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Auf dem Weg zu dem Mietshaus aus den dreißiger Jahren hielten sie sich im Taxi heimlich an den Händen, schwiegen dabei aber so hartnäckig, dass sie der Chauffeur, der Kamila dank ihres Kopftuchs nicht erkannte, für ein Scheidungspaar halten musste. Dann liebten sie sich auf der Couch, die sie nicht einmal mehr schafften auszuklappen, geschweige denn mit einem Laken zu beziehen. Sie sprach erst, nachdem sie aus ihrer Besinnungslosigkeit wieder zu sich gekommen war, und es klang fast schon verzweifelt.

»Du weißt, dass ich mich wegen dir scheiden lassen wollte! Aber ich konnte nicht ahnen, dass du diese Nacht überlebt hast, als ich nach dem Krieg gar nichts mehr von ihr gehört habe!«

»Ich habe mich dort im Krankenhaus erst nach einem halben Jahr erinnert, wer ich war.«

»Du wusstest auch, dass wir uns nur zum Schein haben scheiden lassen. Felix ließ diesen Akt dann wieder rückgängig machen. Du warst für mich gestorben, und ihn konnte ich wenigstens noch schätzen.«

»Hast du ihm gesagt, dass wir ein halbes Jahr miteinander gelebt haben?«

»Ich habe gesagt, dass wir uns zufällig getroffen haben und du mir dort zu überleben geholfen hast.«

Sie bemerkte, dass sie ihn damit verletzt hatte.

»Entschuldige, aber wozu wäre das gut gewesen? So schätzt er dich wenigstens weiterhin. Er war es, der mich zu dir geschickt hat.«

Ungläubig setzte er sich hin.

»Er hat dich geschickt, damit du hier mit mir ...?«

»Um Gottes willen, nicht deswegen! Die Sozialdemokratie ist gerade bis aufs Blut wegen des Zusammenschlusses mit den Kommunisten zerstritten!«

»Ja, aber was soll ich ...«

»Du bist in ihrem Zentralkomitee. Er möchte sich mit dir bald einmal diskret beraten.«

»Vor dem Krieg konnte er mich nicht einmal riechen!«

»Er glaubt, dass du dem Radikalismus abgeschworen hast. Angeblich hätten es ihm deine Verse gesagt. Er selbst hat mir die Sammlung gegeben, er ahnte nicht, dass ich sie gleich nach ihrem Erscheinen gelesen ... und mich dabei ausgeweint habe, Jan ...«

Er sah, dass sie vor Kälte zitterte, stand auf und legte ihr seinen Mantel um, den er aus den auf den Boden geworfenen Kleidern hervorzog.

»Und er hat nicht gemerkt, dass es um dich geht?«

»Du weißt, ich lüge nicht. Aber ich habe ihm erzählt, dass du dich dort in meine Freundin verliebt hättest, die nicht überlebt hat ...«

Und weiter wollte sie darüber nicht mehr sprechen.

»Könntest du vielleicht übermorgen am Nachmittag?«

Er nahm ihre Hände.

»Kommst du zu mir zurück?«

Sie antwortete, als hätte sie auf diese Frage gewartet.

»Jetzt geht es nicht mehr!«

»Warum denn nicht?«

»Er ist ... sehr gealtert ...«

»Na und?«

»Es gibt so etwas wie Solidarität ...«

Jan bekam Magenschmerzen, seit seiner Kindheit ein Warnsensor für seinen Seelenzustand.

»Hast du also mit mir geschlafen, nur damit ich ihm einen Rat gebe?«

Jetzt fuhr sie so schlagartig hoch, dass ihr der Mantel hinunterrutschte.

»Ich habe nicht aufgehört, dich zu lieben, wie du eben bemerken konntest.«

»Ich dich auch nicht, wie du bemerken konntest ... Aber wie geht es dann mit uns weiter?«

Nackt wie sie war, beugte sie sich zu ihrem Kostüm hinab und fischte aus seiner Tasche ein silbernes Zigarettenetui und ein Feuerzeug.

»Rauchst du immer noch nicht?«

»Immer noch nicht. Wie geht es weiter, Kamila?«

Sie zündete sich eine Zigarette an und widmete erst jetzt ihre Aufmerksamkeit dem gegliederten Raum, welcher mit Statuen und Gemälden auf Staffeleien überfüllt war.

»Wo sind wir?«

»Im Atelier eines Schulfreundes. Er gibt eine Ausstellung in der Schweiz, aber es sieht so aus, als ob er dort bleiben würde – nach den Ereignissen bei uns. Antwortest du mir?«

Aufgeregt zog sie an ihrer Zigarette und drehte sich zu ihm hin.

»Wenn du mir versprichst, dass du nichts in die Luft sprengst, dann will ich dich hier treffen, wann immer es geht. Ich fühle es, wie du es geschrieben hast!«

»Was?«

Die dunkle Altstimme rief ihm jenen Doppelvers ins Gedächtnis, der seine Sammlung ausklingen ließ.

Ich dank’ dir für die Liebe ohne Zwist.

Mein Leben lang werde ich wissen, dass du bist.

Die Schlinge

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