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Vorwort

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Von Dr. Ruediger Dahlke

Zen-Meditation ist mir seit vielen Jahren eine Quelle der Selbsterfahrung und ein Pol der Ruhe, den ich als Nichtsesshafter und Reisender im spirituellen Bereich nicht mehr missen möchte. Seit einem Vierteljahrhundert halte ich zusammen mit einem Freund Seminare mit Sitzmeditation, Schweigen und Fasten, und noch immer hält Zen für mich Überraschungen bereit. Insofern hab ich mich spontan gefreut, diesem Buch von Paul Kohtes, einem Mitreisenden auf diesem Weg, einige Gedanken vorauszuschicken.

Vor Jahren war ich zu einem interkulturellen Gottesdienst eingeladen im wundervollen Jugendstilsaal der großen psychiatrischen Anstalt Steinhof in Wien. Alle möglichen Vertreter aller möglichen Religionen traten der Reihe nach vor, zum Teil in den eindrucksvollen Ornaten ihrer jeweiligen Tradition, und lasen etwas aus ihrem jeweiligen heiligen Buch oder sangen ein Stück ihrer Liturgie. Irgendwann trat ein Mann im einfachen Straßenanzug vor und sagte nur wenige Worte: „Ich stehe für die Zen-Tradition: Wir haben kein heiliges Buch, aber alles ist heilig.“ Dann trat er wieder zurück, setzte sich und es trat Stille ein. Eine ungeplante Stille, die dadurch entstand, dass sich alle von dem Schreck dieser Kürze erholen mussten. Im Moment dieser Stille aber lag die größte Nähe zu wirklichem Gottesdienst, die diese ganze aufwendige und anspruchsvolle Veranstaltung überhaupt erreichte – obwohl die Zen-Tradition als Kind des Buddhismus natürlich keine Götter und keinen Gottesdienst kennt.

Ein Moment der Praxis ist im Zen wichtiger als langer Aufwand und viel Brimborium. Da alles heilig ist, lohnt sich gar kein besonderer Aufwand oder in jedem Moment ist aller Aufwand im Hinblick auf Achtsamkeit angebracht.

Eine noch frühere persönliche Erfahrung ging in dieselbe Richtung. Als ich 20-jährig an meinem ersten Zen-Seshin teilnahm, war ich von der ruhigen Einfachheit und der Tiefe meiner Erfahrungen so berührt, dass ich spontan Buddhist werden wollte. Ich teilte meinen Entschluss mit heiligem Ernst dem Zen-Meister mit und er sagte einfach: „Spar dir die Zeit und meditiere stattdessen.“ Damals war ich sowohl betroffen als auch ein wenig beleidigt, dass mein so ernst gemeintes Ansinnen so kurz und bündig abgewiesen wurde. Heute weiß ich, wie recht dieser Meister hatte. Ich bin seinem Rat gefolgt, habe in Stille sitzen geübt und bin inzwischen froh, noch immer Christ zu sein, wobei ich auch diese Erkenntnis nicht unwesentlich dem Za-Zen verdanke. Nach 20 Jahren Zen-Fasten-Seminaren in der Karwoche und Begegnungen mit christlichen Zen-Meistern wie Enomiya Lasalle, Niklaus Brantschen und Willigis Jäger fühle ich eine Stimmigkeit in dieser Mischung, die meiner zum Teil rastlosen Suche ein für mich passendes Ende setze.

Viele der Erfahrungen, die Paul Kohtes in wundervoll ausgewählten Geschichten und Übungen anklingen lässt, konnte ich sitzend und allmählich auch einfach lebend für mich erfahren. Das Schicksal sandte mir unsere Tochter Naomi, die auf ihre Weise behindert, mir auf andere Weise weit voraus ist, und die uns allen immer wieder Zen-Lektionen gibt. Mit ihr konnte ich erleben, wie behindert wir alle sind, es kommt immer nur darauf an, womit wir uns vergleichen. Wenn ich mit Delphinen schwimme, bin ich ihnen gegenüber nicht nur verlangsamt, sondern wirklich minderbemittelt. Schwimme ich mit Rochen, bin ich ein uneleganter, tollpatschiger Behinderter – bin einfach nicht in meinem Element. Verglichen mit Christus oder Buddha sind wir alle behindert, schöpfen unsere Möglichkeiten bei Weitem nicht aus und sind in sofern eigentlich nur Karikaturen des Menschenmöglichen.

Naomi fordert von uns, ihren Eltern und den Menschen ihrer Umgebung, Zen-Bewusstsein, wenn sie etwa beim Stochern, einem ihrer frühen Lieblingsspiele, wo es darum geht – am Boden sitzend – mit einem Stöckchen stundenlang Herbstlaub aufzuspießen, darauf achtet, dass ich auch ja nichts anderes nebenher mache oder auch nur denke. Einmal hatte ich mir auf der ihr abgewandten Seite ein kleines Büchlein mit italienischen Vokabeln zurechtgelegt, um gelegentlich einen Blick hineinzuwerfen. Ganz ruhig stand sie auf, stapfte um mich herum, schloss das Büchlein und verstaute es in meiner Tasche. Genau in diesem Moment fiel mir die Geschichte ein, wo die Schüler den Zen-Meister fragen, wie er es fertig brächte, mit heiterer Gelassenheit in jedem Moment die Ruhe bewahrend, sein Leben zum Ritual zu machen. Die berühmte Antwort lautete: „Wenn ich sitze, sitze ich, wenn ich gehe, gehe ich und wenn ich esse, esse ich“. „Aber das machen wir doch auch“, wandten die Schüler ein. „Nein“, entgegnete der Meister, „ihr macht alles andere als das. Wenn ihr sitzt, denkt ihr ans Aufstehen und wenn ihr aufsteht, schiebt ihr euch in Gedanken schon euren Hamburger zwischen die Zähne.“

Zen bedeutet sein. Ich wünsche den Lesern, dass sie die Stille und das Sein zwischen den Zeilen dieses Buches erleben.

Sie wartet schon vor deiner Tür

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