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Der innere Schweinehund und ich
ОглавлениеMit des Nachbarn Hund, einem Mops namens Spiridon, hatten wir uns ja bereits mehrfach befasst. Ich komme nun zu einem anderen, etwas merkwürdigen Vertreter der Tierwelt. Es muss eine Art Zwitterwesen sein, halb Schwein, halb Hund, eben ein Schweinehund. Ein Begriff, der gewöhnlich als Beleidigung herhalten muss, man benutze ihn also dosiert und überlegt. „Du Schweinehund!“ Viel übler geht es kaum.
Indes handelt es sich bei diesem Tier nicht nur um ein merkwürdiges, sondern sprachlich betrachtet auch um eines, das oft mit einem Beiwort versehen daherkommt, wodurch der Gebrauch zur Beleidigung gewöhnlich schon ausgeschlossen wird. Es ist der sprichwörtliche innere Schweinehund. Was aber genau hat es damit auf sich? Tu was gegen deinen inneren Schweinehund! Wie oft habe ich das gehört? Überwinde deinen inneren Schweinehund … Jenes merkwürdige Tier verkörpert mithin nichts anderes als die eigene Willensschwäche, dies oder jenes, das angegangen werden müsste, endlich tatsächlich einmal zu bewerkstelligen. Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach; auch und gerade, wenn es um das Laufen geht.
Womit wir dann brachial beim Thema wären. Natürlich weiß ich, dass es sinnvoll wäre, endlich mal die Laufschuhe … Natürlich weiß ich, was mich daran hindert … Eben diese ganze Herde an inneren Schweinehunden, die ich mir herangezogen habe.
Welches Schweinderl darfs denn sein? Wer sagte das doch gleich noch? Ach ja, Robert Lemke beim heiteren Beruferaten: „Was bin ich?“ lautete die inzwischen legendäre Sendung. Welches Schweinehunderl darfs denn sein? Na klar, das innere Schweinehunderl. Und was ich bin? Ne faule Sau, was sonst. Ich selbst darf das sagen, und sei es nur, weil die Sau sich bei all den Hunden und Schweinderln und Schweinehunderln geradezu aufdrängt.
Etymologisch betrachtet, also was die Wortherkunft betrifft, geht der „Schweinehund“ übrigens zurück ins vorletzte Jahrhundert. Der „Sauhund“ wurde bei der Wildschwein-Jagd eingesetzt. Hetzen, Ermüden und dann Festhalten des Wildes war seine Aufgabe. Woraus dann, übertragen auf den Menschen und als böse Beleidigung, der Schweinehund wurde, also jemand, der einen anderen (Menschen) hetzt, ermüdet und festhält, wenn er ihn denn erwischt. Das wäre also geklärt. Wobei es mir schleierhaft bleibt, wie aus dem gewöhnlichen der innere Schweinehund wurde. Also das Synonym, die Metapher schlechthin für die Antriebslosigkeit.
Klar, ich könnte meinen Nachbarn fragen. Der wird es wissen. Der weiß alles über das Laufen in Theorie und Praxis und alle Themen, die auch nur im Entferntesten damit zu tun haben könnten. Also auch so randständige Sachen wie die Antriebslosigkeit, die Trägheit, die Faulheit, endlich mal das Laufen anzupacken. Sprich, den inneren Schweinehund zu hetzen, zu ermüden und dann zu packen und festzuhalten. Wer aber hetzt dann die Sau …? Pardon, aber die Sache läuft hier ziemlich schweinisch aus dem Ruder.
„Immerhin etwas, das läuft, wenn Sie es schon nicht tun“, würde mein Nachbar vielleicht sagen. Der rennt ja bekanntlich jeden zweiten Tag an meinem bescheidenen Haus und Grundstück vorbei. Hält, wenn er am Jägerzaun Pause macht, schlaue Vorträge. Übers Laufen, Joggen, Rennen, die ganze Palette. Und ich, als ausgewiesener Unsportler, stehe meist da wie ein vom Lehrer beim Rauchen ertappter Pennäler.
Neulich habe ich mich dabei erwischt, mit quasi wissenschaftlicher Akribie etwas wie einen Musterkatalog der Ausreden zu erstellen, den ich meinem Rennfanatikus hätte präsentieren können.
Ich fing guten Mutes an.
Ausrede Nummer 1: Die Arbeit hindert mich an sportlicher Betätigung.
Ausrede Nummer 2: Private Verpflichtungen hindern mich am Laufen.
Ausrede Nummer 3: Der Nutzen sportlicher Betätigung wird maßlos übertrieben.
Ausrede Nummer 4: Laufen ist die langweiligste aller sportlichen Betätigungen überhaupt.
Ausrede Nummer 5: …. Tja, das war es dann nämlich schon. Zwar fiel mir noch das eine oder andere ein. Doch nicht einmal mich selbst konnte das meiste auch nur halbwegs überzeugen. Stets machte sich ein irritierendes Geräusch über jeden meiner Einfälle her. Ich hörte es grunzen und bellen in einem. Ein ganzes Rudel innerer Schweinehunde machte sich über jede meiner Ausreden und Vorwände her. Keine Chance gegen diesen Zwitter auf vier Beinen. Nichts stärker als die ernüchternde und schmerzende Einsicht, schlicht zu faul zu ein, nach ebenso faulen Ausreden zu suchen, nichts in der Hand zu haben außer der betrüblichen Erkenntnis ausgewachsener Willensschwäche.
Das grunzbellende Tier muss niedergekämpft werden. So kann es nicht weitergehen. So wird es nicht weitergehen. Morgen werden Laufschuhe gekauft. Übermorgen werden sie geschnürt.
Einen Begleiter auf vier Beinen habe ich auch schon. Ich bin sicher, er wird nicht sonderlich stark aufbegehren gegen mein Ansinnen, mich zu begleiten.
Das Tier hatte zwar bisher noch keinen Namen. Doch bevor ich meinen ersten Lauf mit ihm zusammen in Angriff nehme, wird er getauft. Ich werde den Kerl – es handelt sich um ein männliches Exemplar – Schumi nennen. Ich finde, der Name passt ausgezeichnet zu meiner Schildkröte.