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Einführung

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Was Sie von diesem Buch erwarten können – und was nicht

In diesem Buch werden Sie nichts wirklich Neues finden. Im Gegenteil. Es enthält ausschließlich Altes Wissen. Da uns heute jedoch die mannigfaltigen Erfahrungen fast aller Hochkulturen in einem Maße zur Verfügung stehen wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit, sollten wir dieses Erbe auch nutzen. Ich habe deshalb versucht, einen kleinen, ganz persönlichen Ausschnitt aus diesem Erfahrungsschatz zu destillieren und neu in unsere Zeit zu übertragen.

Wir sprechen und denken heute anders als Menschen, die noch vor 100 Jahren lebten. Am leichtesten verständlich aus der „alten Zeit“ ist jedoch auch heute immer noch für uns die Bildersprache. Das Neue Testament beispielsweise ist voll davon. Deshalb werden Sie in diesem Buch zahlreiche Geschichten und Gleichnisse finden, die uns helfen können, die zum Teil sehr abstrakten Themen unmittelbar verständlich werden zu lassen.

Der Weg des Menschen aus der Dumpfheit des Unbewussten hin zum Erwachen hat begonnen mit der Entdeckung, dass die Welt von Gegensätzen geprägt, also polar ist – im Chinesischen als Yin und Yang bezeichnet. Und der Mensch entdeckte sein Gefangensein in den Widersprüchen dieser polaren Welt. Deshalb gibt es in allen Kulturen Befreiungswege, bei uns Spiritualität oder Mystik genannt. Bei allen Unterschieden in der kulturell geprägten Form und in der Sprache oder in der Bildhaftigkeit haben sie jedoch eines gemeinsam: Sie versuchen die Gegensätze der Polarität zu überwinden, um dabei die Einheit (zurück) zu gewinnen.

Nun wird dieses „Geschäft“ häufig als eine ausgesprochen ernsthafte Angelegenheit betrieben. Bodhidharma, der erste Patriarch des Zen, wird meistens so grimmig dargestellt, dass Kinder vor ihm davonlaufen würden. Auch bei der Betrachtung der Lebensgeschichte des großen Meisters Jesus stehen die ernsthaften, ja tragischen Aspekte meistens im Vordergrund. Das Leben ist ja nun auch wirklich kein Kinderspiel. Allerdings habe ich den Eindruck, dass insbesondere bei den großen Religionen, das gilt nicht nur für den Islam, sondern auch für das Christentum, das Judentum und auch für weite Teile des Buddhismus, Ernsthaftigkeit nur im Doppelpack mit Verbissenheit zu bekommen ist. Dabei müssen wir uns fragen, wie eine solche Haltung mit dem Weg in die Freiheit zu vereinbaren ist.

Zum Glück gibt es jedoch in allen Religionen auch die heiligen Narren. Speziell im Zen, das eines der Schwerpunkte dieses Buches sein wird, spielen diese Verrückten eine große Rolle. In unserer Zeit haben wir es vor allem dem großen Osho zu verdanken, dass die Kultur des Lachens wieder in den meditativen Kontext gekommen ist. Selbst im Alltag sprechen wir ja von „befreiendem Lachen“.

Dieses Buch ist allerdings keineswegs nur eine lustige Sache. Denn: Wann immer wir uns wirklich offen der Welt und ihrer Zerrissenheit zuwenden, stoßen wir auf das Leid, auf unser eigenes und das der anderen. Wenn diese Erfahrung nicht zu einer großen, existenziellen Betroffenheit führt, haben wir uns noch nicht genügend geöffnet. Auch zu dieser Erfahrung will dieses Buch Sie führen und begleiten. Und dennoch, wenn wir in der Betroffenheit, der Freudlosigkeit, verhaftet bleiben, ist es um unsere Erlösung schlecht bestellt. Deshalb ist dieses Buch auch ein Training, immer wieder unseren „Modus“ zu wechseln, um unsere Fixierungen zu lösen. Dabei werden die Übungen helfen, aber vor allem auch die Geschichten. Beginnen wir deshalb gleich mit einer wunderlichen Geschichte, bei der auf absurde Weise unsere Illusionen offengelegt werden.

Wenn Sie Spaß an dieser Geschichte haben, werden Sie den Rest des Buches sicher auch mögen. Wenn Sie keine Freude an dieser Geschichte haben, dann sollten Sie das Buch erst recht lesen. Vielleicht können Sie dann zumindest über die letzte Geschichte am Schluss wieder lachen. Unsere erste Geschichte spielt im alten Orient und in einer Zeit, die es heute bestimmt nicht mehr gibt …

Da sitzen zwei Freunde zusammen im Kaffeehaus und genießen die Wasserpfeife. Der eine schwärmt von den Vorzügen des Duftes zweier verschiedener Blumen, der Herrlichkeit der Abwechslung und wie schön es ist, mal so, mal so. Klar, er redet von seinen beiden Frauen. Der andere sitzt mit offenem Mund vor ihm und denkt bei sich: ‚Das muss ja wie im Paradies sein. Warum sollte ich nicht auch den Honig zweier verschiedener Bienen kosten? Warum sollte ich nicht jede Nacht eine andere Köstlichkeit erfahren, wie es offensichtlich mein Freund vermag?’

Also beschließt er schon bald, eine weitere Frau zu heiraten. Gesagt getan. Natürlich will er in der Hochzeitsnacht das Bett mit ihr teilen. Seine neu Angetraute weist ihn jedoch entschieden zurück: „Was willst du, geh doch zu deiner ersten Frau. Ich bin doch nicht das dritte Rad am Karren. Entscheide dich, entweder ich oder sie!“ Enttäuscht zieht er sich zurück und will Trost bei seiner ersten Frau suchen. Als er zu ihr ins Bett schlüpfen will, bekommt er jedoch erneut eine Abfuhr: „Das ist doch wohl nicht dein Ernst“, fährt sie ihn an, „du hast eine zweite Frau geheiratet, geh doch zu ihr. Offensichtlich bin ich dir nicht gut genug.“ Tief enttäuscht und ratlos steht er auf und geht aus dem Haus, um in der Moschee Ruhe und Frieden zu finden. Als er so dasitzt im Dunkel des Raumes und über sein Schicksal grübelt, hört er hinter sich ein Geräusch. Da war offensichtlich noch jemand, den er bisher nicht bemerkt hatte. Er wendet sich um – und, tatsächlich, da sitzt doch sein Freund, der ihm von seinen zwei Frauen vorgeschwärmt hat. „Ja was machst denn ausgerechnet du hier?“, fragt er ihn erstaunt. „Ach je,“ antwortet sein Freund voller Trübsinn, „meine beiden Frauen verweigern sich mir, und das schon seit Wochen.“ „Was? Du hast mir doch selbst vorgeschwärmt, wie wunderbar und köstlich es sei, mit zwei Frauen schlafen zu können.“ Verlegen druckst da sein Freund: „Ich fühlte mich so einsam hier in der Moschee jede Nacht, und da wünschte ich mir, ein Freund möge bei mir sein.“

In diesem Buch habe ich zehn Türen beschrieben, die in das Haus der Weisheit führen können. Sie können diese Eingänge in der vorgegebenen Reihenfolge der Kapitel nutzen – oder nach eigenem Gutdünken. Denn in jedem Kapitel gibt es Verweise auf die anderen. Letztlich ist es natürlich nicht wichtig, alle zehn Türen zu öffnen. Wichtig ist nur, dass für Sie eine richtige dabei ist. Diese werden Sie allerdings nicht nur durchs Lesen finden.

Der Perspektivwechsel, der notwendig ist, um Weisheit zu erfahren, braucht die Beharrlichkeit der Übung. Wenn Sie ihn einmal erfahren haben, werden Sie sehen: Es ist super einfach. Dann werden Sie entdecken, dass es nicht nötig ist, in irgendein Haus der Weisheit einzutreten, sondern dass Sie schon mittendrin sitzen – und sich die Türen nach außen öffnen. Freuen Sie sich auf dieses verrückte Spiel, das die Weisheit mit uns macht.

Sie wartet schon vor deiner Tür

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