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Übung 1: Die Ki-Atmung

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Wichtig ist, dass Sie sich – gerade am Anfang – in eine entspannte Situation bringen. Setzen Sie sich bequem in einen Sessel oder legen Sie sich so auf eine bequeme Unterlage, dass der Kopf etwas erhöht ist und die Beine bequem auseinander liegen. Auch die Arme sollten leicht abgespreizt am Boden oder – wenn Sie sitzen – auf den Oberschenkeln liegen. Schließen Sie die Augen und warten Sie einige Sekunden, bis Sie Ihren Körper wirklich wahrnehmen.

Und dann beginnen Sie einmal bewusst, zunächst nur den Atem zu beobachten. Das Kommen und Gehen des Atems, so wie es sich von selbst ergibt. Wenn Sie sicher sind, dass Sie den Atem wirklich wahrnehmen – und zwar ohne Bewertung –, dann können Sie damit beginnen, einmal etwas tiefer einzuatmen. Atmen Sie zunächst noch nicht bis an die volle Ausschöpfung Ihres Atemvolumens, sondern nur so, dass Sie spüren, wie das ist, intensiver einzuatmen. Es geht hierbei vor allem um die Bewusstheit zu sehen, welche Effekte entstehen und wie wir auch kleinste Veränderungen schon spüren oder wahrnehmen.

Wenn Sie den einströmenden Atem deutlich spüren und ihn etwas intensiviert haben, können Sie auch den ausströmenden Atem deutlicher spüren. Lassen Sie jetzt den Atem mit etwas Kraft stärker ausströmen als er vielleicht von selbst fließen würde. Beginnen Sie, diesen Rhythmus des etwas gesteuerten, intensiveren Einatmens und dann des gesteuerten, intensiveren Ausatmens wahrzunehmen. Achten Sie darauf, dass Sie keinen falschen Ehrgeiz entwickeln, nun die Atmung gleich wie einen Dampfkessel zu betreiben. Es geht nur darum, die Intensitätssteigerung der Atemfrequenz wahrzunehmen.

Wenn Sie diese Übung gemacht und ein gutes Gespür für den Atem bekommen haben, dann können Sie versuchen, noch tiefer einzuatmen, und zwar so tief, wie es jetzt, ohne dass es schmerzhaft oder zu anstrengend wird, möglich ist. Nach diesem tiefen Einatmen sofort wieder den Atem ausströmen lassen. Lassen Sie ihn zunächst so weit ausströmen, wie es durch den beim Einatmen entstandenen Überdruck von selbst geschieht. Versuchen Sie diesmal jedoch, dem Atem in der Schlussphase ein wenig mehr Schub zu verleihen, sodass auch noch die Luft, die vielleicht normalerweise in den Lungenbereichen verbleibt, ausgeatmet wird. Auch hier ist wieder darauf zu achten, dass diese Bewegung nicht mit Kraft oder gar mit Aggressivität entsteht, sondern dass sie wie ein Experiment, wie ein Versuch gehandhabt wird.

Wenn Sie diese Übung einige Male durchgeführt haben, vielleicht fünfmal ein- und ausatmen, dann warten Sie einen Augenblick in der Ausatmungs-Phase und lassen den Atem sich noch einmal selbst finden. Und dann beginnt vielleicht zum ersten Mal die vollständige Einatmung, wobei Sie jetzt so tief einatmen, wie es Ihnen möglich ist – und vielleicht noch ein wenig tiefer, ohne Gewalt. Danach lassen Sie den Atem einfach wieder ausfließen. Auch hier gilt wieder: Der Atem sollte nicht gepresst werden, sondern sollte ausströmen – wie ein lang gezogenes, lautloses Stöhnen. Dazu ist es sehr hilfreich, den Mund leicht zu öffnen und den Atem durch den leicht geöffneten Mund ausströmen zu lassen. Erst in der letzten Phase des Ausatmens können Sie die Bauchmuskulatur einsetzen, um das Zwerchfell zu bewegen und so noch ein wenig mehr des Restatems auszustoßen. Das kann durchaus auch in leichten ruckartigen Bewegungen geschehen.

Wenn Sie soweit ausgeatmet haben, ohne dass es schmerzhaft wird, können Sie einen Augenblick den Atem halten, in der Stille der Nichtatmung. Und warten Sie dann einmal, bis der Atem von selbst wiederkommen möchte. Danach können Sie wieder einatmen. Das Einatmen sollte jetzt durch die Nase erfolgen. Tief durch die Nase einatmen … noch tiefer … ohne die Schultern hochzuziehen … und noch tiefer – ohne Schmerzen auszulösen, ohne Gewalt anzuwenden – soweit wie es jetzt möglich ist (vielleicht ist es morgen anders). Auf dem höchsten, jetzt möglichen Atempunkt lassen Sie den Atem wieder ausströmen, indem Sie den Mund leicht öffnen. Der Atem kann frei fließen. Erst in der letzten Phase ein wenig nachhelfen und ihn vollständig ausströmen lassen. Dann wieder die Atempause.

Auch hier, in der Atempause, gilt es, sich keine Mühe zu geben. Es geht nicht darum, einen Rekord aufzustellen und die längste Atempause der Welt zu erzeugen. Es geht nur darum, die Erfahrung der Atempause selbst zu machen. Ob sie nun eine Sekunde oder 60 Sekunden dauert, das spielt überhaupt keine Rolle. Viel wichtiger ist die Intensität der Erfahrung. Diese „Atem-Pause“ wird im Laufe der Zeit auf natürliche Weise ein wenig länger werden.

In der nächsten Phase wird das Einatmen in einer bestimmten Weise kontrolliert, sodass es noch langsamer erfolgt. So können wir lernen, auch unter einem gewissen Druck ohne Hast oder Gier einzuatmen. Das geschieht, indem Sie den Rachenraum ein wenig einengen, so als würden Sie beginnen zu schnarchen. Dabei sollten Sie nicht wirklich ins Schnarchen verfallen. Den Rachenraum nur ein wenig einengen, während Sie durch die Einengung hindurch durch die Nase tief einatmen. So atmen Sie wieder bis zum vollständigen Auffüllen ein, um dann mit leicht geöffnetem Mund den Atem langsam mit einem stimmlosen „Ha“ ausströmen zu lassen.

Auf diese Weise kommt es zu einer Art erleichterndem Stöhnen. Und weil es so systematisch in die Länge gezogen wird, ist es besonders effektiv. Mit diesem Ausatmen wird alles freigesetzt, was wir an Spannungen, an Festhalten in uns tragen. Mit dem tiefen Einatmen geben wir uns vollständig hin für das, was kommen möchte, was da ist. Wir schöpfen die ganze Kraft der Welt in uns hinein, lassen sie zu und lassen sie ein.

In der folgenden Phase dieser Atemübung sind Sie bereits im fortgeschrittenen Stadium (es kann Tage und Wochen dauern, bis Sie dahin kommen). Stellen Sie sich vor, wie sich der Atem mit der Einatmung – durch die Nase geatmet und mit leicht verengtem Rachenraum – vom Beckenboden an im Körper auffüllt, bis hin zum Scheitelpunkt des Kopfes. Wie wenn sich ein leeres Gefäß kontinuierlich mit dem Atem auffüllt. Dann, mit der Ausatmung, stellen Sie sich vor, dass der Atem vom Scheitelpunkt des Kopfes heruntersinkt, immer tiefer, bis zum Beckenboden, so als ob der Körper von oben nach unten wieder entleert würde.

Es braucht etwas Training, diese Vorstellung gleichzeitig neben all den vielen anderen Anweisungen gezielt ein- und umzusetzen. Sie führt aber dazu, dass wir den Körper – mental und physisch – einmal wirklich vollständig auffüllen und wieder entleeren. Den Organen und Zellen wird dabei sehr viel Sauerstoff zugeführt – und zwar bis in Bereiche hinein, die ansonsten selten vollständig mit Sauerstoff versorgt werden. Die vollständige Einatmung regt nämlich den Transfer des Sauerstoffes bis in die kleinsten Zellen hinein an.

Umgekehrt wird mit der vollständigen Ausatmung ein Vakuum erzeugt, so dass wir auch die letzten Reste des Kohlendioxids, das wir in uns tragen und das uns buchstäblich versauern lässt, ausatmen und damit abgeben können. Mit dem Einatmen wird ein Überdruck erzeugt, der den Sauerstoff und gleichzeitig die Ki-Kraft bis in die letzten Zellen hineintransportiert. Mit dem Ausatmen wird ein Unterdruck erzeugt, der dafür sorgt, dass alle schädlichen Stoffe, die sich in uns angelagert, im Körper festgenistet haben, gelöst und ausgeschwemmt werden können.

Diese Erklärung ist allerdings von nachrangiger Bedeutung und nur für unseren Kopf wichtig zu wissen. Viel wichtiger ist es, die Wirkung selbst zu erfahren. Und das ist nur durch die Praxis möglich. Wenn Sie nach einigen Monaten Übung mit der vollständigen Atmung, oder auch Ki-Atmung, einmal eine Lungenvolumenmessung beim Arzt machen lassen, werden Sie zu Ihrer Überraschung, meistens auch zur Überraschung der Assistentin dort, feststellen, dass Ihr Lungenvolumen deutlich zugenommen hat. Wir verhindern also mit der vollständigen Atmung auch ein Erschlaffen der Lungentätigkeit. Und jeder weiß, dass die Lunge eines der wichtigsten Organe unseres Körpers ist.

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