Читать книгу Metrod - Patrick Eversen - Страница 10
Kapitel 4
ОглавлениеZuidder zieht seine Schubblade auf, nimmt seine Dienstwaffe und deponiert sie im Holster am Rücken. Grasser steht schon und wartet nur noch darauf, dass Zuidder endlich fertig wird.
Grasser ist wie ausgewechselt. Er hat neue Energie, er lächelt mehr und strahlt mit seinen blauen Augen alles und jeden an.
Grasser schlägt vor: „Nehmen wir meinen Wagen? Ich stehe hier gleich vor der Tür?“
„Da ist doch Halteverbot?“
„Nicht für mich“, sagt er mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
Grasser dreht sich zur Tür und verlässt das Revier. Zuidder folgt ihm. Das ähnelt einem Yedi und seinem Padawan.
Vor der Tür stand tatsächlich Grassers Wagen. Er knipst die Tür lässig auf, läuft um die Motorhaube und steigt ein.
Zuidder weiß gar nicht, wie ihm geschieht und steigt auf der Beifahrerseite ein.
„Bitte anschnallen“, sagt Grasser in einen Ton, wie man ihn im Flugzeug auf dem Weg in den langersehnten Urlaub erwarten würde.
Grasser macht einen Schulterblick, die Autos im Rückspiegel sind noch weit genug weg. Grasser drückt aufs Gaspedal und fährt mit quietschenden Reifen los.
„Hey, wieso so positiv motiviert?“, fragt Zuidder: „Wenn du wieder was geraucht hast, dann sollte ich lieber fahren! Ich denke, dass würden uns unsere Frauen und Kinder danken.“
„Was denkst du denn von mir? Ich bin einfach nur gut gelaunt?! Ist das so schlimm?!“
Grasser konzentriert sich wieder auf die Straße und den Straßenverkehr. Es waren viele Menschen auf der Straße unterwegs. Grasser fährt zivilisiert.
Zum Glück fährt er nicht unvorsichtig, denkt Zuidder sich still.
Ihm ist ein Stein vom Herzen gefallen. Sie hätten endlich den Serienkiller erwischt. In gewisser Weise habe er auch den Tod von Bax gerächt, erklärt Grasser seinem Kollegen auf dem Beifahrersitz in einer ruhigen Sekunde auf der Autofahrt. Es sei einfach ein befreiendes Gefühl gewesen.
Einen Menschen ermordet zu haben?!
„Nun, ja… Wir haben das Rotlichtviertel etwas sicherer gemacht! Und ich bin stolz, dass wir beide im Team so gut funktionieren“, gesteht Grasser seinem Kollegen.
Die beiden sind unweit von der Metro-Station, zu der de Gracht sie beide geschickt hatte. Grasser biegt nochmal ab und in einiger Entfernung kann er schon das Absperrband und einige Polizeiwagen erkennen.
Vor dem Absperrband stehen viele Passanten, die womöglich nur mit der Metro fahren wollten.
Neben all den Passanten war auch die eine oder andere Kamera zu sehen.
Grassers Wagen nähert sich der Schar der Menschen. Aus der Ferne hatte Mitko Selassie Grassers Wagen erkannt. Selassie war sehr groß, fast zwei Meter. Er hob das Absperrband an und Grassers Wagen konnte darunter durchfahren.
Zuidder und Grasser steigen aus und folgen Selassie die Treppe hinunter in die Station. Selassie hatte ihnen zuvor signalisiert, dass sie ihm folgen sollten.
Als sie die Treppe hinabgestiegen waren, passieren sie durch eine Plexiglastür die Ticketschleuse. Nun gingen sie durch eine triste und kahle Halle.
Die Räumlichkeiten waren nicht sehr schön, dachte sich Grasser, der seine Hose etwas höher zog.
Zuidders Blick schweift schon umher, vielleicht konnte er hier schon etwas entdecken, das von Wichtigkeit für den Fall sei.
Das Trio geht noch eine Treppe herunter, es geht zu den Gleisen. Am Bahnsteig angekommen, bemerkte Zuidder einige Passanten, die auf den Bänken am Bahnsteig saßen. Sie waren womöglich Zeugen gewesen. Zeugen eines Mordes?
Am Bahnsteig steht eine Metro. Die Türen sind alle auf. Zuidder und Grasser betreten die Bahn. Zu ihrer linken waren bereits einige Spurensicherer zugange und fotografierten den Tatort.
Selassie war am Bahnsteig stehen geblieben. Im Waggon wartet Nils Jansen, der alte Kollege Zuidders, auf die beiden: „Ah, schön, dass ihr so schnell herkommen konntet!“
Grasser und Zuidder lassen ihre Blicke durch den Waggon schweifen.
Grasser ergreift das Wort: „Was haben wir hier?“ Er war stutzig.
„Lange Fassung oder kurz?“, fragte Jansen.
Im Chor reagierten Grasser und Zuidder: „Kurz!“
„Na, also: Hier saß eine Frau. Die saß hier wie angewurzelt, hatte uns die rothaarige Dame da draußen erzählt“, Jansen deutet mit einem Nicken auf die rothaarige Frau, die auf der Sitzbank am Bahnsteig mit ihrer Aktentasche saß.
„Und?“, Grasser wirkt genervt.
Jansen schluckt einmal und führt seine Notizen von seinem Notizblock weiter aus: „Die Frau saß hier wie angewurzelt. Sie sagte nichts und bewegte sich auch nicht. Als dann plötzlich der Waggon einen Stoß bekam, ist die junge Dame einfach nach vorne in den Schoß der Dame gekippt.“
„Tot?“, fragt Zuidder interessiert. Auf dem Boden des Waggons war eine Blutlache. Das Blut war schon etwas angetrocknet und hatte eine sehr dunkle Farbe. Keine Leiche.
Das Blut fing an zu gerinnen, erinnerte sich Zuidder an sein Praktikum in der Pathologie, das er während seines Polizeistudiums machte.
„Also die Frau ist gerade im Krankenhaus, wenn du das meinst! Sie war nicht bei Bewusstsein, aber hatte Puls. Allerdings konnte sie nichts sagen und sich auch nicht bewegen.“
Grasser mustert den Vierersitzplatz und die Blutspuren. Seine Augen springen vom Sitzplatz zum Boden und wieder zurück.
Da fällt ihm ein: „Sie konnte sich nicht bewegen, aber woher kommt denn das Blut?“
Zuidder interveniert und philosophiert: „Also, wenn sie mit dem Kopf auf dem Schoß des Rotschopfes gelandet ist, hat die Dame sich sicherlich erschreckt und sie weggestoßen. Dabei ist das Opfer dann womöglich mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen und sie hat dadurch eine Platzwunde am Kopf.“
Jansen kratzt sich mit dem Stift am Hinterkopf und schüttelt dabei den Kopf.
Er wirkt etwas angewidert: „So war das nicht ganz.“
„Also weiter im Text!“, befahl Grasser. „Wir haben ja nicht den ganzen Tag Zeit!“, faucht er hinterher.
„Nur ruhig!“ Jansen schlug die nächste Seite seines kleinen roten Notizbuches auf. Zuidder schielte von der Seite, um Jansens Notizen mitzulesen.
„Nachdem die Frau im Schoß gelandet war, sagte die Rothaarige, dass sie etwas Warmes an ihrem Bein gespürt hatte. Daraufhin schob sie die Frau zurück auf ihren Platz, die junge Frau war total steif und bewegungsunfähig. Die Dame sah dann, dass sie Blut am Knie hatte. Währenddessen sei die junge Frau zur Seite weggekippt und auf dem Boden aufgekommen. Es war also keine Platzwunde am Kopf.“
„Was war es dann?“, fragt Grasser, der dabei seine rechte Augenbraue hochzog. Neugierig stellt Zuidder seine Ellenbogen auf die Hüfte.
Abermals blätterte Jansen in seinem kleinen A6-Notizblock weiter: „Sie hatte im Nacken eine frische, horizontale Narbe, sagte mir der Notarzt. Die Narbe sei wieder aufgegangen. Er sagte allerdings auch, dass er keine Operation kenne, die so an der Halswirbelsäule, in dieser Form durchgeführt werde.“
„Also müssen wir davon ausgehen, dass es sich um Gewaltverbrechen handelt“, versucht Grasser ein Fazit zu ziehen: „Die Frau lebt noch. Sie liegt also im Krankenhaus?“
Jansen nickt: „Ja, aber sie war schwach. Der Notarzt sagte, ihre Vitalwerte wären sehr schlecht und lebensbedrohlich gewesen.“
Zuidder kratzt sich am Kinn und wünscht sich: „Ich hoffe mal, wenn wir im Krankenhaus angekommen sind, haben wir es nicht mit Mord zu tun.“
Grasser und Zuidder bedanken sich bei Jansen und Selassie und verlassen den Waggon. Auf dem Weg ins Freie, schweift Zuidders Blick durch die Halle. In den Ecken der kahlen Halle erkennt er Überwachungskameras. Er hat einen Geistesblitz, dreht sich um und geht nochmal die Treppe hinunter zu Jansen und Selassie, die währenddessen eine weitere Zeugenbefragung durchführen. Sie reden mit einem dicken Mann. Dem popelnden Mann.
„Nils!“
Jansen blickt von seinem Notizblock auf und sieht Zuidder auf ihn zukommen.
Grasser hatte bemerkt, dass Zuidder kehrt gemacht hatte und stand an der Treppe und beobachtet Zuidder und seine Kollegen von oben herab.
Zuidder hatte einen Einfall gehabt: „In den Metros gibt es doch auch Überwachungskameras?! Habt ihr die Bilder schon sicherstellen können?“
Super Idee! Die Überwachungsbänder!
Selassie und Jansen hatten nicht mal daran gedacht, sich die Bänder zu besorgen. Auf der Bank sitzt auch der Triebfahrzeugführer der Metro, der sich einschaltet: „Die Videodateien werden zentral gelagert.“
„Wo?“
„In der Zentrale. Die werden dort alle gelagert und archiviert. Genau für solche Fälle: Gewaltdelikte, Raub, Mord und so weiter. Ich kann Ihnen Adresse und Kontakt geben, wenn Sie wollen“, offerierte der Metro-Mann.
Ohne zu zögern antwortete Zuidder mit einem Ton, den man eher Grasser zuzuordnen vermochte: „Na sichi, sonst hätte ich mich wohl kaum nach den Bändern erkundigt“
In Zuidders Kommentar schwingt ein grotesker Unterton mit.
Der Mann kramt daraufhin in seiner Tasche herum und holt einen Haufen zerknüllte Visitenkarten heraus.
Zuidder wirkt gestresst, während er dem Mann dabei zusieht, wie er die richtige Visitenkarte heraussucht.
„So! Bitte schön!“
Der Mann drückt Zuidder die Visitenkarte in die Hand, der sich daraufhin bedankt. Der Kommissar dreht sich um und geht wieder die Treppe hinauf, an dessen oberen Ende Grasser erwartungsvoll auf ihn wartet: „Und?“
„Überwachungskameras!“
Zuidder winkt dabei mit der Visitenkarte.
Beide gehen wieder durch die kahle Halle zur Treppe, um wieder ins Freie zu gelangen.
Zuidder schaut dabei kurz auf die Visitenkarte: Asad Iqbal, Stadt- und Verkehrsplaner sowie Verkehrstechniker. Oben rechts auf der Visitenkarte war noch das Logo der Metrogesellschaft zu sehen.
Da sagt Zuidder zu Grasser: „Den werden wir uns beide auch nochmal vorknöpfen!“
„Aber erstmal ins Krankenhaus!“