles ist so schrecklich! Basti beachtet mich gar nicht und meine Freundinnen haben mich gar nicht begrüßt… was soll ich nur tun?“

„Erstmal gehst du in die zweite Stunde Unterricht, und dann kann ich ja mal mit Basti reden, er ist ja in derselben Klasse wie ich.“ Francesco nimmt mich in den Arm und drückt mich fest. „Ich bring' dich jetzt in die Klasse und du tust einfach so, als wären sie für dich auch alle nur Luft!“

In der Mathestunde angekommen, ermahnt mich Herr Müller: „Na, Franziska, wieder mal zu spät?“ Sehnsüchtig warte ich an meinem Platz neben Max auf den Moment, an dem der Schultag endlich vorbei sein und ich mit Francesco nach Hause fahren kann.

Das Leben läuft nicht nach Plan

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