Читать книгу Stille Bylle - Paula Grimm - Страница 9
3 Kapitel
ОглавлениеAls Gesken aus dem Zimmer getreten war, blieb sie einen Augenblick im Flur stehen, um sich zu sammeln.
„Und – ist die Ramona einmal in ihrem Leben wirklich mal wichtig gewesen?“, stichelte der dicke Prinz.
Darauf reagierte Gesken nicht. Sie holte tief Luft und sagte: „Dass jeder seine Aussage machen muss, habe ich Ihnen ja schon gesagt. Aber es spricht nichts dagegen, nicht dem Wunsch des Herrn von Hohlberg zu entsprechen, mit dem Sie wohl alle einverstanden sind. Schließlich hat ihm niemand widersprochen. Wir treffen uns um vier im Speisezimmer des Hotels. Und dann lassen wir Sibylle Leuchteblau selbst ausführlich zu Wort kommen. Denn von ihr selbst werden wir wohl am ehesten erfahren, ob ihr Todesfall ein Selbstmord war oder nicht. Und was es dann noch zu besprechen gibt, werden wir dann besprechen.“
Der dicke Prinz und alle anderen, die in den Türrahmen ihrer Zimmer standen, schossen plötzlich Fragen durch den Kopf. Auf Gesken schossen sie zu wie dünne Pfeile. Gesken ahnte, was in den Leuten vorging. – Ist das eine Falle? – Was bezweckt die damit? – Sollten wir dagegen nicht protestieren? Das Prasseln der dünnen Pfeile hörte ebenso plötzlich auf, wie es angefangen hatte. Dann folgte eine Stille, die zu gleichen Teilen mit Neugier und Unbehagen angefüllt war.
Gesken wandte sich noch einmal dem Flur zu und erklärte: „Dass wir uns ganz klar verstehen. Jeder kann kommen. Aber niemand muss dabei sein.“
Dann ging Gesken mit ruhigen Schritten auf Bläss zu. Dabei geschah etwas, was ihre Kollegen schon häufiger erlebt hatten, was sie nicht verstehen konnten, was so unglaublich war, dass sie es bestaunten wie ein Wunder. Sie hatten miterlebt, wie Gesken mit Kindern umging und dabei wie ein Kind gewesen war. Sie hatten miterlebt, wie sie sich mit alten Menschen unterhalten hatte und wie sie dabei genauso alt gewesen zu sein schien wie die alten Leute. Und nun erlebten sie mit, wie sie jetzt auf Bläss zuging, und – obwohl sie auf ihren beiden Beinen nach Menschenart aufrecht ging und mit ihrer menschlichen Stimme sprach – war sie doch wie ein Arbeitshund, der sich einem anderen Arbeitshund zuwandte.
„Bläss, Bläss, steh auf“, sagte sie ruhig. Und so langsam wie Bläss aufstand, so langsam bewegte Gesken ihre Hand auch auf sie zu, damit die Hündin sie beschnuppern konnte.
„Komm mit, Bläss!“, rief Gesken im Gehen über die Schulter und ging zur Tür hinaus. Und Bläss ging mit. Zögernd zunächst und mit traurig hängenden Ohren. Doch sie ging. Sie ging neben der neuen, großen Herrin aus dem Zimmer, ein Stück den Flur entlang ins Treppenhaus, die Treppe hinunter und bis zur Tür der Wohnung der Hotelbesitzerin, an der Gesken klingelte. So sehr sich Gesken auf die Hündin und den Weg, den sie zurückzulegen hatten, konzentriert hatte, war ihr doch nicht entgangen, dass sich, als sie mit Bläss das Treppenhaus betreten hatte, um die Gruppe der Gäste etwas verändert hatte. Es war, als ob sich um die Leute ein harter Panzer gebildet und geschlossen hatte. Und der würde nicht leicht zu knacken sein.