Читать книгу Die Rache des Don Wiggerl - Paul Kavaliro - Страница 7
ОглавлениеDer Kreis
Den Kreis der Verdächtigen abzuklappern – dazu machten sich alle Kommissare auf, gleich nach der Klärung der Frage, ob es Feinde gab.
Doch wo sollte Ludwig anfangen? Wer erschien denn überhaupt verdächtig? Gleich losrennen und unstrukturiert Leute ausfragen wollte er jedenfalls nicht.
Die Kommissare im Film sichteten immer zuerst Material. Dann klebten sie Bilder von beteiligten Personen sowie andere Hinweise an eine Pinnwand. So einen Hokuspokus wollte Ludwig nicht veranstalten. Doch was hatte er sonst für Materialien? Gestern hatte er Überwachungskameras gesehen. Also musste es auch Videoaufzeichnungen geben, auf Band oder auf einem noch moderneren Speichermedium.
Die zu studieren, das klang wie ein guter Anfang. Wenn es schon diese super-duper-Technik gab, dann sollte man sie auch nutzen. Und vielleicht ließ sich damit der Verdächtigenkreis einengen!
Tatsächlich – es gab Videobänder. Ludwig fragte sie bei Elvira Karl an und sie enttäuschte ihn in ihrer Rolle als Informations- und Organisationszentrum nicht. Sie verwies ihn auf den Videoraum. Dort war alles zu finden.
Ein erster Überblick deckte keine Lücken auf: Alle Bänder standen da. Auch wurden sie nicht nach einiger Zeit überschrieben, sondern alle fein säuberlich im Videoraum aufgehoben, in einem Regal neben den Überwachungsmonitoren. Daneben stand ein Videogerät mit angeschlossenem Bildschirm, das man für das Abspielen von Bändern in Verdachtsmomenten verwenden konnte.
Stundenlang schaute er sich die Aufnahmen jeder einzelnen installierten Kamera an. Das Zeitfenster, in dem der Pferdeklau passiert sein konnte, streckte sich lang dahin. Es reichte in der fraglichen Nacht von etwa 22 Uhr abends bis 6 Uhr morgens – von der Ruhe nach dem Tag bis zum Ende der Ruhe am nächsten Tag. Vor dem Beginn dieses Fensters standen alle Pferde an ihrem Platz. Danach fehlten welche.
Ludwig erhoffte sich von den Aufzeichnungen Hinweise, wie dieser Unterschied zustande kam. Doch er fand zunächst: nichts. Kein Pferd verließ den Stall. Andererseits trottete auch keines hinein, aber zu viele Tiere stellten ja auch gar nicht das Problem dar.
Auf den Bändern gab es auch keine augenscheinlichen Aufzeichnungslücken: Alle Kameras hatten offensichtlich während der gesamten Zeit ein Bild aufgezeichnet. Es gab keine Blackouts und keine deutlichen Zeitsprünge, also hatte auch niemand die Aufzeichnung für eine Weile unterbrochen.
Konnten die Pferde an den Kameras vorbei weggebracht worden sein? Das schloss Ludwig aus, denn jedes Stalltor lag im Aufnahmebereich von mindestens einem der elektronischen Augen. Und einen Tarnumhang so wie bei Harry Potter konnte man ebenfalls ausschließen. Derart große Umhänge hatte selbst in Hogwarts keiner.
Mit der Zeit wurde die Videoschau langweilig. Ludwig tippte ungeduldig auf den Vorspulknopf und beschleunigte das Abspielen zunächst auf die doppelte Geschwindigkeit, danach nochmals schneller und noch ein weiteres Mal – alles, was das Material hergab. Das war immer noch langsam genug, um einen unerlaubten Pferdetransfer zu entdecken. Und er konnte seine Analyse dadurch in einem Bruchteil der Zeit erledigen. Er kam nun besser voran auf der Suche nach einer verdächtigen Passage. Doch dann erreichte die ganze Filmschau ihr Ende und die Zahl der gefunden Anhaltspunkte betrug genau: 0.
Also nochmal das Ganze.
Er überlegte. Wirklich?
Der Abend war herangerückt und Ludwig hatte genug. Morgen war auch noch ein Tag. Also fuhr er nach Hause.
Doch bis der neue Tag anbrach, hatte Ludwig genügend Zeit zu überlegen. Hatte er etwas übersehen? Gab es zum Beispiel Auffälligkeiten, die sich zeitgleich auf unterschiedlichen Bändern fanden? Etwa derselbe Stallwächter, der über das Gelände lief? Aber das war ja normal. Wenn jemand unterwegs war, dann erschien er auch auf mehreren Aufzeichnungen, und zwar ohne gleich verdächtig zu sein. Hier begab er sich also in eine Sackgasse.
Irgendetwas anderes? Ihm fiel nichts ein.
Der Morgen kam und Ludwig machte sich auf den Weg zur Ranch. Ein wenig nervös war er schon. Er brauchte einen schnellen ersten Erfolg, egal wie klein. Gewiss schneite Toni demnächst herein und stellte ihn zur Rede, was es an Neuigkeiten gab. Und dann hatte er nach Möglichkeit eine Antwort parat und nicht nur eine Ausflucht. Lange geduldig auf Fortschritte zu lauern, das war nicht Tonis Art. Schnelle Ergebnisse kamen besser an.
Ludwig erwachte aus seinen Gedanken, als er mit dem Jeep auf dem Ranch-Parkplatz vorfuhr. Heute stand weiteres Videostudium auf dem Programm, keine großen Gespräche. Also lief er schnellen Schrittes in das Ranch-Hauptgebäude hinein, mit kurzem Gruß an Elvira Karl vorbei und schnurstracks in Richtung Videoraum. Somit entging er möglichen nervigen Fragen.
Er inspizierte noch einmal jedes Band: Gab es äußerliche Beschädigungen? Nein, da war nichts zu sehen. Als es draußen klopfte, schreckte er unwillkürlich zusammen. Ohne Abwarten sprang die Tür auf und Frau Gouvernante Elvira trat mit strengem Gesichtsausdruck herein. Sie stellte ihm wortlos einen Kaffee hin und Ludwig bedankte sich brav.
„Vielleicht verstellt sie sich nur und ist in Wahrheit nett?“, dachte er sich. Und mit der Kaffeetasse in der Hand und einem flauen Gefühl im Magen machte er sich angetrieben vom Rest seines morgendlichen Elans an die Videoanalyse 2.0.
Wieder nichts. Keine sich herumtreibenden Pferde, keine verdächtigen Personen. Die ganze Zeit nur Kunstlicht-beschienene Pferdeställe und Wege. Gegen Ende der Aufzeichnung verblasste dann die warme Helligkeit der Lampen und machte der Morgendämmerung Platz. Überall dasselbe. Oder nicht? Ludwig spulte das Band, das er gerade in der Mangel hatte, ein Stück zurück.
4.23 Uhr: nur Lampenlicht.
5.02 Uhr: immer noch nur Lampen.
5.54 Uhr: dito.
Dabei fand der Diebstahl doch bereits Anfang September statt! Da war es doch um diese Zeit schon ein bisschen hell draußen!
6.14 Uhr: Plötzlich sind die Lampen blass, die Sonne versteckt sich zwar noch hinter dem Horizont, reichert aber schon die Helligkeit der Szene an.
Wie sah das auf einem anderen Band aus?
Genauso.
Noch ein Band.
Wieder so.
Und beim Band vom Eingangstor, das gar keine Ställe zeigte? Dort gab es bereits um 5.50 Uhr etwas Sonnenlicht.
Aha!
Jetzt betrachtete Ludwig diese Zeitabschnitte nochmals genauer an und begann beim Band vom Eingangstor. Gleichmäßig hellte sich die Szenerie auf. Die Sonne schlich sich allmählich an. Also war alles unverdächtig.
Dann eines der anderen Kamerabilder: Lampendominanz bis 5.57 Uhr, danach plötzlich sanfte Sonne.
Und noch ein Band: schlagartig Sonne ab 5.58 Uhr. Er schaute genauer auf den Moment des Sonnen-Übergangs auf dem Band. An der Stelle sprang die auf der Aufzeichnung eingeblendete Zeit tatsächlich um einen kleinen Augenblick nach vorn, nur wenige Sekunden. Und vor diesem Moment sah das Bild anders aus als danach. Es zeigte zwar die gleiche Szene, aber die Farben erschienen unterschiedlich und auch der Sonnenlichtanteil.
Ludwig stellte seine Kaffeetasse ab, denn jetzt wurde es ernst. Er näherte sich einer Erkenntnis: Das lief wie in einem Bankraub-Film ab – jemand musste ein Foto vor den betroffenen Kameras angebracht haben. Und dieses Foto zeigte eine unverdächtige, leere Straße oder ein verschlossenes Stalltor und in Wirklichkeit ging in der Zeit die Post ab! Die Pferde wurden quasi über den Ladentisch gereicht, ohne dass eine Kamera es jemals aufgezeichnet hatte.
Ludwig hatte schon den Band-Abschnitt gefunden, in dem das Foto am Morgen wieder gegen die Realität zurückgetauscht wurde. Konnte er auch die Stelle finden, an der man das Foto vor die Kamera geschoben hatte?
Immerhin wusste er ja jetzt, wonach er suchen musste: nach einer kleinen Lücke in der eingeblendeten Zeit. Und er fand sie: in tiefster Nacht um 1.34 Uhr. Er sah den Zeitsprung, in dem die Kamera scheinbar abgeklemmt worden war und dann hing da das Foto vor der Linse. Durch die Abwesenheit von Sonnenlicht zu dieser Zeit konnte man den Unterschied zwischen Foto und realer Szene kaum bemerken. Jemand musste es also kurz zuvor aufgenommen haben, um so viele Gemeinsamkeiten zur realen Szene wie möglich aufs Bild zu bringen – zum Beispiel am Vortag oder unmittelbar vor der Tat zwischen 0 und 1 Uhr. Danach hatte er es ausgedruckt und vor der entscheidenden Phase angebracht. Dann erst wurden die Pferde bewegt und schließlich das Foto wieder abmontiert. Saubere Arbeit!
Und was verrieten die Videos über den Täter? Er hatte sich genau über die Lage der Kameras informiert und er musste die Abläufe kennen. Oder er kannte beides bereits, weil er Insiderwissen besaß.
War es also jemand von der Ranch? Das konnte man noch nicht sagen. Immerhin sprach die Vertrautheit mit den Tieren für diese These. Aber sie erschien trotzdem unwahrscheinlich. Warum sollte schon jemand, der von hier kam, von hier Pferde stehlen? Die waren doch alle so glücklich auf der Ranch und motiviert …
Ludwig kehrte den kurzen ironischen Anflug schnell wieder zur Seite. Auf alle Fälle handelte es sich um jemanden, der sich akribisch vorbereitet hatte.
Hatte Ludwigs Videobeobachtung den Verdächtigenkreis nun wie erhofft eingeengt? Ja, schon. Wäre es jemand gewesen, der wie ein Heuschreckenschwarm in der Natur oder wie eine Horde angriffslustiger Indianer im Western über die Ranch hereinfiel und danach nie wiederkam, er hätte sich auf das Überraschungsmoment verlassen und er hätte auf Schnelligkeit gesetzt. Er hätte sich vermummt, um nicht erkannt zu werden, und er hätte sich nicht die Mühe mit den Kameras gegeben. Er hätte sich derart schnell über alle Berge davongemacht, dass man ihn kaum eingeholt hätte. Eine Täter-Identifikation erschien dann so gut wie unmöglich, wenn er keine Spuren zurückgelassen hatte. Und die Pferde wären zügig weggebracht worden. Vermutlich sogar sehr weit weg.
Hier hatte sich stattdessen jemand ans Werk gemacht, der die Sorgfalt an die Stelle der Überraschung setzte. Er hatte sich Mühe gegeben, gar nicht erst gesehen zu werden. Er wollte keine Hinweise hinterlassen, die man für eine Verfolgung der Diebe und für eine Suche nach den Pferden benutzen konnte. Das sprach dafür, dass sich die Tiere noch in der Nähe aufhielten.
Wieder sprang die Tür auf, diesmal ohne vorheriges Klopfen. Und hereintrat: Toni. Doch jetzt erschrak Ludwig nicht, hatte er doch inzwischen ein kleines Gefühl von Nützlichkeit angesammelt, das ihm den Rücken stärkte.
„Und, Wiggerl, was gibt’s Neues?“, fragte Toni in einer Mischung aus Neugier und chefmäßiger Anstachelung.
„Jemand hat die Bilder einiger Überwachungskameras manipuliert“, erklärte Ludwig genüsslich. In einer solchen Feststellung war ja auch ein kleiner Vorwurf verpackt: Es gab einen Fehler im unfehlbaren Toni-System.
„Was?“, erwiderte Toni betroffen und tatsächlich wie einer, dem man gerade einen Fehler in seinem System nachgewiesen hatte.
„Derjenige hat sich besondere Mühe gegeben und die Aufzeichnungen verfälscht“, schwächte Ludwig den Vorwurf ab.
Toni nickte wichtig und gewann seine Selbstgerechtigkeit zurück. Sein System wies zumindest keinen einfachen, stupiden Mangel auf. Man konnte ihm kaum Leichtfertigkeit vorwerfen.
„Weißt du schon, wer es getan hat?“, bohrte Toni auf der Suche nach konkreten Ergebnissen nach.
„Wie ich sagte“, entgegnete Ludwig ruhig, „er hat sich Mühe gegeben und die Videos verraten mir nicht seine Identität.“
„Und jetzt?“ Toni wurde ungeduldig.
„Jetzt suche ich weiter. Die Pferde halten sich vermutlich nicht weit entfernt auf.“
„Soso“. Toni konnte nicht ganz folgen, aber es war nicht seine Art, fehlende Kombinationsfähigkeit zuzugeben. „Na dann, bis später“, verabschiedete er sich im guten Gefühl, dass die Dinge vorangingen. Schließlich hatte er sich ja auch gerade gekümmert. Da blieb Fortschritt unausweichlich.
Der kleine Videoerfolg gab Ludwig Schwung. Ein Erfolg war ein Erfolg. Und um seine Fortschritte stets vor Augen zu haben, fuhr er nach dem Videostudium direkt in den nächsten Laden und besorgte sich ein Notizbuch. Seine kleine, feine Liste von Erkenntnissen, die er darin festhielt, würde ihm über manche Motivationsdelle hinweghelfen, wenn es mal Rückschläge gab. Oder Herausforderungen. Und die nächste wartete bereits auf ihn – jetzt, da das Videostudium erledigt war: der Dorfsheriff. Ludwig wollte wissen, was der so alles wusste.
Zu ihm brach Kommissar Don Wiggerl am nächsten Morgen auf. Er musste dazu in die Kreisstadt fahren. Allerdings lief das alles weit weniger spontan ab als in einer Western-City. Man polterte hier nicht einfach in den Saloon und traf danach den Sheriff, weil man den automatisch rief, wenn ein Fremder in die Stadt kam und dadurch Ärger drohte.
Heutzutage gab es Termine mit den Ordnungshütern nicht einfach per Selbstbedienung. Man konnte sie sich aber durch einen unterwürfig vorgetragenen, bürokratischen Einsatz verdienen. Also unterwarf sich Ludwig und griff am Vortag brav zum Telefonhörer und fragte an, wann denn Zeit wäre. Scheinbar gab es wenig davon. Der Mann am anderen Ende der Leitung grummelte von „viel zu tun“ und dass man nicht für jeden kleinen Detektiv eine Privataudienz organisieren könne. Erst der Name Toni Kohlbayr, den Ludwig in kalkulierter, gespielter Verzweiflung einflocht, öffnete ihm die Tür. Wenn man für so jemanden arbeitete, dann musste es ja wichtig sein.
Und Ludwig war froh, dass er die Gelegenheit zur Unterhaltung bekam. Schließlich wollte er abklopfen, ob es einen einfachen, geraden Weg zum Ziel gab – der Aufklärung des Pferdediebstahls. Unwillkürlich schaute Ludwig auf seine Brust. Warum trug er eigentlich noch keinen Sheriffstern? Für diese Art Missionen hätte er einen verdient.
Den Namen seines Gesprächspartners hatte Ludwig am Telefon zu Anfang nicht so ganz verstanden. Deshalb fragte er jetzt nochmals nach, damit er sich morgen auch beim korrekten Ordnungshüter vorstellte, dessen Telefonstimme ihm allerdings seltsam vertraut vorkam. In der Tat antwortete die Stimme: „Bentheneder.“ Oh ja, den kannte er.
„Soll ich buchstabieren?“, fragte der Polizist.
„Danke, nicht nötig“, wehrte Ludwig ab. „Bis morgen dann.“
Als er am nächsten Tag auf dem Parkplatz der Polizeistation vorfuhr, da fühlte er wieder diesen unterschwelligen Argwohn gegenüber der Polizei. Den hatte er sich damals angeeignet, als er auf der Ranch aufgegriffen wurde und er die Ordnungshüter als verlängerten Arm von Toni Kohlbayr erlebte.
Heute kam es ihm so vor, als ob er sein „Pferd“ neben den Polizeigäulen des Ortes abstellte. Und die beäugten den betagten Jeep misstrauisch mit ihren neumodischen, scharf geschnittenen und LED-bewehrten Scheinwerfern. Aber beißen oder ausschlagen werden die schon nicht, beruhigte sich Ludwig. Er sollte seinen Argwohn zur Seite legen, schließlich stand er jetzt mit der Ordnungsmacht auf der gleichen Seite.
Auf der Polizeibehörde fragte er sich schnell zum Dorfsheriff Bentheneder durch, der tatsächlich immer noch für Genglkofen zuständig war. Er klopfte an der Bürotür an. Sein Gegenüber schien ihn bereits zu erwarten, denn ein lautes „Herein“ verhieß ihm sofortigen Eintritt. Ludwig fragte sich, wie viele Anklopfversuche er benötigt hätte, wenn er im Telefonat nicht damit geprahlt hätte, in Toni Kohlbayrs hochwichtiger Mission unterwegs zu sein.
Xaver Bentheneder war ein Mann im vorgerückten Alter. Gedrungen saß er hinter einem Standard-Schreibtisch, wobei das Möbelstück das Körperformat des Beamten nur notdürftig verdeckte. Somit konnte Ludwig sehen, dass sich Xavers Bauch auf dem entschlossenen Vormarsch befand. Also an einer Weißbier-Allergie litt dieser Polizist gewiss nicht.
Früher agierte Xaver Bentheneder von Genglkofen aus. Damals war er noch direkt in der Gemeinde stationiert. Mit der Zeit kamen Einsparungen, offiziell hießen sie: Konzentrierung der Sicherheitskräfte. Dadurch zog Xaver in die nächste größere Stadt um und noch ein paar Jahre später schließlich in die Kreisstadt. Hier saß er nun, zusammen mit dem Bierbauch und setzte seine Regentschaft fort. Er musste nicht mehr lange herrschen. Die Pensionierung war bereits in Sicht.
Der Polizisten-Schreibtisch präsentierte sich ordentlich aufgeräumt. Ludwig fragte sich, ob das Meister Bentheneder auch für nicht Toni-Entsandte so einrichtete. Nur auf dem kleinen Schrank hinter dem Beamtenstuhl, der früher bestimmt Papierakten aufgenommen hatte, lag ein sauber ausgerichteter Stapel Zeitungen. Ludwig erinnerte sich: Der Dorfsheriff galt schon seit ewigen Zeiten als passionierter Bild-Zeitungs-Leser. Böse Zungen behaupteten sogar, dass er sein komplettes Wissen aus diesem Medium schöpfte. Sicher gab es solche Zeitgenossen, die das taten, aber nicht jeder von denen gab es zu. Doch Xaver Bentheneder stand dazu. Seine Begründung fiel genauso einfach wie einleuchtend aus: Polizisten führen ein an der Wahrheit ausgerichtetes Leben, schließlich fördern sie selbige oftmals zutage, wenn sie mit weniger wahrheitsliebenden Bürgern aneinandergeraten. Selbstverleugnung war deshalb nicht Xavers Ding und er versteckte seine Zeitungen deswegen auch nicht oder legte stattdessen einen Spiegel oder Stern oder eine Financial Times zur Zierde aus.
Mit zugekniffenen Augen musterte er Ludwig: „Wie war gleich nochmal Ihr Name?“
„Donner“, antwortete der und gab seiner Stimme einen bewusst wenig donnernden Klang, damit der Name nicht wie ein Klischee rüberkam.
„Da war doch was ...“, wunderte sich der Gesetzeshüter, „… mit dem Kohlbayr.“ Und die Erinnerung erschien vor seinem geistigen Auge: Ja, da war etwas zwischen dem Man hier und dem Kohlbayr gewesen, für den dieser Ludwig der Wiggerl war und der sich von eben dem vor x Jahren mal bedroht gefühlt hatte. Das war damals einer der ersten Fälle des Dorfsheriffs und selbstverständlich erinnerte er sich daran, wie er den Herrn Donner in jungen Jahren standesgemäß von der Ranch abgeführt hatte.
Der Kohlbayr-Junior hatte daraufhin dem damals noch lebenden und entsprechend mächtigen Kohlbayr-Senior zugeflüstert, dass man diesen entschlossenen Polizisten mal loben musste. Das tat der Alte dann auch prompt gegenüber den Vorgesetzten des jungen Arms des Gesetzes, der damals noch ein unbeschriebenes Blatt war. Damit stellte dieser Ordnungshüter dann eben kein unbeschriebenes Blatt mehr dar, sondern jemanden, der den erfolgreichen Start in seine Laufbahn geschafft hatte.
Tja, so machte man sich Freunde und seitdem hegte Xaver Bentheneder stets eine freundliche Verbundenheit mit den Kohlbayrs und so wollte er auch deren Beauftragten Herrn Donner, der ihm gegenübersaß, in seinem Anliegen weiterhelfen. Gern erklärte er sich dazu bereit darüber hinwegzusehen, dass dieser Wiggerl hier schon von früher etwas auf dem Kerbholz hatte. Er hatte ja auch eine Weile woanders gelebt, wie der Polizist später hörte. Sicher hatte er inzwischen dazugelernt, zum Beispiel, dass man am besten keine anderen Leute bedrohte. Also verlor der Sheriff auch kein Wort über die alte Vergangenheit, das brachte ja nichts. Er gab Ludwig gönnerhaft eine neue Chance.
Und er tat das, obwohl er Ortsfremden prinzipiell misstrauisch gegenüberstand. Denn: Passierte etwas in seinem Reich, dann richteten das meistens die anderen an und nicht die Einheimischen. Gab’s zum Beispiel eine Beschädigung an der Bushaltestelle, so hatten das stets die Rotzbuam aus dem Nachbarort verbrochen, denn keiner zerstörte sein eigenes Nest.
Und Ludwig qualifizierte sich als Ortsfremder, denn wer so lange wegblieb, der konnte auch kein rechtmäßiger Einheimischer mehr sein. Einheimische waren nur die, die Einheimische waren, Einheimische geblieben sind und die das auch in Zukunft nicht ändern wollten. So wurde auch Xaver Bentheneder trotz einer passablen Polizisten-Laufbahn nie woandershin gelobt. Er blieb einfach hier in der Gegend; Genglkofen bildete sein Gravitationszentrum. Dort wohnte er und er würde diesen Ort immer beschützen.
Ludwig seinerseits erwartete auch nicht, dass man ihn hier mit offenen Armen aufnahm, dass sich die Seelen reihenweise vor ihm öffneten und man ihn sofort als den verlorenen Sohn ins kollektive Herz schloss. Er gab sich für den Moment schon damit zufrieden, wenn man ihm auf seine Fragen wahre Antworten austeilte.
Ludwigs Intuition meldete sich und meinte, dass nach all der stillen Betrachtung nun die Zeit dafür reif war, endlich sein Anliegen vorzutragen. „Auf der Kohlbayr-Ranch sind einige Pferde abhandengekommen“, eröffnete Ludwig das Thema.
„Ich weiß“, schlug Xaver Bentheneder einen Pflock ein. Es musste sofort klar werden, dass in seinem Bereich kaum etwas von Belang passierte, worüber er nicht im Bilde war. „Und es gab auch eine Untersuchung.“ Damit verschränkte er in dem guten Gewissen, seine Hausaufgaben gemacht zu haben, die Arme; sollte doch dieser Weg- und wieder Zuagroaste hier vor ihm mal zeigen, ob er vernünftige Fragen zu stellen vermochte.
Ludwig überlegte kurz, ob er die Fragetaktik des Wiederholens der letzten zwei Worte des Gesprächspartners plus Fragezeichen gehen sollte. Doch ein „Eine Untersuchung?“ war ihm zu billig und der bayerische Dorfsheriff hier würde ihn sonst nicht mehr ernst nehmen. Das wollte er vermeiden und deshalb fragte er stattdessen: „Und welches Ergebnis brachte denn diese Untersuchung?“
Das war nicht so klug, fuhr es Ludwig durch den Sinn. Denn wenn die Ermittlung ein brauchbares Ergebnis gehabt hätte, dann wäre der Pferdedieb inzwischen schon lange gefangen und wenn schon nicht wie im Western gehängt, dann doch mindestens geteert und gefedert aus dem Ort gejagt worden. Ludwig „Wiggerls“ Einstellung auf der Ranch hätte nie stattgefunden und all die Gäule standen wieder an ihrem Platz.
Bentheneder holte tief Luft. Er hatte ähnliche Gedanken auf die Frage hin entwickelt und ein unheilvolles Stirnrunzeln deutete bereits eine grantige Reaktion an, die Ludwig aber nicht abwarten wollte. Um Deeskalation bemüht, schob er deswegen nach: „Konnten Sie Spuren sichern, die den Täterkreis einengen?“ Damit stellte er geschickt eine Weiche und gab dem Polizisten eine Steilvorlage, denn der vermochte es jetzt, gesichtswahrend zu schildern, was man alles bereits unternommen hatte.
Und er holte prompt aus: „Wir haben Aussagen aufgenommen, konnten aber keine Zeugen finden, die den Tathergang verfolgt hatten.“ Er lachte gequält: „Da waren Profis am Werk.“
Ludwig ahnte, dass der Xaver noch mehr auf der Pfanne hatte und dass er gern darüber redete, zumindest in dieser vertraulichen Umgebung. Also ließ er ihn reden.
„Ja, und Fußspuren gab es auch keine verwertbaren. Am Vormittag nach der Meldung des Diebstahls hat es geregnet und die Wege sahen wie frisch gefegt aus, na ja, Sie wissen schon.“
Ludwig nickte wissend: Mit aufgeweichten, verwaschenen Spuren konnte man nicht viel anfangen. Insgeheim hoffte er, dass sich während ihrer Unterhaltung ein Hauch von vertrauter Nähe zwischen den zwei Detektiven aufbaute – allem anfänglichen Argwohn zum Trotz.
„Frisch gefegt ist vielleicht übertrieben“, plauderte Bentheneder munter weiter. „Aber markante Schuhsohlenabdrücke außer von den gewöhnlichen Ranch-Standard-Arbeitsstiefeln gab es keine.“ Er machte eine beschwichtigende Handbewegung, als wollte er sich rechtfertigen: „Und die ganze Ranch stilllegen, um Fußabdrücke zu nehmen, das hielten wir für unangemessen.“
Ludwig dachte sich noch, dass der Xaver sicher den Toni gefragt hatte, was ihm wichtiger war, eine nicht blockierte Ranch oder eine genaue Spurenverfolgung mit ungewissem Ausgang. Und viel Aufhebens um eine an sich unschöne Sache zu machen, das war nicht Tonis Art. Schade für die Spurensucher.
„Hufabdrücke?“, warf Ludwig ein, denn er musste zeigen, dass er konzentriert bei der Sache blieb und dass er zielgerichtet fragen konnte.
Als Bestätigung erntete er ein anerkennendes Nicken des Polizisten. „Die verliefen in alle Richtungen, ganz konfus.“ Er zuckte mit den Schultern. „Da war nichts Aufschlussreiches dabei, auch außerhalb der Ranch nicht.“ Jetzt nickte Ludwig wieder und gab sich auch alle Mühe, dabei ein anerkennendes Gesicht zu machen.
Das sah der Polizist gerne.
Und Ludwig hatte seinen netten Tag und baute dem Weißbierliebhaber eine weitere Brücke: „Also haben Sie eine Anzeige gegen unbekannt vorliegen und die Untersuchung ist in der Schwebe?“
„So ist es“, kam die prompte Zustimmung.
Frage und Antwort gingen mittlerweile harmonisch Hand in Hand. Die beiden „Kriminalisten“ verstanden sich in der Tat.
„Ist Ihnen denn noch etwas aufgefallen?“, drehte der Sheriff den Spieß um, mehr als höfliche Floskel und zur Abrundung. Das konnte Ludwig anhand der Fragestellung entschlüsseln, denn sonst hätte der Staatsdiener etwas bestimmter gefragt, zum Beispiel: „Und, haben Sie noch Beweise gefunden?“
Und Ludwig hatte ja tatsächlich etwas auf Lager. Doch er durfte jetzt nicht überziehen, denn dann stand er als Besserwisser da und die Tür der Vertrautheit zum Beamten fiel ins Schloss. Also stapelte er tief: „Na ja, ich habe mir die Überwachungsvideos angesehen.“
Bentheneder ahnte, dass jetzt etwas ans Licht kam – ein Versäumnis, obwohl er natürlich ebenfalls die Bänder inspiziert hatte. „Aha?“, stellte der Sheriff ein Fragezeichen in den Raum, ohne preiszugeben, was er sich an den Videos angesehen hatte und was nicht.
Ein bisschen schmoren lassen wollte Ludwig den Staatsmann schon. Also machte er eine bedeutsame Pause, bevor er antwortete: „Die Videos wurden manipuliert.“
Bentheneder wirkte äußerlich nicht sonderlich verblüfft. Aber das nützte ihm nichts, denn Ludwig wusste es besser: Der Polizist hatte allen Grund, überrascht zu sein, denn hätte er selbst eine Unregelmäßigkeit in den Aufzeichnungen gefunden, dann hätte er schon längst damit geprahlt. Schließlich bildeten Überwachungsvideos heute das, was früher die Fußspuren und Tierfährten im Western waren – der Schlüssel zum Täter.
„Und wie wurden sie gefälscht?“, fragte Bentheneder interessiert, aber gänzlich ohne unprofessionelle Hektik. Dabei war er innerlich heiß darauf, mehr zu erfahren und seiner unvollendeten Fallakte die fehlenden Kapitel hinzuzufügen. Umso besser stand er dann da.
Und Ludwig erzählte von den statischen Sequenzen in der nächtlichen Aufzeichnung, von den täuschend echten Bildern und vom Geschick des Täters, der eine Illusion geschaffen hatte, die man so gut wie gar nicht aufzudecken vermochte. Letzteres sollte dem alten Polizisten schmeicheln, schließlich musste Ludwig ihn sich warmhalten. Es konnte zwar sein, dass man gemeinsam mit den Gesetzeshütern nicht viel weiterkam und Bentheneder hatte bisher kaum Substanzielles geliefert. Gegen die Polizei zu ermitteln stellte jedoch auf alle Fälle eine große Torheit dar. Und unnötige Hürden wollte Ludwig nicht aufbauen.
„Ach“, stieß Bentheneder aus und konnte seine Betroffenheit ob der verpassten Ermittlungsergebnisse nun kaum mehr kaschieren. „Das ist ja interessant“, sagte er schnell hinterher, um eben doch zu versuchen, seine Betroffenheit zu übertünchen. Vergebens.
„Haben Sie denn die Überwachungsvideos sichergestellt?“, plusterte sich Bentheneder jetzt auf. Er hatte Sorge, dass ein Beweismittel verlorenging.
Ludwig erklärte seelenruhig, dass sich die Videos bei den Kohlbayrs in sicherer Verwahrung befanden. Man konnte sie jederzeit einsehen. Man überschrieb sie auch nicht. Bentheneder entwickelte plötzlich Betriebsamkeit und machte Anstalten aufzubrechen. Er wollte die Beweismittel sicherstellen und hier nichts dem Zufall überlassen. Zumindest lag ihm daran, seinem Gegenüber zu zeigen, dass er einen Mann der Tat vor sich hatte.
„Haben Sie noch Zeit für ein paar schnelle Fragen?“, versuchte Ludwig ihn aufzuhalten, denn er hatte noch einen unverbrauchten Vorrat an Wissensdurst dabei. Bentheneder ließ sich besänftigen und sackte zurück in seinen Stuhl. Betriebsamkeit hatte er ja bereits demonstriert und die bildete das Gegenteil von Untätigkeit. Die Bänder liefen ihm schon nicht weg. Also erwartete er Ludwigs schnelle Fragen.
„Wer ist denn verdächtig, gab es zum Beispiel Konkurrenten?“
Der Polizist winkte ab: „Unwahrscheinlich. Das ist eine Gemeinschaft da draußen. Sie leihen sich auch gegenseitig Maschinen.“
„Stimmt“, dachte Ludwig, „Konkurrenzkampf geht anders.“
„Könnten es irgendwelche Aktivisten gewesen sein?“
Bentheneder lachte plötzlich auf.
Was hatte ihn belustigt? Ludwig ergriff die Unsicherheit.
Dazu machte der Alte noch eine abschätzige Handbewegung.
„Da können Sie mal sehen, wie wenig Sie sich hier auskennen.“
„Toll“, dachte Ludwig, jetzt spielt der doch noch die Zuagroasten-Karte, von wegen keine Peilung und so.
Doch darin lag gar nicht Bentheneders Absicht, denn er begnügte sich damit zu zeigen, wie entschlossen er war und dass er kein, wirklich gar kein Interesse daran hatte, dass sich hier irgendeine Protestbewegung formierte. Nicht in seinem Bereich. „Es gab da mal ein paar grüne Spinner, die meinten, gegen die Massentierhaltung in Baumgartens Hühnermastbetrieb gleich in der Nähe von Genglkofen protestieren zu müssen.“ Bentheneder schaute Ludwig aufmunternd an.
Und der tat ihm den Gefallen und antwortete mit einem interessierten „Und?“
Jetzt brach erneut ein Schwall lauten Lachens aus dem Polizisten heraus: „Die habe ich festgenommen, wegen Ruhestörung.“
Ludwig nickte, denn Revoluzzer, und dazu noch welche mit grünem Anstrich, waren ihm ebenfalls suspekt.
„Ich habe sie dann eine Weile stehen lassen“, fuhr der Alte fort. „Und der Baumgarten, der hatte genug Zeit, seinen Feuerwehrschlauch zu holen. Und dann hat er sie erst einmal zünftig geduscht.“ Jetzt kicherte er unverhohlen, denn diese Erinnerung versetzte ihn noch heute in Frohsinn. „Da konnte ich gar nichts machen.“ Er zwinkerte mit den Augen und sah jetzt einem Smiley aus der nächstbesten Messenger-App zum Verwechseln ähnlich.
Dann schaltete er auf ernst um: „Denen habe ich’s gezeigt! Seitdem hat sich keiner dieser Weltverbesserer hier wieder sehen lassen.“
„Nicht in Bentheneders Reich“, fügte Ludwig in Gedanken dazu.
Und wie zur Bestätigung ergänzte der Alte: „Danach gingen die höchstens mal zum Huber, drei Landkreise weiter.“ Er rieb sich selbstzufrieden die Hände. „Um mich haben die stets einen Bogen gemacht.“
Das empfand Ludwig jetzt als zu viel der Selbstbeweihräucherung. Er wollte stattdessen gerne wieder zurück zu „seinem“ Fall kommen. Eine spitze Frage tanzte ihm dazu auf der Zunge. „Und wenn sie nun einen Überraschungscoup gelandet haben? Vielleicht fühlten sich alle zu sicher und keiner hat sie erwartet?“
Von der Antwort war Ludwig ehrlich überrascht: „Mein Junge, derlei Mitbürger haben wir auf dem Kieker, da hält die Polizei zusammen.“
Ludwig gab seine bequeme Sitzhaltung auf. Sah sein Gegenüber nur äußerlich gemütlich aus und war in Wirklichkeit ein Kontrollfreak? Es schien fast so.
„Die können noch nicht mal ohne Erlaubnis rülpsen, schon habe ich die einkassiert“, bekräftigte der Sheriff. Und hätte er in der Tat einen Sheriffstern getragen, dann wäre der jetzt aufgeblitzt und hätte Ludwig geblendet.
Bentheneder hatte damit für heute genug Polizistenfähigkeit demonstriert, meinte er. Daher machte er jetzt abermals Anstalten aufzubrechen. Doch Ludwig musste noch eine letzte Frage stellen – wie Detektiv Columbo im Film. Gerade dessen späte Erkundigungen wirkten am schärfsten und er kramte sie heraus, wenn das Gegenüber sich schon im sicheren Hafen wähnte.
„Was wissen Sie vom Unfall von Iris Donner?“
Die Frage war berechtigt, denn wenn dem Sheriff hier schon nichts entging, dann sollte er auch wenigstens von dem Vorkommnis wissen. Tat er auch. Aber er schaute nach oben zur Decke, bevor er antwortete. Das wirkte spielerisch, als wenn man es mit einem Kind zu tun hatte, das die Welt erklärt haben wollte und man ihm eine Antwort gab, die der Angelegenheit nicht viel Gewicht beimaß. Trachtete dieser Ludwig etwa danach, dem Kohlbayr etwas zu unterstellen? Nein, er wisse nicht viel davon. Ein Krankenwagen kam, man hatte sich um das Kind gekümmert und aus die Maus. War eben tragisch, aber sowas passierte. Sie war nicht die erste Reiterin, die vom Pferd fiel und sie würde auch nicht die letzte sein. Zu untersuchen gab es da nichts.
Ludwig nickte bedächtig. Er überlegte, ob er noch eine Frage nachschieben sollte. Aber er ließ es sein, denn die Antwort des Alten zum Unfall geriet ziemlich lang, sogar sehr lang für eine Sache, die er nach außen hin als Kleinigkeit abwiegelte. Da folgten auf die nächste Frage nur noch weitere Ausflüchte. Doch in Ludwig stieg ein Verdacht auf: Hatte Xaver Bentheneder etwa ein schlechtes Gewissen wegen Iris?