Читать книгу Strike Out für die Liebe - Paris Sanders - Страница 4

Оглавление

1

Andrew

Wald, Wald und noch mehr Wald. Ich drehte mich einmal um die eigene Achse. Die kleine Lichtung, auf der wir abgesetzt worden waren, befand sich mitten in der kanadischen Wildnis. Toll. Wahrscheinlich sollten wir auf Bäume klettern, uns gegenseitig dabei absichern und so zu kuscheligen, liebevollen Freunden fürs Leben werden.

Ich spannte meine Schultermuskeln an und entspannte sie wieder, zumindest versuchte ich es, denn mein Körper war ungefähr so entspannt wie eine Bogensehne. Die übrigen Teilnehmer des Team-Workshops standen ein paar Schritte von mir entfernt. Ich hatte mich von der Gruppe abgesondert, war an den Rand der Richtung geschlendert und tat jetzt so, als würde ich die Natur bewundern. Dabei brauchte ich in Wahrheit ein paar Minuten für mich allein. Noch hatte mich niemand erkannt, aber das konnte sich jeden Moment ändern. Das einzig Gute an diesem verdammten Workshop war das Handyverbot. Wir hatten alle unsere Smartphones beim Check-in abgeben müssen. Trotzdem gab es immer jemanden, der sich über die Regeln hinwegsetzte.

Aber das war im Moment nicht so wichtig. Ein weiteres Video auf YouTube, in dem ich mich zum Idioten machte, würde ich überleben. Kein Problem. Ich hatte meine Gefühle unter Kontrolle, jetzt musste ich nur noch meine Mimik in den Griff bekommen.

Ein Workshop für Teambildung konnte nicht so schwer sein. Wenn ich eines draufhatte, dann war es, mit anderen zusammenzuarbeiten, ich verdiente immerhin meinen verdammten Lebensunterhalt damit, Teil einer Mannschaft zu sein. Als Batter bei den Los Angeles Bravehearts, einem Baseballteam der Premier League, hing meine Karriere davon ab, ob ich mich erfolgreich eingliedern konnte.

Ich rollte die Schultern und beugte den Kopf erst zur einen dann zur anderen Seite. Viel half es nicht, meine Muskeln waren noch immer so straff gespannt wie die Saite einer Violine.

In meinem Rücken erklang eine weibliche Stimme.

Eine verärgerte, weibliche Stimme.

Ich drehte mich um, ein paar Meter von mir entfernt, hatte sich Samantha Fox, genannt Sam – oder in meinem Vokabular "Ice Queen" –, vor dem Leiter des Wochenendes aufgebaut. Ihre Hände in die Hüften gestemmt, sah sie zu ihm auf.

Ich lehnte mich an einen Baumstamm, steckte meine Hände in die Hosentaschen und beobachtete, was als Nächstes geschah. Big Bear, so hieß der arme Kerl, den die Ice Queen zwei Tage lang quälen würde, trug seinen Namen zu recht. Der Mann war über zwei Meter groß und gebaut wie ein Schrank. Das aber hielt die Ice Queen nicht davon ab, ihm gehörig die Meinung zu sagen.

"Ich bin nicht auf einer verdammten Wandertour, sondern auf einem Team-Workshop."

Big Bear runzelte die Stirn, sagte aber nichts, was eine kluge Entscheidung war, die Ice Queen hätte ihn ohnehin nicht zu Wort kommen lassen.

"Ich werde nicht durch die Wildnis stolpern, nur weil ihr inkompetente Idioten seid."

Autsch.

Noch immer keine Reaktion von dem Indianer.

Ich hatte selbst nicht allzu viel Lust, durch die Wildnis zu stolpern, aber im Grunde war es mir egal, Hauptsache, ich konnte die nächsten achtundvierzig Stunden so schnell wie möglich hinter mich bringen. Wenn ich dabei noch einen halben Kilometer Abstand oder mehr zur Ice Queen halten konnte, umso besser. In den Schuhen jedenfalls, würde sie nicht vorankommen.

Mein Blick wanderte zu den schwarzen High Heels mit der roten Sohle. Selbst ich wusste, wie teuer die Dinger waren. Warum sie dachte, es sei eine gute Idee, so etwas mitten in der kanadischen Wildnis zu tragen, war ein Rätsel.

"Dein Arbeitgeber hat diese Woche für dich gebucht", sagte Big Bear, ohne auch nur einen Hauch von Emotion in der Stimme. Wenn es ihn störte, als inkompetenter Idiot bezeichnet zu werden, so ließ er es sich nicht anmerken. Hinter ihm verschwand der Bus, der uns hierhergebracht hatte, in einer Staubwolke. Zu dumm. Sah ganz so aus, als wäre die Ice Queen gestrandet. Es würde Spaß machen, zu sehen, wie sie auf ihren Zehn-Zentimeter-Absätzen durchs Unterholz stöckelte. Das gab garantiert üble Blasen an den Füßen. Ich grinste, dann aber begannen Big Bears Worte durchzusickern. Hatte er eine Woche gesagt?

"Augenblick!" Ich schoss nach vorn, als sei ich gerade von einem Schwarm Feuerameisen attackiert worden. Mit drei großen Schritten hatte ich die beiden erreicht. "Wer hat etwas von einer Woche gesagt? Wir sind für ein Wochenende hier."

Big Bear schüttelte den Kopf. "Ihr habt eine Woche Survival-Training gebucht. Und das fängt jetzt an." Big Bear wandte sich ab und ging zu den anderen Teilnehmern hinüber, die sich das Schauspiel aus sicherer Entfernung angesehen hatten.

"Das ... das kann nicht sein. Ich verlange, sofort zum Flughafen gebracht zu werden. Ich kann nicht eine Woche lang in der Wildnis verbringen. Ich habe einen Job!" Die Ice Queen stampfte mit dem Fuß auf. Ihr Absatz bohrte sich in den Boden. Sie schwankte, kurz davor das Gleichgewicht zu verlieren. Ich hätte ihr helfen können, aber ich dachte nicht daran, sie zu berühren. Ich hatte keine Lust, mir den nächsten Shitstorm wegen sexueller Belästigung einzuhandeln. Außerdem erging es mir gerade wie ihr. Am liebsten hätte ich mich wie ein Fünfjähriger auf den Boden geworfen und einen Tobsuchtsanfall bekommen.

Eine Woche?

Eine Woche mit der Ice Queen in der verdammten Wildnis?

Mit Mühe schaffte sie es, die Balance zu halten, dann schoss sie mir einen Blick zu, für den sie einen Waffenschein beantragen müsste. Ich zuckte mit den Schultern und trat zur Sicherheit einen Schritt zurück.

"Sorry, ich möchte dich nicht unsittlich berühren."

"Idiot!" Die Ice Queen stapfte davon. Dorthin, wo ihr neongelber Rucksack auf dem Waldboden lag. Neongelb? Wer zur Hölle kaufte eine solche Farbe? Man brauchte eine Sonnenbrille, wenn man nur in die Richtung schaute, in der das Teil sich befand. Jede Aussicht darauf, sie in der Wildnis zu verlieren, verschwand. Mit dem Ding konnte man sie aus dem All sehen.

"Zieh andere Schuhe an." Der freundliche Rat kam von Big Bear, der Mann hatte einen Heiligenschein verdient, so viel war schon jetzt klar.

"Genau das habe ich vor." Die Ice Queen wühlte in der gelben Monstrosität. Jede Wette, außer High Heels hatte sie garantiert ein weiteres Paar Designerschuhe dabei. Tatsächlich. Sie zog ein Paar von diesen Stiefelchen heraus, die nur bis zum Knöchel gingen. Ich musste mich zurückhalten, um nicht laut loszulachen. Hauchdünnes Leder, Pfennigabsätze, die mindestens acht Zentimeter lang waren, wenn nicht mehr. Dazu Fransen. Genial!

"Keine Wanderschuhe?" Der Indianer verschränkte die Arme vor der Brust und sah nach unten.

"Doch. Ich kann sie nur nicht finden." Ihr Kopf verschwand erneut in dem gelben Rucksack. "Ich muss sie vergessen haben." Die Ice Queen tauchte mit hochrotem Gesicht wieder auf. Sah ganz so aus, als sei es ihr peinlich, kein passendes Schuhwerk eingepackt zu haben.

"Mit den Stiefelchen wirst du nicht weit kommen", mischte ich mich in die Unterhaltung ein. In meiner Stimme genau die richtige Mischung aus Besorgnis und freundlicher Anteilnahme.

"Ich war gestresst heute Morgen."

"Wer war das nicht?" Ich wippte von den Fußballen nach hinten. "Ich habe gestern Abend meine Sachen gepackt", informierte ich sie und verkniff mir ein schadenfrohes Grinsen.

"Du hast deine Sachen gepackt. Haha. Jede Wette, deine Haushälterin hat dir alles schön zusammengefaltet in deinen Rucksack gelegt."

"Und wenn schon? Ich plane zumindest soweit voraus, um ihr die Anweisung geben zu können, was sie zu tun hat."

"Gib mir die Schuhe." Big Bear streckte die Hand aus. Die Ice Queen stand auf und reichte sie ihm zögerlich. Mit gerunzelter Stirn drehte der Indianer die Stiefel in seinen Händen. Knacks! Der eine Absatz war ab. Dann folgte der Nächste.

"Bist du verrückt? Das sind Burberrys. Die haben mich ein Vermögen gekostet!" Die Ice Queen sah aus, als sei sie kurz davor, einen Herzinfarkt zu bekommen.

"Jetzt kannst du darin laufen. Für einen Tag, oder auch zwei."

Ja, länger würden die Dinger nicht halten, da musste ich ihm recht geben. Das Grinsen, das sich auf meinem Gesicht ausbreitete, konnte ich nicht mehr unterdrücken. Zur Hölle, ich wollte es nicht unterdrücken, dazu machte mir die Sache viel zu viel Spaß. Mit ein bisschen Glück würde sie das Ganze abbrechen müssen. Mein Grinsen verschwand, als ich daran dachte, dass ich hier war, um mich mit Sam Fox zu versöhnen. Bisher hatte ich eher das Gegenteil erreicht.

Ich kann das, sagte ich mir in Gedanken. Ich bin ruhig, gelassen und freundlich. Genau. Ich würde sie nicht an mich heranlassen, mich nicht über ihre zickigen Kommentare ärgern, sondern von nun an in jeder Situation lächeln, ihr Recht geben und den vollendeten Gentleman spielen.

Kein Problem.

Strike Out für die Liebe

Подняться наверх